❆ 22. Türchen: Fatherhood ❆
Am heutigen Mittwoch haben wir einen One Shot von der lieben daydreamer_00_ für euch (:
Auch sie ist einer der tollen Menschen, die noch kurzfristig eingesprungen sind, damit ihr in diesem Jahr auch wirklich an jedem Tag etwas zu lesen habt. Dafür erstmal ein großes Dankeschön! xx
Schaut bitte auf ihrem Profil vorbei und gebt ihr eine Chance c: Hinterlasst ihr außerdem auch hier ganz viel Liebe! <3
Nun wünsche ich euch ganz viel Spaß und Lots of Love xx
Wörteranzahl: 4369
What we once enjoyed and deeply loved we can never lose. For all that we love deeply becomes a part of us.
~ Helen Keller
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Pov. Louis
Erschöpft lehne ich mich an die Arbeitsplatte hinter mir. Ich war unglaublich müde und der lange Arbeitstag steckte mir in den Knochen.
Heute war ganz und gar nicht mein Tag gewesen und ich war froh, wenn ich gleich nachhause in mein Bett konnte. Man müsste meinen, ich sei nach sieben Jahren als Bäckermeister das frühe Aufstehen gewohnt, doch die Realität sah anders aus.
Ich liebte zwar meinen Job über alles und würde meine kleine Bäckerei für nichts auf der Welt eintauschen wollen, aber an das frühe Aufstehen konnte ich mich auch nach den ganzen Jahren noch nicht wirklich gewöhnen.
Müde rieb ich mir über die Augen, ehe ich meine Arbeitsschürze abmachte und an den Haken hinter mir hängte. Hoffentlich würde der morgige Tag besser laufen als heute. Denn heute ging so gut wie alles schief, was nur schief gehen konnte.
Es hatte damit angefangen, dass mein Handywecker nicht geklingelt hatte, weil ich gestern Abend vergessen hatte, mein Handy ans Ladekabel zu hängen. Also hatte ich fast um eine ganze Stunde verschlafen und war nur aufgewacht, weil mein Kater Bailey mich geweckt hatte.
Obwohl 'wecken' eigentlich das falsche Wort für war...
Bailey kam nämlich auf die tolle Idee, sich die Klopapierrolle aus dem Badezimmer zu klauen und war dann wie ein Bekloppter mit dieser durch die halbe Wohnung gerannt.
Das hatte aber nicht gereicht. Nein, natürlich nicht...
Der kleine Idiot hatte auch noch die komplette Rolle am Ende zerfetzt, dann die eine Hälfte der Fetzen in meiner Wohnung liegen gelassen, während er die andere Hälfte der Fetzen zuerst gefressen und dann wieder ausgekotzt hatte.
Und weil ich damals auf die tolle Idee kam, einen fast zwei Meter hohes Katzenparadies in Form eines Kratzbaumes zu kaufen, die alte Fellnase mit seinen stolzen 18 Jahren aber schon ein alter Opi war, hatte er es natürlich nicht rechtzeitig vom Kratzbaum heruntergeschafft, bevor er seinen Magen entleeren musste...oder er wollte es nicht schaffen, wie auch immer.
Zumindest hatte er von der obersten Etage einmal quer den Kratzbaum heruntergekotzt, dabei sowohl die Wand getroffen als auch meinen anderen Kater, Cooper, der friedlich schlummernd eine Etage unter Baileys lag.
Während ich also durch Katzenwürgen wach geworden war und mit erschrecken feststellen musste, dass ich erstens verschlafen und zweitens mein Handy keinerlei Akku hatte, durfte ich dann auch noch versuchen sowohl meine Wand, den Kratzbaum als auch den armen Cooper von der Kotze zu befreien, während ich mich gleichzeitig hektisch für die Arbeit fertig gemacht habe.
Als ich dann endlich die Haustür hinter mir zuziehen konnte, habe ich gleich das nächste Missgeschick festgestellt. Mein Schlüssel lag wie immer auf der Kommode im Flur... und ich stand schon draußen vor der Tür - und zwar ohne den Schlüssel.
