10-Seine Hände
Dann stürmte ich schnell zurück und breitete alles auf dem Sofa aus.
Damon hielt brav still, während ich einen Wattetupfer in die schwarzrote Flüssigkeit tunkte und dann damit über seine Lippe strich. Bei mir hatte das meine Mom auch immer so gemacht, wenn ich mir beim Reiten wieder mal was aufgeschürft hatte.
Doch Damon verzog keine Miene. Seine durchdringenden Augen beobachteten mich einfach dabei, wie ich ihn verarztete. Das machte mich irgendwie nervös.
„Hör auf damit."
Meinte ich leise und tauschte die Watte aus, um auch seine Wange damit zu betupfen.
„Womit?"
Fragte Damon und seine Stimme war leise und magnetisch wie immer,
„Mich so anzusehen."
Erwiderte ich und hob die Hand, um seine leicht angeschwollene Wange zu erreichen.
Seine Finger hatten sich schon um mein Handgelenk geschlossen, bevor ich es überhaupt kapiert hatte. Sanft, nicht fest. Aber bestimmt.
„Das reicht. Danke."
Meinte er ruhig und gefasst. Meine Hand prickelte angenehm und das Prickeln wanderte dann weiter meinen Arm hinauf.
Ich schluckte. Ich musste echt anfangen, mich zu beherrschen. Ich fühlte mich als hätte er die volle Kontrolle über mich.
„Was ist passiert?"
Fragte ich. Er musterte mich eingehend, was mir Zeit gab zu realisieren, in was für einer Lage ich mich gerade befand.
Er sass breitbeinig auf dem Sofa, ich hatte mich zwischen seine Beine gequetscht und sass auf dem Boden. Sofort wurde ich rot.
Ich zwang meinen Blick, bei seinem Gesicht zu bleiben, obwohl alles in mir danach schrie, auszuführen, woran ich gerade dachte. Er schien es zu bemerken. Damon konnte mich lesen wie ein Buch.
Er wirkte überrascht aber ich konnte in seinen Augen sehen, dass es ihm gefallen hätte. Stattdessen zog er mich hoch und setzte mich kurzerhand auf seinen Schoss.
„Nichts ist passiert."
Meinte er beruhigend und strich mir gedankenverloren durchs Haar, als wäre er derjenige, der sich hier um mich sorgen musste.
„Verarsch mich nicht. Willst du mir etwa sagen du bist ausgerutscht und auf einer Faust gelandet?"
Er grinste schief.
„Würdest du es mir denn glauben?"
„Nein."
Er machte einen Schmollmund.
„Schade. Denn so war es nämlich."
Ich schüttelte seufzend den Kopf.
„Ich meine es ernst, Damon. Du hast mich echt damit erschreckt, ich will wissen was passiert ist."
Wow ich hörte mich schon genauso nervig an wie die Ehefrau, wenn sie ihren Mann beim Pokern erwischte oder so.
Abgesehen davon wusste ich ganz genau, dass Damon nur das sagte, was er auch sagen wollte. Niemals hätte ich von ihm eine Rechtfertigung erwarten können.
Aber zu meinem Erstaunen rückte er mit der Sprache raus.
„Ich habe Nick aufgesucht. Um ihm zu erklären, dass er dich ja nie wieder da rein ziehen soll."
Mir wurde ganz warm ums Herz. Er war wegen mir bei diesem furchteinflössenden Typen gewesen. Um mich zu schützen. Das war echt...heldenhaft. Schnell blinzelte ich den Gedanken weg.
Ich baumelte mit den Füssen und schluckte.
„Und lass mich raten, es ist nicht bei Worten geblieben?"
Er verzog angepisst die Lippen.
„Naja, er hat sich einmal zu oft über deinen...über deine Vorzüge geäussert. Darauf hatte ich keinen Bock mehr."
Ich vergass ganz, dass Damon immer noch ein gefährlicher Mann war, den ich nicht halb so gut kannte, wie ich es manchmal dachte.
„Also hast du ihn geschlagen? Einfach so?"
Er zuckte die Schultern.
„Er hat noch viel schlimmeres verdient."
Daran wollte ich gar nicht denken.
