28.2 Asfáleia - Sicherheit
„Runter!", rief Sotiris. Seine Stimme hallte laut über die dunklen Steine hinweg.
Dias gehorchte und ließ sich fast auf den Boden fallen, während sein Freund an ihm vorbeirannte. Sein Herz blieb für einen Augenblick stehen, als er realisierte, dass Sotiris mit erhobenem Schwert direkt auf das Maul der Bestie zustürmte. Mehr als ein Stoßgebet sandte er gen Olymp, als der Löwenkopf in Sotiris' Richtung schnellte und der Junge seine Klinge hervorrasen ließ. Einem lebendigen Löwen hätte dieser Angriff sicherlich Haut und Fleisch durchtrennt, der Chimaira allerdings verpasste sie lediglich einige unschöne Kratzer auf der bronzenen Oberfläche.
Frustriert schrie Sotiris auf und schlug erneut zu. Seine Klinge krachte zwei weitere Male auf das schimmernde Metall, ehe die Chimaira zurückschlug.
Ihre Fangzähne blitzten im Licht des Labyrinthes auf. Einen Moment später prangten zwei tiefe Schnitte quer über Sotiris' Brust, als dieser den plötzlichen Schlag mit der Löwenpranke nicht abwehren konnte.
Laut fluchend und vor Schmerz stöhnend wurde er von Dias zurückgezerrt, dessen Herz einen Schlag ausgesetzt hatte. Warmes Blut tropfte von Sotiris' Wunden auf seine Füße, als er ihn herumriss, um einen Blick auf die Verletzung zu werfen.
„Das ist nichts", knurrte der Junge mit schmerzverzerrtem Gesicht.
Dias hatte das dringende Bedürfnis seinen dickköpfigen Freund zu schlagen, ließ es aber bleiben und raunte: „Sei vorsichtiger." Er blickte ihm durchdringend in die Augen. Ich will nicht ohne dich hier rausgehen, dachte er.
„Beeilt euch!" Vaias angestrengte Stimme ließ ihn aufblicken.
Das Mädchen hatte es zwar geschafft ihre Klinger wieder aufzulesen und der Chimaira gegen die weiße Flanke zu schlagen, um damit einem der Ziegenbeine einen ordentlich Schnitt zuzufügen, allerdings wehrte die Bestie sich mit mehr, als Vaia abwehren konnte.
Wo ein normales Tier versagt hätte, konnte Dädalus' Erfindung Zähne, Klauen und Schweif gleichzeitig zum Angriff bewegen. In einer seltsam faszinierenden synchronen Bewegungen attackierte die Chimaira das Mädchen vor ihr an drei Fronten, während dieses nur zurückstolpern konnte, um eine ebenfalls blutige Wunde zu vermeiden.
Das Orchester an Kampfgeräuschen klingelte laut in Dias' Ohren, als er neben Vaia eilte. Die beiden Kinder ließen ihre vereinten Schläge auf die Chimaira niederregnen.
Zwar konterte die Bestie noch immer mit all ihren metallenen Körperteilen, aber Dias und Vaia konnten den meisten Angriffen ausweichen, sodass diese ins Leere gingen. Als Sotiris sich ihnen wieder anschloss, blutig und verschrammt, aber mit einem Feuer in den Augen, begab Dias sich bereits in die Ekstase ihres Sieges.
Ihre Schläge trieben die Bestie immer weiter zurück. Die beiden ungleichen Beinpaare wankten unter der Wucht, mit denen die Schwerter die mittlerweile zerkratzte metallene Oberfläche schlugen. Dias wich einem kräftigen Biss der Chimaira aus, ließ seine Klinge auf deren Schädel niederkrachen und gab Vaia damit die Zeit, nach vorne zu stürmen. Die Klinge des Mädchens landete mit einem lauten Klirren auf einem der Ziegenbeine, welches unter dem Schlag einknickte.
Als teilten sie sich alle eine Lunge, hielten sie den Atem an, als die absonderliche Bestie ins Schwanken geriet. Schneller, als es ihnen lieb war, baute sie sich allerdings wieder auf. Ein hässlicher Kratzer zierte das Metall ihres Beins.
Je länger sie kämpften, desto schwerer wurden Dias' Arme. Das Feuer des Kampfes hielt ihn zwar wach, aber seine Kraft wurde mit jedem Schlag weniger, mit jedem Schritt nach vorne fühlte er sich bleierner. Sein Atem ging in schnellen Stößen und ein unangenehmes Stechen breitete sich in seiner Seite aus.
„Konzentriert euch auf eine Stelle!", rief Vaia fordernd. Sie klang erschöpft. Schweiß tropfte ihr vom Kinn.
