Maya - Erinnerungen Teil 4


Und höchstens zwei Schritte entfernt, aufgerichtet, der tote Körper eines Hübschen Jungen, die leeren Augen anklagend auf meine gerichtet: Janes Spielzeug.

Wieso ist er tot?

Wollte sie ihn nicht behalten?

Sollte er nicht ihr Spielzeug sein?

Innerlich zucke ich zusammen, erbreche und schreie. Gracy will rauskommen, die Kontrolle für mich übernehmen, doch das lasse ich nicht zu. Eine Frage nach der anderen schießt auf meine Gedanken ein, lässt das Bild welches sich mir bietet alte Erinnerungen hochkommen.

Stumm und regungslos sitze ich da, meine gewohnte Position nun nach drei Jahren in diesem Rattenloch. Immer wieder singe ich „Die Gedanken sind frei" in meinen Kopf, die Melodie hat sich fest als Ohrwurm in meinem Ohr gebrannt.

„Grace, kommst du?"

Doch ich rühre mich nicht. Ich lasse die Frage, besser den Befehl noch kurz in meinen Gedanken hallen.

Grace, kommst du? Grace, kommst du. Grace, kommst du!

Immer und immer wieder.

Grace – Grace – Grace – Grace –

Lasst mich doch alle nur einmal in Ruhe!

Geübt stehe ich auf, ein monotoner und inzwischen einstudierter Bewegungsablauf, der von Tag auf Tag zur Routine wurde.

Kalt blicke ich in die Augen des Pflegers, die zum Glück nicht die von Jo waren.

Unruhig, da ich keine Anstalten mache auch nur einen Schritt in seine Richtung zu gehen, kommt er auf mich zu. Legt mir seine Hand zwischen meinen Schulterblättern und schiebt mich voran. Ich lasse mich von dem Druck leiten und verschließe die Augen. Den Weg zum Gemeinschaftsraum kenne ich Blind, auch ohne Hilfe könnte ich den Gang mit verschlossenen Augen ablaufen. Drei Mittelmäßig große Schritte raus aus meinem Zimmer, dann eine 90° Wendung nach rechts und dann 17 große Schritte um an eine neue Abzweigung zu gelangen. Dort hängt ein großes Bild von einem Clown, der den Menschen hier eigentlich Freude bereiten sollte, mir aber nur die Kälte der Wände und die Einsamkeit stärker bewusst werden lässt, denn der Clown ist lediglich in schwarz-weiß Tönen gehalten, ein Lächeln wurde ihn aufgemalt, doch leicht erkennt man eine Träne, die sich aus seinen Augenwinkelt stiehlt.

Wenn man am Clown links vorbeiläuft, gelangt man zu den Fahrstühlen, die wir jedoch nicht ohne Aufsicht benutzen dürfen. Rechts entlang kommen weitere Abzweigungen, eine nach der anderen und wenn man sich immer Rechts hält, findet man zu den Gemeinschaftsräumen.

Und dort soll ich auch jetzt wieder eine Trostlose Stunde meines Lebens verbringen.

Meistens nutzte ich die Zeit zum Lesen, nicht nur Romane, sondern auch von Sachbüchern. Logikrätsel löse ich auch gerne, schon in der ersten Klasse habe ich damals meinen Spaß dran gefunden, doch hier waren solche Rätsel eine echte Rarität. Ich wollte dort drinnen einfach nicht noch mehr Irre werden, nicht mehr als was die anderen mich schon bezeichnen.

Wir sind angekommen, instinktive öffne ich meine Augen und schüttle die Hand von meinem Rücken. Berühren lasse ich mich nicht gerne.

Mit meinen Augen suche ich das Zimmer ab, bin unruhig, als ich nicht finde, was ich suche.

„Wo ist Maya?", murmle ich zwischen meiner lauten Atmung hindurch.

„Nicht hier."

„Sie ist immer hier wenn ich komme. Sie verbringt die meiste Zeit hier. Sie sitzt immer in der Ecke und schaut aus dem Fenster. Das Mädchen mit den roten Haaren. Wo ist sie?" Meine Stimme beginnt zu zittern, die Finger ramme ich in mein Fleisch.

„Sie wird schon noch kommen. Vielleicht fühlt sie sich auch nicht so gut." Er zuckt mit den Schultern. Als wäre es eine belanglose Tatsache, die nicht Wichtig wäre.

Aber mir ist es wichtig.

Heftig schüttle ich meinen Kopf. „Nein, sie kommt immer. Selbst wenn sie dann nicht mit uns anderen redet, sie kommt. Ich will wissen wo sie ist, ich muss es wissen."

„Ich tue hier nur meinen Job, mit solchen Nebensächlichkeiten befasse ich mich nicht. Ich bin heute nur Aushilfe." Mit diesen Worten lässt er die Tür hinter sich ins Schloss knallen.

