❆ 17. Türchen: To hold your Hand ❆

alyssadormidera hat für euch das 17. Türchen geschrieben ♥️falls ihr sie noch nicht kennen solltet, schaue unbedingt einmal bei ihr auf dem Profil vorbei 🥰 danke dir, dass du in diesem Jahr wieder dabei bist ♥️

Wünscht ihr ganz viel Glück für ihre heutige Prüfung, habt viel Spaß beim lesen und lasst ihr etwas Liebe da ♥️

Lots of love xx

3716 Words

„Ooooh... Vorsicht!"

So gerade eben schafft Harry es, das Glas voll Rotwein davon abzuhalten, vom Tablett der neuen Aushilfe zu rutschen und somit die weiße Bluse der Dame vor ihr zu fluten. „...t-tschuldigung" murmelt Josie mit zittriger Stimme in Harrys Richtung, der ihr sofort beruhigend „...passiert, alles gut." versichert.

Nachdem das Glas nun den sicheren Stand auf dem Tisch erreicht hat und die beiden sicher wieder hinter der Bar angekommen sind, flüstert die Blondine, noch immer wahnsinnig unsicher „...der Herr wollte mir wohl helfen, indem er sein Bier einfach vom Tablett genommen hat, aber dadurch ist es dann gekippt und ich konnte es nicht ausbalancieren, es tut mir so leid..." Doch ihr Kollege mit den schulterlangen, braunen Locken, welche er zur Hälfte mit einer Schneeflöckchen-Klammer hochgesteckt hat, um die Sicht zu jeder Zeit frei zu haben, schüttelt sofort den Kopf. „Es war nicht deine Schuld, Josie, mach dir bitte keinen Kopf. Leider denken manche Gäste nicht darüber nach, dass die vermeintliche Hilfe nur dafür sorgt, das Tablett aus dem Gleichgewicht zu bringen. Zum Glück ist nichts passiert und ich war fix genug da, um das Glas aufzufangen. Aber selbst mir ist es mal passiert, dass ich es nicht mehr abfangen konnte und da war ich sogar bereits ganze 3 Jahre hier. Immerhin habe ich dabei nur mein eigenes Shirt übergossen. Ich kann Dir also nur ans Herz legen, Dir im Personalbereich Wechselklamotten zu deponieren. Es kann immer was passieren."

Harrys aufmunternde Worte schaffen es zum Glück, die von rosigen Bäckchen umrahmten Mundwinkel der 17-jährigen Schülerin vor sich wieder ein wenig in die Höhe rutschen zu lassen. „Atme mal einmal tief durch und trink einen Schluck, dann sieht die Welt gleich schon wieder ganz anders aus."

Eifrig nickt sie und greift nach der kleinen, hinter der Thekenerhöhung versteckten Glasflasche voll Cola, nimmt gleich 2 große Schlücke und beherzigt im Anschluss seinen Tipp, einmal bewusst und tief durchzuatmen. „Du bist so lieb und verständnisvoll, Harry, danke... bei Mr. Edwardson hingegen habe ich manchmal Angst, dass er mich auffrisst, wenn ich nicht schnell genug bin oder etwas vergesse." Er nickt verstehend. „George kann sehr einschüchternd sein, ich weiß. Aber er ist eigentlich ein total lieber Kerl, bitte glaub mir das. Wenn viel los ist, ist der Ton leider oftmals etwas rauer, aber das hat er so in der Profiküche gelernt. Versuch, es dir nicht so sehr zu Herzen zu nehmen, okay? Er meint es nicht böse, das verspreche ich Dir." Wieder nickt sie, atmet noch einmal schwer aus, bevor sie nach dem leisen Hinweis „...ich glaube Tisch 18 möchte zahlen" von ihrem Kollegen auf das freundlich lächelnde Pärchen zueilt.

