Kapitel 1

Wut und Enttäuschung benebelte Touyas Verstand. Es war immer das gleiche. Tagein, tagaus. Während er arbeiten war, tat sein Partner nichts anderes, als zuhause vor der Konsole zu sitzen und zu zocken.

Das ging nun seit über einem Jahr so – seit Tenko seinen Job verloren hatte und immer mehr in die Depression fiel. Es war nicht so, als würde Touya ihm irgendetwas vorwerfen, er hatte versucht, seinem Partner zu helfen, ihm zur Seite zu stehen. Doch Tenko blockte alles ab, jegliche Hilfe oder Gespräche, die er ihm anbot, waren vergebens.

Von Nähe ganz zu schweigen. Touya hatte es satt, Tenkos angewiderten und genervten Gesichtsausdruck zu sehen, wenn er sich zu ihm setzte, ihn berührte oder auch nur etwas ansprach, was seinem Partner nicht gefiel.

Natürlich wusste Touya von Anbeginn Bescheid über Tenkos psychische Probleme, doch damals war er damit ausgekommen. Sie beide waren damit zurechtgekommen, immerhin hatte auch Touya mehr als genug eigene Probleme.

Ihre Art damit umzugehen war einfach anders. Während Touya alles, was in seiner Kindheit passiert war, aufgearbeitet hatte, versuchte Tenko es zu verdrängen. Leider holte die Vergangenheit ihn immer wieder ein und versetzte ihn in Zustände wie diesen. Also völlig abwesend im Bett oder auf der Couch – im besten Fall noch auf den Fernseher starrend, wie in dem Moment.

»Willst du den ganzen Tag auf dem scheiß Sofa sitzen und nichts tun?«, murrte Touya und stellte sich direkt vor seinen Freund, sodass er die Sicht auf den Fernseher versperrte. Rote, vor Verärgerung funkelnde Augen sahen ihn an, blickten ihm direkt in die türkisen Augen, nur um sich gleich wieder abzuwenden.

Er tat es oft, denn er konnte den Blick Touyas nicht lange erwidern, nicht standhalten. Heute waren sie schon mehrmals aneinandergeraten. Oft genug begann es schon am frühen Morgen, oder am Abend, direkt nach der Arbeit.

»Ignoriere mich nicht, Tenko. Du weißt ganz genau, dass du mich damit nur noch mehr reizt, als ohnehin schon.« Er verzog seine Lippen zu einer schmalen Linie und atmete genervt aus.
»Dann lass mich einfach in Ruhe und geh aus dem Weg«, knurrte Tenko und rutschte zur Seite, damit er an seinem Partner vorbeischauen konnte.

Normalerweise würde Touya einfach aufgeben, auf Tenko pfeifen und sich verziehen, allein in die nächste Bar gehen und sich volllaufen lassen. Doch nicht an diesem Tag.
»Hast du nicht etwas vergessen?«, fragte Touya genervt und schlich erneut ins Blickfeld des Sitzenden, worauf er den Controller sinken ließ.
Stirnrunzelnd hob der seinen Kopf, versuchte allen Anschein nach herauszufinden, worüber Touya sprach. Tenko schien es vergessen zu haben. Dabei war Touya sonst derjenige, der solche Tage vergaß, einfach weil sie ihn nicht interessierten und er keinen Wert darauf legte. Zudem erinnerte Tenko ihn sonst an alles Mögliche, jedenfalls war es früher immer so gewesen, und ehrlich gesagt war er oft froh darüber, dass er es getan hatte.

Aber heute war ihr Jahrestag, ihr Fünfjähriges und deshalb hatte er die letzten Tage ständig daran gedacht und überlegt, womit er Tenko eine Freude bereiten könnte. Wenn es überhaupt noch irgendwas gab, außer seiner Konsole.