Damons Handy, das neben ihm lag, vibrierte. Ich konnte nicht anders. Es war ein Reflex, dass ich hinsehen musste. Mandys Name stand drauf. War sie nicht krank? Ich runzelte die Stirn, als er sie wegdrückte. „Habt ihr noch Kontakt?"
Er schüttelte den Kopf.
„Nein."
Ich verdrängte den Gedanken wieder, weil die Sache mit Nick echt wichtiger war. Und mir auch wesentlich mehr Sorgen bereitete.
„Aber was, wenn du ihn jetzt nur noch wütender gemacht hast?"
Damon wirkte gelassen, aber wenn er sich darüber sorgte, so wie ich, dann zeigte er es einfach nicht.
„Mach dir keine Sorgen. Ich lasse nicht zu, dass er dir nochmals so nahe kommt."
Irgendwie beruhigt mich das. So irrational es auch war. Damon hatte diese Wirkung auf mich. Seine Worte waren Gesetz.
Trotzdem machte ich mir Sorgen. So heikle Situationen war ich mir nunmal nicht gewohnt. Das grösste Drama, das ich jemals mitbekommen hatte war, als Sarah Parker im Auto ihres Freundes einen Haargummi entdeckt hatte, der nicht ihrer war. Aber ja, Loganville war nicht mit Atlanta zu vergleichen. Schon klar. Trotzdem. Unruhig rutschte ich hin und her und versuchte, meine Gedanken zu ordnen.
Damons Gesicht verspannte sich.
„Könntest...könntest du damit aufhören."
Merkte er an und ich blinzelte fragend.
„Was?"
„Du..."
Er liess seinen Blick hinunter gleiten und ich erstarrte in der Bewegung. Ach du scheisse, ich hatte ganz vergessen, dass ich noch immer auf Damons Schoss sass. Und ich spürte, dass er das auch sehr wohl spürte.
Ich schnappte nach Luft.
„Entschuldige."
Sein Mund zuckte halbwegs belustigt. Aber ich sah ihm an, wie sehr er sich beherrschte. So wie ich ihn kannte, hätte er längst darauf reagiert.
Aber seine Hände lagen auf der Couch und er hatte keine Anstalten gemacht, mich anzufassen. Als ich ihm damals auf der Couch gesagt hatte, dass ich ihn nicht wollte, hatte er sich das wohl gemerkt. Und noch viel wichtiger, er respektierte es. Genug, um mich nicht anzufassen, obwohl ich es mir auf seinem Schoss gemütlich gemacht hatte. Ich starrte ihn an und dann wanderte mein Blick zu seinen Lippen.
Scheisse. Ich sah wieder hoch zu seinen einnehmenden Augen. Er erwiderte meinen Blick, sagte aber nichts. Seine Augen schienen förmlich zu brennen. Ich wusste, dass es keine gute Entscheidung war und dass ich es wahrscheinlich noch bereuen würde, aber ich konnte es nicht aufhalten. Ich hielt seinem verlockenden Blick stand und griff langsam und sanft nach seinen Händen. Sofort begannen meine Finger angenehm zu prickeln.
Ich führte sie zu meinen Hüften und platzierte sie dort. Dann legte ich meine Hände auf seine und begann langsam, die Hüfte zu bewegen. Vor und zurück.
Seine Augen verengten sich und ich sah, wie er seine Lippen zusammen presste. In mir schlugen Schmetterlinge Rückwärtssaltos als mir klar wurde, was auch ich für eine Macht über ihn hatte. Auch wenn es nur jetzt in diesem Moment war.
„Malia..."
Stiess er warnend hervor und liess sich langsam zurück sinken. Seine Hände hafteten jedoch an meiner Hüfte.
„Was?"
Hauchte ich. Mein Hirn hatte sich längst verabschiedet.
„Du solltest mich nicht provozieren."
Seine Stimme klang rau. Irgendwie verlangend. Und das ermutigte mich nur noch, weiter zu machen.
Ich wusste nicht, wieso ich das tat. Es gab keine rationale Begründung dafür. Aber ich liess mich von meinen Gefühlen leiten. Von meinem Verlangen für ihn, das brannte wann auch immer ich ihn sah.
