... über Charaktere

Wisst ihr, Kinners, wenn ich über irgendwas stundenlang labern kann, dann sind es meine Charaktere. Ich weiss nicht, ob euch das interessiert, aber heck, es ist mein Buch und ich hab einen Aufhänger dafür. Also let's do this.

Es geht hier im Wesentlichen um die Zwillinge Rhea und Phoebe St. Claire, die in den frühen 1850ern aus dem indischen Calicut nach Oxford, England, ziehen. Und das ist eigentlich schon so ziemlich alles, was ihr über die Charaktere wissen müsst um diesen Text zu verstehen:

Sie sind weiblich.

Sie sind Zwillinge.

Sie kommen aus Indien.

Und einigen Lesern kommt das offenbar sehr bekannt vor:

Ich hoffe mal, man merkt es mir nicht an, wie pissed-off ich damals wirklich war. (Und herrje, „damals" klingt, als sei's ewig her...)

Versteht mich nicht falsch, es macht mir nichts aus, wenn Leute mir sagen, dass meine Charaktere sie an andere Charaktere erinnern. Im Gegenteil, das kann sehr interessant sein und zeigt doch eigentlich, wie diese Charaktere aufgenommen und gesehen werden.

Was mir etwas ausmacht ist die Oberflächlichkeit, aufgrund der dieser Vergleich gezogen wird.

Denn wenn wir ehrlich sind... viel mehr als die oben genannten Kriterien wissen wir über Padma und Parvati nicht: Sie sind weiblich, Zwillinge und kommen aus Indien. Und ja, das trifft auch auf Rhea und Phoebe zu.

Sind sich die Charaktere deswegen ähnlich?

Optisch vielleicht, aber das ist meiner Meinung nach ziemlich irrelevant. Was zählt ist doch die Persönlichkeit. Die kann ich, im Gegensatz zur Optik, nämlich in einem literarischen Werk darstellen.

Und auf der charakterlichen Ebene kann man die beiden Paare nicht wirklich vergleichen. Nicht, weil sie total unterschiedlich wären, sondern schlicht und ergreifend, weil wir kaum etwas über Padma und Parvati wissen. Wir wissen schlicht und ergreifend nicht, ob Padma und Parvati Rhea und Phoebe ähneln.
Zugegeben, der Kommentar steht steht unter dem ersten "Kapitel", und Rheas und Phoebes Persönlichkeiten sind heute sehr viel ausgeprägter als damals, als ich das geschrieben habe. Dennoch bilde ich mir zumindest ein, dass die St. Claire-Schwestern da schon mehr Charakter hatten als die Patil-Schwestern in der ganzen Harry-Potter-Reihe. Ich schätze aber, wenn man das objektiv vergleichen will, muss das jemand anders machen. Ich bin da voreingenommen...
Ich schweife ab. Zurück zum Thema!

Diese Oberflächlichkeit im Bezug auf Charaktere ist etwas, was mir als kritischem Leser bei Wattpad immer wieder mal auffällt.
"Charakterbeschreibung" heisst häufig, dass wir nachher wissen, wie eine Figur in einer Geschichte aussieht. Darüber, wie diese Figur "tickt" machen sich viele Autoren (und Leser) oft keine Gedanken. Oder zumindest scheint es so.
Und wenn doch, dann bekommen wir oft nur eine schwammige "Persönlichkeit" vorgesetzt, die uns sympathisch sein soll, aber irgendwie nicht so recht fassbar ist.
Ja, das ist ein Vorwurf.
Oder nein, eigentlich nicht. Vielmehr ist es ein Hinweis auf ein Problem, das viele Schreibanfänger haben und die Aufforderung, doch mal darüber nachzudenken, wie man denn die eigenen Figuren beschreiben müsste, wenn man keine Äusserlichkeiten benutzen darf. Und zwar möglichst genau.

Hey, wisst ihr was? Lasst uns ne kleine Schreibübung daraus machen, ja?

Sucht euch einen (oder mehrere) eurer Charaktere aus und beschreibt ihn. Vergesst dabei das Äussere ruhig, beschreibt seine Persönlichkeit, seine Wünsche, seine Ticks... Und wenn ihr okay damit seid, dann lasst mir das Ergebnis doch zukommen. Würd mich grad echt interessieren.

