Kapitel 4
Als Kind hatte sie stets zu den Sternenläufern gebetet. Wenn ihre Eltern geglaubt hatten, dass sie längst schlief war Layla auf ihre Fensterbank geklettert und hatte in den Nachthimmel emporgeblickt. Dann hatte sie mit Erzählen angefangen. Von ihrem Tag und den Dingen die sie angestellt hatte. Manchmal war sie traurig gewesen, manchmal wütend. Die meiste Zeit aber hatten ihre Augen mit den Sternen um die Wette gefunkelt.
Sie war ein glückliches Kind gewesen. So voller Freude. Bis in jener Nacht, als die Grabschreiter sich aus der Erde erhoben. In dieser Nacht war ihre Welt untergegangen und damit ihr Glaube an die Sterne. Nie wieder hatte sie zu ihnen gesprochen. Stattdessen hatte sie das akzeptiert, was die Ungläubigen schon seit Jahren predigten: Dass die Sterne verbündete des Mondes waren und sie durch Gebete mehr Macht erlangten. Macht, die sie nutzten, um den Menschen ihre schönsten Erinnerungen zu stehlen.
Layla hatte sich in den vergangenen Jahren damit abgefunden nie die Wahrheit über die Sternenläufer herauszufinden und dennoch hatte es gut getan auf jemanden wütend sein zu können. Nie hätte sie sich träumen lassen, dass plötzlich zwei dieser mystischen Wesen vor ihr stehen würden. Sie hatte sie sich ganz anders vorgestellt. Weniger menschlich.
Ihre alte Wut auf die Sterne begann von neuem an die Oberfläche zu brodeln. Heiß und schmerzvoll wie einer der Wasservulkane, die sie vor Jahren mit ihrer Großmutter besucht hatte. Wer dachten diese beiden, wer sie waren? Stürmten hier rein und rüttelten ihre schlimmsten Albträume wach, nur um ihre Angst wie ein lebendiges Tier zum Leben zu erwecken. Selbst wenn die Grabschreiter zurück waren (und Layla bezweifelte es) hatten sie keinen Grund ihr Leben auf den Kopf zu stellen. Gerade jetzt, als sie sich damit abgefunden hatte ihr Dasein den Heilsteinen und ihrer Großmutter zu widmen.
Sorge spaltete ihr Inneres und ehe sie sich versah, hatte sie eine Entscheidung getroffen.
„Was tust du da?"
Stella neigte neugierig den Kopf, während sie Layla beim Packen zusah. Alles was ihr wichtig erschien landete in einem Beutel, ehe sie ihre Schuhe schnürte und in ihren Wintermantel schlüpfte.
Caelum knackte ungeduldig mit dem Kiefer. „Hast du alles? Können wir endlich gehen?"
„Nein." Layla griff nach dem Dolch ihrer Mutter und schob ihn in ihren Gurt. Dann ging sie an den beiden vorbei und öffnete die Tür.
„Wurde auch Zeit." Caelum folgte ihr in das wirbelnde Weiß. Ohne auf seinen Kommentar einzugehen stapfte Layla den Berg zur Kapelle empor.
„Wo gehst du hin?" Stella rannte wie ein aufgescheuchtes Huhn hinter ihr her. „Wir müssen in die andere Richtung!"
Verärgert schüttelte Layla den Kopf. „Nein. Ihr müsst in die andere Richtung. Ich werde nach Aldebaran gehen und meine Großmutter suchen."
Stellas Gesicht verwandelte sich in eine Maske aus Angst.
„Du wirst sie nur in Gefahr bringen!"
Layla ignorierte ihren Einwurf und stapfte entschlossen den Rest des Berges hoch. Die Sternenläuferin ging noch immer neben ihr her und zog sich die Kapuze tief ins Gesicht.
„Wenn du nach Aldebaran gehst werden wir mit dir kommen."
„Macht was ihr wollt."
Bei der Kapelle angekommen blieb Layla stehen und strich über den rauen Stein, als wolle sie sich von ihrem Lieblingsort verabschieden. Als wüsste sie bereits, dass kein Zurückkommen gab.
Ich hoffe, die Geschichte gefällt euch bis jetzt und das ihr weiter lesen werdet, sobald ich die nächsten Kapitel geschrieben habe. 😊
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