Kapitel 26
Über den langen Tisch des Sitzungssaals war einige Karte gebreitet, die mit verschiedenfarbigen Soldatengruppen bestückt war. Das Klopfen des Saalhüters war noch nicht verklungen, als ich den Raum betrat und Minister sahen mich einen Moment überrascht an, bevor sie sich verbeugten. In der Regel hatte ich es nicht besonders eilig, die Sitzungen zu beginnen.
„Wie viele Truppen könnten wir verlagern, um den Wünschen der Spanier zu entsprechen?"
„Unsere Verbündeten haben sich bereiterklärt fünf der sieben Eskadrons aufzunehmen"
„Von welchen Gesellschaften sprechen wir?"
„Französischen, portugiesischen und italienischen Verbindungen. Mit anderen Botschaftern haben wir noch nicht gesprochen"
Ich nickte langsam. Mit Sicherheit wussten die Spanier, dass wir gerade zu den Italienern und Franzosen starke Verbindungen haben. Umso besser, wenn sie bemerken, dass wir uns nicht einfach aus ihren Gebieten vertreiben lassen. „Wir verlagern nur 3", bestimmte ich, worauf der Oberkommandierende die Augenbrauen hochzog. Chevaliers hatte sich vor ihm gestellt und vermittelte mir so offensichtlich wie noch nie, wo er stand. Ich presste die Lippen zusammen. „Mit Verlaub Majestät?", begann der Oberkommandierende und ich ahmte seinen Gesichtsausdruck nach. Meine Außenpolitik ging lediglich Chevaliers als meinen Außenminister etwas an. Eventuell noch Nemours, da er es mit unseren Botschaftern zu tun hatte und die Innenpolitik seine Domäne war. „Gestern habt Ihr gesagt, dass die Spanier ein Entgegenkommen bemerken wollen. Drei Eskadron sind praktisch gar nichts", gab er zu bedenken. Ich warf noch einmal einen prüfenden Blick auf die Karten und versuchte mir drei Gruppen weniger vorzustellen. Er hatte Recht. Das wird kaum einen Unterschied machen. „Wir haben Notiz davon erhalten, dass sich Kenneths Gruppen in Richtung Spanien bewegen", die Köpfe aller Minister fuhren zu mir herum. Betont gelangweilt starrte ich an ihnen vorbei.
„Nemours", es kostete mich einiges an Überwindung seinen Namen auszusprechen und noch mehr, ihn dabei anzusehen, „Besprecht mit den Gesandten, dass wir unsere Truppen an die Grenze verlagern möchten. Chevaliers, sorgt bitte dafür, dass nichts davon diesen Raum verlässt und Oberkommandierender" ich war erleichtert in ein Gesicht blicken zu können, dass es mir zumindest Ehrlichkeit versprach. Den im Vergleich zu den Ministern hatte er noch nicht gelernt seine Emotionen zu verbergen. „Ich möchte, dass Ihr einige unsere Generäle nach Spanien entsendet, damit sie Gruppen inspizieren und im Notfall ... einschreiten könnten", wies ich ihn, worauf er knapp nickte. „Sollte Kenneth oder die spanische Geheimgesellschaft glauben, wir wären ohne Mathew schwächer, haben sie sich geirrt"
***
Nemours, Chevaliers und der Oberkommandierende trotteten hinter mir zurück in mein Arbeitszimmer. Wir werden wohl zuerst alle einen Scotch brauchen, bevor wir weiterarbeiten konnten.
„Haben es die Adeligen geschluckt?"
„Vorerst", Chevaliers bediente sich nach seiner Antwort am Scotch.
„Sonst noch jemand?"
„Es ist noch nicht Mal Mittag"
„Dann sollten die Räte in Zukunft nur mehr abends einberufen werden"
Ich schmunzelte und deuteten den drei Männern platz zu nehmen. Es gab nur eine Sache, die ich an Chevaliers mochte. Dass er den Rat genauso sehr hasste wie ich. Zum Glück hatte ich nur vier Minister, die ausschlaggebend für Abstimmungen waren. Sobald ich zwei Minister und die Mehrheit der Adeligen oder drei Minister und keine Mehrheit im Adel zusammenhatte, waren Gesetze vom Rat akzeptiert.
Als alle Männer saßen, hörte ich Grace schrille Stimme bereits durch die Tür. Sie schien den Saalhütern Angst zu machen, da sie ohne Weiters in den Raum stürmte. „Ihr könnt mich hier nicht festhalten!" – „Ich bin gerade in wichtigen Gesprächen" Grace ballte ihre Hände zu Fäusten. Die Minister hatten sich peinlich berührt erhoben. „Gespräche über meine Zukunft", fuhr sie mich an und ich erwiderte stumm ihren Blick. Sie war zu lange fort gewesen, stellte ich bekümmert fest. Mit ihrem Starrsinn wird sie hier nichts erreichen. Wie weit sie jener auch immer in Spanien gebracht, bei mir wird sie damit auf taube Ohren stoßen. Zu aller erst war sie immer noch unserem Land verpflichtet.
„Aber ich liebe ihn" – „Ich weiß, Prinzessin. Wir besprechen das später" Grace presste ihre Lippen zusammen und für einen Moment wirkte es so, als würde sie widersprechen. Zu meinem Glück zog sie sich mit einem Knicks zurück.
Nemours sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. In Momenten dieser Art bereute ich, dass er nicht nur Minister, sondern auch Familienmitglied war.
„Habt Ihr Eure Meinung geändert? Wollt Ihr Kenneth niederstrecken?"