Zum Glück habe ich immer einen Ersatzschlüssel bei meinem besten Freund Niall. Gleich heute Vormittag hatte Niall mir meinen Schlüssel in die Bäckerei gebracht, wofür ich ihm gar nicht genug danken konnte, geärgert hatte es mich aber trotzdem. Vor allem, weil an meinem Schlüsselbund auch mein Autoschlüssel hängt und ich ohne diesen heute die Bahn nehmen musste.
Dadurch dass ich eh schon verschlafen hatte und die Bahn auch noch genau vor meiner Nase weggefahren war, kam ich mit fast anderthalb Stunden Verspätung - und nicht gerade bester Laune - an meiner Bäckerei an.
Der einzige Lichtblick heute Morgen waren meine beiden Mitarbeiter Emily und Chris gewesen, die bereits alles für den heutigen Tag vorbereitet hatten.
Ohne die Beiden wäre ich aufgeschmissen gewesen, denn mit anderthalb Stunden Verspätung hätte ich mein normales Sortiment, was jeden Morgen frisch gebacken wurde, niemals anbieten können.
Ganz zu schweigen davon, dass es kurz vor Weihnachten war und wir somit noch ein extra Weihnachtssortiment an Cupcakes, Plätzchen und Kuchen anboten.
Da heute unser letzter Öffnungstag vor den Feiertagen war, kamen dementsprechend auch eine ganze Menge Leute noch mal vorbei. Generell war meine kleine Bäckerei immer gut besucht, doch heute waren fast doppelt so viele Besucher wie sonst da. Also hatte ich den ganzen Tag in der Backstube gestanden, Plätzchen gebacken, Cupcakes dekoriert und mehrere Lebkuchen- Tarts hergestellt. Und genau so fühlte ich mich jetzt auch, alles tat mir weh und ich eine dünne Schicht Mehl bedeckte meine Haut.
Obwohl heute so viele Kunden da gewesen waren, hatten wir bei Ladenschluss noch eine ganze Menge des Gebackenen übrig. Also hatte ich kurzerhand Emily und Chris dazu überredet, soviel sie konnten für sich und ihre Familien mitzunehmen, sodass jetzt glücklicherweise nur noch ein paar Cupcakes und Plätzchen übrig waren.
"Gut, dann wollen wir mal", murmelte ich zu mir selbst und packte die restlichen Backwaren ein, um sie mit nach Hause zu nehmen.
Ich würde sie einfach im Laufe der nächsten Tage selbst essen, damit nichts weggeworfen werden musste.
Vielleicht würde ich auch morgen noch mal zu Niall fahren und ihm als Dankeschön für heute einen der Spekulatius-Cupcakes vorbei bringen, die er so liebte.
Doch heute war ich eindeutig zu müde dafür.
Ich ließ einen letzten Blick durch die nun dunkle Bäckerei schweifen und überlegte, ob ich noch etwas vergessen hatte. Nach dem heutigen Tag würde ich mir das auf jeden Fall zu trauen...
__________
Als meine Haustür hinter mir ins Schloss fiel, lehnte ich mich erschöpft dagegen und atmete einmal erleichtert durch. Mein ganzer Körper schrie nur noch 'Bett' und gedanklich lag ich schon in genau diesem, obwohl wir es gerade mal 18:00 Uhr hatten.
Doch als meine beiden Fellnasen laut maunzen auf mich zukamen, schob ich den Plan, direkt ohne Umwege in mein Bett zu kriechen, beiseite.
Stimmt, da war ja was gewesen...
Ich musste noch den Kratzbaum und meine Wand von den restlichen Flecken befreien, die ich heute Morgen in der Hektik nicht herausbekommen hatte.
Yeah!
Einen schöneren Abschluss des Tages konnte ich mir nicht vorstellen...
Eine halbe Stunde später waren endlich alle Flecken entfernt und ich ließ mich nun etwas zufriedener auf die Couch fallen. Cooper und Baileys hatten während dem Sauber machen die ganze Zeit neben mir gesessen und zwischendurch immer wieder mit mir geschmust, sodass meine Laune automatisch gestiegen war.
Ich liebte diese beiden Fellnasen unglaublich und sie schafften es immer wieder, mir ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern, auch wenn sie meinen Alltag regelmäßig durcheinander und mich dadurch teilweise zum Rande des Wahnsinns brachten.
