Kapitel 16

„Ihr habt nach mir rufen lassen, Mama?", ich hörte Novels leise Stimme und wand mich stöhnend im Bett. Mit Sicherheit konnte ich nicht sagen, ob ich wach war. In meinem Kopf spuckten Bilder von Paget und den Prinzen, als sie noch ganz kleine Babys waren. Als alle Zeichen noch darauf standen, dass wir beide es schaffen könnten.

Unbewusst ließ ich meine Hand aufgleiten. Es dauerte einige Momente, bis ich Novels Finger auf meinem Handteller spürte. „Gibt es nichts, dass es Euch leichter macht, Mama?", fragte Novel und ich schüttelte träge den Kopf, worauf gleisende Blitze darin explodierten. Dummes Fieber. „Mir geht es gut, mein Liebling", log ich und zwang mich mit aller Gewalt etwas zu fokussieren. Mein Blick viel auf unsere Hände. Ich blinzelte einige Male, da durch die Hitze in mir alles verschwommen war, aber Novels Finger waren dick und rot.

„Was ist geschehen? Maida was ist mit Novels Finger?", flüsterte ich, worauf er seine Hand sofort zurückzog. Ich wickelte die Decke enger um mich, als mich ein Frösteln überfiel. Wer würde es wagen am Kronprinzen Hand anzulegen. „Ich glaube, der Kronprinz wurde bestraft", antwortete Maida leise und setzte sich zu uns beiden an die Bettkannte. Mit Sicherheit konnte ich nicht sagen, worüber die beiden sprachen, aber ich spürte Novel immer näher an mich heranrücken.

„Majestät?", Maida legte vorsichtig ihre Hand an meine Wange und ich öffnete überrascht die Augen, als ich ihre kühle Hand spürte. Novels Hände dagegen waren heiß wie Lavasteine. „Ihr wünscht, dass der Kronprinz bis zu Eurer Genesung im Schloss bleibt, nicht wahr?", fragte Maida und strich mir beruhigend eine Strähne aus der Stirn. In meinem Kopf konnte ich erneut Pagets Lachen hören und ich wand mich unter dem gewohnten Laut. Es jagte mir heute noch einen Schauer über den Rücken. Er stieß mit Mathew an. Die beiden schienen etwas zu feiern. So musste das gewesen, sein, bevor ich in ihr Leben getreten hab und einen Verlauf an Dingen losgetreten habe, der die Männer zerstört hat. Hilflos strampelte ich die Decke von mir. Ich sollte hier krepieren. Für jeden Mann, den ich im Stich gelassen habe, einmal.

„Majestät", die Stiche in meinem Kopf kehrten zurück, genauso wie Maidas besorgtes Gesicht. Ich schloss die Augen wieder und nickte. Maida weiß, was für die Prinzen gut ist. 

***

Als ich das nächste Mal zu mir kam, war das Licht im Raum gedämpft. Außer Dorian war niemand bei mir. Ich sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. Er hatte unsere Finger miteinander verflochten. Obwohl ich die Berührungen vermeiden sollte, zog ich das Gefühl dieser fürsorglichen Geste vollends in mich ein. „Du hast uns allen Angst gemacht" – „Unkraut ist zäh" Dorian drückte einen Kuss auf meinen Kopf und ich rang mir ein Lächeln ab. Endlich konnte ich wieder einen klaren Gedanken fassen. Diese Hilflosigkeit und Verwirrung hatte mich wahnsinnig gemacht. Wäre ich in der Lage gewesen sie zu begreifen.

„Was ist mit Novell?"

„Die letzten Tage konnte wir ihn vor dem Militärlager bewahren. Aber das können wir nicht auf Dauer. Sobald es dir besser geht, muss er zurück"

„Sagt wer?"

„Der Ministerrat und als Kronprinz ist seine Erziehung Staatsangelegenheit"

Ich schnaubte wütend und ich richtete mich in meinen Kissen auf. Sofort wurde ich von einem Hustenkrampf geschüttelte. Ich schmeckte Blut. Das sah nicht gut aus. Dorian hielt weiter meine Hand und ich verkrampfte mich in seinem lockeren Griff. Eher würde ich hier sterben, als zuzulassen, dass mein Sohn weiterhin von diesem Scheusal von Kommandanten erzogen wurde. „Das kann ich nicht zulassen" – „Nemours und ich versuchen bereits einen Weg zu finden das Ganze zu umgehen" An dem Missmut in seiner Stimme konnte ich heraushören, dass es nicht gut lief.

Seufzend ließ ich mich zurück in die Kissen gleiten und sah zu ihm auf. Er hatte tiefe Schatte seinen grünen Augen und seine Haare hatte er seit Stunden nicht gekämmt und seit Tagen nicht gewaschen. „Schicke bitte nach meinem Arzt", sprach ich und Dorian drückte einen Kuss auf unsere verflochtene Hand. „Dann ruh dich aus", setzte ich hinterher, worauf er müde lächelte. Es war nicht an ihm, meine Kämpfe auszutragen. Wenn der Ministerrat glaubte, er könnte mein Kind erziehen, hat er sich genauso getäuscht wie Mathew. Ich musste schleunigst aus diesem Bett.

