Friends

L' POV: 5221 Words

"Ich habe gerade noch das Essen auf dem Her-"

Ich konnte meinen Satz gar nicht beenden, da trat Harry bereits durch die Tür und sein Kopf landete auf meiner Schulter. Ein theatralisches Seufzen verließ seine Lippen und fast automatisch rollte ich mit den Augen, als mein rechter Arm um seine Hüfte fand und die andere Hand sich in seinen Locken vergrub.

"Wieso sind Männer so?" Seine Stirn rieb sich an meinem Pullover, dann drehte er sein Gesicht zu meinem Hals und ich spürte seinen Atem an meinem Nacken. "Ich hätte wissen können das Sam auch nichts Ernsthaftes will."

"Haz..", meine Stimme war weich als meine Finger sich weiter in seinen Locken vergruben und dann zu seinem Nacken wanderten. Ein wenig schaffte ich es auch das mein Gesicht sich in seine Richtung drehte, doch er hatte mich noch immer vollkommen im Griff. "Magst du dich schonmal auf die Couch legen? Ich hole gerade die Suppe und dann komme ich zu dir." Er grummelte und tatsächlich war es immer wieder lustig, wenn der größere und viel kräftiger gebaute Mann sich wie ein Kleinkind verhielt. Immerhin wusste ich genau, wie ich mit ihm umgehen musste. "Du kannst auch schonmal etwas bei Netflix raussuchen was gleich im Hintergrund läuft während wir beide lästern, okay?"

Er nuschelte ein 'okay' in meine Schulter, löste sich von mir und trottete dann wie ein angeschossener Welpe ins Wohnzimmer, wo ich wenig später unbekannte Stimmen aus dem Fernseher hören konnte.

Der leicht süßliche Geruch der roten Beete verteilte sich in meiner Wohnung und somit huschte ich schnell in die Küche, um den kleinen Topf vom Herd zu nehmen. Tatsächlich hatte ich nur mein restliches Gemüse zusammengeworfen und püriert, jedoch war dies die perfekte Resteverwertung und bisher hatte es auch immer geschmeckt. Auch Harry aß Gemüse - sofern es püriert ist und man die einzelnen Bestandteile nicht mehr sehen konnte. Wie ein Kleinkind eben.

Ich transportierte die beiden Schüsseln mit der lila-aussehenden Suppe ins Wohnzimmer und ließ mich neben Harry fallen, welcher sich bereits unter einer Decke verkrochen hatte und nur unter Protest die Suppe annahm, da er sich schon so eingekuschelt hatte. Schnell platzierte ich noch den Laptop-Tisch, welcher hauptsächlich zum Essen auf dem Sofa Zweckentfremdet wurde zwischen uns beiden und stellte noch die beiden Gläser mit Wasser ab, ehe ich mich zu meinem Gast drehte und ein aufmunterndes Lächeln aufsetzte.

"Nun erzähl.. was hat er gemacht?"

"Er hat nicht wirklich etwas gemacht.. die Sache ist die, die er eben nicht gemacht hat."

"Die da wäre?"

Harry stand auf große Typen. Breit und Muskulös - jene Männer, die eben nicht typisch Schwul aussahen. Er hatte auch nicht die größten Probleme diese rumzubekommen, denn meistens hatten sie einen ähnlichen Geschmack. Das Harry und ich vor knapp vier Jahren einmal im Bett gelandet waren, war der Tatsache verschuldet das er in der Bar, in welcher ich arbeite, bis knapp vier Uhr Morgens auf sein Date gewartete hatte welches niemals aufgetaucht war. Und naja.. ich stand eben auf den gleichen Typ Mann wie Harry.

Der große Unterschied ist, dass ich nicht Harrys Typ Mann war. Ich war nicht groß, breit auch nicht und Muskeln besaß ich ebenfalls nicht mehr als der Durchschnittsbürger. Das hatte er mir auch wie ein bedröppelter Welpe am nächsten Tag verraten und so wie ich nunmal war, spielte auch ich runter das dies die mit Abstand wundervollste Nacht war, die ich jemals mit jemandem verbringen durfte. Was hauptsächlich daran lag, wie gut wir uns verstanden. Und das taten wir auch immer noch.

