--29--
Wir gehen in unser Zimmer zurück, Toni und ich, während die anderen draußen weiterstreiten. Niemand hat uns verschwinden gesehen.
"Was machen wir jetzt?", fragt Toni, lässt sich auf mein Bett fallen.
Ich zucke mit den Schultern.
Dann hole ich meinen MP3-Player.
Ein Stöpsel in mein Ohr, einer in ihres.
Musik an.
Ich lasse mich auf das Bett fallen, neben Toni.
Langsam kommen Töne auf, ganz leise, werden langsam lauter.
Melodisch.
Wunderschön.
Ich achte nicht mehr auf den Text, ich höre nur auf die Musik.
Sie wärmt meine kalten Finger, mein irritiertes Herz.
The Requiem. A thousand suns.
Es ist wie eine Geschichte, die das Album erzählt. Eine Linie, ein roter Faden, der sich von Song zu Song zieht. Eine Magie, die nur im Gesamten funktioniert.
In den Melodien, in den gesungenen Teilen, den Rap-Parts, den Reden berühmter Leute, die zwischen die Lieder geschnitten wurden.
Ich kenne das Album in- und auswendig.
Aber darum geht es nicht.
Es geht nur um die Magie.
Und Toni spürt sie auch, da bin ich mir ganz sicher.
Wir hören es von Anfang bis Ende, fünfzehn Songs. Und wieder von vorne. Und wieder.
Liegen auf meinem Bett, nebeneinander.
Ein Stöpsel in meinem Ohr, einer in Tonis.
Wie ganz normale Freunde. Oder wie Girlfriends.
Langsam scheint es mir, als gäbe es kaum mehr Unterschiede dazwischen.
Wie eine Grenze, die mal da war, doch die nun langsam verschwimmt.
"Vielleicht", denke ich. "Vielleicht wäre es jetzt sogar ok, ihre Hand zu nehmen."
Ich schiebe meine Hand über das Bettlaken zu Toni, meine Fingerspitzen ertasten ihre.
"Stop."
"Was?"
Toni setzt sich auf, nimmt den Ohrstöpsel heraus.
Ich drücke auf Pause, setze mich ebenfalls hin.
"Wir können nicht Händchen halten, wenn du mir nicht sagst, was los ist", sagt Toni.
"Wer sagt das?" Ich spüre, wie ich augenblicklich rot werde. Wollte ich wirklich Händchen halten?
"Ich."
Langsam nicke ich. Sie hat Recht. War das nicht das ganze Problem mit Luna? Dass wir nie festgelegt hatten, was das jetzt zwischen uns war? Und jetzt ist das dabei herausgekommen.
Ich muss mich festlegen. Ich muss erklären, was ich denke. Nein, was ich fühle.
Ich versuche, das Denken auszuschalten, so unmöglich es scheint. Ich sehe Toni in die Augen, verliere mich in ihrem klaren, ehrlichen Blick.
Und da wird es mir klar. So einfach, so einfach ist es. Und doch so schwer zu begreifen.
"Ich habe gelogen", gebe ich zu.
Toni nickt. "Ich weiß."
"Was?" Das bring mich völlig aus dem Konzept. "Warum hast du dann nichts gesagt?"
"Du hättest mir nicht geglaubt."
Auch wieder wahr.
"Vorhin, nach dem ... Kuss", fahre ich fort. "Ich weiß nicht, was ich wirklich gefühlt habe... ok, das klingt jetzt wie in einem schlechten Liebesroman."
"Egal", sagt Toni. "Red weiter."
"Weißt du, wenn ich was gefühlt hätte, dann hätte ich es ja auch nicht zugelassen."
Sie nickt.
"Also, was ich jetzt sagen werde, klingt definitiv total bescheuert."
Ich hole tief Luft.
"Aber es muss sein.
Toni?
Küss mich."
Toni muss breit grinsen. "Das", sagt sie. "Klingt überhaupt nicht bescheuert."
Und dann beugt sie sich vor, drückt sanft ihre Lippen auf meine.
Es ist kein Kindergartenkuss.
Ich lasse mich von ihr leiten, wie in Trance bin ich.
Doch es ist eine schöne Trance.
Ich öffne leicht die Lippen, ihre Zunge kitzelt meine. Es ist nicht widerlich, wie ich es mir früher vorgestellt habe. Es ist bloß ungewohnt.
Neu.
Aufregend.
Es ist wie ein Spiel, in dem wir Verbündete und Gegner gleichzeitig sind.
Es ist wie Prügeln und Tanzen gleichzeitig.
Es ist frech und brav zugleich, was wir tun. Toni zieht mich näher an sich, streicht mit einer Hand die Haare aus meinem Gesicht.
Ich löse mich wieder von ihr.
Genug.
Aber Küssen, das ist schön. Das ist etwas, das man definitiv öfter machen sollte.
"Und?", fragt Toni wieder, wie vorhin auf der Bank vor der Jugendherberge.
Diesmal lächele ich. "Das ist verdammt... perfekt. Glaube ich. Ich weiß nicht."
"Sind wir jetzt also zusammen?" Toni klingt wie ein schüchternes, kleines Mädchen, als sie diese Frage stellt.
Ich zucke mit den Schultern
"Ich weiß nicht", sage ich zögerlich. "Es ist nicht so, dass ich dich nicht mag. Aber ich... ich blicke gerade einfach nicht mehr durch. Ja. Und nein. Eher so... Irgendwie... ein Zwischending?"
Toni schaut mich irritiert an, dann grinst sie.
"Du bist jetzt also mein Zwischending. Das hört sich ganz schön komisch an."
"Ja danke", lache ich. "Du bist auch komisch."
"Danke", erwidert Toni. "Ich weiß - Zwischending."
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