Gerade als ich nach der Fernbedingung greifen wollte, um noch ein paar Folgen meiner Serie zu schauen, klopfte es plötzlich an der Tür.
Irritiert zog ich die Augenbrauen zusammen, warum klopfte jemand an die Tür, wenn die Klingel doch genau daneben war? Oder hatte ich mir das Klopfen nur eingebildet?
Doch ein erneutes Klopfen bewies, dass mir mein Gehirn keinen Streich gespielt hatte, weshalb ich mich grummelnd aus meiner Kuscheldecke befreite. Eigentlich wollte ich doch nur gemütlich auf der Couch liegend diesen chaotischen Tag hinter mir lassen...
Als ich die Haustür öffnete, konnte ich den überraschten Ausdruck, der vermutlich über mein Gesicht huschte, nicht verbergen. "Uhm...-"
"Hallo"
Vor mir stand ein kleiner blonder Junge, vermutlich um die drei Jahre alt und grinste mich schelmisch an. Er hatte eine kleine blaue Schürze umgebunden, etwas Mehl im Gesicht und einen Teigschaber in der Hand.
Verwundert darüber, woher der Kleine kam, da ich ihn hier noch nie gesehen hatte, ging ich in die Hocke und fragte ihn vorsichtig: "Uhm hey, wer bist du denn?"
"Ich bin -„
"MAXIMILIAN!"
Gegenüber von mir öffnete sich hektisch die Tür und ein Mann, ungefähr in meinem Alter, atmete erleichtert aus, als er den kleinen Jungen vor mir erblickt. Maximilian, wie ich nun erfahren hatte, kicherte nur, als der brünette Mann auf ihn zu geeilt kam und schob sich an mir vorbei in meine Wohnung.
Verblüfft schaue ich dem kleinen Mann hinterher, der seinen Teigschaber beim Rennen achtlos auf den Boden geworfen hatte und nun kichernd unter meinem Wohnzimmertisch saß.
Bevor ich weiß, was hier geschieht, werde ich bestimmt, aber sanft zur Seite geschoben und der brünette Mann mit den kurzen Locken schiebt sich ebenfalls an mir vorbei und folgt so dem Beispiel seines Sohnes. Zumindest nahm ich an, dass es sich bei dem kleinen Mann um seinen Sohn handelt.
Himmel, was passiert hier?
"Äh", gebe ich nur wenig intelligent von mir und versuche die letzten Sekunden zu verarbeiten, während ich den Lockenkopf dabei beobachte, wie er dem kleinen Jungen hinterher in mein Wohnzimmer läuft und vor meinem Wohnzimmertisch in die Hocke geht.
"Maximilian, Misiu, ich sage es nicht noch einmal. Du kannst nicht einfach immer abhauen, wenn ich mal kurz nicht nach dir schaue.", schimpft der Lockenkopf, obwohl man die Sorge deutlich aus seiner Stimme hören kann. Vermutlich hat der kleine Mann ihm einen ordentlichen Schrecken eingejagt, als er einfach abgehauen ist.
Zudem klang es so, als wäre es keine Seltenheit, dass der kleine Frechdachs ausbüxt und seinem Vater vermutlich dadurch regelmäßig in den Wahnsinn treibt. Das freche Kichern und die blitzenden Kinderaugen bestätigen diese Vermutung nur, da Maximilian noch einmal fröhlich auflachte, die Worte des Lockenkopfes ignorierte und sich erneut an seinem Vater vorbei schieben und raus in den Hausflur rennen wollte.
Doch der Lockenkopf reagierte dieses Mal schneller, bekommt den Kleinen noch an seinem T-Shirt zu fassen und schmeißt sich ihn, wie einen Sack, über die Schulter, was den Kleinen vergnügt aufqietschen lässt.
Auch der Lockenkopf lächelt nun und piekst seinem Sohn einmal in die Seite, ehe er ihn etwas von seiner Schulter nimmt und auf seine Hüfte setzt. "Misiu, du kannst doch nicht jedes Mal wegrennen. Irgendwann bekomm ich noch einen Herzinfarkt, weil du weg bist.", sanft streicht er seinem Sohn über die Wange, der die Worte seines Vaters allerdings nur mit einem weiteren Kichern kommentiert und sich dann an die Brust des Lockenkopfs kuschelt.