Ich sah Harry nun also seit vier Jahren dabei zu wie er vom einen Arschloch zum nächsten stolperte und wusste, dass er am Ende wieder in meinen Armen landen würde. Dann war ich es, der ihn halten durfte. Der durch seine gepflegten Locken fahren und meine Finger in seine Grübchen bohren durfte, wenn ich mal wieder einen so schlechten Witz machte das er gar nicht anders konnte, als darüber zu lachen. Ich war es, der mit sanften Berührungen dafür sorgte, dass Harry meine Arme die ganze Nacht über nicht verlassen und darin einschlafen und auch wieder aufwachen würde, indem ich ihn so geborgen fühlen ließ wie ich nur konnte. Und ich war es auch, der am Ende des Tages dabei zusehen würde wie er auf Tinder Typen wie mich nach links swipte und meinen Liebeskummer in billiger Schokolade bei Desperate Housewives ertränkte.

Auch jetzt hatten wir uns Bettfertig gemacht und Harry war in eines meiner viel zu großen T-Shirts gehüpft, um kurz darauf zu mir unter die Decke zu kriechen. Wie als sollte es so sein klebte er wenig später an mir, seinen Kopf auf meiner Brust und mein Arm um seinen Rücken, um jenen mit sanften Berührungen auf und ab zu fahren. Der typische Harry Duft stieg mir in die Nase und ich war froh darüber, dass er mich nicht sah, als ich die plötzlichen Tränen, die sich wie ein Schleier vor meinen Augen auftaten, nicht weg blinzeln konnte.

"Manchmal wünschte ich sie wären alle ein wenig mehr wie du..", verließ es plötzlich seine Lippen und auf einmal schien die Uhr in meinem Schlafzimmer viel lauter zu ticken, als es sonst der Fall war. "Ich habe das Gefühl niemand mag mich so sehr wie du."

"Naja, ich bin ja auch doof", gab ich zu und lachte etwas, während ich hoffte, dass dieser Ton nicht zu gequält klang. Denn ich mochte diesen Idioten nicht nur, ich liebte ihn. "Wir finden schon noch den Richtigen für dich. Wir müssen uns ja nicht hetzen - ich gehe nicht weg."

"Versprochen?" Seine Stimme klang dünn und ich schluckte einmal. Der tiefe Atemzug war notwendig, bevor ich ihm einen Kuss auf den Kopf drückte und nickte.

"Versprochen."

*****

Am nächsten Morgen frühstückten wir gemeinsam, verbrachten danach den Tag zusammen im Park und sahen niedliche Hunden dabei zu wie sie spielten und mit ihren Besitzerinnen und Besitzern Tricks übten. Ich liebte es, dass Harrys Augen dabei jedes Mal groß wurden und fast schon die Form von kleinen Herzchen annahmen, sobald einer der Vierbeiner auf uns zukam und sich eine Streicheleinheit abholte. Dabei sah ich ihn wahrscheinlich wie der verliebteste Vollidiot auf der Welt an, doch ändern konnte ich es auch einfach nicht.

So vergingen ein paar Wochen bis es mal wieder soweit war, dass Harry Abends bei meiner Arbeit saß und auf sein Date wartete. Tatsächlich hatte Zayn mich bereits einmal gefragt, wieso ich mir dies überhaupt antat und dem Menschen den ich liebte dabei zusah, wie er mit anderen Männern flirtete, doch ich versuchte meinen eigenen Nutzen daraus zu ziehen. Sobald es nicht laufen würde, kommt Harry wieder mit zu mir nach Hause und ich darf für ihn da sein. Naja.. und wenn es gut lief, dann durfte ich den ganzen Abend über in sein wundervolles, glückliches Gesicht schauen.

Doch auch am heutigen Abend blieb Harry alleine sitzen. Auch ein paar seiner Nachfragen gingen ins Aus und blieben unbeantwortet, der letzte Versuch noch jemanden für die Nacht zu finden erfolglos.

Es war knapp zwei Uhr morgens, als ich den Lappen, mit welchem ich die Theke sauber gemacht hatte, zum trocknen aufhängte und dann um jene herum lief, damit ich mich neben Harry auf die Bank setzen konnte. Er ließ seinen Zeigefinger stetig über den Rand seines Wasserglases fahren und beobachtete wie sich die Flüssigkeit ein wenig bewegte, während sein Kopf auf seiner rechten Faust abgelegt war. Vorsichtig fuhr ich mit meiner Hand über seine um seine Aufmerksamkeit zu erhaschen und tatsächlich hörte er mit seinen Bewegungen sofort auf, um sich zu mir zu drehen.

"Kommst du mit zu mir? Wir legen uns einfach nur ins Bett und schauen einen langweiligen Film bei dem wir einschlafen können. Es war eine lange Nacht, Haz."

Er stimmte mir mit einem müden Gesicht zu, kippte den letzten Schluck hinter und brachte dieses dann eigenständig zur Spülmaschine, welche nach der Reinigung offen stand. Wieder bei mir angekommen legte er seinen Arm um meine Schulter, schnappte sich auf dem Weg nach draußen seine Jacke vom Haken und wartete dann den einen Moment, bis ich die Bar abgeschlossen hatte.