„Willst du mich?"
Flüsterte ich und löste meine Hände von seinen, um sie auf seinem Oberkörper abzustützen.
Sein Atem strich über meine Lippen, als ich mich zu ihm beugte.
Er nahm seine Hände von meiner Hüfte und mein Körper schrie frustriert auf.
„Das spielt keine Rolle. Du hast klar gemacht, dass du mich nicht willst. Und das respektiere ich."
Hut ab, er beherrschte sich wirklich gut. Aber das spornte mich nur an.
„Das hat dort aber ganz anders geklungen."
Flüsterte ich und küsste ihn kurz auf den Mundwinkel, der nicht verletzt war. Er machte einen tiefen, kehligen Laut, der eine Hitzewelle über meine Haut jagte.
„Dort war ich auch nicht ganz bei Sinnen."
Ich lächelte leicht.
„Und jetzt? Bist du jetzt bei sinnen?"
Er erwiderte nun wieder meinen Blick und die Flamme, die ich dort gesehen hatte, war jetzt ein loderndes Feuer. Ein Feuer von dem ich nicht sicher war, ob ich es zähmen konnte.
„Nein."
Mein Herz machte einen Sprung. Ich hörte auf, mich zu bewegen.
„Was, wenn ich dir sage, dass ich dich auch will?"
Platzte es dann aus mir heraus.
„Sicher?"
Ich nickte.
Ich hatte nicht mal ausatmen können, da lagen seine Lippen schon auf meinen. Fordernd, fast schon wütend küsste er mich, als Strafe dafür, was ich getan hatte.
Dann legte er seine Hände wieder an meine Hüfte und begann, sie zu bewegen. Aber diesmal lenkte er sie. Er lenkte meine Bewegungen, sanft und langsam. Aber effektiv. Ich spürte, wie Blitze zwischen meinen Beinen herum zuckten. Ich japste und schnappte nach Luft.
Mit aufgerissenen Augen sah ich ihn an. Damons Augen glitzernden fies.
„Dachtest du nur du kannst sowas?"
Fragte er mit dieser triumphierenden, überheblichen Stimme, die mich nur noch heisser machte.
Ich konnte gar nicht antworten, ich war viel zu sehr mit dem beschäftigt, was ich empfand. Er trug eine Hose, und ich auch. Trotzdem konnte ich ihn spüren.
Damons Lippen landeten an meinem Hals und er küsste zwischendurch sanft mein Schlüsselbein entlang, während er mir half, mir mein T-Shirt über den Kopf zu ziehen.
Mit nur einer fliessenden Bewegung hatte er meinen BH geöffnet und ich hatte ihn ebenfalls achtlos weg geworfen. Genauso wie er sein Shirt. Damon, der nun auf dem Rücken lag, zog mich zu sich, sodass sich unsere Oberkörper berührten und ich sein Gesicht mit meinen Händen umschliessen konnte. Seine Hände lagen nun auf meinem Po, den sie regelmässig nach unten drückten. „Ich will dich jetzt."
Knurrte er zwischen zwei Küssen und ich schauderte.
Ich wollte ihn auch. Ich glaubte, dass ich noch nie in meinem Leben etwas so sehr gewollt hatte, wie ihn zu spüren. Ohne irgendwelche lästigen Kleidungsstücke zwischen uns.
„Okay."
Hauchte ich gegen seine Lippen und ich spürte trotz geschlossenen Augen, dass er leicht lächelte.
„In meinem Zimmer hat es...."
„Euer ernst? Ihr habt Sex auf meiner lieblingscouch?"
Damon erstarrte in der Bewegung, genauso wie ich. Die Hitze, die sich in mir ausgebreitet hatte, verwandelte sich sofort in eisige Kälte, als ich Malikas Stimme hörte. Blitzschnell rollte ich mich von Damon weg und bedeckte meinen nackten Oberkörper mit seinem Shirt. Scheisse, fuhr es mir durch den Kopf.
Ich lief wahrscheinlich rot an bis zu meinen Zehenspitzen, doch Damon griff seelenruhig nach einem Kissen und setzte sich dann grinsend auf.
„Sorry."
