Phase 5: Auferweckt

Ich hatte noch nie so viel geschlafen in den letzten Tagen wie jetzt. Und es fühlte sich gut an. Als wäre ich frisch und frei. Mein Kopf fühlt sich leicht an. Er schweigt und zeigt mir keine qualvollen Erinnerungen. Ich sehe auf mein Handy. Es ist zehn Uhr. Noch früh genug, um mit dem Lernen anzufangen. Ich gehe ins Bad. Immer noch ist das Wasser in der Wanne. Ich beschließe mich auszuziehen und zumindest kurz darin zu baden und zu plantschen. Ich hasse Wasserverschwendung. Ich nehme Duschgel und seife mich ein. Wasche meine Haare, während ich da so sitze im kalten Nass. Es fühlt sich seltsam erfrischend an. Nach kaum zehn Minuten bin ich fertig. Ich lasse das Wasser abfließen und trockne mich ab. Sehe mich im Spiegel. Einige Augenringe zieren mich. Ich rasiere mich. Ich habe schon einige Tage meine Rasur vernachlässigt und so ist mein Bart etwas zwischen einem Dreitagebart und einem richtig ausgewachsenen Bart. Es fühlt sich gut an, wieder meine Wangen zu spüren. Ich merke irgendwie deutlich, dass ich an Gewicht verloren habe. Mein Gesicht wirkt viel dünner als ich es in Erinnerung habe. Ich fasse mir an den Bauch. Er fühlt sich auch flacher an. Wann habe ich eigentlich zuletzt gegessen? Wie zur Bestätigung grummelt mein Magen so heftig, dass er schmerzt. Ich putze mir noch rasch die Zähne, bevor ich mich anziehe, meine Tasche packe und gehe. Draußen ist es grau. Meine Laune war jedoch um einiges leichter als das Wetter. Fluffig. Irgendwie.

Ich gehe zur Bank und hole mir Geld. Ich habe seit geraumer Zeit nichts mehr geholt. Kaum verbraucht. Kaum gegessen. Kaum... irgendetwas gemacht. Also gönne ich mir etwas besonderes. Ich war noch nie in diesem neuen Café, von dem meine Kommilitonen zuletzt gesprochen hatten. Also gehe ich da hin. Es ist modern eingerichtet und hat größtenteils eine rote Einrichtung. An der Theke ist eine Vitrine mit verschiedenen Leckereien. Eine junge Blondine wischt über die Tische. Ich setze mich an einem Tisch in der Ecke. Ich habe einen schönen Ausblick aus dem Fenster. Das Grau draußen verdunkelt sich. Ich sehe mir die Speisekarte an. Haben sie auch Frühstücksangebote? Bingo.
Nach einigen Minuten kommt die blonde Bedienung. Es gibt momentan nicht viel Kundschaft. "Hallo, was darf es sein?", fragt sie mich. Sie hat eine schöne Stimme. Melodisch. Ein wenig so wie Panda. Ich lächele. "Einmal Frühstück Nummer 2 mit Rührei und dazu einen Kaffee. Schwarz." Die Bedienung nickt, schreibt es sich auf und geht. Während ich mir die Räumlichkeiten näher ansehe und mit meinen Gedanken ein wenig umherschweife.

Es kommt mir gar nicht so lange vor, dass mein Essen endlich da war. Rührei mit Speck und dazu zwei Pancakes, die ich mit Sirup übertäufele. Auch frisches Obst gibt es auf einer kleinen Extraschüssel. Ich beginne zu essen. Es ist ungewohnt, aber ich versuche deshalb möglichst langsam zu kauen. Mein Hunger macht mich fast schon schwindelig und mein Magen knurrt dazu.Ich schneide mir etwas von den süßen Pancakes ab. Vergewussere mich, dass genug Sirup drauf ist und führe die Gabel zum Mund. In meinem Mund explodiert fast der Geschmack. Die Süße des Sirups zusammen mit dem schön weichen Pankake. Die Wärme, so wie ich es noch von zu Hause kenne. Ich genieße jedes einzelne Kauen und spüre, wie meine Geschmacksknospen verwöhnt werden. Ich nehme einen Schluck von dem Kaffee. Der bittere aber auch weiche Geschmack verteilt sich im Mund und vermischt sich mit dem süßen Nachgeschmack des Pancakes.
Ich probiere den Rührei mit Speck. Der Speck ist knusprig und salzig und zergeht fast auf der Zunge. Diese Krosse passt gut zu dem sanften Rührei, das warm und weich meine Sinne fast benebelt. Es ist, als hätte ich in meinem Leben noch nie gegessen und schmecke alles zum ersten Mal. Vielleicht ist es ja auch das erste Mal.

Das erste Mal in meinem neuen Leben.

Ich bin wie neu geboren. Ich brauche eineinhalb Stunden, um aufzuessen, gebe ein großzügiges Trinkgeld und gehe mit meiner Tasche nach draußen. Es hat in der Zeit, als ich gegessen habe sehr stark geregnet. Jetzt kommt wieder die Sonne. Ich rieche den nassen Boden. Es riecht alles so neu und verwaschen. Als hätte der Himmel die Erde bereinigt.

Ich laufe fast zur Bibliothek. Und ich arbeite drei Stunden durch, ohne wirklich zu pausieren.

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