Zum Glück war der Weg bis zu mir nicht weit, denn es war heute Nacht ziemlich abgekühlt und ich hatte nur eine leichte Jacke dabei. Harry neben mir war jedoch seltsam still, weswegen auch der kurze Nachhauseweg nicht so schnell verging wie es normalerweise der Fall gewesen wäre. Da er aber so tief in seinen Gedanken versunken war, beschloss ich, ihn nicht da raus zu holen sondern hoffte das er mit mir sprechen würde, sobald er dieses Bedürfnis verspürte.

Bei mir Zuhause angekommen öffnete ich uns die Tür zu dem Mehrfamilienhaus, dann huschten wir in den zweiten Stock und landeten endlich in meiner Wohnung. Jedes mal nach meinem Arbeitstag war ich einfach nur froh wieder hier zu sein, meine Schuhe ausziehen und duschen gehen zu können.

Da ich aber noch nichts richtiges gegessen hatte, schickte ich Harry zuerst ins Bad und haute mir nur ein schnelles Toast mit Käse rein, bevor ich nach ihm ebenfalls hinein huschte und unter die Dusche hüpfte.

Mit dem Gedanken das Harry in meinem Bett auf mich wartete, war ich schneller wieder zurück als es normalerweise der Fall gewesen wäre und ich schlüpfte schnell in meinen Pyjama, ehe ich noch einmal checkte das alle Lichter in der Wohnung ausgeschaltet waren und dann endlich in mein Zimmer trat.

Mein Übernachtungsgast hatte beide Kissen aufgeschüttelt und war gerade dabei ganz altmodisch eine DVD aus meiner Sammlung zu suchen, als er aufstand und auf mich zukam.

"Fight Club?", fragte ich verwirrt, doch mein Gegenüber nickte sofort und ich zuckte mit den Schultern, ehe ich ihm die Packung abnahm und mich zum Fernseher drehte. "Ich dachte eher an etwas langweiliges, aber der ist auch okay."

"Wir haben ihn schon so oft gesehen, die Spannung ist raus."

Wo er recht hatte..

Mit einem schnellen drücken auf den Play-Button stellte ich mich wieder auf, doch noch bevor ich mich zum Bett drehen konnte hatten Harrys Arme um meine Taille gefunden und ich spürte sein Kinn auf meiner linken Schulter. Mein Herz klopfte einige Takte höher während sich ein unglaubliches Kribbeln in meinem Bauch breit machte, als ich seine Nasenspitze an meinem Hals spüren konnte und meine Augen schließen musste, da alles viel zu überwältigend war.

"Du riechst gut", murmelte er dann, sendete erneut eine Gänsehaut über meinen gesamten Körper als bei jedem seiner Worte ein Atemzug meinen Hals streifte.

"Ich war ja auch duschen." Ein, fast schon gequältes, Lachen entfuhr mir. Was hatte er nur vor? Es war nicht selten das wir uns so nahe waren, aber die Situation gerade war anders. Wesentlich intimer als es in den letzten vier Jahren je gewesen war und genau das war es, was mir Sorgen bereitete. "Harry-"

"Wir könnten es tun, oder?" Meine Augenlider öffneten sich so schnell als hätte ich vor meinem inneren Auge einen Geist gesehen, da schaffte ich es durch meine abrupte Bewegung sogar mich aus seinen Armen zu befreien und zu ihm zu drehen. "Wir haben seit dieser einen Nacht nicht mehr miteinander geschlafen.. wieso nicht?"

Wieso nicht? Mein Mund klappte auf und ich wusste für einen Moment gar nicht so richtig was ich sagen sollte, da handelte mein Kopf bereits.

"Du hast gesagt ich bin nicht dein Typ."

"Ja, das stimmt schon aber.. es war nicht schlecht, oder?" Es war die schönste Nacht meines Lebens. "Wir könnten es doch wieder tun.. als Freunde? Wir kennen uns so gut, das würde nichts verändern."

"Haz.."

War jetzt der Zeitpunkt gekommen? War jetzt der Moment, an dem ich ihm von meinem Egoismus erzählen musste? Der Grund, wieso ich die letzten Jahre alles habe stehen lassen, sobald er mich brauchte? Erzählen, dass ich seine dunkelsten Momente ausgenutzt hatte, weil meine Gefühle für ihn so stark waren, dass ich ihn steht's in meinen Armen halten wollte? War jetzt dieser Moment gekommen?

