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Wir sitzen draußen auf einer Bank vor der Jugendherberge, Toni und ich.  Es ist kalt, zu kalt eigentlich, aber wir halten uns gegenseitig warm. Ich drifte ab in meine eigene Traumwelt, in meine Blase aus Fantasie, stecke den Kopf wieder in die Wolken.
Ob es wohl ok wäre, wenn ich Tonis Hand nehmen würde?
Nein.
Ich vergesse die Realität, ganz wie ich es früher immer getan habe, früher, bevor das Drama mit Luna begonnen hat. In dem wachen Traum, in dem ich mich aufhalte, scheint die Sonne. Ein Haus steht auf einer Wiese, ein riesiges Haus. Die Jugendherberge. Eine Bank davor. Und auf der Bank sitze ich. Ich mit Toni. Hand in Hand.
Verdammt.
Vor vielleicht einer Stunde, oder zwei, habe ich erfahren, dass alles, an das ich geglaubt habe, eine Lüge war. Dass alles, woran ich mich festgehalten habe, gar nicht existierte. Aber ich habe nicht losgelassen. Ich kann mich jetzt nicht einfach  woanders festklammern.
"Clara?"
"Hm?"
"Was empfindest du für sie?"
Ich muss nicht nachfragen. Ich weiß, wen sie meint. Was empfinde ich für Luna?
"Ich weiß nicht ", sage ich leise.
"Es war... schön. Es war schön, sie zu küssen, es war wie... ein Drang, dem ich nachgeben  musste und es war... gut. Es hat sich gut angefühlt." Ich mache eine Pause. Das ist nicht die ganze Wahrheit. Da fehlt ein Stück, das wichtigste Stück, wenn man es aus der heutigen Perspektive sieht.
"Aber..." Ich zögere.
"Es war auch schrecklich. Es war... schrecklich, im Nachhinein war es schrecklich. Hat... wehgetan, irgendwie, irgendwas war falsch. Es war... falsch, weil sie ein Mädchen ist und ich auch und... Ich habe geheult. Nicht vor Freude. Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, es war einfach..."
"Ich weiß", unterbricht mich Toni. Ganz normal sagt sie es, als ginge es um Hausaufgaben oder um das Wetter.
Ich habe es keinem gesagt. Habe Luna in dem Glauben leben lassen, ich sei glücklich mit unserer "Beziehung". Ich schüttele den Kopf.
"Weißt du", füge ich noch hinzu. "Ich dachte immer, das wäre, weil sie ein Mädchen ist, weil ich Angst hatte, es wäre... irgendwie nicht ok.
Ich habe mich gefragt...
Ich habe mich gefragt, ob es bei einem anderen Mädchen anders wäre. "
Kurze Stille. Bis Toni sie unterbricht. Zwei Worte.
"Küss mich."
"Was?"
"Küss mich."
Luna. Toni.
Toni. Luna.
Mein Kopf beginnt, Möglichkeiten zu berechnen, was könnte passieren? Was könnte zwischen uns sein?
Zwischen Luna und mir.
Zwischen Toni und mir.
Mein Kopf beginnt zu denken, doch ich weiß, wie wenig es bringen wird. Ich weiß, dass ich mit denken nicht weiterkommen werde. Dennoch halte ich fest, an dem Traum, alles objektiv sehen zu können, alles planen zu können.
Ich mag Toni. Ich... finde Luna toll. Wirklich toll. Ich bin gerne bei Toni, mit Luna war es immer schwer. Aber er kommt nicht von irgendwo, der Gedanke, ich sei in sie verliebt gewesen. Ich kann es nicht abstellen, nicht meine Gefühle abbrechen. Die Vorstellung, Toni zu küssen, ist verlockend, verlockend schön. Aber Luna würde nicht aufhören, zu existieren, würde nicht aus meinem Leben verschwinden. Andererseits - Ich könnte mir einreden, der Kuss würde nur dazu dienen, herauszufinden, wieso ich mich schlecht gefühlt habe mit Luna. Könnte mir einreden, es wäre ein ganz und vollkommen objektiver Kuss.
Aber Küsse sind nicht objektiv.

Es ist wie ein Kurzschluss in meinem Kopf, der die Entscheidung trifft. Der meinen Kopf dazu bringt, sich zu Toni zu wenden und meine Lippen, auf ihre zu treffen.

Es kommt auf, ein seltsames Gefühl, ein warmes, breitet sich in mir aus. Ihre Lippen sind weich, ich spüre ihre Zunge, wie sie versucht, meine Lippen zu öffnen -
Und springe auf. Lasse von ihr ab, ohne genau zu wissen, wieso.
"Sorry", murmelt Toni, dabei bin es eigentlich ich, die das sagen sollte.
"Toni?", frage ich.
"Hm?"
"Danke."

Vor zwei Jahren habe ich noch gesagt, ich finde Liebesgeschichte lächerlich. Und jetzt... na ja😂
Schreibt mir gerne, was ihr bis jetzt so von der Geschichte haltet.

Eure Johanna ❤

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