...über Politik
Eigentlich will ich schon eine Weile mit euch über Politik reden. Etwas genauer gesagt über Frauenrechte.
Dafür gibt es ungefähr drei Gründe.
Aber der Reihe nach.
Ich selber komme aus einem sehr unpolitischen Haushalt. Dinge wie Wahlen und Abstimmungen wurden bei uns zuhause kaum besprochen und wenn, dann ging es höchstens um eine Einzelperson, die aus dem ganzen Politik-Wirrwarr irgendwie herausstach, wie zum Beispiel Christoph Blocher. Ich bin auch nicht sicher, ob meine Eltern je von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht haben oder ob die Unterlagen direkt in den Papierkorb gewandert sind.
In der Schule sahen wir uns einmal Wahlprospekte verschiedener Parteien an, aber wir das eigentlich geht mit dem Wählen habe ich da auch nicht wirklich verstanden.
Jedenfalls war bei mir politisches Desinteresse angesagt: Ich kapier's ja eh nicht, warum soll ich mich damit beschäftigen? Und überhaupt, hab ich genug andere Probleme, die mich direkter betreffen.
Tja, das hat sich geändert.
Vielleicht liegt es daran, dass mein Freund, der in einem sehr politikinteressierten Haushalt aufwuchs (mein Schwiegervater geht an einem Abstimmungssonntag nirgendwo hin, sondern bleibt zuhause und hört Radio um die Ergebnisse mitzukriegen), mir seine Hilfe mit den Unterlagen angeboten und mit mir diskutiert hat.
Vielleicht liegt es aber auch nur daran, dass ich älter geworden bin. Und um ehrlich zu sein, ist es ja auch etwas scheinheilig, die Präsidentschaftswahlen in den USA zu verfolgen und da eine klare Meinung zu vertreten, aber die Wahlen im eigenen Land mehr oder weniger zu ignorieren.
Jedenfalls bestimmte das Stimmvolk des Schweizer Kantons Aargau, in dem ich wohne, am 23. Oktober, wer es in der nächsten Amtsperiode im Grossen Rat und im Regierungsrat vertreten soll. Was dann dazu führte, dass ich mich durch die Wahlprogramme von acht Parteien kämpfte und mir dringend noch eine spontane Podiumsdiskussion in meinem Wohnzimmer wünschte, weil mich wirklich interessierte, was die FDP denn meint, wenn sie sagt "Wir wollen Familien stärken". Ja, klar, Familien sind sau wichtig und man sollte Familien so gut wie irgendwie möglich, unterstützen, aber bedeutet "Familien stärken" wirklich das? Oder ist es eher so eine "Familien bestehen aus Vater, Mutter und Kindern und wir können nicht zulassen, dass irgendjemand diese Definition herausfordert"-Nummer? Oder kurz gesagt: Bezieht die Forderung, Familien zu stärken, Regenbogenfamilien mit ein oder nicht?
Denn ich möchte zum Beispiel die Ehe für alle. Ergo muss ich doch wissen, ob die Partei, die ich zu wählen gedenke, das auch möchte.
Ist aber bei den schwammigen Formulierungen auf diesen Wahlprogrammen nicht immer ganz einfach...
Aber ich schweife ab. Eigentlich wollte ich nur sagen, dass das einer der Gründe war, warum ich jetzt mit euch über Politik reden möchte.
Ein weiterer Grund ist die Geschichte, die ich nicht schreiben werde, die ich im Kapitel zuvor schon mal angesprochen habe und die ich jetzt definitiv doch schreiben werde.
Durch die Arbeiten an dieser Geschichte beschäftige ich mich derzeit verstärkt mit den Rechten von Frauen Mitte des 19. Jahrhunderts und... Fuck, ist das interessant!
Zum recherchieren benutze ich (als ersten Anlaufpunkt) die "Encyclopeadia of the Victorian Era", ein vierbändiges Nachschlagewerk aus einem amerikanischen Fachbuchverlag.
Und hey, ich hab da Dinge gefunden, die mich hilfloser lachen lassen, als so manche Badfic, die ich für die ReziMafia so lese.
Beispiel gefällig?