"Ich bin komplett vorbereitet.. Du magst mich doch, oder nicht?"

"Das ist das Problem, Harry", antwortete ich also ehrlich und atmete noch ein letztes Mal tief durch, ehe ich ein trauriges Lächeln aufsetzte. "Ich mag dich nicht nur, Harry. Das würde nicht funktionieren, ich fühle so viel mehr.. Es würde zu sehr weh tun."

"Du fühlst.. mehr?"

Die Verwirrung war ihm ins Gesicht geschrieben und ich konnte nicht glauben, dass ich mich die letzten Jahre wirklich so unauffällig verhalten haben soll. Oder wollte er es nur einfach auch nicht sehen? Ich glaubte ihm, dass er mich mochte. Er verbrachte nicht so viel Zeit mit mir, weil er sonst keine anderen Freunde hatte, sondern weil er gerne bei mir war. Das hatte ich aufgrund meiner Gefühle nie kaputt machen wollen, im Gegenteil. Er sollte sich bei mir, im Gegensatz zu all den Arschlöchern die er traf, Willkommen, geliebt und Besonders fühlen.

"War das nicht offensichtlich?", fragte ich ihn also traurig und tatsächlich schien ich vor seinem inneren Auge dem Groschen beim Fallen zusehen zu können. Augenblicklich versteinerte sich seine Miene und er musste sogar für einen Moment wegsehen, um wieder einen klaren Gedanken fassen zu können.

"Wieso hast du nie etwas gesagt?"

"Weil du mich direkt am nächsten Morgen vertröstet hast. Weil.. ich dir seit dieser Nacht täglich dabei zusehen kann, wie du Typen wie mich nicht attraktiv findest und niemals etwas ernsthaftes mit mir anfangen würdest. Nichts was keine Freundschaft ist. Aber damit kam ich klar - komme ich klar! Nur nicht, wenn wir beide erneut miteinander schlafen. Das schaffe ich nicht." Ich hatte so schnell geredet das ich erst einen tiefen Atemzug nehmen musste, bevor ich meinen Redeschwall tatsächlich und vollkommen beenden konnte. "Außer du hast deine Meinung geändert..?"

Die, auf diese Frage folgende, Stille war unerträglich. Ich konnte mein Herz förmlich brechen spüren, sah diesem dabei zu wie es vor ihm auf die Knie ging und sich selbst in Fetzen riss. Diese lagen dann wie ein einziger Haufen vor seinen Füßen und er würde es genauso ansehen, wie er mich nun ansah. Mit ganz viel Reue, Trauer und am schlimmsten - Mitleid.

"Louis.."

"Vielleicht wäre es doch besser wenn du heute Zuhause schläfst", unterbrach ich ihn, denn sein Blick hatte Bände gesprochen.

Er diskutierte auch nicht; schüttelte nicht den Kopf und kam mir auch nicht näher. Schnell hatte er sich seinen Kram zusammengesucht und stand in meiner Zimmertür, während ich mich in der Zeit auf die Kante meines Bettes gesetzt hatte und erbärmlich versuchte nicht zu weinen.

"Es tut mir Leid."

Ich glaubte ihm diese Worte, das tat ich wirklich. Und er konnte auch nichts für die ganze Situation, immerhin hatte ich nie einen Schlussstrich gezogen. Vielleicht war das auch der Grund, wieso ich mich trotz meines gebrochenen Herzens schuldig fühlte, denn er musste nun die Nacht alleine verbringen.

Und ich wusste nicht, wann ich ihm wieder normal unter die Augen treten könnte.

*****

Es vergingen zwei Wochen, in denen ich Harry nicht sah. Zwar hatte er versucht mich zu kontaktieren, jedoch meinen Wunsch das ich noch Zeit bräuchte akzeptiert. Leider vergingen somit auch Wochen, in denen ich die ganze Situation viel zu oft durchspielen konnte und somit mein Herz mehr und mehr brach. Stetig hoffte ich darauf das er mich kontaktieren würde - jedoch mit Worten die ich auch wirklich hören wollte. Vielleicht hatte ein kleiner Teil von mir also doch gehofft, dass Harry mehr empfinden könnte. Auch, wenn ich .. ich war.

Zayn saß vor mir an der Theke und beobachtete mich dabei wie ich die Biergläser polierte und zurück ins Regal stellte, während zwischen uns Stille herrschte. Am heutigen Tag hatte ich Harry zu sehr vermisst und die Sorge, dass ich ihn womöglich kontaktieren könnte, war zu groß. Also musste mein bester Freund herhalten, auch wenn dieser nun nicht wirklich was mit mir anzufangen wusste.