Der Schweif der Chimaira zerriss erneut die Luft vor ihrem Gesicht und das widerliche Zischen der Schlange erfüllte den Gang, während ein tieferes Geräusch mit dem erneuten Ausstoßen von Dampf daherkam.
Ohne sich abzusprechen schlugen die drei jungen Krieger im selben Moment auf das linke, vordere Löwenbein. Ihre Schwerter krachten auf die Bronze und ein lautes Knacken ließ Dias' Magen rebellieren, als das Metall unter ihrem vereinten Angriff zersprang. Der Vorderlauf brach unter dem Körper der Chimaira weg. Wie ein abgetrennter Zweig eines Baumes fiel er zu Boden und ließ die Bestie straucheln.
Dias ließ einen kurzlebigen Laut der Freude vernehmen. Ihr kleiner Sieg hatte die Nachwirkung, dass Sotiris schwer atmend einige Schritte zurücktaumelte.
„Schon gut", würgte der Junge hervor. „Nur ein Moment –" Seine Worte gingen in einem Anfall von Husten und Keuchen unter.
Wenn es nach ihm gegangen wäre, dann hätte Dias sein Schwert zu Boden geworfen und wäre mit Sotiris in die entgegengesetzte Richtung geflohen. Der Anblick seiner blutigen Brust schickte eine eisige Kälte durch seinen Körper.
Es war nur eine Sekunde, in der er nicht konzentriert war. Eine Sekunde, die für die Chimaira genug war, um ihre rasiermesserscharfen Zähne oberhalb seines rechten Knies zu versenken.
Ein Schmerz wie tausend Messerstiche durchfloss seinen Körper. Dias hörte, wie sein Knochen brach, bevor er es spürte. Seine zum Zerreißen angespannten Nerven zersprangen und er bemerkte, wie er fiel, noch bevor er realisiert hatte, dass er das Gleichgewicht verloren hatte. Brennend, blutend, reißend, krachend wurde sein Leib geschunden. Eine mörderische Pein durchzog jede seiner Fasern. Seine Eingeweide wurden zu Dutzenden goldenen Schlangenschweifen, die sich wild windend ineinander verbissen.
Hinter ihm erklang die getrübte Stimme von Sotiris, der seinen Namen schrie. Er wollte irgendwas erwidern, allerdings hinderte ihn der plötzliche Geschmack von Blut in seinem Mund daran; ohne es zu bemerken, hatte sich der Junge die Zunge zerbissen.
Die Chimaira löste ihre metallenen Zähne für den Bruchteil einer Sekunde aus seinem Bein, ehe sie erneut zubiss. Das widerwärtige Geräusch von gurgelndem Blut und brechenden Knochen schien den jungen Krieger von innen heraus auszufüllen.
„Halte durch!", schrie Vaia irgendwo neben ihm.
Ein Schwert klirrte. Metall traf kreischend auf Metall. Die Luft war erfüllt von Dias' eigenem schmerzerfüllten Schrei und den Klingenschlägen Vaias.
Als die Chimaira von seinem Bein abließ, war die Hälfte seines Blickfelds bereits schwarz. Sein Hinterkopf pochte an der Stelle, an der er auf dem Boden aufgekommen war, sein Bein brannte lichterloh und Schmerz in allen Farben erfüllte seinen Geist.
Soll es so enden?, dachte er müde und gequält.
„Dias!" Sotiris' Stimme drang zwar nur wie durch Watte an seine Ohren, aber sie reichte aus, damit er aufhorchte. „Dias!"
Dias spürte zwei kräftige Hände unter seinen Achseln, die ihn über den Stein zerrten und der grimmige, blutverschmierte Löwenkopf verschwamm in seinen Augen immer mehr zu einer Silhouette, während diese sich von ihm entfernte.
„Bleib bei mir!"
In seiner kurzzeitig geklärten Sicht erschien das besorgte, verschwitzte Gesicht von Sotiris, dessen Augen im schummrigen Licht glänzten. Einige Schweißtropfen fielen von seinem Kinn und verfingen sich in Dias' Haaren.
„Du darfst jetzt nicht aufgeben!", schrie Sotiris ihn an. Seine Stimme war dünn und er klang heiser. „Du hast gesagt, du wirst auch kämpfen!"
Dias' Blick verschleierte erneut. Er spürte, wie die Dunkelheit an seinem Geist nagte, als der Schmerz aus seinem Bein sich in jede Pore seines Körpers einnistete und er langsam das Gefühl in seinen rechten Zehen verlor. Eine gähnende Leere versuchte seine Gedanken zu schlucken, aber Dias wollte nicht nichts denken. Er wollte bei Sotiris und Vaia bleiben und ihnen helfen. Noch konnte er doch ein Schwert halten.
