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Als es zur Pause klingelt, verlasse ich als letzte den Raum, wie immer. Unser Pausenhof ist nicht nur hässlich mit seinen verkrüppelten Büschen, dem grauen Beton auf dem Boden und den mit Graffity besprühten Mauern zu den Nachbargärten, er ist auch viel zu klein. Irgendwo in diesem Schülerstrom, der das Hauptgebäude verlässt, ist Jona. Und irgendwo Luna. Luna...
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Der Typ, der Lunas Hand zerquetscht (so sieht es zumindest aus), ist groß und unfassbar hässlich. Schlaksig, so dünn, dass man meinen könnte, er würde gleich auseinanderfallen wie so ein Klapperskellett. Dünne blonde Haare, die ihm in feuchten Strähnen vor den Augen hängen. Nassgeschwitzt, und so riecht er auch. Ekelhaft. Ich frage mich, ob er Luna durch diese Haare überhaupt sehen kann. Aber dafür ist es ohnehin zu dunkel. Die kleinen Schweinsäuglein, durch die er Luna angelotzt, stehen viel zu eng zusammen. Ich gucke weg. Ich will ihn nicht sehen. Ihn nicht und Luna erst recht nicht. Was macht sie hier? Und warum klammert sie sich so am Arm dieses Typen fest? Ob sie schon etwas getrunken hat? Oder raucht sie? Drogen sind hier garantiert leicht zu bekommen. Gerade in dem Moment hält mir Sarah einen Drink hin.
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Nein, ich schweife schon wieder ab. Ich wollte Jona suchen. Aber da sah ich sie, ihre langen schwarzen Haare, heute zu einem Pferdeschwanz gebunden. Luna. Nur wenige Meter von mir entfernt. Ich brauche ein paar Sekunden, bis ich bei ihr bin. Doch in diesen Sekunden begreife ich etwas. Es ist offensichtlich, logisch, klar. Und trotzdem kapiere ich erst jetzt, dass ich einfach nett sein könnte. Zu ihr. Einfach nur, weil sie auch nett ist. Und weil wir nicht lügen. Ja, ich gestehe mir ein, nicht nett zu Luna zu sein, wäre fast schon so etwas wie eine Lüge.
"Hi", murmele ich. Toll. Selbst wenn sie das gehört hat und kapiert, dass ich sie meine, dann ist das immerzu noch die dümmste Art, ein Gespräch zu beginnen. Vor allem bei unserer Vorgeschichte...
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Luna. Was weiß ich eigentlich über sie? Luna zeichnet. Zumindest tut sie das im Unterricht. Und ich muss zugeben, sie ist gut. Und sonst? Haben wir uns je unterhalten? Uns länger angeschaut? Ich habe sie angeschaut. Jeden Tag im Unterricht. Die Linie ihres Haares, meist offen und so dunkel, dass man die einzelnen Haare nicht sehen kann. Ich habe ihr Haare oft angestarrt, irgendwie haben sie meinen Blick auf sich gezogen. Ich finde sie mich besonders toll oder so, ich finde auch Luna nicht besonders toll. Ich kann sie nicht leiden, sie nervt. Ich finde sie nur irgendwie... interessant.
Ich wünschte, ich könnte hier stehen und wissen, wer dieses Mädchen ist. Was sie ausmacht. Und wer sie ausmacht. Was ihre Hobbys sind. Ihre Träume. Es würde nichts daran ändern, dass sie mich aufregt, jeden Tag in der Schule. Mit ihrer Freundlichkeit, von der ich mir nie sicher bin, ob sie echt ist oder doch gespielt.
Aber ich wüsste es eben einfach gerne. Da steht sie. Allein. Ich könnte zu ihr gehen, sie ansprechen. Einfach hi sagen. Oder...
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Der Blick in ihren Augen. Es ist der selbe wie am Donnerstag. "Ich kann das nicht", sage ich und meine Stimme klingt rau, heiser. "Mit... den Geheimnissen." Ich muss nicht erklären, was ich meine. Sie erinnert sich. Sie antwortet nicht. Und wieder laufe ich davon.
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