Meinte er gelassen und mein Kiefer wäre fast nach unten geklappt. Wie konnte er so ruhig bleiben, obwohl uns Malika gerade dabei erwischt hatte, wie wir zur Sache kamen?
Malika seufzte und verwarf dann die Hände.
„Auch egal. Interessiert mich eh nicht. Ausser du hast das Feilchen an deinem Auge von ihr. Dann schon."
„Nope."
Erwiderte Damon und klimperte unschuldig mit den langen Wimpern. Malika schnaubte.
„Hab ich mir fast gedacht."
Wortlos wandte sie sich ab, latschte zur Küche, nahm sich einen ganzen Liter Milch heraus, knallte den Kühlschrank wieder zu und verschwand dann wieder in ihrem abgedunkelten Zimmer.
Fassungslos darüber, was gerade passiert war, starrte ich ihr hinterher.
Dann war es kurz ruhig. Das ganze Selbstbewusstsein, dass aus unerklärlichen Gründen von mir Besitz ergriffen hatte, war verschwunden.
Ich getraute mich nicht mal mehr, Damon ins Gesicht zu sehen.
Bevor er etwas sagen konnte, schnappte ich mir meine Sachen und raste in mein Zimmer. Als er mir meinen Namen hinterher rief, schob ich auch schon die Türe zu.
Dann presste ich meine nackte Haut gegen das kalte Metall, in der Hoffnung, dass ich dann wieder klarer denken konnte.
Was nicht der Fall war. Ich konnte nur daran denken, wie nahe ich ihm gewesen war. Und dass mir das noch immer nicht gereicht hatte.
„Scheisse, scheisse, scheisse!"
Fluchte ich leise und schlug mir gegen die Stirn.
Ich Idiotin! Was hatte ich nur wieder gemacht!
Ich konnte ihm nicht solche widersprüchlichen Signale senden und dann von ihm erwarten, dass er mich in Ruhe liess.
Verdammt.
Ich schaffte es irgendwann, mich wieder zu beruhigen und lenkte mich mit etwas leichter Lektüre ab, die ich sowieso für die Prüfungen lesen musste. Irgendwas zur staatlichen Regulierung des Marktes. Dann klopfte es an der Türe.
Mit einem klammen Gefühl in der Magengegend öffnete ich. Bitte lass es nicht Damon sein.
„Oh, Mia."
Entfuhr es mir. Sie hob eine Braue.
„Wieso klingst du so überrascht? Wolltest du noch mit wem anderem lernen?"
Fragte sie belustigt und ich schüttelte eilig den Kopf.
„Nein, nein, komm rein."
Sie setzte sich schwungvoll auf mein Bett und legte ihren Laptop vor sich hin.
„Hast du Damon gesehen?"
Fragte sie und ich erstarrte in der Bewegung. Hatte Malika ihr etwa alles erzählt?
Meine Beine wurden weich.
„Kurz. Wieso?"
Piepste ich alarmiert und sie schüttelte vielsagend den Kopf.
„Hast du sein Gesicht gesehen? Er hat sich geprügelt, hat er dir was erzählt?"
Ich schüttelte schweigend den Kopf. Es fiel mir nicht schwer, sie anzulügen, irgendwie. Auch wenn es das nicht besser machte.
„Das ist einfach komisch. Es passt nicht zu ihm."
Ich hob die Brauen.
„Wieso? Prügelt er sich sonst nicht?"
Sie schüttelte nachdenklich den Kopf.
„Nein. Meistens machen das andere für ihn."
Damon prügelte sich also für mich. Das war ziemlich albern, da dies kein Grund war, sich zu freuen, aber trotzdem begann mein dummes Herz schneller zu schlagen.
Den Rets des Abends verbrachten wir mit lernen. Und beim Abendessen war das Gesprächsthema vor allem Damons Gesicht, was mir ganz recht war. Er weigerte sich aber, irgendwas dazu zu sagen. So lange, bis die anderen es schliesslich sein liessen.
Einmal tauschte ich noch Blicke mit Malika aus, die kurz daraufhin zur Arbeit musste, aber sie sagte kein Wort. Als hätte sie nie etwas gesehen. Ich war ihr echt dankbar dafür.