Seine Finger griffen schwach in die Leere. Wo war sein Schwert überhaupt?
„Dias! Öffne die Augen!" Jemand rüttelte an seinen Schultern und Dias brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass es sich um Sotiris handelte.
„Lass ihn bloß nicht einschlafen!", schrie von irgendwo weiter vorne Vaia.
„Ich arbeite daran, es zu verhindern!", antwortete der Junge laut.
„Halte ein bisschen durch", sagte Vaia. Ein lautes Metallklirren ertönte und klärte Dias' Geist kurzzeitig auf. „Ich glaube, es wird langsamer!" Wie um ihre Worte zu unterstreichen, ließ das Mädchen einen Kampfschrei los und ein weiteres Kreischen von Metall auf Metall erklang. Die Luft vibrierte von ihren Angriffen.
„Werde nicht übermütig, Vaia", erwiderte Sotiris.
Dias stöhnte schmerzerfüllt auf, als er sein Bein bewegte. Es fühlte sich so an, als würde jemand mit einem stumpfen Beil immer und immer wieder auf seinen bereits zertrümmerten Knochen einschlagen. Er spürte, wie sein eigenes, warmes Blut seine Kleidung benetzte und sie an seiner Haut kleben ließ.
Zittrige Finger fuhren rasch an seiner Wange entlang und Dias blickte fahrig auf.
Sotiris traf seine Augen nicht. Er war damit beschäftigt, sich das Gewand über den Kopf zu zerren. Er zerschnitt die schmutzigen Leinen mit seinem Schwert zu Streifen und knotete sie fahrig zusammen. Seine Hände bebten.
Trotz seiner eigenen, betäubenden Schmerzen konnte Dias nicht umhin, als trocken zu schlucken, als er die Verletzung auf Sotiris' Brust sah. Die Chimaira hatte seine Haut sauber zerrissen und zwei blutige Schnitte hinterlassen, angefangen unterhalb seines Herzens bis hin zu seiner rechten Achsel. Dunkelrotes Blut sickerte aus den offenen Wunden, aber sie waren nicht so tief, wie Dias gedacht hatte. Schmerzhaft mussten sie allemal sein.
Der andere Junge warf seine Klinge zur Seite, die mit einem scheppernden Geräusch über den Stein rutschte. Er kroch eilig um Dias herum und hob sein verletztes Bein leicht genug an, damit er die zusammengeknoteten Fetzen darunter legen konnte, ehe er es behutsam wieder absetzte.
Diese kurze Berührung und Bewegung reichten aus, damit eine wesentlich stärkere Welle an Pein seinen Körper durchzog. Sterne blitzten vor seinen Augen auf, bevor sich seine Augäpfel nach innen drehten und Schwarz seinen Geist umhüllte.
Dias konnte spüren, wie Sotiris sein zerschnittenes Hemd um sein verletztes Bein wickelte. Das Gefühl unterhalb seines Knies wurde langsam tauber, doch der Schmerz ließ nicht nach. Es war kaum so, als hätte die Chimaira ihm ins Bein gebissen, sondern seinen gesamten Körper zerrissen, innen wie außen.
„Es stoppt die Blutung nicht, aber – oh ihr Götter, bitte, bleib wach, Dias!" Sotiris' Stimme schallte leise zu ihm herüber. „Du kannst hier nicht sterben!"
Er wollte ihm sagen, dass er nicht sterben würde. Dass es doch nur ein Biss war. Dias wurde schon einmal gebissen, von einem Nachbarshund. Aber selbst ihm fiel auf, dass das kein Vergleich war. Die metallenen Zähne der Chimaira hatten nicht nur seine Haut und sein Fleisch durchtrennt, sondern auch den Knochen zermalmt. Das Gefühl der Taubheit wanderte immer weiter seinen Unterschenkel hinauf, als würde sein rechtes Bein schlafen, aber der Rest seines Körpers wäre hellwach.
Mit einem wortwörtlichen Schlag öffnete Dias die Augen. Seine Wange brannte und Sotiris' Gesicht tauchte in seinem Sichtfeld auf. Die Augen des anderen Jungen waren feucht und glänzten vor Angst.
„Bleib wach", sagte Sotiris mit gedrückter Stimme. Er nahm einen zitternden Atemzug, ehe er seine Finger vorsichtig in Dias' Haare krallte. „Du darfst nicht einschlafen."
