... über Kritik

Dieser Text war ursprünglich ein Gastbeitrag im mittlerweile leider gelöschten Tagebuch von AuctrixMundi.

Als Kritiker auf Plattformen für Hobbyautoren hat man es nicht immer leicht. Oft ist man nach einem ehrlichen, aber kritischen Kommentar in den Augen des Autors und der Fans einer Geschichte der Arsch vom Dienst.
Häufig wird man für die Kritik gescholten, denn „Es ist doch nur ein Hobby und soll Spass machen!" und/oder „Hey, ich bin/der Autor ist noch Anfänger, sei nicht so fies!"
Diese Einstellung irritiert mich. Eigentlich schon seit ich damals, vor einem halben Leben, mit dem Schreiben im Internet angefangen habe.
Hat man als Anfänger wirklich ein Recht auf „Schlechtheit"? Eine Art „Welpenschutz" vor den bösen Kritikern?
Oder muss etwas, womit man kein Geld verdient, auch nicht gut sein?

Um es mal klar zu stellen: Ja. Als wir angefangen haben, waren wir alle schlecht. Meine Geschichten waren schlecht, die von Auctrix waren schlecht, selbst die von Oscar Wilde waren schlecht. Davon bin ich überzeugt. Denn so ist das, wenn man mit etwas anfängt. Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen, wie meine Mama immer zu sagen pflegte.
Aber darf man deshalb einen Anfänger nicht kritisieren?
Um es kurz zu machen, ich halte den „Welpenschutz" für ein gewagtes Konzept. Es bringt vor allem Fragen mit sich, die unmöglich zu beantworten sind.
Woher soll ich wissen, ob der Schreiberling, den ich kritisieren möchte, ein Anfänger ist?
Klar, mit 13, 14, 15 liegt der Schluss nahe, dass der Schreiberling vermutlich noch keine Jahrelange Schreiberfahrung hat. Aber man kann ja auch mit 20 noch ein neues Hobby anfangen. Oder mit 30. Oder mit 50. Und auch 20-, 30- oder 50-jährige Anfänger schreiben schlecht.
Wann ist man kein Anfänger mehr?
Nach einer gewissen Zeit, die man schon schreibt? Ab einer gewissen Anzahl positiver Kommentare? Ab dem Moment, in dem man anfängt in einem Verlag zu veröffentlichen?
Und noch viel wichtiger:
Was tun, wenn die „Welpen" gar nicht geschützt werden wollen?
Ich erinnere mich gut an meine Anfänge. Natürlich war ich damals ein Teenager, natürlich hielt ich mich für genial und natürlich war ich dadurch nicht immer so kritikfähig, wie ich heute gerne behaupten würde.
Aber mir war immer bewusst, dass da noch „Luft nach oben" ist. Dass es immer etwas zu verbessern gibt. Dass ich auch nur ein Mensch bin und Fehler mache. Und ich wollte wissen, was es noch zu verbessern gibt. Ich wollte es wissen, wenn ich Fehler machte.
Ich wollte gut sein. Ich wollte nicht einfach nur eine Geschichte erzählen, sondern ich wollte die bestmögliche Geschichte erzählen!
Und ich hatte Glück. Ich fand Leute, die mich und meine Geschichten ernstnahmen und mich mit fachmännischer Kritik ordentlich zu recht stutzten und mir so beim Erlernen des „Handwerks" halfen.
All das wäre nie möglich gewesen, hätten diese Leute sich gesagt „Okay, die Laura ist ein Anfänger, da kritisieren wir mal nicht."
Daher empfinde ich einen „Welpenschutz" als eher kontraproduktiv.
Ja, als Anfänger schreibt man schlechte Geschichten. Das ist normal.
Aber wenn man ständig „Ich bin noch Anfänger" vorschiebt, diesen Satz wie einen Schild vor sich her trägt, an dem Kritik abprallen soll, weil man als Anfänger ja ein Recht darauf hat, schlecht zu sein, wird man sich kaum verbessern.
Was diese Haltung eigentlich aussagt, ist letztlich eher „Ich bin zu faul, mein Zeug zu verbessern." und „Es ist doch bloss ein Hobby und soll Spass machen!" ist letztlich auch bloss das Upgrade dieses „Ich bin Anfänger!"-Schildes.