Die nächsten paar Tage verliefen wenig spektakulär. Ich ging zur Uni, dann nach Hause. Ich lernte, ass und schlief und ging dann wieder zur Uni. Und das widerholte sich Tag für Tag. Damon und diejenigen, die nicht studierten, gingen am Wochenende an die ein oder andere Party, Andrew, Mia und ich blieben aber zuhause und büffelten.
Ich musste zugeben dass es mich ziemlich anschiss, nicht zu wissen, was Damon bei den Partys so trieb. Vor allem weil mir klar war, dass Jenny bei jeder dabei war. Aber ich hatte ja auch gar nicht das Recht, eifersüchtig zu sein. Schliesslich hatten sich Damon und ich nie wirklich darüber unterhalten, was das zwischen uns war. Trotzdem konnte ich meistens erst einschlafen, wenn ich hörte wie die Türe zum Loft aufging und die Jungs nach Hause kamen.
Irgendwann hatte icv mich dann auch noch bei meiner Mutter gemeldet. Es war schon Besorgnis erregend, dass fast ein ganzes Semester vorbei gegangen war, und sie sich trotzdem nie erkundigt hatte, wie es mir ging. Schliesslich hätte ich sonst wo sein können, ich hatte ihr nie irgendwas erzählt.
Aber als ich ihr nun von meiner WG und den anstehenden Prüfungen erzählte, wirkte sie weder begeistert noch interessiert. Sie hielt es immernoch für eine schlechte Idee und merkte zum Schluss an, dass mein Zimmer noch immer da war, falls ich es mir anders überlegen würde. Ziemlich frustriert und auch etwas verletzt beendete ich dann das Telefonat.
Da ich nicht wusste, wohin ich mit dieser negativen Energie sollte, beschloss ich, joggen zu gehen. Mia machte das ab und zu, und vielleicht war es auch eine gute Idee, wenn ich das mal machte. Vor allem jetzt, wo sie bei Colin war und ich keine Konzentration zum Lernen aufbringen konnte.
Also zog ich meine Leggins an, ein lockeres Shirt in dem ich nicht zu sehr schwitzen würde und Laufschuhe.
Als ich mein Zimmer mit Musik in den Ohren verliess, spielten Damon und Nico gerade zusammen ein Ballerspiel.
„Ich geh joggen", kündigte ich kurz und knapp an. Seit dem „Vorfall" wie ich ihn nannte, hatte ich fast nicht mehr mit Damon gesprochen. Ich ging ihm aus dem Weg. Weil ich nicht wusste was ich sagen sollte, wenn er mich darauf ansprechen sollte, was zwischen uns passiert war.
Aber er nickte nur und liess sich in seinem Spiel nicht beirren.
Naja, so sehr schien ihn die ganze Sache wohl nicht zu beschäftigen. Ich schnaubte und bemerkte Nicos Blick, der mich kurz musterte.
„Alter, Konzentrier dich aufs Spiel."
Hörte ich Damon knurren. Ich war bereits halb aus der Tür und verkniff mir ein Grinsen.
Dann atmete ich die Frische Abendluft ein. Es war Sommer geworden und abends war es ziemlich lange hell. Deswegen hatte ich auch keine Bedenken, alleine joggen zu gehen. Auch wenn dieses Viertel bei Nacht nicht unbedingt besonders sicher war.
Ich startete langsam und startete meine Geschwindigkeit dann etwas, so wie Mia es mir erklärt hatte. Trotzdem machte ich nach erbärmlichen Zehn Minuten schlapp und kehrte wieder um. Als ich unser Haus schon sehen konnte, musste ich kurz anhalten und stützte mich an einer Hausmeier ab. Putz rieselte an meinen Fingern hinunter.
„Phu."
Machte ich und strich meinen Pferdeschwanz zurecht, der mir am verschwitzten Hals geklebt hatte. Sehr appetitlich.
„Du erkältest dich, wenn du lange stehen bleibst."
Hörte ich dann eine Stimme anmerken.
Ich nahm mir den Ohrstöpsel raus und drehte mich um. Vor mir stand ein junger Mann, den ich nicht kannte.