"Worauf genau wartest du jetzt eigentlich noch?", fragte Zayn und holte mich so aus meinen tiefen Gedanken.

"Darauf, dass ich nicht mehr im Boden versinke wenn ich daran denke ihm zu begegnen. Ich möchte nicht das es ihm oder mir unangenehm ist. Am liebsten möchte ich, dass es einfach wieder so wird wie vorher." Oder auch mehr... am liebsten mehr.

"Vielleicht ist er auf dem besten Weg darauf hin zu arbeiten.."

Die Stimme meines besten Freundes war leiser geworden und es schien für diesen Moment auch nicht so, als würde er tatsächlich mit mir sprechen. Trotzdem, oder genau aus diesem Grund, rutschte mir bei seinem Ton mein Herz in die Hose. Das ertappte, attraktive Gesicht half nicht dabei, dass ich mich besser fühlte.

"Was meinst du damit?" Er setzte dazu an meinen Namen zu sagen, doch ich schüttelte den Kopf und sah ihn mahnend an. "Was meinst du? Worauf arbeitet er hin?"

Zayn seufzte, schob das Glas von sich weg und schien für einen Moment zu überlegen, wie er mir das kommende möglichst schonend beibringen könnte; währenddessen starb ich innerlich tausend Tode. Ich wusste zwar, dass es absolut meine Schuld war das ich nicht wusste, was er mir nun sagen würde, aber das machte es fast noch schlimmer.

"Liam hat Harry und seinen Neuen letztens im Park gesehen. Sie haben sich kurz unterhalten und es schien.. wirklich gut zu laufen. Auch heute hat er mir geschrieben das sie wieder zusammen mit dem Hund unterwegs waren."

"Seinen Neuen." Das seltsamste an dieser Aussage war, dass sie mich nicht einmal überraschte. Ich wusste, dass Harry mein Geständnis so aus der Bahn geworfen haben musste, dass er sich direkt eine Ablenkung suchen musste. Das es nun mit dieser Ablenkung plötzlich klappte; etwas was seit vier Jahren nicht funktionierte; war nur die Bestätigung dafür wie dumm ich eigentlich war. Und das ich die ganze Zeit auf etwas gewartet hatte, was niemals dafür bestimmt gewesen war, zusammenzufinden. Nicht auf diese Art und Weise zumindest.

"Ich hab es dir nicht gesagt, weil du am trauern warst. Sei nicht b-"

"Ich bin nicht böse", unterbrach ich Zayn sofort und zuckte aus Trotz mit den Schultern. "Es ist ja nicht so, als hätte ich es nicht die ganze Zeit gewusst."

"Er hat dich sowieso nicht verdient."

Ich schmunzelte und hob eine Augenbraue.

"Das sagst du nur, damit ich mich besser fühle."

"Vielleicht. Aber eigentlich auch nicht.. wer nach vier Jahren nicht merkt, dass die Person mit der man am glücklichsten ist bereits da ist, der hat es auch einfach nicht verdient."

"Er kann nichts dafür, dass er mich nicht auf diese Weise mag."

Weh tut es trotzdem.

*****

Es dauerte erneut zwei Wochen bis eine neue Nachricht von Harry auf meinem Handy erschien. Seltsamerweise handelte es sich dabei nicht um die Frage wie es mir ginge oder ob wir uns wieder sehen könnten. Stattdessen hatte er mir lediglich eine unbekannte Adresse und eine Uhrzeit mit der Bitte geschickt, ihn dort zu treffen.

Für einen Moment war ich tatsächlich versucht nicht aufzutauchen. Doch dann wurde mir bewusst, dass er nichts falsch gemacht hatte. Er konnte nichts dafür, dass er nicht so für mich fühlte und die einzige Sache, die ich ihm übel nehmen könnte, war das er mir schrieb obwohl ich um Abstand gebeten hatte. Aber ich war verschwunden.. für einen Monat und auch wenn er mich nicht liebte, wusste ich ja, dass ich ihm wichtig war und der fehlende Kontakt ihm genauso weh tun würde.

Ich bog also pünktlich um viertel vor drei Nachmittags in die besagte Straße ein, welche sich mitten im Nichts befand. Um mich herum sah ich nur Felder und einen Wald in der Ferne, weswegen meine Augenbrauen sich verwirrt nach oben bewegten. Als ich dann auf den Schotterparkplatz fuhr und dort Harry an seinem Auto stehen sah, rutschte mir mein Herz in die Hose. So brauchte ich auch noch einen kurzen Moment, bevor ich aussteigen und mit gesenktem Blick auf ihn zugehen konnte.

