Kapitel 1

Du sollst fallen. Deine Erinnerungen und der Glanz deiner Flügel sollen verblassen, dein Vergehen auf deiner Seele lasten, bis du dich von ihm befreit hast.

Das waren die Worte der Gottheit, bevor er fiel. Seine Flügel breiteten sich aus und ein grauer Schatten überzog sie. Nach und nach verschwanden seine Erinnerungen, der Wind nahm sie mit sich, behielt sie im Himmel. Er schloss die Augen, wurde ruhig. Ich werde sterben.

Die Wolken teilten sich für ihn und der Erdboden näherte sich ihm. Seine Flügel flatterten unkontrolliert im Wind, doch er machte sich nicht die Mühe, die Kontrolle darüber zurückzugewinnen. Ich habe alles verloren, es gibt keinen Grund zu kämpfen. Also würde er es nicht tun, er würde sein Ende willkommen heißen.

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Hazel saß auf seiner Dachterrasse und ließ die Sonne auf sein Gesicht scheinen. Er genoss den Frieden, keine Wolke am Himmel. Plötzlich erschien ein Schatten auf seinem Gesicht und er blinzelte verwirrt. Was? Federn, überall Federn. Ach du Scheiße. Er konnte seinen Augen kaum glauben.

Wieso fällt ein Engel mitten über New York? Doch das war nicht das einzige Problem. Wieso fliegt er nicht? Wenn er so weitermacht, wird er auf dem Boden aufschlagen. Der Körper fiel. Scheiße. Hazel zögert nicht, er breitete seine schwarzen, fledermausähnlichen Schwingen aus und rannte über die Kante seiner Terrasse.

Der Wind fuhr unter diese, trug ihn nach oben, dem fallenden Engel entgegen. Die Wucht, mit der er gegen diesen stieß, raubte ihm den Atem, doch anders konnte er dessen Fall nicht verhindern. Ihn zu fangen, wäre lebensmüde gewesen und hätte ihm wahrscheinlich die Arme abgerissen. Seine Arme umschlangen diesen und mit mühsamen Flügelschläge hielt er sich in der Luft und trug sie zu seiner Dachterrasse zurück. Völlig außer Atem landete er darauf und stolperte. Dabei fielen beide zu Boden, er auf den Engel.

Keuchend lag Hazel auf diesem. Ich sollte mehr Sport machen. Fast wäre er ebenfalls abgestürzt. Eine weiche, warme Empfindung rann durch sein Gesicht und seine Schultern. Als er die Augen öffnete, sah er, dass er in einer grauen Federpracht lag, die sich an ihn schmiegte. Der Flügel des Engels lag unter ihm und für einen Moment genoss er das Gefühl.

Ächzend erhob er sich, rieb sich die Schulter und zog die Flügel ein. Schweigend betrachtete er den jungen Engel, den er gerade gerettet hatte. Dieser hatte kurze, hellbraune Haare und eine leicht gebräunte Haut. Seine aschgrauen Flügel zeichneten ihn als gefallenen Engel aus und auch die ehemals weiße Robe war aschgrau gefärbt.

Mit einem Seufzen drehte er den Engel leicht, sodass er seine Rückseite berühren konnte. Er drückte mit der flachen Hand auf die Stelle zwischen den Ansätzen seiner Flügel, woraufhin diese sich in den Rücken zurückzogen und auf magische Weise verschwanden. Daraufhin trug er ihn vorsichtig die Treppe hinunter in sein Gästezimmer, wo er die Robe entfernte und ihn auf Verletzungen untersuchte.

Sein Flügel war seltsam abgeknickt gewesen, wahrscheinlich gebrochen. Leider mussten diese selbst heilen, da konnte Hazel nichts machen. Auf dessen Brustkorb waren mehrere Prellungen von Hazels Bodycheck zu sehen, doch diese würden heilen. Nicht gerade toll, aber besser als tot. Er trug eine heilende Salbe auf und verband die Haut. Der Schlaf würde den Rest übernehmen. Daraufhin ließ er den Fremden alleine und machte sich an die Arbeit, von der er nur eine Pause genommen hatte.

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Amriel machte einen tiefen Atemzug, einen, den er nicht zu machen erwartet hatte. Langsam öffnete er die Augen. Die Umrisse seiner Umgebung waren verschwommen, nahmen langsam Gestalt an. Ich lebe? Und er lag in einem Zimmer mit blauen Wänden, wobei das nicht stimmte. Es waren mehrere Blautöne, die ineinander übergingen und weiße Gebilde diese unterbrachen. Nach und nach setzte es sich zusammen. Das ist der Himmel. Vor ihm war eine mehr als atemberaubende Darstellung des Himmels, den man nur im Flug knapp über den Wolken erhaschen konnte. Wunderschön.