Harry selbst wirft noch einen weiteren Blick durch den gut gefüllten Raum, doch alle weiteren Tische scheinen gerade bestens versorgt zu sein, sodass sein Blick aus dem leicht vereisten Sprossenfenster über die schneebedeckte, gepflasterte Gasse in das Café gegenüber fällt. Ganz von allein suchen seine grünen Augen die überdachte und mit Heizstrahlern und Decken ausgestattete Terrasse ab, die somit zusätzlich zu den heißen, weihnachtlichen Getränken die Gäste dort trotz der Temperaturen um den Gefrierpunkt muckelig warmhalten. Ein wenig muss er zusätzlich schmunzeln, als sich wie von Geisterhand die kleinen Vertiefungen in seine Wangen bohren, als sein Blick findet, was er so eifrig zu finden versuchte.

Bereits seit der hübsche, junge Mann vor knapp 1 1/2 Monaten das Team des Cafés gegenüber bereichert hat, kann Harry kaum seine Augen von ihm lassen. Jedes einzige Mal, wenn er dieses wunderschöne Lächeln erspäht, die Augen des Jungen mit den kurzen, perfekt-messy verwuschelten Haaren dadurch so schmal werden, dass sie fast gänzlich zu verschwinden scheinen, beginnt Harrys Herz ein wenig schneller zu schlagen. Und dass, obwohl er doch so schöne Augen hat, dass er das leuchtende Blau bis über die Altstadtgasse genau erkennen kann.

Vor allem dann, wenn sie seine finden. Harry ist sich nicht ganz sicher, ob er zeitweise wohl zu intensiv gestarrt haben muss, dass seine Lieblingsablenkung bereits seinen Blick im Hinterkopf hat spüren müssen, aber es dauerte nicht lang, bis auch besagter Mann mit den Leuchtaugen einen Blick in Richtung des Restaurants gegenüber geworfen hatte.

Noch etwas zögerlich war das Lächeln beim ersten Aufeinandertreffen der Blicke, allem voran da Harry so erschrocken dreingeblickt haben muss, bevor er sich unfassbar offensichtlich künstlich hüstelnd und mit rosigen Wangen schnell in die Küche verzogen hatte. Eigentlich ja fast schade, dass er dadurch gar nicht mitbekommen hat, wie sich besagtes zögerliches Lächeln urplötzlich in ein breites Grinsen verwandelte, dass den gesamten Abend nicht mehr aus dem Gesicht des süßen Typen mit den hohen Wangenknochen verschwinden wollte.

Und es ehrlicherweise bis heute nicht tut, sobald Louis, so heißt Harrys Lieblingsablenkung nämlich, auch nur an den Lockenkopf denkt. Denn es geht ihm ähnlich wie diesem, sobald er eine freie Minute vom Bedienen der Gäste hat. Auch das blaue Augenpaar ist ständig auf der Suche nach dem niedlichsten Lächeln, dass er je hat sehen dürfen, welches er ausnahmslos jedes Mal geschenkt bekommt, sollten ihre Blicke sich treffen.

Doch obwohl die kleinen, rosa Herzchen nur so über die Gasse voll kleiner, süßer Cafés, Restaurants und Pubs fliegen und flattern, hat keiner von beiden bisher auch nur ein Wort aus dem Mund des anderen vernehmen dürfen. Nein, sie kennen nicht einmal den Namen des Mannes, welcher dem jeweils anderen seit Wochen durch das Oberstübchen geistert und von dort aus kleine Flattertierchen in die Magengegend schickt und das Herzchen in der Brust ganz doll bubbern lässt.

Und auch, wenn selbst Harry mittlerweile bewusst sein sollte, dass auch das Herzchen seines wenige Meter entfernten Gegenübern jedes Mal ein wenig zu hüpfen beginnt, wenn Grün auf Blau trifft, ist er nicht sicher, ob er etwas daran ändern mag. Wer weiß, vielleicht zerplatzt diese rosarote Blase auch urplötzlich und sein, zumindest in seinem Kopf, so perfekter Crush ist eigentlich total doof und lächelt bloß gern wahllos Menschen über verträumt glitzernde und vereist schimmernde Pflasterstraßen an, ohne es so zu meinen, wie Harry es sich wünscht? Ein aufgeschlossener, junger Kerl, aber so hetero, wie er nur hetero sein kann.