Dieses Mal wollte Touya seinem Partner zeigen, dass er ihn immer noch liebte, dass er ihm immer noch wichtig war, und das, obwohl Tenko ihn so miserabel behandelte. Vielleicht war es die letzte Chance, der letzte Versuch, ehe er aufgeben und es beenden würde. »Überleg mal genau, Tenko, was für ein Tag ist heute wohl?«

Der jüngere Mann runzelte die Stirn. Das Unverständnis und die Irritation standen ihm ins Gesicht geschrieben. Touya ballte die Hände zu Fäusten und entspannte sie anschließend wieder.

»Freitag?« Er zuckte mit den Schultern, worauf Touya seufzte. Er musste sich davon abhalten, seine Hand nicht gegen die Stirn zu schlagen. »Was weiß ich, interessiert mich auch nicht. Jetzt geh zur Seite.«

Manchmal fragte Touya sich wirklich, wieso er überhaupt an dieser Beziehung hing und immer noch versuchte, sie zu retten. War hier überhaupt noch etwas zu retten, so kaputt wie sie beide waren? Er wollte es zumindest versuchen, schließlich war er niemand, der einfach aufgab. Schon gar nicht diesen Mann dort, mit dem er schon so viel erlebt hatte und durch die Hölle gegangen war.

»Verdammt, Tenko«, fuhr er ihn an, »willst du mich komplett verarschen?«
»Sehe ich etwa so aus?« Touya zischte, beugte sich hinab und packte Tenko am Kragen. Er zog ihm auf die Beine, was nicht ganz ohne Protest geschah – doch das war ihm in diesem Moment schlichtweg egal – und führte ihn ins Schlafzimmer.

Für diesen Tag hatte er sich frei genommen, damit sie zusammen ausgehen konnten – zum ersten Mal nach langer Zeit. Es sollte kein verschwendeter Urlaubstag sein. Aber ihm war ebenfalls bewusst, dass diese Idee idiotisch war und es nicht einfach werden würde, seinen Partner zu überzeugen.

Doch Touya war lange genug geduldig gewesen, hatte gewartet, bis Tenko wieder auf ihn zukommen würde und ließ dem Mann seinen Freiraum. Statt sich wieder näher zu kommen, entfernten sie sich Stück für Stück voneinander und Touya reichte es einfach.

Wenn er ehrlich war, dann wusste er nicht einmal, ob Tenko überhaupt noch irgendwelche Gefühle für ihn hatte. Er zeigte und sagte es nicht mehr.
»Was soll das?«

Touya schubste ihn auf das gemeinsame Bett und blieb mit verschränkten Armen vor diesem stehen. »Was auch immer du vor hast, dir einbildet oder erwartest, du kannst mich mal«, fuhr Tenko ihn an und stand direkt wieder auf, nur um gleich erneut unsanft auf das Bett befördert zu werden.

»Du solltest mir jetzt ganz gut zuhören«, warnte Touya ihn und trat ein Stück zurück, damit Tenko sich entspannen konnte und begriff, dass von ihm keine Gefahr ausging und er ihn nicht anfassen würde.

Tenko zog seine Beine an sich und musterte Touya, der einmal tief durchatmete. Das, was er nun sagen würde, tat er nicht gerne, eher im Gegenteil, doch es lag ihm schon lange auf dem Herzen. »Ich hab lange über uns beide nachgedacht und …«

»Du willst dich trennen?« Die Gesichtszüge des Jüngeren entglitten, als er seine Frage stellte. Seine Finger krallten sich in den Stoff seiner Hose und Touya war sich nicht sicher, ob er das hier wirklich wollte. Er biss sich auf die Lippe und schüttelte langsam den Kopf. »Was dann? Mich rauswerfen?«

»Nein, also …«, begann er und setzte sich neben Tenko, der ihn nicht aus den Augen ließ. »Ich will es nicht, aber ich bin mir nicht sicher, ob das hier noch eine Zukunft hat. Wie siehst du es, immerhin hast du unseren Jahrestag vergessen – und das ist sonst meine Aufgabe.«

Ein schwaches Lächeln zierte Touyas Lippen, als er den letzten Satz aussprach. Doch Tenko schwieg und sah ihn mit weit geöffneten Augen an. »Weißt du, ich liebe dich immer noch, aber ich bin mir nicht sicher, ob es auf Gegenseitigkeit beruht.«

Noch immer kam keine Antwort von Tenko und Touya bekam immer mehr Zweifel. Zu den ohnehin schon vorhandenen gesellten sich nun noch mehr. Und je länger diese Stille zwischen ihnen herrschte, desto mehr drängte sich dieser eine Satz an die Oberfläche.