Noch immer viel zu perplex um etwas zu sagen, betrachte ich die Szene vor mir. Erst das Maunzen von Cooper, bringt uns ins Hier und Jetzt zurück und der Lockenkopf scheint zu realisieren, dass er sich bei mir, einem Fremden, in der Wohnung befindet.
Die Wangen des äußerst attraktiven Mannes vor mir färben sich rosa und ein unsicheres Lächeln erscheint. "U-uhm hey...s-sorry, dass wir hier so eingebrochen sind, aber der kleine Mann hier...", mit dem Kopf nickt er einmal in Maximilians Richtung "...hatte mal wieder seinen eigenen Kopf. Wir sind erst letzte Woche gegenüber eingezogen und eigentlich wollten wir uns schon längst vorstellen, aber irgendwie kam immer was dazwischen. Auf jeden Fall tut es mir furchtbar leid! Ich hatte echt Angst, dass der kleine Ausreißer hier einfach wieder raus zur Straße läuft, sodass ich gar nicht nachgedacht habe und einfach nur erleichtert war, als ich ihn in Ihrer Wohnung gesehen habe."
Zum Ende des Satzes hin wird er leiser und putzt seine freie Hand nervös an seiner Schürze ab. "Ich heiße übrigens Harry...", fährt der Lockenkopf fort "und dieser kleine Ausreißer hier, ist Maximilian."
"Ja, das habe ich gehört.", lache ich und stelle amüsiert fest, dass die Wangen des Lockenkopfs sich noch etwas dunkler färben.
"Uhm ja, sorry nochmal, dass wir Sie hier so überfallen haben.", peinlich berührt fährt Harry sich einmal durch die Haare, ehe er seinen Sohn vor sich auf dem Boden absetzt.
"Ach was, das ist doch kein Problem. Sie können mich gerne duzen. Ich bin übrigens Louis", stelle ich mich vor und lächele Harry aufmuntern an. Ich will nicht, dass der Lockenkopf sich unwohl fühlt, weil ihm die Situation peinlich ist.
"Kann ich euch denn irgendwie helfen?", frage ich, doch genau in dem Moment, wo Harry mir antworten will, kommt ein lautes Poltern aus seiner Wohnung gefolgt von einem verzweifelten Schreien, weshalb der junge Mann vor mir große Augen bekommt und erschrocken zurück in seine Wohnung eilt. Schmunzelnd sehe ich dem Lockenkopf hinterher, denn in seiner Hektik hatte er nicht nur vergessen, seine Haustür zu schließen, sondern war auch ohne seinen Sohn zurückgeeilt.
Diesen schien es allerdings nicht wirklich zu stören, bei mir in der Wohnung zu bleiben, da er mit seinem Teigschaber in der Hand - den er mittlerweile wieder aufgehoben hatte - auf mich zu kam.
"Schau, mal Schneemann.", auffordernd streckt er mir sein kleines blaues Küchenwerkzeug entgegen, auf welchem ein Schneemann abgedruckt war.
"Oh der ist aber toll, gehört der dir?", frage ich den kleinen Mann und hocke mich vor ihn, sodass wir auf Augenhöhe sind. Begeistert nickt Maximilian bevor er mir das Backwerkzeug in die eine Hand drückt, dann meine andere ergreift und mich hinter sich her zu seinem Zuhause zieht.
"Loueeeh, komm. Backen.", teilt er mir mit und ich greife noch schnell nach meinem Schlüssel, nicht dass ich wieder vor verschlossener Tür stehe. Ungeduldig zieht Maximilian mich an meiner Hand durch den Hausflur in die Wohnung der kleinen Familie. Besonders scheu zu fremden Personen schien der kleine Mann ja nicht zu sein...
Kaum in der Küche angekommen, ziehe ich verziehe ich amüsiert meine Mundwinkel. Vor sich her fluchend versucht Harry ein kleines Mädchen von der klebrigen Teigmasse zu befreien, die sich in ihren blonden Haaren befindet.
