12- Ein ungeheuerliches Verhöhr
Unter den misstrauischen Blicken der anderen Anwesenden folgte ich dem grossen Polizisten aus dem Raum. Er führte mich weg von Damon. Ich fühlte mich miserabel. Und hilflos. Ich wusste nicht, was ich tun sollte.
Schweigend setzten wir uns in ein kleines Beratungszimmer. Immerhin war der Stuhl etwas bequemer. In dem Zimmer befand sich nichts ausser dem Tisch, den Stühlen auf denen wir sassen und eine kleine Liege. Wahrscheinlich kamen die Ärzte die Bereitschaft hatten hierhin um sich einen Power-Nap zu gönnen.
„Wieso wollen sie denn mit mir reden?"
Fragte ich kleinlaut, während ich mit meinen Fingern spielte. Der Mann packte ein IPad aus und begann, darauf etwas einzugeben.
„Das Krankenhaus hat die Pflicht, uns alle Fälle von Drogenmissbrauch zu melden. Wir sind nur hier um das zu prüfen."
Ich nickte mechanisch.
Verdammt. Jetzt wurde mir mit einem Schlag klar, wieso Damon nicht ins Krankenhaus gewollt hatte.
Er hatte gewusst, dass er dann die Bullen am Hals hatte. Und wieso er das nicht wollte, lag ja wohl auf der Hand. Jetzt fühlte ich mich noch schuldiger. Ich hatte darauf bestanden, ins Krankenhaus zu fahren und ich war es auch gewesen, die im Warteraum auf den Arzt hatte warten wollen. Damon war nur mir zuliebe dort geblieben. Scheisse, wieso hatte er mich nicht einfach an den Haaren hinaus geschleift.
„Miss? Sind sie noch bei mir?"
Er lächelte freundlich.
„Eh ja. Tut mir leid, ich bin noch immer etwas unter Schock."
Nuschelte ich und er nickte.
„Das ist absolut verständlich. Lassen Sie sich so viel Zeit wie nötig. Und dann geben sie mir bitte einmal ihren Namen."
Er wollte nicht nur meinen Namen. Er wollte meine Nummer, meine Adresse, mein Geburtstag und eigentlich so ziemlich alle Daten, die es über mich zu wissen gab. Gar nicht unheimlich. Dann ging es and Eingemachte.
„Also, woher kennen Sie Miss Castillo?"
Fragte er und wartete darauf, meine Antwort auf sein IPad einzutippen. Ich verschränkte die Arme und atmete langsam ein und aus. Damon hatte gesagt, ich solle nichts sagen. Daran sollte ich mich wohl halten. Aber auf den wartenden Blick des Beamten hin, der nun den Kopf leicht schräg legte, konnte ich nicht einfach nur schweigen. Das war doch voll Misstrauens erweckend.
„Sie geht mit mir zur Uni. Wir sind im gleichen Semester und haben uns dort kennen gelernt. Seit dann unternehmen wir ab und zu was zusammen."
Platzte es aus mir heraus. Er nickte und notierte es sich.
„Haben sie Kenntnisse davon, dass Miss Castillo Drogen konsumierte?"
Ich schluckte und dann legte sich in meinem Kopf etwas um. Keine Ahnung was es war, aber ich konnte Damon nicht in die Pfanne hauen. Also tat ich das, was ich eigentlich nie tun wollte. Ich log.
„Naja, eigentlich nicht. Wir waren keine wirklich engen Freunde, aber sie hat einmal eine Party bei sich geschmissen. Da waren wirklich viele Leute von der Uni dabei gewesen."
Holte ich aus. Er hörte mir aufmerksam zu.
„Ich bin hingegangen und naja, da war ziemlich was los. Ich habe sie nicht oft gesehen, aber einmal waren wir kurz in der Küche, und da hat sie mir angeboten, irgendeine Art...Pille zu nehmen? Es sah aus wie ein Gummibärchen oder so? Keine Ahnung. Ich erinnere mich nicht mehr."
Ich tat, als würde ich angestrengt überlegen.
„Ich hatte auf sie eingeredet, dass sie die Finger von sowas lassen sollte. Aber sie sagte, das habe sie von einer Freundin aus der Uni und es sei etwas einmaliges. Wissen Sie, ich bin neu hier und komme aus einer Kleinstadt. Ich dachte, sie weiss schon was sie tut."
