Ein Chateau voller Liebe

Dass die Liebe einen erblinden lässt, bezieht sich nicht auf das Sehvermögen unserer Augen. Vielmehr nimmt es uns die Sicht auf die Dinge, die den Partner in ein schlechtes Licht rücken könnten. Sie lässt uns glauben, dass der Auserwählte keine Fehler hat. Keine Makel oder gar irgendwelche schlechten Angewohnheiten, die einem sauer aufstoßen könnten. Die Liebe verzeiht alles Schlechte und bringt das Gute noch strahlender hervor, sodass man permanent davon geblendet wird.

So verhielt es sich auch im Falle von Perceval, der nicht sehen konnte, wer Bleuciel in Wirklichkeit war. Hierbei traf den Adeligen jedoch keine Schuld. Die Liebe zu dem Dieb strahlte hell genug, um jeden aufstrebenden Schatten gnadenlos zu übermannen. Sein einziges Ziel bestand darin, das Glück um jeden Preis zu bewahren und sich von nichts aus der Ruhe bringen zu lassen.

„Kommen Sie", sagte Perceval, der seinen Partner am liebsten an die Hand genommen hätte. „Als erstes zeige ich Ihnen die Bibliothek."

Gemeinsam verließen sie Percevals Zimmer, um durch den langen Korridor zu gehen. Dabei passierten sie das Arbeitszimmer, Bernards Schlafzimmer – vor dem die Wache postiert war –, das Badezimmer, sowie den Ankleideraum, bevor sie nach links um die Ecke bogen. Hier erstreckte sich ein weiterer Gang mit drei rechtsgelegenen Türen.

„Dort hinten befinden sich die beiden Gästezimmer", erklärte Perceval. „Und hier vorne ist die Bibliothek."

Beim Betreten des Zimmers verspürte der Künstler eine sofortige Erleichterung. Irgendjemand war so nett gewesen und hatte sich dazu erbarmt, das gesamte Chaos zu beseitigen, welches Perceval nach seinem Tobsuchtsanfall hinterlassen hatte. Andernfalls wäre er spätestens jetzt in Erklärungsnot geraten. Er beobachtete Bleuciel dabei, wie dieser mit großen Augen durch den Raum wanderte, als sähe er solche Dinge zum ersten Mal. Liebevoll glitten dessen Finger über vereinzelte Buchrücken.

„Das ist wunderschön", wisperte Dubois, der aus dem Staunen nicht mehr herausfand.

„Nicht annähernd so schön, wie Sie, Liebster", bemerkte Perceval, dem der Anblick seines Partners ein freudiges Bauchkribbeln bescherte. Es tat so unfassbar gut in seiner Nähe zu sein.

In der Bibliothek befand sich neben den zahlreichen Bücherregalen auch ein langer Sessel, sowie ein massiver Tisch mitsamt gepolsterten Stühlen. Wem danach war, konnte sich mit einem der Bücher hier drin verkriechen und seine Seele baumeln lassen. Sobald die Sonne durch die Fenster schien, war dies hier der perfekte Ort, um Ruhe zu finden.

„Dieses hier würde ich Ihnen gerne einmal nahelegen", äußerte Perceval, der sich gezielt zu einem der Regale begab. Dort entnahm er ein Buch des Schriftstellers Miguel de Cervantes. „Don Quijote", offenbarte Perceval. „Kennen Sie die Geschichte?", fragte er, was Bleuciel mit einem Kopfschütteln verneinte. „Wirklich nicht? Dann wird es höchste Zeit. Nehmen Sie das Buch ruhig an sich."

„Das geht nicht", widersprach der Dieb peinlich berührt. „Ich ... Ich kann nicht."

„Unsinn. Das ist doch keine große Sache, Monsieur. Mein Vater und ich haben das Werk bereits gelesen, weshalb ..."

„Ich kann nicht", fiel Bleuciel dem Adeligen ins Wort. „Weil ich ... nun ich ...", druckste er herum. Er blickte zu Boden und schabte mit dem Stiefel über den Teppich. „Es tut mir leid. Mir wurde das Lesen nicht gelehrt."

