,,Hey. Hey Grace. Was ist los mit dir?" Ich spüre seine Hand die sich auf mein Knie legt. ,,Kann ich dir helfen? Irgendwie?"

Am liebsten würde ich jetzt laut loslachen, doch stattdessen ist meine Stimme nur ein Haufen elend. ,,Nein. Das kann niemand."

Wieder kommt ein Schluchzen über meine Lippen und ich beginne meinen Kopf zu schütteln.

,,Aber irgendwie muss ich dir doch helfen können."

Zaghaft blicke ich mit meinen Tränen überströmten Gesicht auf. ,,Das haben schon so viele versucht, Ben. Nichts hat geholfen, es wurde einfach nur noch schlimmer." Meine Stimme ist ernst aber leise. Wieso wollte ausgerechnet er mir helfen? Das macht doch gar keinen Sinn!

Er rutscht neben mir auf den Boden, entfernt seine Hand von mein Knie, nur um sie auf meine Hand zu legen und lässt seinen Kopf in den Nacken fallen.

,,Vielleicht haben die es einfach nicht richtig angestellt."

Ja. Nur das sie eine Ausbildung haben.

Nun dreht er seinen Kopf zu mir, er lächelt mir aufmunternd zu. ,,Aber vielleicht können wir dir helfen. Meine Freunde und ich."

,,Du meinst die komischen Mörder?" Ein Schauer überläuft meinen Rücken.

,,Ja.", er lacht, ,,Aber so komisch sind sie eigentlich gar nicht. Und nett sein können sie auch, wenn sie dich halt nicht umbringen wollen. Außerdem haben sie alle eine Geschichte und einiges durchgemacht. Sie wissen wovon du reden wirst." Seine Hand drückt meine.

Ich schließe meine Augen. Stelle mir einen Moment vor wie es wäre normal zu sein. In den Glauben lasse ich meinen Körper für wenige Sekunden entspannen und höre mich selbst wie ich tiefe Atemzüge einatme.

,,Das wäre echt schön wenn es so einfach wäre." Meine Augen schlage ich wieder auf. ,,Aber das ist es nicht. Ich kann nicht einfach meine Vergangenheit vergessen. Auch wenn ich es will, es geht einfach nicht." Nun ist mein Atem nicht mehr leicht, er entgleitet mir schwer aus der Brust.

Hoffnung hatte ich keine mehr.

,,Vielleicht ja schon."

,,Das wären Acht Jahre meines Lebens."

,,Oh." Nun scheint auch Ben ratlos. ,,Aber vielleicht musst du ja auch nicht vergessen, sondern dich einfach damit abfinden."

Ja super, toll. Naja, er meint es ja nur gut ...

,,Das habe ich ja schon. Alles was Vergangen ist lasse ich in der Vergangenheit. Ich will im jetzt leben und in die Zukunft blicken." Ich zucke leicht mit den den Schultern. Wie oft habe ich das Gracy schon erklärt?

,,Aber ein Teil von die anscheinend noch nicht."

Ach was. Aber sollte ich bitte gegen Grace tun? Bekämpfen konnte ich sie nicht, damit würde ich mich nur selber vernichten.

,,Du solltest vielleicht erst einmal darüber anfangen zu reden. Das ist ein erster Schritt.", denkt er weiter laut nach.

,,Reden? Mit wem den?"

,,Mir?"

Ich kann nicht anders, ich muss einfach lachen. ,,Mit dir?", frage ich nun nochmal und er nickt. ,,Tut mir ja leid aber ich kann mir nicht vorstellen mit dir über Gefühle zu reden, wenn du schon bei Themen wie die Periode dir die Ohren zuhältst."

,,Das ist was komplett anderes! Auch wenn beides Mädchenkram ist ... Der Körper einer Frau ist jeden Mann ein Rätsel, sowohl psychisch als auch materiell. Aber bei Gefühlen, also psychisch, kann man einfach nicken, lächeln, trösten und zustimmen. Ganz einfach."

,,Oh danke Ben. Das würde sicher helfen." Sarkasmus wir kommen. Ich rolle meine Augen und sehe in skeptisch an. Erst dann scheint er meine Worte zu realisieren.

,,So war das nicht gemeint!"

,,Jaja."

,,Ach komm bitte. Es tut mir leid. Versuch einfach darüber zu reden. Und ich verspreche dir dann auch wirklich zuzuhören und versuchen zu verstehen. Und glaube mir, das habe ich zuvor noch nie einen Mädchen versprochen."

Ich glaube das war das süßeste was ich ihn bisher sagen gehört habe. Wieder entgleitet mir mein Atem schwer. Was hatte ich schon zu verlieren? Vielleicht hat er recht (mein Gott das wäre ein Wunder) und es tut wirklich gut darüber zu reden, ich meine als ich mit Leon darüber geredet habe, habe ich mich auch besser gefühlt.