Und weil ich grad auch echt Bock drauf hab, mach ich gleich den Anfang:

Rhea St.Claire
Ich denke, Rhea ist die "langweiligere" der beiden Schwestern. Allerdings ist sie (meiner Meinung nach) auch die sympathischere und zugänglichere.
Sie ein sehr ruhiger Charakter, der versucht, Konflikte so gut es geht zu vermeiden und seinen Ärger oft um des lieben Friedens willens hinunter schluckt. Der Klügere gibt schliesslich nach. 
Nach der Prämisse "Wie du mir, so ich dir", versucht sie freundlich und zuvorkommen zu eigentlich allen, die sie so trifft, zu sein, in der Annahme, dass diese Freundlichkeit auf Erwiderung stösst.
Sie zieht die Prämisse allerdings nicht durch, wenn jemand unfreundlich zu ihr ist, sondern neigt stattdessen eher dazu, zu relativieren und Entschuldigungen für anderer Leute Fehlverhalten zu finden.
Mit der Rolle, welche die Gesellschaft für sie vorgesehen hat, ist sie eigentlich ganz zufrieden: Rhea möchte sich verlieben, romantisch heiraten, eine Familie gründen und ein gutes, sicheres Leben führen.
Rhea ist eine etwas naive Idealistin. Allerdings hat sie einen stark ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und eine sehr soziale Ader: Sie sieht es beispielsweise als ihre Pflicht, sich mit den beiden Hausmädchen zu verbünden und ihnen zu helfen, als sie herausfindet, dass die beiden (genau wie sie selbst) Spuk in dem Haus, in das die Schwestern eingezogen sind, erleben, obwohl die beiden weit unter ihrem Stand sind. Sie ist der Meinung, dass jemand, der Hilfe braucht auch Hilfe erhalten sollte und fühlt sich verpflichtet, Verantwortung für ihre Bediensteten zu übernehmen.
Vermutlich könnte man sie auch als ein bisschen leichtgläubig bezeichnen.
Wir sehen Rhea in "Zwei fingerbreit Salz" vor allem als sehr ängstlichen Charakter. Trotzdem würde ich sagen, dass dieser Eindruck ein bisschen trügt: Die "Urform" von "Zwei fingerbreit Salz", die hier bei Wattpad hochgeladen ist, entstand für einen Wettbewerb mit dem Titel "Die Angst". Natürlich war die Story darauf fokussiert.
In der Neu-Version hat alles etwas mehr Raum, so dass sich das vermutlich wieder etwas relativiert und Rhea etwas aus der Rolle der superängstlichen Damsel in Distress raus kommt.

Phoebe St. Claire
Phoebe ist, meiner Meinung nach, weniger sympathisch als Rhea, dafür ist sie aber bei weitem der interessantere Charakter.
Ihr ist es nicht so wichtig, als "freundlich" oder "nett" zu gelten. Sie ist zwar durchaus nicht per se unfreundlich, lässt aber durchaus durchblicken, wenn ihr jemand nicht sympathisch ist, ohne besonders viel Rücksicht darauf zu nehmen, ob sie das in ein schlechtes Licht rückt.
Phoebe geht davon aus, dass jemand, der ehrliches Interesse an ihrer Person hat, dieses Interesse auch dann hat, wenn sie sich nicht dafür verbiegt. Und jemand, der kein ehrliches Interesse an ihr hat, ist es auch nicht wert, dass sie sich ehrlich für ihn interessiert.
Im Gegensatz zu Rhea kann Phoebe sich so gar nicht mit der Idee, zu Heiraten und Kinder zu kriegen, anfreunden.
Es ist nicht so, dass die Idee einer Ehe oder Familie sie generell abstossen würde. Wenn sich der richtige Mann dafür findet, warum nicht?
Allerdings hat es für sie keinerlei Priorität. Phoebe möchte lieber die Welt sehen und Erfahrungen sammeln.
Sie ist klar die realistischere der beiden, hat aber die eher naive (und durch entsprechende Romane befeuerte) Idee eines Abenteuers, das sie gerne erleben würde, während sie gleichzeitig aber unfähig ist, die Reise nach England als "Abenteuer" zu sehen.

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