Er wandte den Blick ab und sah auf die Hände seines Freundes. »Du lehnst mich ständig ab, ob nun bewusst oder unbewusst, das ist irrelevant. Egal was ich versuche, du nimmst mich nicht mehr wahr und das ist verdammt schmerzhaft.«

»Also willst du dich trennen?«, warf Tenko in den Raum, weshalb er ihn wieder ansah. Die roten Augen, die Touya so liebte, glänzten und funkelten. Aber nicht mehr so wie früher, wenn Tenko ihn angesehen hatte. »Weil ich dir nicht genug Aufmerksamkeit schenke? Du kommst doch nur, wenn du was willst. Lächerlich. Einfach nur erbärmlich und lächerlich.«

Fassungslos sah Touya ihn an, dann verzog er das Gesicht und stand auf. Mit schnellen Schritten ging er auf den Kleiderschrank zu und riss die Tür auf.
»Das einzige, was hier lächerlich ist, ist deine Annahme, dass es mir nur um Sex geht. Aber schön, dann kannst du deine Sachen packen«, knurrte Touya und begann die Sachen seines Partners nach und nach auf den Boden zu werfen.

Das Maß war voll. »Eigentlich hatte ich mir heute frei genommen, wollte mit dir ausgehen«, sagte er wütend und warf die Kleider auf den Fußboden, direkt vor Tenkos Füße, »etwas trinken und unseren Jahrestag feiern. Aber du bist so Ignorant, so in deinem Glauben festgefahren. Mir reicht es.«

Erst als er fertig war, Tenkos Kleider allesamt auf dem Boden lagen und er die Schranktür zugeknallt hatte, drehte er sich zu ihm um. Der Anblick seines Freundes versetzte ihm einen kräftigen Schlag, der Touya innehalten ließ.

Tenko kniete auf dem Boden und sammelte die Sachen auf, während stumme Tränen über seine Wangen liefen. War er nun zu weit gegangen? Sollte er sich entschuldigen? Würde es überhaupt etwas bringen? Touya war hin und her gerissen, da waren nach wie vor seine Gefühle für Tenko, und egal wie wütend er gerade war, die anderen Empfindungen waren stärker.

Deshalb ging er auf ihn zu und kniete sich vor ihm, unsicher streckte er seine Arme aus und zog Tenko einfach an sich. »Es tut mir leid, ich bin ein miserabler Freund«, seufzte er und drückte Tenko fester an sich.

Der junge Mann spannte sich in seinen Armen an, doch er wehrte sich nicht. Erwidern tat er es aber auch nicht. »Ich werde für ein paar Tage zu Natsuo gehen, ob du hier bleibst, oder gehst, das überlasse ich dir.«

Als er seine Umarmung lockerte und anschließend aufstehen wollte, hielt Tenko ihn auf, indem er nach Touyas Shirt griff und ihn wieder an sich zog.
»Geh nicht, Touya, lass mich nicht allein«, murmelte Tenko leise und vergrub sein Gesicht im hellen Stoff seines Oberteils.

Ehrlich gesagt war Touya sich nicht ganz sicher, worauf sein Gegenüber es bezog, deshalb blieb er stumm sitzen und schlang seine Arme wieder um ihn. So aufgelöst hatte er ihn schon lange nicht mehr gesehen, so verletzlich. Gleichzeitig war diese Situation fast schon befremdlich, wo Tenko seit Monaten keinerlei Nähe zugelassen hatte.

