Kapitel 41


„Wie geht es dir, mein Engel?", fragte Dorian und schaute missbilligend auf das Buch in meinem Schoß. Ich schlug es zu und legte es neben mir auf den Nachttisch. „Lady Malet ist sehr großzügig. Gibt es irgendetwas, dass ich ihr im Gegenzug zukommen lassen kann?", fragte ich und beobachtete, wie sich Dorian zu mir ins Bett schob. Sofort rutschte ich näher an ihn heran. Es war so unglaublich, dass das jetzt erlaubt war. Dorian drückte mir einen Kuss auf Stirn.

„Kannst du dir ein größeres Geschenk vorstellen, als den Besuch der Kaiserin?"

„Da fällt mir vieles ein"

„Lavinia!"

Dorian verstrubbelte lachend mein Haar und ich prustete selbst. Als sich seine Brust wieder langsamer hob und senkte, sah ich zu ihm auf.

„Vielleicht kannst du morgen zum Diner erscheinen. Dann kannst du sie selbst fragen"

„Mein Arzt meint, wir sollen noch zwei volle Tage hier bleiben. Zur Sicherheit. Glaubst du, das geht in Ordnung?"

Dorian senkte seine Lippen auf meine ab und seinem Kuss lag mehr Bestätigung, als diese einfache Fragen verlangte. Ich zog mich an seinem Hals hoch und Dorian stöhnte auf, als ich halb auf ihm zu liegen kam. „Heute noch nicht, Lavinia", stoppte er mich, worauf ich resignier seufzte. „Morgen?", fragte ich frustriert, worauf Dorian mir über die Haare strich und mich sanft von sich herunter schob. „Wenn es dir gut genug geht", flüsterte er und ich nickte wiederwillig. Dorian schlang einen Arm um mich und hielt mich fest an sich gepresst, als er das Gas der Nachttischlampe abdrehte.

Das Motto des Abends war schlicht. Olivia war vor Wochen an den Hof gekommen, um mir ihr landwirtschaftliches Problem darzulegen. Mehr formhalber, als das sie glorreiche Ideen von mir erwartete, aber ich habe ihr die Mittel zugesagt. Einerseits hatte es mich beeindruckt, dass eine verheiratete Frau wirtschaftliche Probleme selbst in die Hand nahm und andererseits litt sie noch unter einigen wirtschaftlichen Sanktionen, die Mathew dem Osten auferlegt hatte.

Wahrscheinlich wäre es an der Zeit sie aufzuheben, dachte ich, während la Rovere meine Haare zu mehreren Zöpfe flocht. Abschließend legte sie mir eine schlichte Perlenkette um den Hals. Ich erhob mich und strich nochmal über den dunkelgrünen Stoff meines Kleides.

***

Dorian hatte sich den ganzen Nachmittag nicht blicken gelassen, deshalb schritt ich alleine die Treppe hinunter. Sie war zwar mit einem Teppich ausstaffiert, aber das zeigte eher noch deutlicher, wie schmal sie war. Wobei, alles im Vergleich zu den Treppen im Schloss wird schmal wirken. Maida erwartete mich am Ende der Treppe und lächelte mich entspannt an. La Rovere hatte den restlichen Abend frei und Maida sollte uns zu Tisch begleiten. Obwohl die beiden meine engsten Vertrauten waren, aßen wir beinahe nie gemeinsam. Mein Diner nahm ich meistens mit Nemours oder den Kindern ein und den Lunch ließ ich gerne ausfallen, oder kam nur zur Nachspeise dazu.

Schulterzuckend ließ ich mir von ihr den Weg in einen hübschen, kleinen Salon zeigen. An einer Wand hing ein orientalischer Teppich und der Rest des Raumes war demnach dezent gehalten. „Majestät", Lord Malet erhob sich steif und Dorian tat es ihm langsamer nach. Dorian drückte mir einen Kuss auf die Wange und legte einen Arm um mich, als er mich zu dem anderen Ehepaar führte. „Majestät, es ist uns eine große Ehre Euch hier willkommen zu heißen", begrüßte mich Lady Malet und ich nickte lächelnd. Nach Dorians Beschreibung hatte ich mich auf etwas Lockeres eingestellt, aber gut. „Sei doch nicht so steif, Olivia", schalt Dorian sie und ließ mich los, um sie freundschaftlich anzustoßen, „Damit machst du uns ganz verlegen" Bevor Olivia sich weiter hineinreiten konnte, ging ich auf sie zu und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. Lord Malet streckte ich meine Hand entgegen. Ich küsste aus Prinzip keinen anderen Männern die Wange als Dorian und Nemours.

„Möchtet Ihr auch einen Brandy, Lavinia?"

„Einen Kleinen, danke"

Vor dem Dinner blieb nicht mehr viel Zeit, aber genügend Zeit für einen kleinen Brandy war immer. „Von wo ist der Teppich?", fragte ich neugierig und trat näher auf ihn zu. „Ich brachte ihn von einer Indienreise mit", erzählte Lord Malet und seine Wangen röteten sich dabei. Gespannt sah ich ihn an. „Indien erwies sich als eines der schönsten Länder, die ich je bereist hatte. Die Farbenvielfalt in ihrem Leben ist einzigartig"

„Wenn es nur halb so prächtig ist, wie dieser Teppich hier, kann ich mir das gut vorstellen"

Dorian schnaubte belustigt hinter mir, worauf ich beleidigt die Arme verschränkte. Beschwichtigend drückte er mir einen Kuss auf die Wange. Ich ließ mich für diesen Augenblick gegen ihn sinken. „Ihr habt Euer Land noch nie verlassen, seid Ihr hier seid, nicht wahr?", fragte Lady Malet nach und nickte. Bisher hatte ich das kaum registriert. Ich las so viele Berichte von Botschaftern, dass ich meist ganz dankbar war, keine Staatsbesuche absolvieren zu müssen. Das reichte mir nämlich bereits an diplomatischen Verstrickungen.