Nein, niemals würde er sich trauen, einfach nach Schichtende herüberzugehen und zu fragen, ob sie im Pub nebenan noch einen Feierabend-Absacker gemeinsam trinken wollen. Oder zu fragen, ob sie gemeinsam nach Hause gehen möchten - denn es ist Harry bereits einige Male aufgefallen, dass die beiden nicht bloß häufig zu einer ähnlichen Zeit ihre Arbeitsstätte verlassen, sondern genauso auch die gleiche Richtung einschlagen. Doch so unwohl sich Harry oft abends im Dunkeln allein in den düsteren Gassen fühlen mag, möchte er ungern zugeben, wie gern er dabei die Hand des jungen Mannes von gegenüber halten würde.

Er weiß einfach, dass er sich dadurch so viel sicherer fühlen würde.

Dennoch verneint er wie schon so oft das Angebot, von Josie's Mutter nach Hause gebracht zu werden, auch am heutigen Tage, als sie auch das letzte Licht des Restaurants gelöscht haben. „Nehmen Sie es nicht persönlich, er lässt sich auch von mir nicht mitnehmen, egal wie lang er schon hier arbeitet und obwohl wir sogar in die gleiche Richtung müssten." schmunzelt George, als er seinem Sous Chef die Tür offenhält, der gerade die Reste der heutigen Tagessuppe für die Suppenküche verlädt, die seit Jahren alles übrig Gebliebene des kleinen Sternerestaurants erhält. Gerade jetzt in der kalten Jahreszeit sind die Ehrenamtlichen dort besonders dankbar, so all die frierenden Seelen auf den Straßen mit ein wenig warmer Liebe im Bauch versorgen zu können.

Und ehrlicherweise schmeckt Georges Eintopf vermutlich am nächsten Tag sogar noch viel besser.

„Bis Dienstag dann!" ruft Harry den beiden noch einmal zu, nachdem sie ihm mehr als einmal versichert haben, dass sie seine Hilfe beim Tragen wirklich nicht benötigen und er tatsächlich Feierabend machen darf. Noch ein wenig dichter muckelt er sich dann in seinen dicken, flauschige Schal und den warmen Wintermantel, bevor er sich durch die zwar weihnachtlich, aber nur spärlich beleuchteten Gassen auf den Heimweg macht.

Wenn er doch nur gewusst hätte, dass er doch noch etwas hartnäckiger hätte sein sollen, um noch einen Moment länger dableiben zu können...

Denn nur wenige Meter entfernt hat sich in diesen Minuten auch Louis gerade von seinen Kollegen verabschiedet und dabei spontan entschieden, heute endlich seinen ganzen Mut zusammenzukratzen und den hübschen Jungen nach seiner Schicht einfach einzusammeln.

Das wird er bestimmt wollen, oder? Also, naja, viel Erfahrung hat Louis noch nicht mit seinem eigenen Geschlecht gesammelt, aber sicherlich funktioniert flirten mit Männern doch genauso, wie es das auch mit Frauen klappt, oder? Und wenn der süße Lockenkopf nicht seit Wochen mit jedem einzelnen seiner Blicke mit ihm zu flirten versucht, dann hat er das Konzept wohl absolut nicht verstanden. Niemals hat er sich die niedlichen Grübchen, welche jedes Mal noch ein wenig tiefer wurden, wenn er das Lächeln erwidert hat, noch die rosigen Wangen, wenn Louis ab und an sogar mal rüber gewunken hat, bloß eingebildet.

Und er würde lügen, würde er sagen, dass er nicht wahnsinnig neugierig ist, den hübschen jungen Mann besser kennenzulernen. Wie gern würde er ihn selbst mal so zum Lachen bringen, wie seine Kollegin letztens, als sie gemeinsam die Terrasse von den Schneemassen befreit haben. Bis heute bringt es Louis zum Lächeln, wenn er bloß an den Klang des so losgelösten, echten Lachens des Lockenkopfes denkt.

Und genau das möchte er heute selbst schaffen.