Maida schnürte mein Mieder, als wären die Fäden aus Zuckerwatte. Genervt blies ich Luft aus und wandte mich zu ihr um. „Das wird mich jetzt nicht unmittelbar umbringen", fuhr ich sie an, worauf sie erschrocken die Augen aufriss. Schuldbewusst biss ich mir auf die Lippe. Maida stiegen Tränen in die Augen und ich zog sie schnell an mich. Es fühlte sich eigenartig an ein Mädchen nach all den Jahren wieder so an mich rann zu lassen. Ich legte meinen Kopf auf ihre Schulter und unterdrückte ein kichern, als ihre Haare meine Stirn kitzelten.

„Ich kämpfe", versprach ich, worauf sie erstickt aufkeuchte und ich den Druck ihren Kopfes auf meinem Schulterblatt spürte, als sie nickte. Vorsichtig schob ich sie wieder ein Stück von mir weg und sah sie prüfend an. Es war eigenartig, aber ich hatte sie selten so gelöst erlebt. Es schien, als hätte sich das alles in ihr aufgestaut. „Na dann", schluchzte sie, „Luft anhalten, Majestät" 

***

Das Hofpersonal schlich um mich, wie eine Katze um die Maus. Begierig zu wissen, was geschehen war, aber trotzdem zu scheu um mich einfach zu fragen. Zu meiner Beruhigung begegnete ich meistens lächelnden Gesichtern. Manchmal sogar mit Tränen in den Augen. Die Saalhüter stießen mir die Tür zum Ministerrat auf und ich blieb abrupt stehen, als die Lauten Stimmen vernahm. „Es ist der Wunsch Ihrer Majestät ...", Nemours verstummte mit seinem Geschrei, als er mich in der Tür erblickte und sank sofort in eine Verbeugung.

„Kaum ist der Körper des Kaisers kalt, wollt Ihr seine Verfügung missachten", schimpfte Chevaliers und sah mich wutentbrannt an. Ich kannte diesen Blick. Er fühlte sich seiner Macht beraubt. Oder zumindest sah er die Gefahr kommen. Also schien ich gute Möglichkeiten für Novel zu haben. „Es liegt mir fern Eure Macht in irgendeiner Weise zu beschneiden", betonte ich und nahm am Tisch platz, „aber der Kronprinz ist mein Sohn und deshalb obliegt es mir über sein Wohlergehen zu wachen" Die Minister sahen mich stirnrunzelnd an und ich konnte die Zahnräder in ihren Köpfen rattern hören. Nemours sah überrascht in die Runde. „Ich verstehen, dass der Kronprinz eine militärische Ausbildung braucht", fuhr ich fort und sofort setzte zustimmendes Gemurmel ein. Das Fieber schien meiner Vermittlungsgabe zum Glück nicht geschadet zu haben. Desto länger wir diskutierten, desto unnachgiebiger würden die Minister werden. Da Mathews dumme Verfügung mich an sie band, musste ich sie wohl einwickeln.

„Mathew Manches hat zugestimmt, den Kronprinzen von einem Provisorium von Ihrer Majestät zusammengestellten Wissenschaftlern und Professoren unterrichten zu lassen. Bleiben wir bei diesem Vorschlag", sprach Nemours weiter und sah auffordernd in die Runde. Vor allem die mir getreuen Minister nickten nachgiebig und warfen mir immer wieder verstohlene Blicke zu. Obwohl ich mein blasses Spiegelbild kannte, fühlte ich mich heute gut. Hoffentlich strahlte ich das auch aus.

„Wir bestehen auf eine teilmilitärische Ausbildung!"

„Was schlagt Ihr vor, Chevaliers?"

„Regelmäßige Gruppenübungen und Training im Ausmaß von vier Tagen in der Woche. Der theoretische Teil obliegt als Teil des Curriculums unseren Generälen"

Ein leichtes Lächeln huschte über mein Gesicht. Das war eine gute Verhandlungsbasis. Nemours und Dorian mussten Schwerstabriet geleistet haben um das zu ermöglichen. „Drei Tag in der Woche und Ihr könnt den Teil des Curriculums haben", erwiderte ich und faltete entspannt meine Hände. Hoffentlich war ihnen am Ende des Tages bewusst, dass ich diese Ausbildung auch ohne eindeutige Zustimmung der Minister durchsetzen werde. Ich wollte den Staatsapparat nicht schwächen, aber dafür durften meine Kinder niemals bezahlen.

„Für genauere Absprachen der Stundenverteilung brauchen wir den General und den Adjutanten Seiner Majestät des Prinzen", gab Chevaliers nach und ich lächelte ihn strahlend an. Es wird nicht zum Nachteil dieses Landes sein.


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