Dias fragte sich, wie er bei dem Lärm, den die Chimaira veranstaltete, überhaupt einschlafen könnten, doch noch während er dies dachte, spürte er, wie die dunkle Müdigkeit sich seinen Körper hinauftastete. Das Gefühl in seinem Knie verließ ihn.
„Ich hab's gleich, glaube ich!", schrie Vaia. Ihr Schwert klirrte gegen die absonderliche Bestie und das zischende Geräusch von Dampf erfüllte die Luft. Das Mädchen rief noch etwas, was im Kreischen von Metall unterging. Ein Klappern ertönte und dann ein Jubelschrei.
Sotiris wandte sich für den Bruchteil einer Sekunde um und er seine Augen fingen an zu leuchten. „Sehr gut, Vaia!" Er drehte den Kopf zurück zu Dias. „Sie hat noch ein Bein abgetrennt", erklärte er seinem verwundeten Kameraden mit bebender Stimme. „Das Ding kann nicht mehr stehen."
Ein lautes Krachen ließ den Boden erzittern. „Ja!", rief Vaia erschöpft aus. „Jetzt habe ich dich!"
„Das genügt, ihr Helden."
Würde Dias nicht am Boden liegen und vor Schmerzen das Bewusstsein verlieren, dann wäre er aufgesprungen. Eine Stimme, die keinem Geschlecht zuzuordnen war, erfüllte den Gang und jedwedes metallene Kreischen versiegte. Sie klang dunkel und drohend, als sie anfing zu sprechen, endete jedoch sanft wie ein sommerlicher Regenschauer.
„Ein Kampf muss nicht immer im Tod enden, genauso wenig wie ein Traum in Dunkelheit beginnen muss", sagte die Stimme in der Luft.
Ein eiskalter Wind, wie der, den Dias gespürt hatte, bevor die Chimaira sie angegriffen hatte, durchstieß sein Herz und er keuchte unerwartet auf. Blut sickerte aus seinem offenen Mundwinkel und er musste würgen, als er den eisernen Geschmack auf seiner durchbissenen Zunge spürte.
„Wer da?", rief Vaia aus. Sie klang verwirrt, erschöpft und euphorisch zugleich. „War dieses Ding eine weitere göttliche Prüfung?"
„In der Tat, junge Heldin", antwortete die körperlose Stimme ruhig. „Ein Test, eine Prüfung, eine Probe, nenn es, wie du magst, das Ergebnis bleibt gleich. Die Grenzen meiner Prüfungen gehen über die körperliche Gefahr hinaus. Du, die du die Chimaira geschlachtet hast, die einst Dädalus entwarf, hast deine eigenen Dämonen bezwungen. Und du, der du dem Verlust näher gekommen bist, als du verkraften könntest, hast der Wahrheit gegenüber nicht die Augen verschlossen. Auch du, der du in Sorge um andere dein eigenes Leben riskiertest, hast nicht aufgehört, an den Schmerz anderer zu denken. Ihr habt bestanden und euch dem gestellt, was euch am meisten plagte."
Dias erzitterte, als er spürte, wie die Stimme sich ihm direkt zugewandt hatte. Das benommene Taubheitsgefühl in seinem Bein breitete sich bis zu seinem Oberschenkel aus. Er wusste nicht, ob er die Zehen bewegte, wenn er es versuchte und er hatte nicht die Kraft, aufzublicken. Langsam und bedächtig schloss er die Augen. Die Schwärze seines Geistes blendete das schummrige Licht des Ganges aus.
„Dias!" Sotiris rüttelte erneut an seiner Schulter. „Bleib wach, hörst du? Du sollst wach bleiben."
Ein stummer Atemzug entwich Dias' Mund, als die Benommenheit sich in seinen Torso kämpfte. Ich bin doch wach, wollte er sagen. Ich bin doch bei dir und habe gekämpft.
„Ihr seid dem Ende nah", sprach die Stimme. „Bedenkt jedoch, dass ein Ende auch immer ein Anfang ist, der noch nicht begonnen hat. Chimairabezwingerin, hast du es erraten?"
„Ich denke schon", erwiderte Vaia leise. „Ihr seid Phobos."
„Beeindruckend." Erneut ein kalter Wind. „Und das ohne direkte Hinweise. Du kannst es weit bringen, Heldin."
„Dias, bleib wach, bleib wach", flüsterte Sotiris in sein Ohr, als wäre es ein Mantra, dessen Inhalt er vor tausenden Jahren auswendig gelernt hätte, nur um es für all die Ewigkeit aufsagen zu können. „Bleib bei mir."
„Könnt Ihr meinem Freund helfen?", fragte Vaia mit rascher, sich überschlagender Stimme. „Bitte, er wurde schwer verletzt und –"
„Schweig, Heldin", sagte Phobos leise und jedwedes Echo versiegte.