"Myszko, jetzt halt endlich still." Doch das kleine Mädchen reagierte nicht, sondern schreit erfreut auf, als es ihren Bruder sieht.
"Joanna! Hier geblieben!", mahnend sieht Harry das kleine Mädchen an, als diese Anstalten macht, auf ihren Bruder zuzurennen und sich zappelnd versucht aus Harrys Griff zu winden. Immer noch meine Hand fest umschlossen, winkt Maximilian freudig mit dem Teigschaber seiner Schwester zu, ehe er sich etwas zu mir dreht und dann auf seine Schwester zeigt. "Loueh, schau meine Joanna".
Dann lässt er plötzlich meine Hand los und rennt zu seiner Schwester rüber, wo er sie stürmisch umarmt.
Das frustrierte Seufzen von Harry bringt mich zum Schmunzeln und ich kann mir ein Lachen nicht verkneifen, wofür ich einen gespeilt bösen Blick des Lockenkopfes zugeworfen bekomme.
Dadurch, dass Maximilian seine Schwester überschwänglich umarmt hatte, klebte nun auch ihm etwas Teig im Gesicht, den Harry zuvor vergeblich versucht hatte aus Joannas Haaren zu entfernen.
"Man müsste meinen, die Beiden haben sich eine Ewigkeit nicht gesehen, dabei waren es gerade einmal ein paar Minuten. Und genau so schaffen sie es immer wieder, dass ich ihnen gar nicht böse sein kann, egal wie viel Blödsinn sie anrichten", sanft lächelnd betrachtete er die beiden Kinder, welche sich noch immer fest umarmten. Mit einem wissenden Nicken stimme ich dem Lockenkopf gedanklich zu. Die beiden sehen einfach nur niedlich aus, wie sie sich da in den Armen lagen und leise kicherten.
Als Maximilian sich dann von seiner Schwester löst, höre ich Harry erneut frustriert schnaufen. Anscheinend hatte er nun auch entdeckt, dass nicht nur Joanna voller Teig war, sondern auch Maximilian etwas der klebrigen Masse im Gesicht hing.
Auch die Küche der kleinen Familie sah nicht wirklich besser aus. Anscheinend hatten sie vorgehabt zu Backen, den ich konnte einzelne Austechförmchen und viele bunte Streusel auf der Arbeitsplatte entdecken. Doch das, was wohl den Teig darstellen sollte, sah mehr nach einer klebrigen Pampe aus als nach leckerem Plätzchenteig.
Harry war anscheinend meinen Blick gefolgt, denn er räuspert sich einmal verlegen. "Uhm ja, wir wollten Plätzchen backen, aber wenn ich ehrlich bin, kann ich das so gar nicht. Immer geht irgendwas schief und dieses Jahr fing das Drama schon beim Teig an...Den bekomme ich sonst wenigstens immer hin. Dabei wollte ich den Zwillingen doch ein letztes schönes Weihnachten mit Plätzchen bei mir bescheren."
Ein erneutes frustriertes Schnaufen verlässt seinen Mund und der Lockenkopf vor mir wirkt, als würde ihn jegliche Kraft verlassen, als er traurig auf den Boden vor sich starrt.
Ein beklemmendes Gefühl machte sich in meiner Brust breit, was meinte Harry mit 'einem letzten Weihnachten'?
Doch nachzufragen traute ich mich nicht, immerhin kannte der Lockenkopf mich gerade mal fünf Minuten und wenn er es mir irgendwann erzählen würde, sollte er das, wenn er das wollte und nicht, weil ich danach fragte.
Zaghaft überbrückte in den Abstand zwischen uns und lege ihm behutsam die Hand auf den Arm. "Also ich hätte drüben bei mir noch eine ganze Menge Plätzchen...wenn ihr wollt hole ich sie rüber. Ich habe sie heute in meiner Bäckerei frisch gebacken, was meinst du?", aufmunternd lächele ich den Mann vor mir an, ehe ich zögernd fortfahre. "Und wenn ihr mögt, könnt ihr die nächsten Tage mal in meiner Bäckerei vorbeikommen, dann können wir in der Backstube zusammen backen. Da ist es auch nicht so schlimm, wenn etwas dreckig wird...Ich..Ich kann dir auch gerne hier etwas helfen, dann kannst du die beiden kleinen Teigmonster hier sauber machen."