Tief atmet er noch einmal durch, so tief, dass sich ein dichtes, weises Wölkchen vor seinem Gesicht bildet, bevor er auf die beiden Männer zugeht, die gerade wie jeden Abend das Auto vor der Tür beladen. „Hey" macht er, sicherer als er selbst gedacht hätte, auf sich aufmerksam, weshalb der ältere der beiden, er vermutet, es ist der Chefkoch, dessen Name an dem Sterne-Laden hinter ihm steht, inne hält und aufsieht. „Hey?" ist seine Reaktion mehr eine Frage, doch wirkt er dabei überaus freundlich. „Hi, uhm... Louis, ich arbeite drüben im Café..." sein Gegenüber nickt wissend, „...ich wollte eigentlich bloß fragen, ob... ist Euer hübscher Kellner noch da? A-also, der mit den Locken...?" Ein wenig lässt ihn das Grinsen des Mannes vor ihn unsicher werden, vor allem vermutlich, da ihm doch tatsächlich versehentlich das Wort ‚hübsch' rausgerutscht ist, was ihm vor den beiden Herren vor ihm nun doch ein wenig unangenehm ist.

„Er meint Harry" brummt der andere, welcher gerade im Türrahmen lehnt und sich eine Zigarette ansteckt. „Ach sag bloß, Pepe..." lacht der Ältere, „...das hätte ich wohl soeben auch noch selbst herausgefunden."

Harry also... ja, der Name passt gut zu ihm, findet Louis, auch wenn er absolut nicht weiß, was das bedeuten mag. Es passt einfach, irgendwie...

„Ich bin mir sicher, er ärgert sich wahnsinnig, wenn ich ihm erzähle, dass du ihn abholen wolltest, aber leider ist Harry bereits vor 5 Minuten gegangen." Deutlich sacken die Schultern des Blauäugigen hinab, was auch George nicht entgeht. „Aber vielleicht erwischt du ihn noch, er ist zu Fuß unterwegs Richtung Sena-Park... Er freut sich sicherlich, dich zu sehen." versichert er ihm mit einem leichten Zwinkern. Wie von Geisterhand bewegen sich die Mundwinkel des Mannes in die entgegengesetzte Richtung seiner Schultern, bevor er seinen Rucksack straffzieht, als wolle er wie ein kleiner Hobbit zu einem Abenteuer aufbrechen und sich mit einem „Danke Euch und schönen 2. Advent noch!" abwendet, um schnellen Schrittes in Richtung der gleichen Gasse zu verschwinden, wie Harry nur wenige Minuten zuvor.

Besagter Lockenkopf zieht währenddessen ein weiteres Mal seinen Schal noch etwas höher, als ihm der eisige Wind ins Gesicht schlägt. Eigentlich mag er die Adventszeit so unfassbar gern, doch seit er sich mit dem Job in der Bibliothek und dem Kellnern bei George genug dazu verdienen kann, dass er zuhause ausziehen und sich eine eigene, kleine Wohnung leisten konnte, fühlt er sich schon zunehmend einsamer, vor allem in den dunklen Abendstunden. Natürlich schafft es Dobby, sein kleiner, beiger Kater mit eifrigen Schmuseeinheiten sein Herz ordentlich zu erwärmen, doch oft genug hängt Harry auch zu dieser Zeit in seinen Gedanken - die eventuell öfter von dem Mann gefüllt wurden, welcher ihm gerade rasch hinterhereilt, als Harry es zugeben würde.

Doch dass Louis' gerade eiliger als Santa's Weihnachtswichtel auf dem Weg ist, Harrys Kuschelträume wahr werden zu lassen, das weiß der bibbernde Mann leider nicht.

Nein, stattdessen saust aus einem anderen Grund sein Puls in die Höhe, als er Schritte hinter sich wahrnimmt. „Oh bitte nicht..." brummt er zu sich selbst, denn es ist nicht das erste Mal, dass er sich im Dunkeln verfolgt fühlt. Seine zierliche, schlanke Statur und die langen Locken sorgen nicht weniger dafür, angreifbar zu wirken, als der Teddymantel und der der rosane Schal um seinen Hals. Dennoch sieht er es nicht ein, sich vermeintlich ‚maskuliner' zu kleiden, nur um nicht wie leichte Beute zu wirken. Es sollte nicht seine Aufgabe sein, das ‚Problem' zu beheben, sondern mehr Sicherheitspersonal in der Stadt unterwegs sein, so dass sich alle Menschen sicher fühlen können - egal welchem Geschlecht man angehört.