„Entschuldige, was hast du gesagt?"
Ich lächelte und er deutete auf mein Shirt, das mir unterdessen am Körper klebte.
„Wenn du schwitzt und lange im kühlen Wind stehen bleibst, erkältest du dich."
Es war nicht freundlich gemeint, es war einfach eine Feststellung. Der Typ hatte schwarze Haare und dunkle Augen. So dunkel, dass sie fast schwarz wirkten.
Er war gross und gut gebaut, aber er strahlte nichts liebenswertes aus. Er wirkte völlig kalt. Ich schluckte und tastete nach meinem Handy. Nur für den Notfall.
„Oh. Okay, danke. Dann gehe ich mal weiter."
Meinte ich möglichst unbekümmert und wollte an ihm vorbei laufen.
Doch seine Hände schossen vor und packten mich an den Schultern. Ehe ich es mich versah, wurde ich schon hart an die Wand gedrückt sodass mir kurz die Luft weg blieb. Sofort machte sich Angst in mir breit und mein Fluchtreflex trat ein. Doch ich konnte mich keinen Zentimeter bewegen, der Typ war viel zu stark und sein Griff zu erbarmungslos.
„Lass mich sofort los."
Keuchte ich und spürte, wie die Angst meine Glieder zu lähmen begann. Scheisse man, ich hatte keine Chance gegen ihn.
„Wir dachten, Nicks Warnung war klar und deutlich. Aber nein, ihr macht einfach weiter. Pech für dich, dass wir Nick ziemlich nachtragend ist."
Er drückte seinen Arm gegen meinen Hals und würgte mir die Luft ab.
Nachtragend....Damon. Damon hatte ihn geschlagen. Verdammter Mist und wieso wollte er sich dann an mir rächen?
Ich grub die Nägel in die dicke, lederne Jacke des Typen, doch das brachte nichts.
„Also, Kleine, schicken wir Damon ein Zeichen, was denkst du?"
Er grinste finster und ich blickte ihm direkt in die Augen. Es war unheimlich, wie leer und kalt sie wirkten. Als wäre jegliche menschliche Wärme daraus gewichen. Ich konnte nicht antworten, weil ich damit beschäftigt war, meinen schreienden Lungen Sauerstoff zu beschaffen, was mir aber kläglich misslang.
Schwarze Punkte tanzten vor meinen Augen und hinter meinen Augen begann sich ein merkwürdiger Druck aufzubauen. Zu atmen, und dann plötzlich den nächsten Atemzug abgeschnitten zu bekommen, den der Körper doch für so selbstverständlich hielt, das war hart. Das Brennen meiner Lunge breitete sich in meinem ganzen Brustkorb aus, während der Typ vor mir gnadenlos zusah, wie ich hier vor ihm erstickte. Ich zappelte mit meinen Armen und Beinen, aber bald hatte ich auch dort keine Kraft mehr. Als würde mein Körper sämtliche verbliebene Energie zu meinem verzweifelt schlagenden Herz umleiten.
Meine Sicht verschwamm und ich spürte, wie ich langsam in eine dunkle Ohnmacht abzudriften drohte. In diesem Moment klirrte es laut und dann loste sich der Druck von meinem Hals.
Wie auf Kommando sog ich die Luft tief und gierig ein. Sie füllte meine brennenden Lungen wie kühlendes Wasser und linderten den Druck hinter meinen Schläfen.
Benommen sank ich zu Boden, den Rücken noch immer an die kalte Mauer gelehnt und zwang mich, einige male zu blinzeln, damit ich sah, was passiert war.
Vor mir Stand Damon. Wie ein Racheengel hielt er eine zerbrochene Bierflasche in der Hand und blickte mit solch einer Kälte auf den Mann hinunter, der sich auf dem Boden krümmte und sich den Hinterkopf hielt, dass mir auch gleich kalt wurde.
„Dass du sie angefasst hast, war ein gewaltiger Fehler."