Unbehaglich schreite ich in Mitten des Raumes, das Gefühl, als würden alle Augen auf mich ruhen, lässt mir kalten Schweiß den Rücken runter laufen.

Es ist totenstill.

„Hat einer von euch Maya gesehen?", Flüstere ich laut in den Raum hinein.

Viele machen weiter womit sie aufgehört haben, schenken mir keine Beachtung mehr.

„Sie ist tot." Ein Gesicht taucht direkt vor meinem auf, lässt meinen Körper zusammen zucken.

„Was?"

„Sie ist tot." Das Gesicht gehört einer alten Frau, ein verrücktes Grinsen liegt auf ihren Lippen. „Tot, tot, tot. Hörst du? Tot!" Sie singt, sie macht daraus ein Lied.

„Sie kann nicht tot sein, nein sie ist nicht tot." Meine Handballen drücke ich auf meine Ohren. Wieso erzählt sie mir so etwas Schreckliches?

„Weißt du es denn nicht? Sie hat keine Familie, die sich um sie kümmert, also wenn interessiert es, ob sie tot ist? Jo hatte so Spaß mit ihr." Wieder ertönt ihr grausames Lachen. Gackernd wendet sie sich von mir ab, alle Haare auf meinen Körper stellen sich auf.

Jo.

Ich muss sie sehen, ich muss sie finden.

Ich muss an dem Aufseher von diesen Raum hier vorbei.

Schuldbewusst laufe ich auf Ella zu. Sie ist eine Frau mittleren Alters, die immer Panik Attacken bekommt, wenn man sie anfasst.

„Es tut mir Leid Ella.", flüstere ich, als sich meine Hand auch schon auf ihre Schulter legt. In derselben Sekunde beginnt sie zu schreien und um sich zu schlagen. Sofort wird der Pfleger auf sie Aufmerksam und seine ganze Wahrnehmung richtet sich auf sie.

Unbemerkt husche ich nun zur Tür heraus, einige von den Patienten winken mir fröhlich zu. Für eine Irre wie mich, ist es Strengens Verboten alleine durch die Gänge zu geistern.

Zu meinem Glück, begegne ich niemanden. Wo mag Maya nur sein? Hier gibt es so viele Orte?

Gedankenverloren beiße ich auf meine Lippe. Gracy meldet sich zu Wort, doch ich will nicht mit ihr reden.

Wie viel Zeit bleibt mir wohl noch, bis sie meine Abwesenheit im Aufenthaltsraum bemerken?

Schritte.

Ich höre Schritte.

Oh nein!

Panisch sehe ich mich um, ein Schatten wirft sich an die Wand. Ich muss mich verstecken, aber in diesem Korridor gibt es nichts! Die Klinke der Tür hinter mir, rammt sich in meinen Rücken. Ich will sie öffnen, doch sie ist verschlossen.

Oh ne-

Plötzlich reißt die Tür sich hinter mir auf und ich werde hineingezogen, eine Hand fest auf meinen Mund gedrückt.

Als ich mich beruhige, lässt die Hand mich los und ruckartig drehe ich mich um.

„Maya!"

- _ __ _ _

Maya glaubt, sie könne den Gewalttaten von Jo entkommen, indem sie sich versteckt. Ich bin nicht sein einziges Opfer, sie ist auch eins. Der Raum der ihr Zuflucht bietet, ist eine kleine Kammer. Immer wenn jemand hinein kommt, versteckt sie sich hinter den Schrank in einer Ecke. Sie ist so klein und zierlich, dass sie nur schwer zu erkennen ist. Die Pfleger reden über sie. Sie glauben sie sei abgehauen und suchen sie draußen auf den Straßen. Jetzt wartet sie nur auf den richtigen Moment, um diesen Plan wirklich in die Tat umsetzten zu können.

Nachdem ich sie dort gefunden habe, besuche ich sie heimlich so oft ich kann. Ich bringe essen von mir mit, damit sie sich nicht zu oft hinaus stehlen muss. Es geht 5 Tage so.

Und dann ...

Mein Schrei schallt durch das ganze Gemäuer.

Maya. Nein.

Und genau wie Maya damals, sieht mich Janes Totes Spielzeug an. Anklagend, als sei ich Schuld an diese Tode.

Jo ist mir damals gefolgt zu Maya, er hat sie umgebracht. Jahre später hat er es zugegeben. Jahre. Nachdem die anderen mich versucht haben zu beruhigen, da Jo die Leiche weggeräumt hat, bevor jemand anders sie sehen konnte. Eine Einbildung haben sie es genannt ...

„Und? Wie gefallen dir unsere Kunstwerke?"

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