Ich presste die Hände auf mein Herz.
„Oh Gott, meinen Sie ich hätte sie aufhalten können? Bin ich...habe ich?"
Stotterte ich und er schüttelte beruhigend den Kopf.
„Nein, bleiben Sie ruhig. Sie haben das Richtige getan, aber nächstes Mal sollten sie unbedingt die Polizei informieren, wenn sie sehen, das Jemand illegale Substanzen verkauft oder konsumiert."
Ich nickte heftig und schniefte.
„Es tut mir leid. Das mache ich natürlich."
„Gut. Und waren denn sonst noch Leute da?"
Ich überlegte kurz und schüttelte den Kopf.
„Nein, ich glaube da waren nur Studenten. Und ich kannte eigentlich die wenigsten davon."
„Okay."
Er notierte es sich. Mein Herz klopfte wie verrückt, aber ich zwang mich, ruhig zu bleiben. Und es gelang mir erschreckend gut.
„Und haben Sie seit der Party noch Kontakt mit Miss Castillo gehabt?"
Ich dachte daran, wie Mandy mich auf dem Gang angesprochen hatte. Wie sie mich nach mehr Zeug gefragt hatte.
Ich schüttelte den Kopf.
„Nein. Sie kam irgendwann einfach nicht mehr in die Schule. Ich hatte mir sorgen gemacht, aber ihre Freundinnen sagten sie sei einfach Krank, also habe ich mir nichts dabei gedacht."
Er lehnte sich auf dem Stuhl zurück.
„Und was meinen Sie, wieso ist Miss Castillo ausgerechnet bei Ihnen aufgekreuzt? Mit einer Überdosis?"
Ich schluckte. Ja, wie sollte ich das erklären?
„Ich weiss es nicht. Vielleicht, weil sie sonst nicht wusste wohin? Ich hatte ihr mal gesagt, ich sei immer für sie da. Aber ob das der Grund ist, weiss ich nicht."
Er sah mir in die Augen und ich erwiderte den Blick.
Ich versuchte, so unwissend und aufgewühlt wie nur irgend möglich auszusehen.
„Noch eine letzte Frage, wer war der junge Mann, der da draussen mit Ihnen gewartet hat?"
Ich lächelte verträumt, was mir nicht wirklich schwer fiel. Ich war mir sicher, dass er gesehen hatte, wie Damon meine Hand gehalten hatte. Ich durfte also nichts falsches sagen.
„Das ist Damon, mein Freund. Wir sind noch nicht lange zusammen, er wohnt in derselben WG wie ich, so haben wir uns kennen gelernt, wissen Sie. Er war auch da, als Mandy aufgekreuzt ist und hat sofort gehandelt und sie hierher gefahren. Zum Glück, ich war total in Panik und keine wirkliche Hilfe..."
Meine Unterlippe begann auf Kommando zu zittern.
„Wenn Damon nicht auch da gewesen wäre...dann...oh Gott, vielleicht wäre sie dann tot."
„Bleiben Sie ruhig Miss. Es geht der Patientin soweit gut, wenn ich richtig informiert bin. Ihr Freund hat richtig gehandelt."
Ich nickte.
„Ja, auf jeden Fall. Oh ich bin so froh, dass es Mandy jetzt wieder besser geht. Ich mache mir solche Sorgen, wissen Sie?"
Der Officer nickte verstehend.
„Natürlich. Das wars auch schon. Danke für Ihre Hilfe. Ich würde mich bei Ihnen melden, falls wir noch weitere Fragen haben."
Er lächelte leicht und ich stand langsam auf. Meine Beine waren wie Pudding.
„Ist gut. Danke."
Machte ich und schüttelte seine ausgestreckte Hand. Er hatte einen ziemlich festen Händedruck. Zum Glück hatte ich meine Hände die ganze Zeit aneinander gerieben, sonst wären sie jetzt bestimmt eiskalt gewesen.
Ich trat vor dem Polizisten aus dem Raum und dort stand auch schon Damon, der zweite Polizist hinter ihm.
Damon wirkte gelangweilt, der Cop eher angepisst.