Meinte er, während er die Flasche verächtlich hinter sich warf. Sie zersprang in tausend Scherben. Meine Sicht war noch immer verschwommen, trotzdem sah ich, wie Damon sich zu dem verletzten Typen nieder kniete und seine Geballte Faust auf ihn nieder schmetterte. Ich hörte den Typen vor Schmerz aufstöhnen. Dann schloss ich die Augen und zog die Beine an meinen zitternden Körper, worauf ich den Kopf zwischen den Knien versteckte.
Ich hörte das Keuchen und das Geräusch von Damons Fäusten die immer und immer wieder auf den Körper des Typen hinab fuhren.
Ich konnte nichts anderes tun, als wie gelähmt da zu sitzen und mich selbst fest zu halten. Die Augen hielt ich geschlossen, in der Hoffnung, dass wenn ich sie öffnete, dann alles wieder wie vorher war. Aber das war es nicht.
„Richte Nick aus, dass das meine Botschaft an ihn war. Und jetzt verpiss dich bevor ich dich umbringe."
Knurrte Damon, der vor dem Mann in die Hocke gegangen war, der sich mit geöffnetem Mund auf dem Boden wand. Blut klebte an seinem Gesicht. Woher genau es kam, wusste ich nicht.
Aber er liess sich nicht noch einmal auffordern. Stattdessen kroch er einige Meter von Damons tödlichen Fäusten weg und rappelte sich dann schwerfällig auf. Er wankte weg, raus aus meinem Blickwinkel. Ich blieb sitzen und bewegte mich nicht. Starrte nur geradeaus. Ich war noch immer nicht ganz im klaren, was gerade passiert war. Dass ich tatsächlich angegriffen worden war.
Dann war Damon bei mir. Ich spürte seine Wärme noch bevor er mich berührte. Er tat es nur ganz sanft. Seine Fingerspitzen berührten meine Knie und ich zuckte zusammen und riss mit weit geöffneten Augen den Kopf hoch.
„Schon gut, alles okei, ich bin es."
Damon hob die Hände, als wolle er zeigen, dass er keine Gefahr war. Doch seine Knöchel waren blutig.
Ich starrte ihn an und meine Unterlippe begann zu zittern. Der Schock, der sich tief in mit verankert hatte, wich jetzt, wo mein Körper kapiert hatte, dass er in Sicherheit war, tiefer Erleichterung. Aber ich realisierte auch endlich, was passiert war. Der Typ hatte mich fast ohnmächtig gewürgt. Etwas, was ich sonst nur aus Filmen kannte. Und jetzt war es mir wirklich passiert. Die Angst, die Hilflosigkeit, es schauderte mich beim blossen Gedanken daran.
Tränen begannen in meinen Augen zu brennen und dann vereinzelt meine Wangen runter zu rollen.
Damon verzog sein Gesicht, als würde ihn etwas quälen, dann wischte er sanft mit dem Daumen über die Wange.
„Kannst du aufstehen?"
Fragte er dann und ich bemühte mich, zu nicken.
Scheisse, noch nie in meinem Leben hatte ich eine solche Angst verspürt. Ich hatte gedacht, dass ich jetzt gleich sterben würde. Und mein Hals schmerzte immernoch.
Mit Damons Hilfe quälte ich mich auf die wackeligen Beine.
Aber sobald ich stand, liessen sie auch schon wieder nach. Aber Damon war da. Er war da und schlang die starken Arme um mich, nur um mich kurz darauf fest an sich zu drücken. Ich presste mein Gesicht gegen sein weiches Shirt und begann zu weinen.
Es war erbärmlich aber ich konnte es nicht zurück halten. Diese Angst die ich empfunden hatte, die hatte mich so geschockt.
Und jetzt musste ich es einfach rauslassen. Ich stand da und weinte, während mich Damon so fest an sich drückte, als würde ich ihm sonst entgleiten.
Er sagte kein Wort, aber strich sanft und beruhigend über meinen Rücken. Sein Herz klopfte ruhig und ich konnte seinen Atem hören. Irgendwann beruhigte mich das und die Tränen versiegten.
Trotzdem liess er mich nicht los. Erst als ich mich langsam von ihm weg drückte. Er sah mir nicht in die Augen, sondern liess sich die schwarzen Haare tief in die Stirn fallen.
„Komm, wir gehen rein."
Wortlos folgte ich seinem Befehl.
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