Seine Augen wanderten weiter. An der Decke waren zahlreiche Sternbilder auf dunkelblauem Untergrund zu sehen, schwarze Lampen waren unauffällig in das Gebilde eingelassen. Links neben ihm war ein Fenster und vor ihm eine Türe, die jedoch ebenfalls bemalt war. Er selbst lag auf einem Bett mit schwarzem Gestell und hellblauer Bettwäsche. An den Wänden waren schwarze Möbel – ein Kleiderschrank, eine Kommode und ein kleines Nachttischen. Alles war stimmig und harmonierte.

Wer auch immer der Innenarchitekt dieses Zimmers ist, er ist ein Genie. Plötzlich überkam ihn eine tiefe Trauer, denn dieses Bild erinnerte ihn zu stark an sein Zuhause, das er verloren hatte. Ich bin gefallen. Er hatte sein Leben verloren und auch seine Erinnerungen an den Himmel. Ihm war nur sein Name geblieben.

Als er sich bewegte, zuckte ein stechender Schmerz durch seine Rippen, doch das war nicht alles. Mein Flügel.

„Halte still", erklang eine tiefe Stimme, die ihn überrascht aufsehen ließ.

Die Tür war geöffnet und im Türrahmen stand ein etwa 1,80 m großer Mann mit glänzenden schwarzen Haare, die er zu einem Zopf gebunden hatte, der über seine rechte Schulter über die Brust bis zu seinem Schlüsselbein fiel. Er hatte obsidianschwarze Augen, die ebenfalls glänzten. Seine Haut war dagegen hell, sein Körperbau definiert. Er trug ein dunkelblaues T-Shirt und eine dunkelgraue kurze Hose, die ihm bis zu den Knöcheln reichte.

Wunderschön. Das war der erste Gedanke, den Amriel hatte.

Der Fremde hielt ein Tablett mit Essen in der Hand und trat auf ihn zu. Er stellte es auf den Nachttisch neben dem Bett und zog ein kleines Höckerchen unter dem Bett hervor. Dieses stellte er auf und setzte sich darauf.

„Wer bist du? Hast du mich gerettet?", fragte Amriel, konnte den Blick nicht von den Augen losreißen.

Der Mann nickte. „Du bist gefallen und ich habe dich mehr oder weniger aufgefangen. Dein Flügel ist gebrochen und deine Rippen geprellt. Für die nächsten Tage solltest du dich nicht bewegen, bis er stabil ist. Ich habe dir etwas zu essen mitgebracht, du musst hungrig sein", erwiderte dieser.

Wieso? „Wieso hast du mich gerettet?", fragte Amriel und seine Brust zog sich zusammen.

Hazel machte ein überraschtes Gesicht. Er wollte also wirklich sterben. „Der Fall ist kein Grund, den Tod zu wählen, immerhin gibt es für dich eine Möglichkeit wieder aufzusteigen", sagte er ruhig. Wut stieg in ihm auf, denn er konnte es nicht nachvollziehen, wie jemand einfach so etwas Kostbares wie ein Leben wegwerfen konnte. Nicht einmal er würde das jemals in Betracht ziehen und er war immerhin defekt.

Amriel sah den wütenden Blick und schämte sich etwas. Es stimmte, gefallene Engel konnten wieder aufsteigen, doch dafür mussten sie die Sünde, die ihren Fall ausgelöst hatte, wiedergutmachen. Leider vergaßen sie beim Fall diese, wussten also nicht, was und wie sie es wiedergutmachen sollten. „Es tut mir leid", flüsterte er und senkte den Kopf.

„Mein Name ist Hazel. Darf ich den deinen erfahren?", fragte sein Retter nun mit weicherer Stimme.

Überrascht schaute Amriel wieder zu dem Schwarzhaarigen. Hazel. Ein wunderschöner Name und er passt perfekt zu ihm. Hazel war elegant und schön. „Amriel."

Sein Retter nickte. „Dann iss. Wenn du etwas brauchst, drücke auf den Knopf auf dem Tisch. Rufen bringt nichts, weil ich dich nicht hören werde. Ich muss nun wieder an die Arbeit." Damit stand der Fremde auf und ließ den Engel alleine.

Nachdenklich griff dieser nach dem Teller, auf dem ein belegtes Brot war, und begann zu essen. Er ist ein Dämon, doch was für einer? An seiner Aura hatte er es nicht erkennen können.

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