„Sollten wir ihn wirklich in unsere Finger bekommen, werde ich das die Spanier übernehmen lassen"
Chevaliers zog die Augenbrauen nach oben. Bevor er etwas sagen konnte, nickte der Oberkommandierende. „Das ist klug, Majestät", lobte er und ich lächelte leicht. Ich übertrumpfte Mathew nur in wenigen Bereichen, aber hier war es eindeutig weiser, sich nicht die Finger schmutzig zu machen. Die Spanier mussten mir ihre Loyalität erst beweisen und das ist die perfekte Gelegenheit dafür. „Schickt mir eine Liste der Männer, Oberkommandierender", verlangte ich und er nickte knapp. „Wir sehen uns beim Dine", verabschiedete ich von den anderen beiden und sie nickte mir zu. „Soll ich mit Prinzessin Grace sprechen?", fragte Nemours, worauf ich entschieden den Kopf schüttelte. In den letzten Jahren konnte ich mich in ihrem Leben nicht behaupten, dass musste ich schleunigst nachholen. Grace war immer noch Staatsbürgerin dieses Landes und ich musste mich vergewissern, dass ihr das auch bewusst war.
Ich bemerkte Dorian erst, als er sich mir gegenüber auf einen Stuhl fallen ließ. „Lasst uns alleine", ordnete ich sofort an und erhob mich. Dorian sah zu mir auf, machte aber keine Anstalt sich zu erheben. Zögerlich trat ich näher auf ihn zu, bis mich seine Hände erreichen konnten und er mich auf seinen Schoß zog. Sofort vergrub ich meinen Kopf an seiner Schulter und schlang meine Hände um seinen Nacken. Dorian erwiderte die Umarmung zögerlich. „Grace war bei mir", flüsterte er. Ich versteifte mich, worauf mir Dorian beruhigend über den Rücken strich. „Hast du nochmal mit ihr gesprochen?", fragte er sachte, worauf ich den Kopf schüttelte. Es galt ein Diner auszufechten und ich musste mir erst meine Argumente zurechtlegen. „Grace glaubt, du willst sie nicht loslassen", redete er weiter. Warum konnte er nicht still sein? Schnaubend drückte ich mich von ihm weg und rutschte von seinem Schoß. „Wie hast du reagiert?" – „Ich habe gesagt, dass ich das nicht beurteilen kann" Ich nickte langsam. Das war gelogen. Dorian sah sich sehr wohl in der Lage mich einzuschätzen. Das bedeutete, er gab ihr Recht. Verärgert verschränkte ich die Arme.
„Du weißt, dass ich es nicht riskieren kann, sie deinem Vater auf dem Silbertablett zu servieren"
„Es geht hier um Graces Auffassung. Das Einzige, dass sie sieht ist, dass du sie von ihrem Verlobten trennen willst"
„Die beiden werden bleiben, bis ich weiß, dass Spanien sicher ist"
Ich werde meinen Standpunkt beibehalten. Grace irrte sich, wenn sie glaubte, dass es ihr Vorteile einbrachte, wenn sie Dorian miteinbezog. „Die Botschaft ist bei ihr angekommen. Sie hat anscheinend Nemours bereits vor mir aufgesucht und er sagte dasselbe wir du und ich", stimmte er zu und ich wandte mich überrascht zu ihm um. Beide Männer hatten nicht so gewirkt, als wären sie von meiner Vorgangsweise begeistert. „Ich werde dir nie in den Rücken fallen, Lavinia", versprach er und erhob sich. Ich lächelte leicht. So viel Loyalität hatte ich mir nicht verdient. Dorian legte seine Hände an meine Hüften und sah einen Moment nachdenklich auf mich hinunter.
„Und?", fragte ich belustigt. „Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich dich berühren darf" – „Du solltest es öfter tun, dann wird es hoffentlich zur Gewohnheit" Dorian lächelte und beugte sich zu mir herunter. Seufzend schlang ich meine Arme um seinen Nacken. „Majestät", das Klopfen an der Tür ließ mich zurückweichen. Ich begann zu husten. „Ihr solltet Euch für das Dine umkleiden"
Ich atmete stoßweise aus, aber der Husten wurde nicht schwächer. Princesse Esposito steckte vorsichtig den Kopf durch die Tür, zog sich aber sofort wieder zurück, als sie Dorian erblickte. Ich ließ mich auf die Sitzgruppe fallen und atmete einige Male tief durch. Dorian setzte sich auf den Tisch vor mir. Er war mir so nah, dass sich unsere Knie berührten. „Kannst du mich heute Abend begleiten?", bat ich und sah hilfesuchend zu ihm auf. Ich fühlte mich so schwach und klein. Dorian konnte das zwar nicht ändern, aber wenn er an meiner Seite war, wusste ich, dass ich nicht alleine war.
„Du weißt, das geht nicht"
„Dann heirate mich!"
Dorian legte seine Hände an meine Wangen und sah mich bekümmert an. Entschieden schüttelte ich den Kopf. Wir konnten nicht länger warten. Ich fühlte mich mit jedem Tag ausgelaugter und schwächer. Wer weiß, wie viel Zeit uns noch blieb. „Dorian, ich sterbe, wenn ich das alles weiter alleine schaffen muss", gestand ich und Dorian zog mich ruckartig zu sich. Er verkrallte seine Hände in meinem Kleid und hielt mich fest. So fest, wie ich ihn gerne beim Dine an meiner Seite gehabt hätte. „Ich werde mir mit Nemours etwas überlegen", schwor er und ich nickte klamm. „Aber bis dahin musst du durchhalten"
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