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Als ich am nächsten Morgen in die Schule komme, ist es still. Ungewöhnlich still. Mein Blick wandert von der Tür zu Luna und wieder zurück. Immer wieder, immer wieder. Jona stolpert ins Klassenzimmer. Das Geräusch, das ihr Ordner macht, als sie ihn auf den Tisch schmeißt, durchbricht die Stille und irgendwie bin ich ihr dankbar dafür. Trotzdem habe ich das Gefühl, dad etwas anders ist als gestern. Es liegt etwas im Raum, eine Frage. Sarah stellt sie. "Dürfen wir heute wieder lügen?" Am liebsten würde ich antworten. Ich könnte sagen, ich dachte, du lügst nie. Aber es würde die Stimmung durchbrechen und ich weißt nicht, was danach kommt. Ich will es nicht wissen. Ich habe Angst davor.
E
rst als die Blicke aller auf mich gerichtet sind, wird mir klar, dass ich doch etwas gesagt habe. "Nein. "
Ich brauche noch einen Tag. Für mein Geheimnis. Kann ich es verraten? Darf ich es verraten? Ich hätte es nicht tun dürfen, so viel ist klar. Aber jetzt ist es zu spät. Ich will, dass sie mir noch einen Tag geben. Einen Tag Wahrheit.
Und sie sagen, ok. Ob heute wieder jemand an der Reihe ist? Jemand, der sein Geheimnis verraten muss? Oder bin ich es heute? Sarah meldet sich. Sarah ist langweilig und ihre Wahrheit ist es auch. "Ich kiffe", sagt sie und man hört ihr an, dass sie sich deswegen nicht im Geringsten schlecht fühlt. Das wusste ich eigentlich schon.
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"Ne, lass mal", sage ich zu Sarah und stelle den Plastikbecher mit Bier wieder auf den Tisch. Etwas von dem gelblichen Zeug schwappt über und ein Rinnsal läuft über den Tisch, tropft auf den Boden. Da ist garantiert nicht nur Bier drin. Ich bin einer dieser skurrilen Menschen, die überhaupt nicht auf ihre Gesundheit achten, abet an diesem einen Punkt sind sie empfindlich. Dieser Punkt ist bei mir Alkohol. Ich trinke aus Prinzip nicht. Ich finde, mit 14 ist man zu jung für Drogen. Kein Alkohol, keine Zigaretten und erst recht nichts illegales. Sarah greift nach dem Becher und schüttet den Inhalt in sich hinein. Man sieht ihr an, dass es in der Kehle brennt, abet sie scheint es zu genießen. Da ist Luna. Starrt auf den weißen Becher in ihrer Hand, der wahrscheinlich das selbe enthält wie Sarahs. Schaut hoch. Unsere Blicke streifen sich. Dann leert sie das Bier in einem Zug.
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Ich weiß nicht, was ich von Sarah erwartet hatte, aber spätestens nach diesem Tag, der wie immer durch meine Erinnerungen geistert, war mir dieses "Geheimnis" klar. Bin ich jetzt dran? Muss ich es verraten? Meinetwegen ist heute noch ein Tag ohne Lügen. Aber ich habe doch noch Zeit, oder? Es klingelt. Der Unterricht beginnt.
Feige war das, verdammt, sage ich mir selbst, aber jetzt ist es zu spät, noch etwas zu sagen.
Luna. Sie sitzt an ihrem Platz, den Kopf gesenkt. Kein einziges mal hat sie mich heute angeschaut. Ist es wegen gestern? Ist es wirklich wahr, was sie gesagt hat. Ja, ich weiß es, keine Ahnung warum. Luna erinnert sich.
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