Unsicher, ob ich nun eine Grenze überschritten hatte, nehme ich meine Hand wieder von Harrys Arm. Ich wollte ihn nicht irgendwie bedrängen.
Doch der Lockenkopf sieht mich nur überrascht an, ehe sich ein ungläubiges Lächeln auf seinem Gesicht bildet. "Echt? Das würdest du tun? Das wäre toll...A-aber haben wir dich heute Abend nicht schon genug gestört?"
"Ach quatsch, ehrlich gesagt habe ich die letzten zehn Minuten mehr gelächelt als den restlichen Tag.", antworte ich Harry ehrlich.
"Du musst das nicht machen."
Man sah dem Lockenkopf an, dass er mit sich haderte.
"Ich weiß, ich würde aber gerne. Denn ich habe nicht gelogen, als ich meinte, dass ich die letzten Minuten schon mehr gelächelt habe, als den ganzen restlichen Tag zusammen."
Und es stimmte, auch wenn mich der kleine Überfall von Maximilian und Harry am Anfang ziemlich überfordert hatte, war von meiner schlechten Laune und dem miesen Tag so gut wie gar nichts mehr zu spüren. Auch wenn es ziemlich verrückt klang, in Anbetracht der Tatsache, dass ich die Drei kaum kannte, fühlte ich mich nahezu heimisch und geborgen in der Nähe der kleinen Familie.
So ein Gefühl hatte ich schon lange nicht mehr gespürt und der Gedanke, nun wieder in meine Wohnung zurückzukehren und ins Bett zu gehen, hatte im Gegensatz zu heute Morgen rein gar nichts verlockendes mehr.
Plötzlich spürte ich Harrys Hand auf meinem Arm. Er schenkte mir ein strahlendes Lächeln. "Wenn das so ist, nehmen wir das Angebot natürlich gerne an."
Nachdem Harry meinem Vorschlag zugestimmt hatte, war ich sogleich in meine Wohnung gelaufen und hatte die restlichen Süßspeisen, die aus der Bäckerei noch übrig geblieben waren, herüber geholt. Während ich dann das Chaos in seiner Küche soweit ich konnte beseitigte, hatte der Lockenkopf sich im Bad um seine beiden kleinen Teigmonster gekümmert, sodass nach zehn Minuten nichts auf das Backchaos mehr hinwies.
Gemeinsam hatten wir es uns dann an dem runden Esstisch in der Küche gemütlich gemacht und die mitgebrachten Plätzchen und Cupcakes verspeist. Als Joanna und Maximilian dann erfuhren, dass ich in meiner Bäckerei viele bunte Streusel und Formen zum Ausstechen hatte, waren sie sofort begeistert und quengelten Harry voll, wann wir denn gemeinsam Backen konnten. So kam es, dass wir uns bereits für den nächsten Tag in meiner Bäckerei verabredeten.
Nach dem fünften Plätzchen hatte mir Maximilian dann mit vollem Mund nuschelnd mitgeteilt, dass ich ihn nur noch Maxi nennen sollte, immerhin sei ich jetzt sein Freund.
Ein warmes Gefühl hatte sich dabei in meiner Brust ausgebreitet und vermutlich wusste der kleine Mann gar nicht, wie sehr mich seine Worte berührt hatten. Schon lange hatte ich so nicht mehr gefühlt. Als dann auch noch sowohl Maximilian als auch Joanna von mir ins Bett gebracht werden wollten, hatte ich das Gefühl mein Herz würde gleich explodieren.
Wie konnte man nach so kurzer Zeit zwei kleine Wesen so sehr in sein Herz schließen?
__________
Drei Stunden später saßen Harry und ich dann noch immer auf der Couch in seinem Wohnzimmer und naschten die letzten Plätzchen und Cupcakes. Wir hatten schnell gemerkt, dass wir uns ziemlich gut verstanden und dass die Luft zwischen uns förmlich am Knistern war, schien nicht nur ich so wahrzunehmen.