Es war angenehm, und erst jetzt merkte Touya, wie sehr er es vermisst hatte, Tenko zu berühren, ihm einfach nah zu sein. Früher war es einfach selbstverständlich. »Ich mach alles, was du willst, aber geh nicht weg.«

Touyas Hand rutschte höher und vergrub sich in den langen und unordentlichen Haaren seines Partners. Er nutzte die Chance schamlos aus, dass Tenko ihn so nah an sich ließ, und genoss den Moment, solange er konnte, auch wenn sein Freund weinte und eigentlich Trost suchte. Touya war eben ein Egoist, das gab er zu.

»Schon gut, ich bin ja hier und ich bleibe, hör auf zu weinen«, flüsterte Touya beruhigend und gab Tenko einen Kuss auf den Kopf, worauf der seinen Griff etwas lockerte und hinauf sah.

Seine Augen waren leicht gerötet, während Tränen auf den Wangen schimmerten. Touya umfasste das Gesicht seines Partners und wischte mit den Daumen vorsichtig darüber. »Gehen wir zusammen aus? Es ist unser Jahrestag«, grinste er, worauf Tenko langsam und etwas unsicher nickte. »Gut, dann geh duschen und zieh dich vernünftig an. Ich räume die Sachen wieder in den Schrank.«

Erneut nickte Tenko, dann ließ Touya ihn los und stand auf. Doch Tenko blieb weiterhin auf dem Boden sitzen und betrachtete Touya, wie er seine Sachen wieder aufhob.
»Wo … gehen wir hin?«, fragte er schließlich, worauf Touya innehielt und zu ihm sah. Er legte die ganzen Kleider auf das Bett und trat zu Tenko, die Hände zu ihm gestreckt, damit er ihm aufhelfen konnte.

»Ich hab uns einen Platz in deinem Lieblingsrestaurant reserviert, und was wir danach machen, das siehst du dann«, antwortete er und zog Tenko auf die Beine, gleich nachdem dieser Touyas Hände ergriffen hatte. Ein Seufzer entfloh ihm, als Tenko so vor ihm stand und ihn mit seinen verheulten Augen ansah.

Er hatte ihn nicht verletzen oder es so weit treiben wollen, jedoch schien es in dem Moment wirklich nicht anders zu gehen. Wenn er ehrlich war, dann hätte er Tenko wirklich rausgeworfen, wenn er so stur geblieben wäre.

Gefühle hin oder her, für wenige Minuten war er fest entschlossen gewesen, dass er diese sinnlose Beziehung beenden sollte und Tenko gehen müsste. »Jetzt geh’ duschen, sonst kommen wir zu spät«, sagte er und wollte sich daraufhin von Tenko lösen, doch dieser hielt ihn zurück und gab ihm einen sanften Kuss.

Touya erinnerte sich nicht mehr daran, wann sie sich das letzte Mal geküsst hatten, viel zu lange war es her. Und wie sehr er es vermisst hatte, wurde ihm jetzt erst bewusst. Gleichzeitig verwunderte und verwirrte es ihn, weshalb er einfach wie angewurzelt da stand und Tenko ansah.

Es schien sein Gegenüber zu verunsichern, weshalb Touya sich schnell von ihm löste und ausweichend seine Tätigkeit wieder aufnahm. Sonst hätte er Tenko am Ende überrumpelt, indem er mehr von ihm verlangt hätte, und das würde sie im Endeffekt wieder in die gleiche Situation bringen, die sie kurz vorher schon gehabt hatten. Er wollte einen weiteren Streit vermeiden, deshalb ließ er ihn auch in Ruhe.

Tenko dagegen sagte nichts weiter, er verließ das Zimmer und ließ Touya allein. Dabei folgte Touya ihm mit dem Blick, bis er den Raum verlassen hatte und Touya hören konnte, wie sich die Badezimmertür schloss.

Er atmete tief ein und setzte sich auf den Boden. Wie auch immer er es geschafft hatte, Tenko zu überreden, er war wirklich froh darüber. Es konnte doch nur besser laufen – hoffte er jedenfalls.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top