„Wohin würdet Ihr gerne reisen?", fragte Lord Malet und ich sah zögernd zu Dorian. Zuzugeben, dass ich mich für ein Land mehr interessierte, als das andere, konnte mich in diplomatische Schwierigkeiten bringen. Aber Dorian nickte ganz unbekümmert.

„Irgendwohin, wo die Sonne scheint. Italien würde mir gut gefallen"

„Italien ist zurzeit sicher schwierig. Princesse Esposito ist eine Freundin von Euch, nicht wahr?", fragte Lady Malet und ich sah erneut irritiert zu Dorian. Locker bedeutete nicht zwingend vertraulich. Zumindest nicht für mich. „Princesse Esposito ist eine meiner Palastdamen", stellte ich die Aussage nüchtern richtig. Für meinen Geschmack wagte sie sich mit ihren Fragen zu weit vor. „Eine Kaiserin hat keine Freundinnen", schalt Lord Malet seine Frau, worauf mein Lächeln gefror. Natürlich hatte ich ... ich zögerte. Gerade hatte ich es bestritten. Ich lehrte das Brandyglas in einem Zug und sah das Ehepaar abwartend an. Ich wollte essen.

Dorian und Maida schafften es gemeinsam, das Gespräch zu führen. Zugegeben war ich erneut erschöpft und dankbar, nicht viel sagen zu müssen. „Majestät?", müde hob ich den Kopf. Zuckte zusammen, als ich ihn als Soldat identifizierte. Sofort richtete ich mich ein Stück weiter auf. „Was gibt es?", fragte ich und bemühte mich, möglichst gelassen zu sein.

„Ein Bote, Majestät"

„Kann das bis nach dem Diner warten?"

„Nein, Majestät"

Ergeben seufzte ich und lächelte entschuldigend in die Runde. Ich bemerkte Dorians besorgten Blick. „Wie hast du unseren ungeplanten Zwischenstopp gerechtfertigt?" – „Mit dem Wetter" Ich nickte langsam und wandte mich um. Am Wetter war nichts auszusetzen, davon konnte die Eildepesche also nicht handeln. Unruhig hielt ich vor dem Boten, der mir das Kuvert in einer Verbeugung überreichte. Es war Nemours krakelige Handschrift. Er hatte sich also beeilt.

Ich überflog den Inhalt und wurde von Zeile zu Zeile wütender. Sie hatten Dorian mit Mehrheits-beschluss seines Ministerpostens enthoben. Mir war schleierhaft, seit wann dieses Gesetz überhaupt existierte. Anscheinend fühlten sie sich von meiner Anwesenheit in diesem Haus gereizt und gaben Dorian die Schuld daran. Ich nickte dem Boten und dem Soldaten zu und faltete den Brief zusammen.

Alle erhoben sich erneut, als ich das Esszimmer betrat und warteten, bis ich Platz genommen hatte. Die Spannung im Raum war greifbar. Verzweifelt fuhr ich mir einmal über das Gesicht, bevor ich versuchte möglichst ruhig weiter zu essen. Aber die Müdigkeit übermannte mich mit einem Schlag. Warum konnten sie mir nicht wenigstens diese wenigen Wochen gönnen?

„Lord Malet, dürfte ich ab morgen eines Eurer Zimmer als nutzen. Ich muss einige Briefe aufsetzen", forderte ich, worauf sich Ehepaar beeilte zu nicken. „Lavinia, wolltet Ihr morgen nicht abreisen?", fragte Dorian nach und ich schüttelte grimmig den Kopf. „Wir bleiben und reisen direkt zu Solei oder ins Schloss, wenn es der Ministerrat darauf anlegt entlassen zu werden", erwiderte ich bissig und erhob mich. Erneut scharrten Schüle. „Herrgott! Bleibt doch sitzen!", fuhr ich sie an, worauf erneut eilig Stühle scharrten. Warum waren die beiden bloß so ungeschickt?! Ich spürte Dorians Blick in meinem Rücken und kämpfte gegen meine Tränen. Wie lange hatte er Ruhe? Einen Tag, oder weniger?

„Die Minister haben Euch Eures Amtes enthoben. Das natürlich verrückt ist, da ich meine Minister bestimme, aber ...", ich brach ab und zuckte hilflos mit den Schultern. Aber sie wollten mir sagen, dass du in einer deiner Position nicht erwünscht bist. „Bitte entschuldigt, Lady Malet, Mylord", ich nickte beiden zu und stieß mich vom Fensterrahmen ab, „Ich bin erschöpft. Ich werde mich zurückziehen" Dorian und Maida erhoben sich gleichzeitig, aber ich schüttelte sofort den Kopf. Ich wollte alleine sein. Oder zumindest so alleine, wie es meine Dämonen erlaubten. 

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