Zusammen lagen wir unter einer Wolldecke eingekuschelt und mein Kopf hatte bereits nach einer halben Stunde seinen Weg auf Harrys Schulter gefunden. Der Lockenkopf hatte als Reaktion darauf nur seinen Kopf an meinen gelehnt und angefangen kleine Muster auf meinen Oberschenkel zu malen.
Gerade erzählte ich den Lockenkopf von meinem chaotischen Start in den Tag, als sich auf einmal die Tür etwas weiter öffnete und Joanna ins Wohnzimmer getapst kam.
Mit ihren Armen hielt sie ihren braunen Plüschhund fest umklammert und ein leises Schniefen ist war zu hören.
"Hey, Spatz, was ist denn los?", besorgt lief Harry auf das kleine Mädchen zu, welches schniefend im Türrahmen stehen geblieben war.
"Ich will bei dir bleiben, ich will nicht zurück. Du bist doch unser Papa.", schluchzte das kleine Mädchen und presste sich an Harry.
"Oh Myszko." Harry hob das kleine Mädchen hoch und setzte sich mit ihr auf seinem Schoss zurück auf die Couch, wo Joanna sich sofort enger an Harry kuschelte und ihren Kopf in seiner Brust vergrub.
"Ich werde immer für euch da sein, ihr verliert mich nicht...Ich- ich liebe dich und deine Bruder unendlich und das werde ich immer tun, egal wo ihr seid."
Harry hatte ebenfalls schmerzhaft die Augen geschlossen und drückte Joanna einen Kuss auf die Stirn, ehe er in der Position einen Augenblick verweilte. "Hörst du mein Schatz, ich bin immer für euch da, egal was passiert.", flüsterte er und wiegte Joanna behutsam in seinen Armen. Sanft verteilte er einzelne Küsse auf Joannas Stirn, während er ihr immer wieder zuflüsterte, wie doll er sie liebte und dass er immer für sie da war.
Stumm beobachtete ich die Szene vor mir und versuchte die aufkommenden Tränen zu unterdrücken. Auch wenn ich nicht ganz verstand, was los war, rührten mich die Worte zu tiefst.
Vor allem, weil der Schmerz und die unendliche Liebe, die von den Beiden ausging, so förmlich zu spüren waren.
Als Joanna nach einigen Minuten in Harrys Armen eingeschlafen war, legte ich vorsichtig eine Decke über die beiden.
"Danke", flüsterte Harry ehe er einmal aufseufzte.
"Es fällt mir zwar jedes Mal schwer die Kinder, die bei mir unterkommen, wieder herzugeben, aber bei den Beiden zerreißt es mich förmlich und ich frage mich echt, warum ich diesen Job noch immer mache."
Als könnte Harry meine Gedanken und die tausend Fragen lesen, dich sich mir stellten und die ich mich nicht traute zu fragen, fing er an zu erklären. "Ich bin Kurzzeitpflegevater und nehme Kinder, die in akuten Notsituationen sind, auf. Ich weiß nie, wie lange die Kinder bei mir bleiben. Ich weiß nur, dass ich sie irgendwann wieder hergeben muss, auch wenn ich jedes Einzelne von ihnen bedingungslos liebe.", plötzlich wirkte Harry wie ausgetauscht und jegliche Kraft schien seinen Körper zu verlassen. Am liebsten hätte ich ihn in meine Arme gezogen, doch ich hatte Angst Joanna zu wecken.
"Und die Zwillinge sind auch Pflegekinder von dir?", fragte ich vorsichtig nach. Bestätigend nickte der Lockenkopf.
"Ja, die Zwei sind meine zwölften Kurzzeitpflegekinder und kamen fünf Tage nach ihrer Geburt zu mir. Ihre Mutter war mit ihnen überfordert, also nahm ich die Zwei erstmal bei mir auf. Eigentlich sollten sie nur kurz bleiben, damit ihre Mutter sich von der Geburt erholen kann...Aber..aber bereits nach dem zweiten Tag, den die Kleinen wieder bei ihrer leiblichen Mutter waren, hat mich das Jugendamt angerufen. Die Mutter hatte sich gemeldet und gefragt, ob die Kinder wieder zu mir könnten...Seitdem sind die beiden bei mir...", tief atmete er durch, ehe er mit zittriger Stimme fortfuhr.