„Phil", begrüsste er den Polizisten, der mich gerade verhört hatte. Dieser nickte ihm kurz zu.
„Ist okay. Sie können gehen."
Der andere machte grosse Augen. Er schien Phil nicht zuzustimmen, akzeptierte es dann aber und trat einen Schritt von Damon weg.
„Einen schönen Tag", meinte Damon und wartete, bis die Polizisten sich von uns entfernt hatten.
Dann öffnete er die Arme, als hätte er erahnt, was ich unbedingt tun wollte und ich schlang meine Arme um ihn und drückte mein Gesicht an seine Brust. Mir war schwindelig, übel und meine Beine fühlten sich total kraftlos an. Ich fühlte mich, als würde ich in einem Krimi leben. Und das gefiel mir gar nicht.
„Alles gut. Schon vorbei. Das hast du gut gemacht, Malia."
Ich atmete langsam aus und löste mich dann von ihm.
„Ich will gehen."
„Geht mir genauso."
Meinte er und sah sich Nase rümpfend um.
„Ich mag keine Krankenhäuser."
Dann zog er mich hinter sich her zum Auto.
Ich fühlte mich schuldig, dass ich Mandy nicht in ihrem Zimmer besuchen gegangen war. Aber ich war einfach zu sehr damit beschäftigt, zu verarbeiten, dass ich gerade einen Polizisten belogen hatte. Und dann auch noch mit einer Leichtigkeit, welche ich mir selbst nie im Leben zugetraut hätte.
Ich wollte schnell nur weg von hier.
Und das taten wir auch.
Kaum hatten wir das Areal im Auto verlassen, platzte es auch schon aus mir heraus.
„ich habe nicht geschwiegen."
Damon riss das Lenkrad herum und fuhr an den Rand des Parkes, der vom Spital weg führte. So nahe abs Gebüsch ran, dass dessen Zweige die Scheiben berührten. Ich blinzelte erschrocken.
„Was? Ich sagte doch du sollst kein Wort sagen, verdämmt!"
Fuhr er mich an und stellte den Motor ab.
„Ich habe sie angelogen."
Er stöhnte frustriert.
„Wieso kannst du nicht einfach mal machen, was ich dir sage?"
Ich schwieg und er seufzte, bevor er die Hände fest ums Lenkrad schloss und kurz den Kopf hängen liess, als müsste er sich sammeln. Was irgendwie auch verständlich war, schliesslich war das hier auch für ihn sehr stressig gewesen.
„Okay. Und was hat du denn gesagt?"
Fragte er und blickte mich an.
Ich erzählte ihm alles haargenau.
„Und was tue ich jetzt? Das war eine Kurzschluss-Reaktion. Was, wenn sie Mandy auch befragen und sie sagt etwas anderes als ich? Oder schlimmer noch, sie sagt, dass sie das Zeug von dir hatte?"
Sprudelte es nur so aus mir heraus.
Damon lächelte schief und legte dann seine Hände auf meine, damit ich aufhörte, wie wild geworden mit ihnen herum zu fuchteln.
„Keine Sorge, Mandy wird nichts dergleichen sagen."
Ich verzog die Lippen. „Was? Woher willst du das wissen?"
Er zuckte die Schultern. „Glaub mir einfach. Ich werde dafür sorgen, dass sich ihre Geschichte mit deiner Deckt."
Misstrauisch runzelte ich die Stirn.
„Und woher willst du das wissen?"
Er warf mir einen Blick zu.
„Lass das meine Sorge sein."
Ich schüttelte den Kopf.
„Und was, wenn sie mich wieder kontaktieren? Ich meine, sie haben all meine Daten. Ich bin jetzt bei der Polizei registriert!"
„Malia!"
Damon unterbrach mich herrisch. Sofort war ich still.
Er atmete einmal langsam ein, dann blickte er mir in die Augen. Er hatte so schöne Augen.
„Das wird nicht passieren, okay? Vertrau mir."
Obwohl mein Kopf damit nicht einverstanden war, vertraute ihm der Rest von mir blind. Ich warf all meine begründeten Zweifel über Bord. Und ich wusste noch nicht mal genau wieso.
Kurz schwiegen wir.
