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Wir sitzen in unserem Zimmer auf den Betten, die Wangen noch immer gerötet von der kühlen Herbstluft. Wir sind von der Wanderung zurückgekommen, haben die Stiefel abgestreift und uns noch nicht mal die Mühe gemacht, die Jacken auszuziehen. Sarah hat von irgendwo eine Thermoskanne mit Pfefferminztee besorgt. Draußen geht schon fast die Sonne unter. Ich trinke einen Schluck Tee, spüre, wie sich die Wärme langsam in meinem ganzen Körper ausbreitet. Dann reiche ich die Kanne an Luna weiter. Ich hätte nie gedacht, dass es je so weit kommen würde.
Die anderen sehen mich an. Habe ich das etwa laut gesagt? Scheint so. "Dass wir zusammen hier sitzen würden und einfach... Freunde sein könnten", füge ich hinzu. Luna schaut mich schüchtern an. Zumindest deute ich ihren Blick als schüchtern, sicher kann ich mir natürlich nicht sein. Als sähe sie diese Situation als Chance, etwas zu tun, was auch immer, traut sich aber nicht.
Jona steht auf, schaut uns an.
"Ich hab euch lieb", sagt sie, laut fröhlich, wie selbstverständlich. So wie es eben normale Freundinnen machen. Aber nicht wir. Wir sind nicht mehr wie früher, seit wir heute früh in den Bus gestiegen sind. Und im Chor antworten wir, "Ich auch."
Sarah wirft einen Blick auf ihre Armbanduhr. "Oh fuck!", ruft sie. "Es ist 18:26! Wir haben noch 34 Minuten, dann fängt die Party an!"
Ich muss lachen. Es sieht lustig aus, wie sie panisch, noch in ihrer Jacke, im Zimmer herumhüpft. Auch Jona lacht. Sie hängt ihre Jacke an einen Haken, läuft ins Bad und kommt mit jeder Menge Kram wieder. Sie kniet sich hinter mich auf mein Bett und beginnt, meine widerspenstigen Locken zu kämmen. "Ich nehme an, du hast nichts dagegen, wenn ich dir dir Haare mache?"
Ich nicke, was gar nicht mehr nötig ist, denn Jona beginnt schon, meine Haare in Strähnen zu teilen und einige mit Haarspangen zur Seite zu halten. "Still halten", befiehlt sie. Ich muss mich echt bemühen, nicht Aua zu rufen, als sie mit dem Flechten beginnt. Meine Haare sind einfach zu eigensinnig für Flechtfrisuren. Währenddessen zieht Luna sich um. Sie holt ein dunkelblaues Top aus ihrer Reisetasche, schlicht, mit Spitze am Ausschnitt. Ich kann mich nicht davon abhalten, sie etwas genauer anzuschauen, als sie ihren Hoodie auszieht. So halb nackt sehe ich erst, wie dünn sie wirklich ist. Ihre Haut ist blass, der Bauchnabel steht leicht vor. Vorsichtig zupft sie ihren BH zurecht und zieht das Top an. Es betont ihre schmale Taille und ist ganz schön tief ausgeschnitten.
Im Gegensatz zu Luna ist Sarah eher rundlich. Sie hüpft noch immer im Zimmer herum, jetzt allerdings nur noch in BH und Unterhose, zieht Kleidungsstücke aus ihrem Koffer, kombiniert sie, hält sie uns hin, durchwühlt auch unsere Taschen, bis alle ein fertiges Outfit haben. Dann rennt sie ins Bad und beginnt, ihre kinnlangen, hellblonden Haare zu Locken zu drehen.
Echt, was manche Leute so auf Klassenfahrt dabei haben!
Mein gesamter Klamottenhaufen besteht aus Dingen, die ich garantiert nicht besitze und die ich mir auch nie kaufen würde. Ich tausche meinen Sport-BH gegen einen trägerlosen, der sogar ganz bequem ist. Darüber ziehe ich ein ebenso schwarzes, trägerloses Top von Sarah. So langsam beginne ich ernsthaft, mich zu fragen, ob sie ihren ganzen Kleiderschrank mitgenommen hat. Der enge Jeansrock, der mein Outfit komplett macht, ist auf jeden Fall keine Alltagsmode.
Konzentriert und schweigend zieht Luna mir den Lidstrich und ich tusche meine Wimpern. So. Fertig. Erst jetzt kann ich mich vollständig im Spiegel betrachten.
Wow.
Dieses Mädchen da, das bin nicht ich. Meine Haare sind in mehren Zöpfen zum Hinterkopf geflochten, wo Jona sie mit goldenen Haarnadeln zu einem Dutt festgesteckt hat. Meine grünen Augen wirken groß, glänzend.
Das bin nicht ich. So sehe ich nicht aus. Nur heute. Und heute kann ich jemand anderes sein.

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