„Doch nun soll ein neuer Versuch gestartet werden, die Mutter wieder mit den Kindern zu vereinen. Und Maximilian und Joanna sind natürlich nicht dumm, sie haben gleich verstanden, was los ist. Natürlich ist mir immer bewusst, dass ich die Kinder irgendwann gehen lassen muss, aber- aber...puuuh...", verzweifelt fährt sich Harry durchs Gesicht. „...die Zwei sind schon so lange bei mir und obwohl ich immer versucht habe ihnen zu erklären, dass ich nicht ihr Papa bin, nennen sie mich immer so..." Emotionslos lacht der Lockenkopf einmal auf. „Weißt du was Maximilian gemacht hat, als ich ihm erklärte habe, dass ich nicht sein richtiger Papa sei? Er hat mich einfach nur umarmt und gemeint, dass ich ihn und Joanna doch lieben würde und dass ich deshalb doch sein Papa wäre."
Ich war sprachlos. Ich konnte mir gar nicht vorstellen, welches Leid und welche seelischen Schmerzen dieser Mann auf sich nahm, um Kindern in Not zu helfen. Ich wollte gar nicht wissen, wie oft er sein eigenes Herz schon verletzt hatte, als er die Kinder, die er wie seine eigenen liebte, wieder abgeben musste.
"Wow...Harry, ich finde gar keine Worte dafür, wie viel Respekt ich vor dir habe. Ich glaube ich könnte diesen Schmerz niemals aushalten.", sprach ich ehrlich.
Harry zuckte einmal anteillos mit den Schultern "Auch wenn ich am liebsten alle Kinder selbst behalten würde, muss es auch Menschen geben, die Kindern in solchen Situationen vorübergehend ein Zuhause geben, bis sie eine neue Familie gefunden haben...", erklärte er ziemlich gefasst, ehe er dann etwas leiser fortfuhr "...wäre da nur nicht immer diese schlechte Gewissen, das ich habe, wenn ich Kinder in eine neue Familie übergebe... Verdammt, ich fühle mich dann jedes Mal wie ein Verräter. Es fühlt sich einfach falsch an, ein Kind von ganzem Herzen zu lieben und dann doch wieder abzuschieben...Ich habe immer Angst, dass die Kinder das von mir denken könnten. Immerhin muss es so für sie aussehen...Die..die meisten sind doch noch so klein, wenn sie zu mir kommen." Zittrig atmet der Lockenkopf ein. Eine einzelne Träne verlässt sein Auge und bahnt sich den Weg über seine Wange.
Auch wenn die Gefahr bestand, dass Joanna aufwachen würde, legte ich nun doch meine Arme um Harry und drückte ihn so gut es ging seitlich an mich.
"Ich glaube nicht, dass sie das von dir denken, Harry. Egal wie klein die Kinder sind. Ich bin mir sicher, dass jedes Einzelne von ihnen dir unglaublich dankbar ist und dich genauso liebt, wie du sie.", flüsterte ich und graulte dem Lockenkopf sanft durch die Haare.
Einige Minuten blieb es still zwischen uns und wir hingen beide unseren Gedanken nach. Um Harry etwas abzulenken, fragte ich nach einer Weile: "Was bedeuten eigentlich die Spitznamen, die du den Beiden gibst?"
Vorsichtig löste Harry sich von mir. „Das ist Polnisch. Die biologischen Mutter der beiden kommt aus Polen und hat die Zwei immer so genannt. 'Misiu' bedeutet Bärchen und 'Myszko' kleine Maus. Als ich das gehört habe, fand ich das so süß, dass ich gar nicht anders konnte als sie so zu nennen."
Ein liebevolles Lächeln bildet sich auf seinen Lippen, als er die schlafende Joanna in seinen Armen betrachtet.
„Dieses Jahr wünsche ich mir zu Weihnachten nichts sehnlicher, als dass die Beiden bei mir bleiben können...Sie sind schon über drei Jahre hier und ich kann mir ein Leben ohne sie gar nicht mehr vorstellen. Ehrlich gesagt will ich
das auch gar nicht...Sie sind ein Teil von mir. Sie haben vielleicht nicht meine Augen oder mein Lächeln , aber sie haben mein ganzes Herz."
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