Ein mühsames Geständnis, bei dem Percevals Augenbrauen nach oben schnellten. Es entstand ein kurzer Moment des Schweigens, in dem sich Dubois bereits mit den schlimmsten Erwartungen auseinandersetzte. Räuspernd stellte Perceval das Buch an seinen ursprünglichen Platz, bevor er Dubois einen zärtlichen Kuss auf die Lippen drückte.

„Es wäre mir eine Ehre, wenn ich Sie die Kunst des Lesens lehren dürfte", hauchte er, wobei er Bleuciel durch die Haare strich.

Sie spürten beide, wie sich das Band ihrer Liebe weiter festigte. Durch ihr gegenseitiges Vertrauen erlangten sie neue Stärke, mit der sie weitere Ebenen besteigen konnten. Sie tauschten eine innige Umarmung aus, durch die sie kurzweilig auf Wolke Sieben schwebten.

„Doch vorerst genug hiervon", sprach Perceval mit einem aufgeweckten Lächeln. „Ich muss Ihnen unbedingt den Garten zeigen!"

Aus einem Impuls heraus ergriff er Bleuciels Hand, um diesen mit sich zu ziehen. Erst als ihnen eine der Bediensteten entgegenkam, fiel ihnen die derzeitige Situation auf, weshalb sie rasch voneinander abließen. Eine hektische Reaktion, die den Anschein erweckte, als hätten sie sich aneinander die Finger verbrannt.

Sie nahmen die Haupttreppe, um in das Erdgeschoss zu gelangen, und wandten sich anschließend an die Rückseite des Chateaus. Kurz darauf betraten sie den prächtigen Garten, bei dessen Anblick die Kinnlade des Diebes hinunterklappte.

Die wenigen Stufen führten zu einem hellen Kiesweg, über den man weiter vorne an einen beeindruckenden Brunnen gelangte.

Der Brunnen selbst besaß einige Steinskulpturen, deren Hände einen darüberliegenden Teller stützten und in dessen Mitte weitere Skulpturen standen, die dasselbe taten. Nach oben hin wurden Teller und Skulpturen immer kleiner. An dessen Spitze lief das Wasser bis ganz nach unten, wo es schließlich in einem flachen Becken aufgefangen wurde. Der äußere Rand des Brunnens lud dazu ein, sich darauf niederzulassen, um seine Hand ins Wasser zu tauchen. Zumindest an Tagen, an denen es die Temperaturen zuließen.

Links vom Brunnen befanden sich mehrere Hecken, die fein säuberlich getrimmt worden waren. Rechts vom Brunnen existierte eine große Grünfläche, auf der vermutlich die Feierlichkeiten abgehalten wurden.

Hinter dem Brunnen formte sich der Kiesweg zu einem großen Kreis, in dessen Zentrum sich ein Irrgarten befand. Außerhalb des Kreises standen ein paar Bäume. Zudem glaubte Bleuciel einen Fischteich zu erspähen, welcher sich im nordöstlichsten Teil des Gartens befand.

Nachdem sich Perceval vergewissert hatte, dass niemand in Sichtweite war, schnappte er Bleuciel bei der Hand, um sich gemeinsam mit ihm zum Labyrinth zu begeben.

„Haben Sie so etwas schon mal gemacht?", fragte er, was Dubois wie üblich verneinen musste. „Dann wird es nun allerhöchste Zeit, mein Liebster. Versuchen Sie einfach auf der anderen Seite wieder herauszukommen, in Ordnung?"

„In Ordnung."

„Prima. Ich werde dort auf Sie warten. Falls Sie Hilfe benötigen, brauchen Sie nur nach mir zu rufen. Ich hole Sie dann da raus."

„Einverstanden."

Hinsichtlich der neuen Herausforderung verspürte Bleuciel eine leichte Nervosität, welche er sich vor Perceval allerdings nicht anmerken lassen wollte. Er betrat den Irrgarten und staunte über die hohen Hecken, die ihm jegliche Sicht nach außen verweigerten. Kurz blickte er gen Himmel, wo die untergehende Sonne den Abend einläutete und eine frische Brise durch den Garten blies. Obschon der Dieb dadurch ein wenig fröstelte, minderte das nicht seine Begeisterung für das seltsame Labyrinth.