"Hey", begrüßte er mich mit einem leichten Lächeln auf den Lippen, welches ich kurz erwiderte bevor er weiter sprach. "Danke das du gekommen bist. Ist ja doch schon eine Weile her.."

"Ja.. Tut mir Leid."

"Muss es nicht." Die grünen Augen waren mit Ehrlichkeit gefüllt als er diese Worte sagte und überraschten mich damit, dass sie mich auf einen Blick besser fühlen ließen. "Kommst du?"

"Hab ich eine andere Wahl?", fragte ich leicht lachend und Harry tat für einen Moment so als müsste er überlegen, dann schüttelte er den Kopf und grinste mich ebenfalls etwas losgelöster an. "Was machen wir denn? Sofern du es mir verraten möchtest."

"Wir gehen Gassi." Verwirrt sah ich ihn an, konnte aber sofort erkennen wie Harrys Augen zu glänzen begannen. "In den letzten Wochen bin ich öfter vorbei gekommen um einen Hund kennenzulernen. Eine Hündin um genau zu sein.. Sie kommt aus Rumänien und heißt Kyla. Es hat eine ganze Weile gedauert bis ich sie streicheln durfte und auch bis wir alleine eine Runde drehen konnten, da sie ziemliche Angst vor Männern hat. Nun ist es bald so weit das ich sie adoptieren darf und ich wollte unbedingt, dass du sie kennenlernst."

"Harry.. Wow; das ist- das ist toll!" Meine Stimme überschlug sich etwas, dann fing ich mich wieder. "Wieso so plötzlich? Also ich weiß ja das du Hunde liebst aber.."

"Ich hab sie nur auf der Startseite des Tierheims gesehen und musste sie kennenlernen.. Das es am Ende so gut geklappt hat ist wohl irgendwie Schicksal."

Wir sprachen bis wir an dem Tierheim ankamen nicht darüber, was zwischen uns war. Das ich ihn liebte, wir einen Monat keinen Kontakt hatten und auch nicht über seinen neuen Liebhaber. Doch für den Moment war mir dies sehr lieb, da ich nicht wirklich wusste wie ich mit den Informationen umgehen würde oder gar könnte. Also genoss ich lediglich sein gelöstes, glückliches Gesicht wenn er über Kyla sprach und hoffte insgeheim, dass sie mich auch mögen würde.

Es war für Harry einfach die Hündin mitzunehmen und so befanden wir uns schon wenig später auf einem schmalen Waldweg. Kyla war beschäftigt mit Schnüffeln und zwischen Harry und mir herrschte eine unangenehme Stille, die ich nicht zu brechen wusste. Immerhin war mir zwar nun der Grund für dieses Treffen bekannt - zumindest ein Teil dessen, aber wieso genau er unbedingt wollte das ich sie kennenlernte, hatte er bis jetzt nicht gesagt.

"Zayn hat mir erzählt, dass Liam dich mit jemandem gesehen hat", fing ich also an, denn dies war definitiv ein Teil von dem, was wir besprechen mussten. Und ich war neugierig.. von dem Arschloch zu erfahren welches kein Arschloch ist.

"Ja.. Elijah."

"Erzähl mir von ihm", bat ich vorsichtig und sofort wanderte Harrys Blick zu mir. Das schlechte Gewissen sprang mir förmlich ins Gesicht und ich spürte wie sich mein Magen einmal drehte, als mir unglaublich schlecht wurde und ich trotzdem versuchte das Lächeln auf meinem Gesicht zu bewahren. "Bitte." Vielleicht würde es ja helfen. Wenn ich sehe das Harry glücklich ist und endlich jemanden gefunden hat, der zu ihm passt. Vielleicht kann ich dann loslassen.

"Er ist toll.. Bei unserem ersten Treffen hat er mich in eine Sushi-Bar eingeladen. Dabei mag er eigentlich gar kein Sushi und wusste nur von meinem Profil, dass ich es gerne esse. Doch das habe ich erst herausgefunden als er mir alles was er 'probieren' wollte zum aufessen rüber geschoben hat." Harry musste ein wenig grinsen und während ich versuchte mein Lächeln nicht zu verlieren, spürte ich den Schmerz in meinem ganzen Körper. "Danach sind wir noch zu ihm und er hat mir seinen Hund Lucky vorgestellt. Wir haben die ganze Nacht nur geredet."

"Das klingt toll, Harry." Ich war von der Standhaftigkeit meiner Stimme überrascht und musste mich leider in dem Sinne enttäuschen, dass es kein Stück einfacher wurde. Wie Gift verteilte sich der Schmerz weiterhin, floss durch meine Venen und ließ mich fast in die Knie gehen, als ich versuchte durch tiefes ein und ausatmen nicht zu weinen.