Ja, Verbesserungen, Überarbeiten, Analysieren, Charakterentwicklung, Recherche - kurz: Schreiben - ist Arbeit. Es ist sogar ziemlich harte Arbeit, wenn man es richtig machen will.
Denn Schreiben ist mehr als das Aneinanderreihen von Buchstaben zu Wörtern und Wörtern zu Sätzen.
Schreiben ist das Erschaffen von Personen, Welten und Schicksalen. Es ist das auseinandernehmen und neu anordnen von bekannten Dingen. Es ist eine Wissenschaft für sich und es benötigt ein vielseitiges Interesse. Ob eine Geschichte gut ist, hängt nicht nur von der Geschichte, die erzählt wird, ab. Es kommt auch auf die Charaktere an, auf die Welt, auf die Entwicklungen etc. an
Einfach gesagt, kommt es darauf an, ob die einzelnen Teile aus denen eine Geschichte besteht, nahtlos ineinander greifen.
Das hinzubekommen ist - wie gesagt - harte Arbeit.
Aber für mich war es immer auch eine unheimlich schöne Arbeit. Ich mache sie gerne, besonders Recherche, etwas, was viele Autoren hassen wie die Pest, ist für mich der beste Teil des Schreibens. Ich lerne dabei so viel Neues, so viel Spannendes und Interessantes.
Wusstet ihr zum Beispiel, dass es im 19. Jahrhundert total normal war, dass kleine Jungs Röcke tragen?
Oder dass die Krinoline, ein Unterrock mit Reifen, auf dem Höhepunkt des Trends (Mitte der 1850er) bis zu 8 Meter Durchmesser erreichen konnte? Und dass es jede Menge Todesfälle gab, weil die Damen mit diesen ausladenden Röcken zu nah am Kamin standen und in Brand gerieten?
Ich liebe es, all diese kleinen Details zu lernen, selbst wenn sie für meine Geschichten (noch) keine Relevanz haben.
Ich liebe es, meinen Charakteren dabei zuzusehen, wie sie sich entwickeln, wie sie Schwierigkeiten überkommen und daran wachsen. Ich liebe es, mir zu überlegen, wie dieser oder jener Charakter in einer bestimmten Situation reagieren würde und sie dadurch besser kennen zu lernen.
Ich liebe es, meine Texte, meine Rhetorik zu analysieren und mir zu überlegen, ob ich meine Leser damit vielleicht ein bisschen in die Irre führen und einen überraschenden Plottwist heraufbeschwören kann.
Ich verstehe nicht, wie Leute darauf kommen, dass etwas, was womit man kein Geld verdient, auch keine Arbeit sein darf.

Schreiben ist mein Hobby.
Das bedeutet nicht, dass es keine Arbeit ist und erst recht nicht, dass es keine Arbeit sein darf.
Und dass es Arbeit ist, bedeutet nicht, dass es keinen Spass machen kann.
Im Gegenteil.
Schreiben ist mein Hobby.
Und das bedeutet, dass es mir Spass macht, obwohl es Arbeit ist.

Gerade, weil ich mein Hobby liebe und die damit verbundene Arbeit gerne mache, möchte ich nicht vor Kritik „geschützt" werden.
Kein Mensch ist perfekt, wir alle machen Fehler, ganz egal wie viel Erfahrung wir haben. Einzig, wie diese „Fehler" im Details aussehen, ändert sich.
Ohne Kritik würde mir ein entscheidendes Werkzeug fehlen, diese Fehler zu erkennen und zu beheben.
Denn das ist genau das, was Kritik ist: Ein Werkzeug um Fehler zu erkennen.
Kritik ist nicht dazu da, euch runterzumachen.
Kritik ist nicht dazu da, dass ihr euch schlecht fühlt.
Ja, Kritik kann wehtun. Keiner von uns hört gerne, dass er etwas falsch macht. Das ist ganz normal. Aber wenn wir unsere Fehler nichtaufgezeigt bekommen, woher sollen wir dann wissen, wo sie liegen?
Kritik ist die Basis für Veränderung.
Kritik ist nichts, was gegen euch arbeitet, sondern mit euch. Also hört doch bitte auf, gegen die Kritik zu arbeiten und arbeitet stattdessen mit ihr.

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