Wie sich herausstellte, führten manche Wege in eine Sackgasse. Dubois behielt diese im Kopf und orientierte sich anhand von Baumkronen, die er trotz der hohen Hecken sehen konnte. Somit gelangte er nach einiger Zeit an den Ausgang, wo ihm Perceval ein strahlendes Lächeln entgegenwarf.

„Hervorragend, Monsieur! Sie waren wirklich schnell", lobte er. Kurz galt seine Aufmerksamkeit dem Horizont. „Ich möchte Sie noch an den Teich führen, bevor die Sonne zur Gänze verschwunden ist."

So bahnten sie sich den Weg zu dem Teich, dessen Rand von Schilf umgeben war. Neugierig beobachtete Bleuciel die Wasseroberfläche, unter der sich ein paar Fische tummelten. Sie waren relativ groß und erzeugten mit ihren gemächlichen Bewegungen eine gewisse Entspannung, die rasch auf den Beobachter überging.

„Wirklich sehr schön", schwärmte Bleuciel, der sich danach zu Perceval wandte, um spontan von ihm geküsst zu werden.

Eine riskante Tat, die einzig der romantischen Atmosphäre zuschulden war und der sich Dubois nicht entziehen konnte. Demnach erwiderte er den Kuss, bis sie ausgiebig voneinander gekostet hatten.

„Zuletzt noch der Ballsaal", flüsterte Perceval mit einem verträumten Blick. „Bitte begleiten Sie mich, Liebster."

Händchenhaltend kehrten sie zurück. Erst am Brunnen trennten sie die Verbindung. Anschließend wurde Bleuciel bis zum Ballsaal geführt.

Ein großer Raum mit einer hohen Decke, an der pompöse Kronleuchter hingen. Irgendwer hatte sich die Mühe gemacht, sämtliche Kerzen zu entzünden, weshalb das Zimmer hell erleuchtet war. An den Fenstern entdeckte Bleuciel schwere Vorhänge in einem hübschen Blau.

„Wissen Sie, weshalb man hier drin so viel Platz hat?", fragte Perceval, der die derzeitige Zweisamkeit nutzte, um die Hand seines Liebhabers zu ergreifen. „Damit man ausgiebig tanzen kann."

Prompt zog er den Dieb zu sich heran, um seine freie Hand an dessen Rücken zu führen. Bleuciel schnappte indes nach Luft. Die Nähe zu Perceval ließ sein Herz vor Freude ein paar Sprünge machen. Ein tiefer Blick in die Augen genügte, um sich ihrer gegenseitigen Liebe absolut sicher zu sein. Sie fühlten sich wie des Glückes Schmied. In diesem Moment war einfach alles perfekt.

Mit kleinen Schritten tänzelten sie durch den Raum, bis Bleuciel seinem Partner versehentlich auf den Fuß trat. Dubois' haspelnder Entschuldigung folgte ein herzhaftes Lachen seitens Perceval. Sie alberten herum und kicherten dabei wie zwei frisch verliebte Jünglinge, deren Unartigkeit für Aufsehen sorgen würde.

Die prickelnden Spielereien verleiteten Perceval dazu, seiner Lieblingsbeschäftigung nachzugehen, weshalb er sich am Hals von Bleuciel festsaugte. Zufrieden vernahm er dessen überraschtes Stöhnen. Zeitgleich nutzte der Künstler die Gelegenheit, um seine Hand nach unten wandern zu lassen. Geschickt schlüpfte sie in die Hose, kroch dort in die Unterhose und war erst glücklich, nachdem sie die wachsende Härte zwischen die Finger bekam.

„Nicht!", japste Bleuciel, dessen Becken automatisch nach vorne schnellte. „N-Nicht hier ..."

„Ich kann nicht anders, Liebster", gestand Perceval, der die Tropfen an der empfindlichen Spitze auf dem heißen Fleisch verteilte. „Ich liebe Sie so sehr."

Das Knallen einer Tür ließ die beiden vor Schreck zusammenfahren. Rasch entfernte der Adelige seine Hand.

„Sohn!", ertönte es aus nicht allzu weiter Ferne.

„M-Mein Vater", krächzte Perceval schockiert. „Schnell. Wir müssen Sie verstecken. Sofort." 

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