"Ja, war es auch wirklich. Hätte ich nicht die ganze Zeit nur über dich gesprochen."

Was?

Ich blieb stocksteif stehen und weil Harry meinem Beispiel folgte, wurde auch die Leine der Hündin strammgezogen. Meine Augenbrauen hatten sich ganz alleine zusammengezogen und mein Mund hatte sich fragend ein Stück geöffnet, als ich den Lockenkopf fragend anblickte.

"Egal worüber wir gesprochen haben, ich musste andauernd an dich denken. Ich habe es nicht einmal gemerkt.. erst als er mich gefragt hat, ob ich gerade jemanden mit ihm betrügen würde. Naja.. also ob ich dich mit ihm betrügen würde. Natürlich habe ich es abgestritten, denn dem ist nicht so.. eigentlich. Aber je mehr er mich dann über uns beide gefragt hat, desto mehr kam die Frage auf, ob meine Annahme denn so gestimmt hat. Freunde wollen nicht um jeden Preis zusammen in einem Bett schlafen und meine anderen Freunde behandeln mich nicht so wie du mich behandelst. Natürlich ist jeder anders, aber ich meinte, was ich sagte.. Ich weiß, dass niemand mich so sehr mag wie du."

"Das ich dich mag ist kein Geheimnis mehr, Harry."

"Ich weiß.. und vielleicht hat mich genau das verunsichert? In meiner kleinen Welt war alles gut so wie es war und ich habe mich, so egoistisch wie ich nunmal war, nicht gefragt ob es für dich wohl auch gut ist. Für mich hat gereicht das du mein Zuhause bist und ich immer wusste, dass du mich auffangen würdest. Und das habe ich angenommen ohne darüber nachzudenken, wie es auf deiner Seite aussieht."

"Ich verstehe nicht.. was soll das hier?" Mein Herz klopfte mir bis zum Hals und hoffte bereits die Informationen die ich bekam richtig zu interpretieren, doch bisher gewann noch mein Kopf mit dem großen leuchtenden 'Achtung!' Schild vor meinem inneren Auge.

"Elijah ist toll. Er ist groß, geht regelmäßig zum Sport, hat eine gepflegte Wohnung und arbeitet als Polizist. Der Kontakt zu seiner Familie besteht, er liebt seinen kleinen Bruder über alles und trotz seines vollen Terminplans tut er alles für Lucky. Und trotzdem konnte ich die ganze Zeit nur an dein Geständnis denken. Daran was wäre, wenn wir nur Freunde bleiben und du vielleicht mal jemanden kennenlernst. Das hat meinen Kopf zerstört. Wie du merkst - alles wieder vollkommen egoistisch." Harry kam, nachdem er kurz zu Kyla geschaut, hatte die sich neben ihn auf den Boden gelegt hatte, einen Schritt auf mich zu. "Wir sind nicht nur Freunde. Und ich weiß ich habe es mir selbst kaputt gemacht, weil ich immer behauptet habe das du nicht mein Typ seist. Auch indem ich gegangen bin, nachdem du mir gesagt hast das du mehr für mich empfindest-"

"Indem du seit Wochen jemand anderen triffst?"

"Nein! Also ja, aber nein.. nicht so. Elijah und ich haben uns angefreundet und er hat mir wegen Kyla geholfen. Wir haben nicht - also nie. Wir haben nie..."

"Wieso hast du dich nicht schon eher gemeldet?" Ich verstand die ganze Situation doch richtig, oder? Er wollte nicht nur Freundschaft?

"Ich wollte mir sicher sein und dir beweisen, dass ich all dies nicht nur sage damit ich dich nicht verliere. Leider kam ich nicht auf die Lösung, wie ich dies anstellen soll, denn Elijah meinte auch das ich dich unglaublich damit verunsichert haben muss, indem ich dich seit Jahren mit der Aussage, das du nicht mein Typ wärst, an der langen Leine gelassen habe. Ich hatte Sorge, dass du mir nicht glaubst.."

"Was glauben?"

Sag es. Sag es doch einfach. Was stellst du dich so an?

"Das ich meine Meinung geändert habe. Und das ich gerne mehr wäre, als ein Kumpel. Ich möchte gerne bei dir bleiben, nicht morgens wieder abhauen, weil es sich als ein Kumpel nicht gehört noch für Ewigkeiten mit dir im Bett liegen bleiben zu wollen um zu kuscheln. Und ich würde dich gerne bei der Arbeit besuchen, aber dann nicht nur vor der Theke bleiben sondern dich abholen und dann mit dir Händchenhaltend nach Hause laufen und mir ab und zu einen Kuss stehlen. Aber am allermeisten möchte ich das Wissen haben, dass du zu mir gehörst; fest und das niemand anders kommt und dich klaut."

