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Trotz Gedrängel bin ich eine der ersten, die in den Bus steigt. Es ist ein ganz normaler Reisebus, außen grau, innen grau-rot überzogene Sitze. Es ist der gleiche Bus wie letztes Jahr, vielleicht sogar der selbe. Er riecht auf jeden Fall so.
Die ersten Reihe sind für die Lehrer reserviert, ein paar Leute rennen gleich nach ganz hinten, die, denen schnell schlecht wird, sitzen vorne. Ich werfe meinen Rucksack also auf einen Sitz mittig im Bus. Ich sitze allein, wie jedes Jahr. Auf dem Fensterplatz. Wie jedes Jahr. Wo sitzt Luna? Ich habe sie nicht einsteigen gesehen.
Ist doch egal, sage ich mir. Was interessiert dich Luna. Es wird durchgezählt.
Wir fahren gleich los. Ich krame in meinem Rucksack nach Kopfhörern und MP3-Player. "Achtung, anschnallen, gleich fahren wir", tönt die Stimme des Busfahrers durch die Lautsprecher. Ich bin noch immer nach unten gebeugt und krame in dem Rucksack auf dem Boden.
Da höre ich schnelle, hektische Schritte, spüre einen leichten Luftzug links neben mir.
Ich hebe den Kopf und ziehe die Hände mit den Kopfhörern darin aus dem Rucksack. Da neben mir, auf dem Platz, der 4 Jahre lang frei war, da sitzt Luna. Atmet schnell, wahrscheinlich ist sie gerannt. Als sie mich anschaut, umspielt ein leichtes Lächeln ihren Mund. "Sorry", sagt sie und aus dem Lächeln wird ein breites Grinsen. "Ich hätte den Bus fast nicht mehr erwischt. "
Normal würde ich ihr sagen, sie soll abhauen, mich in Ruhe lassen. Aber heute ist anders. Luna ist anders. Und deshalb bin ich es auch.
"Äh... hi", stotterte ich und kann meine Mundwinkel nicht davon abhalten, sich nach oben zu ziehen. "Hi", antwortet Luna und ihr Lächeln... Es ist irgendwie... süß. Ich darf das nicht denken, ich sollte jetzt einfach meine Musik hören und sie vergessen!
"Ich wollte mit dir reden. "
Ok, Musik hören ist jetzt wohl keine Option mehr. "Wegen Donnerstag", sagt sie.
"Ich hab das nicht so gemeint", schiebe ich schnell ein, bevor Luna weiterreden kann.
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Da steht sie. Allein. Den Becher noch in der Hand. Luna. Wo ihr Typ geblieben ist, weiß ich nicht. Sie ist nur ein paar Meter von mir entfernt, scheint mich aber nicht zu bemerken. Sie starrt zu Boden. Will sie meinem Blick ausweichen? Oder sieht sie mich wirklich nicht?
Ich könnte....
Ich könnte es tun. Jetzt. Jetzt, wo sie alle betrunken sind und sich morgen an nichts erinnern werden.
Wieso denke ich eigentlich überhaupt daran? Wie komme ich auf diese Idee?
Es ist verrückt.
Es ist absurd.
Es ist dumm.
Aber ich könnte es tun, einfach so. Lunas Fuß wippt auf und ab, im Takt der Musik. Sie ist laut, beinahe lauter als meine Gedanken.
Mir wird klar, wie genau ich sie beobachte. Ihr schwarzes Haar ist heute geflochten. Auf jeder Seite ihres Mittelscheitels hat sie eine Strähne geflochten und hinten am Kopf zusammengebunden. Ihr Gesicht wirkt noch blasser als sonst, dunkle Augen, rote Lippen. Wie Schneewittchen sieht sie aus.
Wie lange ich jetzt wohl schon so dastehe? Ich weiß es nicht. Ein neues Lied wird angespielt.
Girls. Von Rita Ora.
In dem Moment beschließe ich, dass alles egal ist.
In fünf Schritten bin ich bei Luna.
Sie ist so groß wie ich. Ich lege den Kopf schief, ein bisschen. Sie sieht verwirrt an. Das ist ja auch nicht verwunderlich.
Dann beuge ich mich nach vorne. Unsere Lippen berühren sich. Ich spüre Lunas Hand an meinen Rücken, erwarte schon, dass sie mich wegschiebt, aber sie zieht mich noch näher an sich. Wir küssen uns einfach. Hier. Inmitten von Leuten. Sie schmeckt süßlich, nach Erdbeer-Lipgloss. Ich verschränke meine Hände in ihrem Nacken, küsse sie weiter. Einfach weiter.
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Nein, ich habe es nicht so gemeint. Luna sieht mich an. "Aber ich", sagt sie.
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