„Das war ein ganz schön heftiger Morgen, was?"
Fragte Damon dann und lachte rau. Ich nickte nur matt.
„Ja. Schon. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal die Polizei anlügen würde."
Damon ging nicht darauf ein und fuhr weiter.
Wir schwiegen eine Weile, dann riss ich mich zusammen.
„Ich weiss jetzt, wieso du nicht ins Krankenhaus wolltest. Ich habe dich in eine echt beschissene Lage gebracht. Es tut mir leid."
Er lächelte, hielt den Blick aber auf die Strasse gerichtet. Seine zerzausten, schwarzen Haare wirkten so einladend, dass ich am liebsten mit den Fingern durchgestrichen hätte.
„Du hast ein gutes Herz, Malia."
Meinte er dann schlicht und bog rechts ab. Dieses Mal mit normaler Geschwindigkeit.
Was mir auch lieber war. Noch so eine halsbrecherische Fahrt hätten wir sicherlich nicht überlebt.
„Weisst du was, Damon. Ich denke, du hast auch ein gutes Herz."
„Ich weiss. Ist doch klar."
Er lachte, doch ich wusste, dass er das für Schwachsinn hielt.
„Ich meine es ernst. Du hast erwähnt, dass sie dich mehrmals nach mehr Stoff gefragt hat. Du ihn ihr aber nicht gegeben hast. Wieso nicht?"
Er schwieg verbissen und zuckte nur die Schultern.
„Keine Ahnung."
Ich musste leise lächeln.
„Ich weiss es."
„Ach ja?"
„Ja."
Er schnaubte.
„Na dann lass mal hören."
„Ich glaube, du wolltest es ihr nicht mehr verkaufen weil du weisst dass es falsch ist. Tief in deinem Innern. Du wolltest verhindern, dass genau sowas passiert, wie es heute geschehen ist."
Er grinste leicht, doch ich konnte nicht sagen, was er von meiner Behauptung hielt.
„Ist doch so, oder?"
„Du glaubst immer an das Beste im Menschen, was?"
Fragte er dann und ich blinzelte.
Er lenkte also wieder ab. Niemals redete er wirklich über sich. Niemals liess er zu, dass ich seinen Panzer durchbrechen durfte. Na gut, manchmal, als wir uns in der Nacht trafen und einfach nur geredet hatten, dort hatte er sich etwas geöffnet. Doch seit es damit vorbei war, war ich ihm abgesehen von der körperlichen Ebene nicht mehr so nahe gekommen.
Ich machte stur weiter.
„Und du hast sie trotzdem ins Krankenhaus gebracht, obwohl du genau gewusst hast, dass die Polizei involviert werden würde und wie riskant dass für dich ist. Du hast ein gutes Herz, Damon."
Er schwieg nur und auch ich sagte den Rest der Fahrt über nichts mehr.
Ich war ziemlich erledigt, als wir wieder in die Wohnung eintraten, die noch immer leer war. Als wären wir nicht mehrere Stunden weg gewesen. Es fühlte sich alles so komisch surreal an. Als wären all diese gefährlichen, illegalen Dinge die ich mittlerweile erlebt hatte, gar nicht der rede wert. Alles woran ich denken konnte waren meine Prüfungen und Damon. Naja, mehr an meine Prüfungen, aber an Damon eben auch. Nur ein klein wenig.
„Hey, Malia. Können wir den Vorfall für uns behalten? Ich will die anderen da nicht hinein ziehen."
Ich hätte eine ganze Menge darauf zu erwidern gewusst, aber ehrlich gesagt hatte ich keine Lust, mich jetzt wieder mit ihm zu streiten. Was passiert war, war passiert und ich war so oder so in dieser Sache mit dabei. Also musste ich gar nicht mehr den Moralapostel spielen. Dieses Recht hatte ich spätestens mit meiner heutigen Lüge verwirkt.
„Okay. Ich sage niemandem was."
„Danke."
Er nickte vielsagend.
„Ich...gehe dann mal lernen."
Murmelte ich, als wir in der Mitte des Raumes standen und Damon nickte nur. Schade.
„Klar, soll ich für dich mitkochen?"
Ich schüttelte den Kopf.
„Nein. Jetzt bekomme ich sicher nichts runter."