Normalerweise läuft er dadurch oft lieber einen leichten Umweg, verhindert dadurch den direkten Weg durch besagten Sena-Park, wo es gerade an den Wochenenden zu später Stunde von kuriosen Gestalten wimmelt - oder zumindest der Großteil der Personen dort ein unwohles Gefühl in Harry auslöst. Wenige Sekunden zögert er daher, in welche Richtung er abbiegen soll, will sich dennoch gerade für den Park entscheiden, da er den Gedanken doch angenehmer findet, mehr Menschen um sich zu haben, wenn er sich sowieso bereits verfolgt fühlt.

Als er dann noch ein leises "Hey" vernimmt, bei dem er sehr sicher ist, dass es ihm gilt, wird seine Atmung unruhig. Wie immer hält er es für sicherer, es einfach zu ignorieren, doch dass seine Atmung ebenso wie sein Puls sich beschleunigt, als kurz darauf ein "Hey, warte mal!" folgt, kann er definitiv nicht dementieren.

Glücklicherweise merkt auch sein 'Verfolger' nun, dass das Gefühl, welches er in dem Lockenkopf auslöst, alles andere als sicher ist, sodass er rasch sein neugewonnenes Wissen nutzt. "Harry!" ruft er dessen Namen, als er sein Tempo ein wenig verringert, in der Hoffnung den offensichtlich verängstigen jungen Mann vor sich so ein klein wenig der Unsicherheit zu nehmen.

Besagter Harry zuckt merklich zusammen, als er seinen Namen hört, zögert dennoch, sich umzudrehen, denn die Stimme der Person ist ihm trotzdem fremd. Nur weil eine Person seinen Namen kennt, heißt das nicht, dass diese keine Gefahr für ihn darstellen könnte. Dennoch reicht der kurze Augenblick der Verwirrung aus, dass Louis zu ihm aufschließen kann und er erschrocken den Kopf herumreißt, als die nun deutlich nähere, aber ebenso sanftere Stimme "Hey, Love, ich bin es..." flüstert.

Das so aufgeregt bubbernde Herzchen in Harrys Brust rutscht ihm fast in die Hose, als er wie ein verschrecktes Reh in die blauen Augen vor ihm schielt, die sanften, weißen Wölkchen zwischen ihren kalten, roten Näschen langsam zu einer werden und sich nur ganz vorsichtig Louis' Hand an den Oberarm seines Gegenübers legt. "Ich wollte dir keine Angst einjagen, tut mir leid..." flüstert der Blauäugige, woraufhin Harry sofort hektisch und mit rosigen Wangen, die er nur bedingt auf die Kälte schieben kann, den Kopf hin und her wirft. "A-Alles gut, hast du ni-... H-Hiii..." Ein verlegenes Kichern rutscht ihm über die Lippen, als er dem intensiven Blick seines Gegenübers nicht standhalten kann und sich ein wenig hinter dem dicken Schal vergräbt.

Auch in Louis' Wangen vertiefen sich leichte Grübchen, als Harrys leuchtende Augen wieder auf seine treffen. Seine Hand noch immer sanft den Oberarm des Jungen gegenüber umschließend, legt er den Kopf ein wenig schief, bevor sein "Hey" bloß einem Hauchen gleicht.

"W-Woher weißt du...?" Auch Harry traut sich noch nicht, lauter zu sprechen, obwohl keine neugierigen Ohren in ihrer Nähe sind, die dieser Interaktion lauschen könnten, doch er hat das Gefühl, es könne den Moment zerstören, sollte er doch mehr als ein Flüstern von sich geben. Ohne seine Frage komplett aussprechen zu müssen, weiß der Mann, welcher ihn um knapp einen Kopf überragt, sofort, was Harry meint. "Dein Chef... ich hatte eigentlich vorgehabt, Dich nach der Arbeit abzuholen, aber Du warst bereits losgestiefelt..." schmunzelt er. "Oh..." ist als, was Harry daraufhin von sich geben kann, sodass aus dem leichten Schmunzeln ein leises Kichern wird, das Louis verlässt.