Hier ein Auszug aus einem Pamphlet, das Barbara Leigh Smith (später Barbara Leigh Smith Bodichon) 1854 verfasste und den Titel "A Brief Summary , in Plain Language, of The Most Important Laws Concerning Women; Together with a Few Observations Thereon" (Zu Deutsch: "Eine kurze Zusammenfassung, in einfacher Sprache, der wichtigsten Gesetze betreffs Frauen; zusammen mit einigen Beobachtungen dazu") trägt:
As the wife acts under the command and control of her husband, she is excused from punishment for certain offences, such as theft, burglary, housebreaking, &c., if committed in his presence and under his influence. A wife cannot be found guilty of concealing her felon husband or of concealing a felon jointly with her husband. She cannot be found guilty of stealing from her husband or of setting his house on fire, as they are one person in law. A husband and wife cannot be found guilty of conspiracy , as that offence cannot be committed unless there are two persons.
Für diejenigen, die in englisch nicht so sattelfest sind, übersetze ich das kurz:
"Da eine Ehefrau auf Geheiss und unter der Kontrolle ihres Ehemannes agiert, ist sie von der Bestrafung für gewisse Vergehen wie Diebstahl, Überfall, Einbruch, etc. befreit, wenn diese in seinem Beisein und unter seinem Einfluss begangen wurden. Eine Ehefrau kann nicht für schuldig befunden werden, ihren verbrecherischen Ehemann zu decken oder ein gemeinsam begangenes Verbrechen zu vertuschen. Sie kann nicht für schuldig befunden werden, von ihrem Ehemann zu stehlen oder sein Haus anzuzünden, da sie vor dem Gesetz eine Person sind. Ein Ehepaar kann nicht der Verschwörung für schuldig befunden werden, da dieses Vergehen nicht begangen werden kann, es sei denn, es sind zwei Personen daran beteiligt."
What the fuck, Victorian Era?
Gerade den letzten Satz finde ich unglaublich bezeichnend für die Situation. Ein Ehepaar kann sich nicht verschwören, denn dazu braucht man mindestens zwei Personen. Und Ehefrauen sind offensichtlich keine Personen.
Frauen im 19. Jahrhundert durften niemanden verklagen, keine Verträge abschliessen oder Kredite aufnehmen, wenn sie Geld verdienten, gehörte es ihrem Ehemann, ebenso wie alle Besitztümer, die sie in die Ehe brachten, mit Ausnahme von Ländereien. Sprich, wenn meinem Ehemann zum Beispiel nicht gefällt, was für Bücher ich lese, kann er sie ohne meine Zustimmung einfach verkaufen. Schliesslich gehören sie ihm. (Tatsächlich geschieht Amanda aus "Mandelblüten im Schnee" - aka "die Geschichte, die ich nicht schreiben werde" - etwas ähnliches.)
Ausserdem hat der Ehemann das Recht, über den Körper seiner Frau zu bestimmen, was Vergewaltigung in der Ehe zu einer gesetzlichen Unmöglichkeit macht, und haben kein Recht darüber zu bestimmen, wo ihre Kinder sind.
Eine ganze Menge von dem, was damals, vor nur 162 Jahren, einem Wimpernschlag in der Weltgeschichte, absolute Lebensrealität war, wäre heute undenkbar und ich glaube, mich damit zu beschäftigen hat meinen Blickwinkel sehr verändert.
Das Recht, dass ich heute wählen kann, ob ich mit der FDP "Familien stärken" oder mit den Grünen aus der Atomkraft aussteigen möchte, ist eigentlich nur die Spitze eines ganzen Rechte-Eisberges, den wir alle eigentlich viel zu wenig würdigen und ich persönlich habe durch diese Recherchearbeit eine neu-gefundene Wertschätzung dafür.
Und dann gibt es da noch den dritten Grund, warum ich etwas zum Thema Politik schreiben will.
Und zwar gab es vor ein, zwei Wochen den Trend in meiner Twitter-Timeline, miese Bravo-Fotolovestories zu lesen. Das hat mit Politik erst mal nichts zu tun.
Und wisst ihr... Eigentlich könnte ich darüber auch einen eigenen Beitrag schreiben.
Also vielleicht machen wir hier einfach Schluss für heute und verschieben das auf später, ja?
Ich komme dann da auch auf das Thema Politik zurück, versprochen.
So long,
Laura
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