„Okay," das war alles.
Ich kehrte in mein Zimmer zurück und schob hinter mir die Türe zu. Dann stiess ich langsam die Luft aus. Was für ein beschissener Tag. Und darauf, mich wieder in meinen Zusammenfassungen zu verkriechen, hatte ich auch keinen Bock mehr.
„Ihr wart wieder zusammen unterwegs, oder?"
Ich schrie leise auf und fuhr herum.
„Malika! Was soll die scheisse, ich wäre gerafe fast gestorben. Was machst du in meinem Zimmer?"
Wie die Untote, die sie war, bleich und mit fettigen, herunter hängenden Haaren, stand sie neben meinem Bett. In der Hand hielt sie eines meiner Lieblingsbücher, das ich wohl auf dem Nachttisch hatte liegen lassen. Es ging um eine Romanze zwischen einem ehemaligen Gefängnisinsassen und einer High School Absolventin.
„Sorry. Aber liest du das wirklich? Ist ja absoluter schrott."
Ich schnaubte, stapfte auf sie zu und riss ihr das Buch aus der Hand. Dann legte ich säuberlich das Lesezeichen wieder rein und klappte es zu.
„Was willst du, Malika?"
Mag sein, dass ich etwas unfreundlich war, aber nach dem heutigen Tag hatte ich keine Lust und auch keine Kraft mehr, mich mit irgendetwas auseinander zu setzen. Und wenn Malika sich schonmal aus ihrem Mordor herauswagte, dann sicherlich nicht ohne Grund.
„Ihr wart zusammen unterwegs, oder?"
Wiederholte sie ihre Frage. Toll. Wortkarg wie immer.
Dabei sah sie mich forschend aus ihren wässrigen, blauen Augen an. Man, ich beneidete ihre Sommersprossen wirklich total. Sie gaben ihrem sonst sehr runden Gesicht etwas Spezielles.
„Wer?"
Fragte ich gespielt unwissend und hob eine Braue. Sie ahmte mich nach.
„Verkauf mich nicht für dumm, Malia. Du und Damon natürlich. Ich weiss dass da was zwischen euch läuft, schon vergessen?"
Ah, sie meinte damals, als sie uns beim Trockensex auf der Couch erwischt hatte? Wie könnte ich diesen prickelnden Moment jemals wieder aus meinem Hirn verbannen.
Ich tat unberührt. Erstaunlich, was ich für eine gute Schauspielerin war. Allein für mein Verhalten am heutigen Tag war mir wahrscheinlich ein Platz in der Hölle reserviert worden.
Schulterzuckend legte ich das Buch auf den Schreibtisch und setzte mich auf die Bettkante.
„Na und? Ich will jetzt nicht gemein klingen oder so, aber mit wem ich unterwegs bin kann dir doch egal sein, oder?"
Sie seufzte und strich sich das blonde, strähnige Haar aus dem Gesicht. Ich hatte sie noch nie seit ich hier wohnte aus dem Badezimmer gehen sehen, fiel mir gerade auf. Ich rümpfte die Nase.
„Malia, ich meine das auch nicht böse. Aber da ich die Einzige bin die davon weiss, sollte ich es dir wohl auch sagen. Halt dich von Damon lieber fern."
Jetzt war ich wirklich baff.
Meine Mundwinkel hoben sich. Nicht, weil ich sie nicht ernst nahm, sondern weil ich mit diesem Satz aus ihrem Mund am allerwenigsten gerechnet hätte. Ihr war doch normalerweise auch immer alles Schnuppe. Beispielsweise schrieb sie nie irgendwelche Essens-Wünsche auf den Einkaufszettel oder wollte am Abend auch nie eine bestimmte Sendung sehen, wenn sie dann mal noch wach war. Sie wirkte auf mich immer sehr gleichgültig.
„Aha. Und wieso sagst du das?"
Sie setzte sich ohne Einladung auf mein Bett neben mich.
„Hör zu, okay. Ich weiss, Damon ist heiss, er hat Charme und wickelt dich damit ein. Das ist ja schön und gut und bestimmt abenteuerlich."
Ich wartete noch auf den Punkt, an dem mir klar werden sollte, wieso ich mich von ihm fern halten sollte.