Dias spürte, wie Sotiris' gesamter Körper sich anspannte, wie seine Finger, die sanft auf seiner Kopfhaut lagen, zuckten. Die Benommenheit breitete sich immer weiter aus. Konnte er seine Finger bewegen? Wer wusste es schon. Sein Kopf pochte vor Schmerz. Ein trockenes, beinahe lautloses Schluchzen verließ Sotiris' Kehle, als er sein Gesicht an Dias' Brust drückte. Ob er seinen langsamen Herzschlag spüren konnte?
„Ich vermag nicht zu heilen oder zu retten. Mein einziger Sinn liegt im Lehren vor der Angst. Seit Anbeginn meiner Selbst leite ich die Menschen, damit sie ihre Angst bekämpfen und sie nutzen. Ein jeder von euch blickte euren schlimmsten Dämonen in die Augen und besiegte sie."
„Aber er verblutet, wenn wir nichts tun!", sagte Vaia anklagend. „Bitte, Ihr müsst uns helfen!"
„Muss ich?", fragte Phobos leise, die Stimme laut wie ein Orkan. „Ich denke nicht, dass ich das muss. Mein Anliegen war nie, euch zu helfen. Ich bin hier, um zu testen. Ein jeder Held muss Prüfungen überstehen und ihr habt meine bezwungen. Um die Nachwirkungen dessen muss ich mir keine Gedanken machen. Wenn euer Freund verblutet, dann haben die Moiren es so vorgesehen. Wenn er überlebt, dann haben sie sich dafür entscheiden. Wer kann schon wissen, wie das Schicksal der sterblichen Leben miteinander verwoben sind?"
Ein Kribbeln ging in Dias' Hals über und er schlug langsam und schwerfällig die Lider auf. Er dachte daran, dass er die Hand anhob und sie Sotiris auf den Kopf legte und anhand des erschrockenen Keuchens des anderen Jungen ging er davon aus, dass er erfolgreich gewesen war. Dias bewegte die Lippen, aber anstatt Wörtern entkam ihm nur ein trockenes Krächzen.
Sotiris schüttelte heftig den Kopf. „Nicht reden", sagte er. Seine Fingernägel kratzten über Dias' Kopf. „Bleib einfach wach."
„Ah", sagte Phobos, dieses Mal klang es so sanft wie Daunenfedern. „Ein Hauch von Frühling ist erblüht." Es ertönte etwas, was Dias als leises Lachen identifizierte. „Zarte Knospen, die den rauen Winter überstanden haben. Ihr seid stark, Helden."
„Bleib wach", hauchte Sotiris, komplett ignorierend, was der Gott der Angst sagte. Seine Augen waren nur auf Dias fokussiert.
Kribbelnde Benommenheit kroch in seine Wangen. Kämpf weiter, dachte der Junge. Der einzige Schmerz, den er noch verspürte, war ein dumpfes Pochen in seinem Hinterkopf. Ansonsten war dort nichts. Er fühlte nichts mehr.
„B-Bitte", murmelte Sotiris und schluchzte so leise und zart, dass es fast als Atemzug durchgegangen wäre, wären dort nicht die kleinen Tränen gewesen, die aus seinen Wimpern tropften und Dias' Haut benetzten.
„Hätte ich ein Herz, würdet ihr mich rühren", sprach Phobos kühl wie ein Wintermorgen.
„Helft ihm doch", sagte Vaia mit tränenreicher Stimme.
„Noch immer ist dies nicht meine Aufgabe, Heldin", antwortete die Angst.
„Macht es zu Eurer Aufgabe!", verlangte sie.
„Fordere meine Geduld nicht heraus. Ihr habt eine Prüfung bestanden, aber das bedeutet nicht, dass ich keine zweite anführen kann."
Es fühlte sich beinahe so an, als würde sich ein sanfter Schleier über Dias' Geist legen. Seine Gedanken lagen in einem Bett aus trägen Wellen. Wach und Schlaf schwappte über ihn, mal nahm es ihm die Luft, mal schenkte es den spendenden Atem.
Dunkelheit war verlockend für Dias. Sie versprach Ruhe. Und einen sanften Schlaf. Ein stummes Versprechen nach Frieden. Das Ende des Kampfes.
„Danke", krächzte der verletzte Junge.
Sotiris' Finger strichen sanft über seine Wange. Ein Atem streifte seine Haut. Die zarte Feuchtigkeit einer Träne schickte einen letzten Schauer durch seinen Geist.
Dann versank Dias. Und alles war still.
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