Hätte ich meinen Kopf nun zu Kyla gedreht, hätte ich sehen können wie die Hündin ihren Kopf leicht schief legte und zwischen Harry und mir hin und her schaute. Doch ich schaffte es einfach nicht meinen Blick von den grünen Augen zu nehmen, die so viel sanfter und aufrichtiger wirkten als jemals zuvor. Die Augen, in denen ich diese Art von Gefühlen bereits seit einer Ewigkeit sehen wollte und mich fragte, ob sich dieser Ausdruck wirklich so plötzlich, innerhalb eines Monats, zeigen könnte. Doch ich schob diese Zweifel für einen Moment nach hinten und versuchte nur das Kribbeln zu genießen, welches das schmerzhafte Gift abgelöst hatte und nun durch meinen gesamten Körper floss.

"Das ist kitschig", murmelte ich als Erstes, damit ich noch eine kurze Zeit hatte, mich auf das Folgende einzustellen und das Grinsen zurückzuhalten, welches sich so unbedingt zeigen wollte. Doch auch er hatte mich zittern lassen.

"Du magst kitschig?" Obwohl er sich so sicher schien, schwang in dieser Aussage ein fragender Ton mit und ich zuckte nur mit den Schultern, bevor ich auf ihn zuging und meinen Blick ein wenig hob.

"Ich mag dich", stellte ich klar, zeigte ihm somit worauf ich eigentlich die ganze Zeit wartete und konnte ein erleichtertes aufatmen bei ihm feststellen. Dann landete seine linke Hand an meiner Hüfte, drückte zu und zog mich noch ein Stück näher an sich heran, bevor er sich nach vorne lehnte und seine Lippen auf meiner Stirn platzierte.

"Da bin ich aber froh." Ein wenig grummelig wartete ich noch immer darauf, dass er die Worte erwiderte, doch dann löste er sich bereits ein Stück von mir. Noch bevor er einen Schritt zurückgehen konnte, griff ich an seinen linken Oberarm und hielt ihn zurück, woraufhin ein leises Lachen aus seiner Kehle kam und sein Gesicht so plötzlich vor meinem erschien, dass ich kurz erschrocken aufatmete. "Warum schmollst du?"

"Weil du es nicht sagst."

"Was sage ich nicht? Ich habe die ganze Zeit geredet." Er wusste was ich meinte. Ein Blick in sein grinsendes Gesicht zeigte mir, dass er genau wusste wovon ich sprach. Deswegen rollte ich auch mit den Augen, genoss das Kribbeln bei dem erneuten Lachen welches seinen Mund verließ und konnte plötzlich seine Lippen kurz vor meinen spüren. "Das ich dich mag?"

"Genau."

Dieser Kuss war definitiv anders als unser Letzter. Er war sanft und ruhig, wir ließen uns Zeit den anderen wirklich fühlen zu können. Seine Nasenspitze lag an meiner Wange und meine Augen flatterten zu, als ich das Gefühl hatte das meine Knie bei jeder verstreichenden Sekunde nachlassen würden.

"Ich mag dich", flüsterte er dann und küsste kurz meine Oberlippe. "Sehr sogar." Ein kleiner Kuss auf meinen Mundwinkel, dann wurden wieder meine Lippen in Beschlag genommen und meine Hände umrahmten sein Gesicht vollkommen.

Mein Körper presste sich an seinen, genossen die Wärme die von ihm ausging und löste sich erst wieder, als Kyla plötzlich bellte und Harry und ich auseinander sprangen.

Das ältere Ehepaar, welches mit einem Hund an uns vorbei lief, war ganz rot im Gesicht und schenkte uns keinen Blick, während Harry und ich leise lachten. Er hatte seinen freien Arm um meine Hüfte geschlungen und ich mich an ihn gekuschelt, während ich meine Stirn an seine Schulter gepresst hielt um meine aufgeheizten Wangen zu verstecken.

"Vielleicht sollten wir das zu dir verlegen", unterbrach Harry die kurze Stille und ich nickte gegen seine Schulter, bevor ich mich löste und einen Kuss auf seine Wange drückte.

"Und dann verlassen wir das Bett nicht mehr", bestätigte ich und sah zu der Hündin, welche nun in freudiger Erwartung aufgestanden war. "Kyla hatte schon genug Geduld mit uns."

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