„Aber du suchst eine tiefe, verzehrende Liebe, die durch Dick und Dünn gehen kann und die nichts auf der Welt zerstören kann, nicht wahr?"
Sie deutete auf mein Buch. Sie hatte also wirklich darin gelesen.
Ich blinzelte verwirrt.
„Eh ja. Genau. Aber wünscht sich nicht jeder diese Art Liebe, die du gerade beschrieben hast? Ansonsten wäre es ja nicht wirklich echte Liebe, oder?"
Ich wusste noch immer nicht, worauf sie hinaus wollte.
Sie nickte langsam und tippte mit ihren Zehen abwechslungsweise auf den Boden.
„Genau. Aber Damon ist nicht der Richtige für dich. Das, was du dir vorstellst, wird er dir nie geben."
Ich schluckte. Wieso wirkte sie so überzeugt davon? Und woher wollte sie das wissen?
„Das weisst du doch gar nicht."
Murmelte ich plötzlich entmutigt und zog den Kopf zwischen die Schultern.
„Doch, meine Süsse. Leider schon. Ich kenne ihn und die anderen schon sehr lange. Und du, du bist eine nette, naive Frau aus einem Dorf irgendwo im Nirgendwo. Du kommst hier einfach rein geschneit und denkst du kannst ihn ändern."
Sie suchte meinen Blick. Eindringlich, fast schon warnend. Als wüsste sie, wovon sie sprach.
„Aber das kannst du nicht. Glaub mir. Das Leben hier ist keines deiner Bücher. Und Damon ist garantiert nicht die Art Mann, die darin mitspielt."
Kurz war ich still. Mir war schon klar, dass das Leben kein Buch war. Aber ein kleiner Teil in mir musste sich eingestehen, dass ich auch schon darüber nachtedacht hatte. Ob Damon die Art Mann war, die ich wollte. Aber selbst wenn ich darauf mit nein antworten würde, wäre da noch immer diese tiefe Anziehung, die ich ihm gegenüber verspürte. Und die konnte ich doch auch nicht einfach leugnen.
„Und wieso kommst du extra in mein Zimmer, um mir das zu erzählen?"
Fragte ich und Malika stand abrupt auf.
„Einfach. Jetzt weisst dus, der Rest ist nicht meine Verantwortung. Ich habe dich gewarnt."
Sie liess mich verwirrt und verunsichert auf dem Bett zurück und verliess ohne ein weiteres Wort mein Zimmer. Toll.
Den Rest des Wochenendes verbrachte ich damit, für die anstehende Prüfungswoche zu lernen. Das kam mir eigentlich ziemlich recht, denn so konnte ich mein Hirn ausschliesslich auf den Schulstoff fokussieren und musste dementsprechend nicht über den ganzen anderen Scheiss in meinem Leben nachdenken, der gerade passiert war.
Mia hatte sich mir angeschlossen, als sie wieder zurück war und wir hatten gebüffelt, bis uns die Köpfe rauchten. Über Mandy verlor ich aber kein einziges Wort. Und so unbekümmert wie Mia wirkte, hatte Damon wohl auch nichts gesagt. Die Prüfungen selbst verliefen ganz gut.
In Mathe versagte ich zwar ziemlich, dafür hatte ich in den meisten anderen Fächern ein gutes Gefühl. Und wenn die Resultate dementsprechend aussahen, konnte ich die Note vielleicht ausgleichen.
Als ich am Freitagnachmittag, nach meiner letzten Prüfung die Schule verliess, sah ich aus wie eine Obdachlose. Meine Haare waren fettig, ich trug bequeme Trainerhosen und einen viel zu grossen Hoodie. Aber ich war der Meinung gewesen, dass ich lieber in bequemen Sachen meine Prüfungen schrieb, anstatt mich herauszuputzen. Es waren doch sowieso alle so im Stress, dass es niemandem auffiel, ob ich rum lief wie eine Pennerin.
Als ich allerdings Damon entdeckte, bereute ich meine Einstellung sofort. Er lehnte an seinem Wagen, den er auf dem Uniparkplatz abgestellt hatte, von dem er genau wusste, dass mich mein Weg daran vorbei führte. Mia war schon weg in die andere Richtung, um sich mit Colin zu treffen. Sie hatten sich die ganze Woche nicht gesehen und hatten sicherlich einiges aufzuholen.