Einige Sekunden verstreichen, während er einfach bloß auf den Jüngeren hinabblickt und ein wenig verträumt betrachtet, was er nun schon seit Wochen aus der Distanz anhimmelt. Ja, das muss sich selbst der sonst so schlagfertige Junge eingestehen, der nie um einen frechen Kommentar verlegen ist - so oft, wie ihm in den vergangenen Wochen vor lauter Träumerei ein Bier beim Zapfen überlief oder ein Gast ihm mit ausgestrecktem Arm zuwinken musste, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen, kann selbst er es nicht mehr dementieren: Louis ist absolut hin und weg von dem 'hübschen Kellner' von gegenüber.

Und daran ändert sich auch in diesem Moment nichts, ganz im Gegenteil.

Sanft umranden ein paar wirre Locken, in denen einige Schneeflöckchen glitzern, dieses wunderschöne Gesicht, welches Louis wohl über Stunden bewundern könnte, ohne etwas zu finden, das ihm nicht gefällt.

Und Harry? Dem geht es genauso.

Die Angst, die Schwärmerei könne zu Schutt und Asche zerfallen, sollten die beiden die imaginäre Barriere der Pflasterstein-Straße überwinden, ist so weit entfernt, wie sie nur sein könnte. Stattdessen schwirren die Herzchen nur so zwischen den Köpfen der Beiden hin und her, dass Harry nicht mal mehr mitbekommt, dass ein Kätzchen die beiden entdeckt hat und auf die Bank neben ihnen hopst, um sie einen Moment zu beobachten. Und das, obwohl sonst jedes Flauschenäschen die ungeteilte Aufmerksamkeit des Lockenkopfes bekommt, sobald es in dessen Dunstkreis tapst.

Doch in diesem Augenblick sieht er nur noch das glitzernde Blau, das ihn mit so viel Bewunderung mustert, dass ihn die Wärme in seiner Brust die eisige Luft um sein frostiges Näschen fast gänzlich vergessen lässt.

Erst als besagter Schnurrbert, wie Harry ihn getauft hat, nachdem der kleine Kater ihn schon oft auf seinem Heimweg einige Meter begleitet hat, ihnen um die Beine schmust, unterbrechen sie diesen fast ein wenig magischen Moment, von dem wohl keiner der beiden genau sagen kann, wie lang er wirklich gedauert haben könnte. Zu schön fühlte es sich an, einander einfach bloß in die Augen zu sehen, da sind sie sich wohl einig, ohne es aussprechen zu müssen.

"Huch... hallo, mein Spatz" begrüßt er den Kater, indem er sich kurz hinabbeugt und durch das, vom Schnee leicht feuchte, in rot, schwarz und weiß gemusterte Fell streichelt, dem er die so schöne Bezeichnung 'Glückskatze' verdankt. "Oh... Ihr kennt Euch?" Lächelnd beobachtet er den Braunhaarigen, der sich mittlerweile hingehockt hat und dem kleinen Kerlchen mit eifrigem Kraulen hinterm Ohr die Laute entlockt, denen er seinen Spitznamen verdankt. "Wir gehen regelmäßig gemeinsam nach Hause, ja..." lacht Harry, bevor er sich nach einem Moment wieder aufrichtet.

"Oh, dann ist diese Position also schon besetzt?" fragt Louis ein wenig traurig, weshalb Harry ihn etwas verdutzt ansieht. "Die Wegbegleitung durch den dunklen, gruseligen Park, meine ich..." ergänzt er daher, weshalb Harry ein verstehendes "Ooooh" von sich gibt. "Ich... also, ich bin sicher, Schnurrbert hat nichts gegen einen weiteren Begleiter..." wispert er mit schüchternem Lächeln. "Schnurrbert hat da also nichts gegen. Und was denkt wohl... Harry darüber?" fragt der Größere, lässt dabei zaghaft seine Hand über Harrys Arm gleiten, bis er bei dessen Hand ankommt und diese nur ganz sachte mit seiner anhebt.