,,Und was soll ich dir jetzt deiner Meinung nach erzählen? Ich bin um ehrlich zu sein in so was ziemlich schlecht."

Ben kratzt sich am Kopf und zieht ein nachdenkliches Gesicht. ,,Öhm. Ich doch auch. Ich dachte immer Mädchen wären gut darin. Du könntest ... uhm ... anfangen da ... Ah okay! Ich habs! Warum müsstest du Acht Jahre deiner Vergangenheit vergessen? Was war in den Acht Jahren? Siehst du, eine kleine Frage mit der wir anfangen. Gar nicht so schwer. - Hm. Wow. Ich bin ja doch nicht so schlecht in dieser Art von Konversation." Ben scheint stolz auf sich selbst zu sein.

Kleine Frage ist gut. Das ist DIE Frage. Und die gleich zum Anfang. Musste ja sein.

,,Ich ähm ... nun ja.", stammle ich vor mich hin.

,,Ja?" Bens Augenbrauen ziehen sich nach oben. Ich hole einmal tief Luft.

,,IchwarineinerPsychiatrieseitmeinenAchtenLebensjahr."

,,Was? - Hey ich bin anscheinend ziemlich gut in dieser Art von Gespräch, aber ich bin trotzdem kein Mädchen. Nur Ihr könnt unfassbar schnelle Sätze sprechen und verstehen. - Also, kannst du das nochmal wiederholen? Und dieses mal langsam?" Er sieht ziemlich verwirrt aus.

,,Du machst es mir nicht gerade leicht Ben. Also nochmal."

Ruhig Grace, das schaffst du.

,,Mit Acht Jahren wurde ich von meinen Eltern und Ärzten in eine Psychiatrie gesteckt. Dort verbrachte ich Acht Jahre meines weiteren Lebens, bis ich denn ein Tag bevor ich mit dir mitgezogen wurde entlassen wurde."

Ben vielen die Augen fast aus den Kopf, so wie der mich anstarrt.

,,Das heißt ... vor zwei Tagen warst du noch in ner Irrenanstalt?"

,,Ich bevorzuge ja das Wort Psychiatrie." Tz. Irrenanstalt. Ist nicht gerade das netteste Wort.

,,Wow."

,,Ist das alles was dir dazu einfällt? Wow?"

,, Nein, ich ähm." Mit seiner Hand fährt er sich durch seine Haare und sieht mich wieder ernst an. ,,Deswegen wolltest du erst nicht hier rein, stimmts? Weil das auch mal eine war. Grade wieder raus und dann schon wieder rein."

,,Genau das habe ich auch gedacht." Sage ich mehr zu mir selber als zu ihm.

,,Aber wieso? Wieso musstest du solange in die Irre- äh ich meine in die Psychiatrie?"

//Wegen dir!// Ich lasse Gracy einfach. Auch wenn das die richtige Antwort ist.

,,Du kannst ruhig Irrenanstalt sagen. Sag ich ja auch gerne. Es ist ... kompliziert. Erinnerst du dich noch wie ich gemeint habe du seist Schuld an den Tod meines Bruders? Nunja, vor Acht Jahren ist Jadusable gestorben -"

,,Moment mal. Jadusable? Vor Acht Jahren? Das war ja mein erster Mord!", strahlt Ben.

,,Freut mich sehr für dich. Hats den Spaß gemacht?" Kein wunder das ich nicht mit ihm über Gefühle reden wollte. Er hat null Ahnung was das auch nur im geringsten ist.

,,Du glaubst nicht wie! Seine Panik, seine Vied- Oh shit. Das ist jetzt überhaupt nicht angebracht, oder?"

,,Was du nicht sagst."

Dann herrscht Stille.

,,Ich bin ein Idiot Grace. Es tut-"

,,Sag mal riechst du das auch?" Ich lass ihn gar nicht zu ende reden, denn a) weiß ich das er ein Idiot ist und b) irgendwas riecht hier ziemlich verbrannt.

,,Was denn?"

,,Na den Rauch!" Mit einen mal wird mir ganz warm von hinten. Schnell stehe ich auf und drehe mich um.

,,Oh nein!"

,,Fuck!", flucht Ben.

Vor uns auf den Herd und auf der Anrichte breitet sich eine große Flamme auf. Der Feuermelder springt nun an und reizt meine Nerven nur noch mehr.

,,Du bist wirklich ein Idiot! Wieso hast du das Handtuch auf den Herd abgelegt?", schreie ich ihn durch das laute gepiepe an.

,,Was? Wieso ich! Du hast den Herd doch anscheint an gelassen!"

,,Aber ich stand seit Acht Jahren nicht mehr vorm Herd! Ich dachte ich habe ihn ausgemacht! Was machen wir denn jetzt?!"