Als er mich kommen sah, begann er zu grinsen.
„Du siehst aus als hättest du gerade den Weltuntergang überlebt."
Ich schnaubte und verfluchte mich dafür, dass ich mir nicht eine halbe Stunde Zeit genommen hatte, meine Haare zu waschen und anständig zu frisieren.
Damon hingegen sah super aus wie immer. Er trug schwarze Cargohosen, ein lockeres Graues Shirt und einige seiner Ringe an den Fingern. Seine Haare sassen perfekt wie immer. Ich bezweifelte, dass er jemals mit Haarspray hatte nachhelfen müssen. Wie unfair.
„Halt die Klappe Damon."
Warnte ich ihn und blieb vor ihm stehen. Sein Grinsen wurde noch breiter und er sah mich aus hellen, provokanten grünen Augen an.
„Ich sage doch gar nichts."
Einige der Mädels aus meinem Studiengang, die an uns vorbei liefen, warfen Damon verstohlene Blicke zu und sein einnehmender Blick schweifte kurz zu ihnen. Sie begannen zu kichern als wären sie kleine Schulmädchen und Damons Grinsen wurde selbstgefälliger.
Ich schlug ihm gegen die Brust.
„Hallo? Erde an Damon? Was machst du hier?"
Er sah wieder mich an und sofort verstand ich die anderen Mädels. Sein Blick hatte etwas tiefgreifendes. Als würde er direkt in mich hinein sehen. Mich irgendwo in meinem Innern berühren.
„Sorry. Mein Ego hat das gerade gebraucht."
Ich lachte ironisch.
„Aber klar. Weil es ja so verkümmert ist."
Er wirkte amüsiert, als er zustimmend nickte.
„Also, weswegen bist du hier?"
Er wackelte mit den Brauen.
„Ich habe etwas für dich dabei."
Ich sah überrascht zu, wie er hinter sich eine durchsichtige Box hervor zog.
„Donuts!"
Oh ja und was für welche! Der Zuckerguss glänzte im Sonnenlicht und das Gebäck sah aus als wäre es dafür erschaffen worden, von mir verschlungen zu werden. Aber ich verschränkte lieber misstrauisch die Arme als gierig zuzulangen. Denn schliesslich war das Damon.
„Wieso bringst du mir Donuts?"
Er hob erstaunt die Brauen.
„Ist das denn nichts, was du mir zutraust?"
Ich schüttelte entschlossen den Kopf.
„Nein, Damon, tu ich nicht. Das ist nämlich nett, und du, du bist nicht nett."
Sein Grinsen wurde dreckiger.
„Sicher? Dabei hatte ich geglaubt ich hätte dir schon einige nette Dinge zuliebe getan, beispielsweise als ich dich..."
Schnell schnappte ich ihm die Schachtel aus den Händen.
„Schon kapiert."
Ich wollte nicht dass er weiter redete, weil mir beim blossen Gedanken an seine Berührungen schon heiss wurde. Und zwar am ganzen Körper. Naja, an einigen Stellen vielleicht mehr als an anderen.
„Ich wollte nur nett sein."
Meinte Damon zuvorkommend, als ich den klebrigen Donut in meinen Händen beäugte als wäre er vergiftet.
„Das ist es ja, was mir Sorgen bereitet."
Murmelte ich. Tat es wirklich. Seit wann war Damon grundlos nett zu mir? Da musste doch irgendwas nicht stimmen. Damon schnaubte.
„Ich tue jetzt so als hätte ich das nicht gehört. Entweder du isst ihn oder ich tue es."
Schwups, schon landete ein fetter Bissen der süssen Köstlichkeit in meinem Mund.
Ich stöhnte leise auf.
„Mann, tut das Gut."
Seufzte ich und blickte dann kauend zu Damon hoch. Sein Kiefer war angespannt, sein Blick lag auf meinen Lippen. In seinen Augen brannte dieses einzigartige Feuer dass immer dann aufloderte, wenn er und ich eines unserer Wortgefechte austrugen. Ich hörte auf zu kauen, weil mich dieses Feuer absolut vereinnahmte. Aber dann atmete er langsam und kontrolliert aus und drehte sich weg, sodass ich nur noch sein breites Kreuz sehen konnte, dass sich unter dem schwarzen Shirt anspannte. Auch keine schlechten Aussichten.