Mit Blick auf ihre Hände, Louis' Daumen, der zärtlich über die eisigen Finger streicht und Harrys Hand, die sich in Louis' noch viel beschützter fühlt, als er es sich immer ausgemalt hatte, presst Letzter kurz nervös seine Lippen aufeinander, bevor er tief ausatmet und, sein Glück kaum fassen könnend, wieder aufblickt. "Ich denke, Harry könnte sich sogar ziemlich darüber freuen..." Wenn auch ein wenig zittrig dreht er seine Hand ein wenig in Louis', die ihn sofort mit so viel Wärme empfängt, wie er gehofft hatte - und das in temperaturtechnischer, wie in gefühlvoller Hinsicht.

So fest, dass sie ihm bloß nicht wieder entgleiten könnte, aber dennoch so liebevoll, dass Harry nie wieder etwas anderes in seiner Hand spüren mag, umschließen Louis Finger die Hand in seiner, bevor er den verknallt grinsenden Mann daran vorsichtig etwas näher zieht. Mit einem gewisperten "Darf ich?" versichert er sich, bevor er seine Hand sanft auf die gefrorene Wange des Kleineren vor sich legt.

"Hättest Du Lust, morgen an deinem freien Tag ein wenig auf Kufen übers Eis zu gleiten?" fragt er und, obwohl Harry sicher ist, dass der Begriff 'gleiten' definitiv nicht der richtige ist, wenn es darum geht, wie er sich auf einer Eisfläche bewegt, nickt er direkt zustimmend. "Ich fürchte allerdings, ich könnte auch dabei einen..." er hebt die verschränkten Hände der beiden ein wenig an, "...Wegbegleiter benötigen." gesteht er dann doch ein wenig, dass rutschiges, gefrorenes Wasser nicht ganz sein liebster Untergrund ist. "Das lässt sich sicherlich einrichten." schmunzelt Louis, hat die leichte Unsicherheit seines Gegenübers direkt gesehen, sodass er sich vorerst dagegen entscheidet, von seiner Vergangenheit in der Junioren-Eishockeyliga zu erzählen.

Es reicht zu wissen, dass er ihm so die Sicherheit auf dem Eis ohne Frage geben kann.

Als ein eisiger Windstoß den beiden um die Ohren saust, hebt Harry instinktiv die Schultern, um ein wenig tiefer in seinem Schal versinken zu können. "Ich denke, wir sollten Dich mal besser schnell ins Warme bringen..." leitet Louis daher schnell den weiteren Heimweg ein, bevor er ihn noch einmal etwas dichter an sich zieht, seine Lippen vorsichtig auf Harrys Schläfe legt (der deswegen nur ganz knapp verhindern kann, ein glückliches Quieken von sich zu geben) und ihn dann in Richtung des Wohngebietes zieht, in dem sie beiden wohnen.

"Oh und... Louis, übrigens." Einen kurzen Augenblick bleibt der Lockenkopf an seiner Hand perplex stehen, braucht peinlich lang, um zu verstehen, was er ihm sagen will, sodass er "...ich heiße Louis, wollte ich sagen." hinzufügt. "OH... natürlich, sorry..." murmelt Harry etwas beschämt, "...ich war nur kurz-... tschuldigung" Lachend zieht Louis ihn daraufhin an sich, flüstert "...war ein langer Tag, komm wir bringen dich schnell ins Warme.", bevor er ihn weiter zieht.

Und auch Harry vergisst nach dem bereits zweiten Küsschen, welches diesmal auf seiner Stirn landet, schnell das peinlich berührte Gefühl, dass ihn eben noch durchflutete. Auf dem Schlauch stehen konnte er zwar schon immer gut, aber dass dieser junge Mann ihn so verzaubert hat, dass sein Hirn urplötzlich einer wild geschüttelten Schneekugel gleicht, sobald er ihm in die Augen sieht, hätte selbst er nicht gedacht.

Aber für den aufgeregten Facetime-Anruf mit seiner besten Freundin, den er selbstverständlich sofort starten wird, sobald seine Wohnungstür hinter ihm ins Schloss fällt, ist es sicherlich nett, seinen Namen zu kennen.

Doch mit oder ohne Namen, Harry wird dieses wundervolle Herzbubbern wohl so schnell nicht wieder loswerden...

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