„Na los, gehen wir."
„Wohin?"
Fragte ich, als ich das Stück Diabetes in Kuchenform hinunter geschluckt hatte neugierig. Damon grinste wieder selig.
„Zu unserer ersten Trainingstunde."
Mein Blick hellte sich auf. Er hatte sein Versprechen also nicht vergessen. Ich wollte unbedingt in der Lage sein, mich wenigstens ein wenig selbst verteidigen zu können.
Damit ich nie wieder in eine solche Situation wie vor einigen Wochen kam. Ich hatte jetzt noch regelmässig Albträume davon, auch wenn ich das niemandem erzählte.
„Super Idee. Aber wieso musst du mich dafür abholen? Ich wäre sowieso nach Hause gekommen."
Er zuckte die Schultern, während er sich einmal durch sein weich aussehendes Haar fuhr.
„Mir war einfach danach."
„Achso, okay."
Murmelte ich hilflos und wischte mit einige Krümel vom Mund, als ich mich neben Damon auf den Beifahrersitz plumpsen liess.
Er bedachte mich mit einem vorwurfsvollen Blick von der Seite.
Schnell wischte ich die Teigkrümel vom sauberen Sitz.
„Sorry."
Nuschelte ich. Als Antwort darauf nickte er bloss kurz.
Männer und ihre Autos, diese Beziehung würde ich niemals verstehen. Keine Ahnung, wieso sie ihnen so wichtig waren.
Während der Fahrt sprachen wir nicht all zu viel, ich hätte auch nicht gewusst über was. Naja, eigentlich schon. Ich hätte gerne über uns geredet. Ihn und mich. Was das für ihn war und so. Aber ich getraute mich nicht. Und er schien auch keine Anstalten zu machen, das Thema anzuschneiden.
Erst als wir eine kurze Zeit nach unserer Ankunft am Haus in Trainingsklamotten im Keller standen, wurde die Stimmung zwischen uns lockerer.
Ich strich mir eine fettige Strähne zurück.
„Mann, ich hätte vorher echt duschen sollen."
Damon, dessen enges, muskelbetontes Shirt an seinem Körper klebte, schnaubte, während er einige Dinge von den Matten hinunter trug.
Dabei spannte sich der Stoff über seinen Schultern und Oberarmen. Verdammt, sah er gut aus.
„Das hätte nichts gebracht. Wenn wir es richtig anstellen, dann brauchst du die Dusche nach dem Training dringender als zuvor."
Merkte er beiläufig an, während er sich auf die leere Matte stellte und mich zu sich winkte.
In meinem Kopf erschienen einige Bilder, die mich durchaus ins Schwitzen brachten, ich versuchte aber, mir nichts anmerken zu lassen.
Seine Mundwinkel zuckten.
Schnell räusperte ich mich.
„Okay, also, wo fangen wir an? Mit Messern? Oder Schiessen?"
Das Lächeln auf seinem ebenmässigen Gesicht war sofort verschwunden.
„Nichts von alledem."
Ich liess die Schultern hinunter sacken.
„Ohman, aber wieso denn nicht?"
Er legte den Kopf schief und musterte mich eindringlich, als ich mich zu ihm auf die Matte stellte. Ich trug meine engen Leggins und ein normales schwarzes T-Shirt.
Viel anzusehen gab es da nicht.
„Weil eine Waffe sehr schnell gegen dich eingesetzt werden kann, wenn du sie nicht einwandfrei beherrscht. Und da du dich sogar an normalen Küchenmessern schneidest, starten wir lieber mit normaler Abwehr."
Ich schnaubte beleidigt.
„Ach komm, das war genau einmal! Und Kervin hat mich abgelenkt, das zählt also nicht."
Er kam langsam näher.
„Und ob es das tut."
Ich bemerkte jede seiner Bewegungen, bis er dicht vor mir stand.
„Also. Beginnen wir mit den Basics."
Rumps, schon lag ich auf dem Boden.
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