22. Dezember: If we get it right (our love will be unstoppable) Teil 1
Ich kann es einfach nicht fassen, wie nahe Weihnachten doch ist :o Um euch die Zeit bis dahin noch etwas zu überbrücken (solange ihr zwischen den Momenten mit eurer Familie noch Zeit habt), hat sich die liebe irishkween etwas einfallen lassen. Etwas großes, um genau zu sein. Es wird zwei Teile von diesem One Shot geben, einen heute und einen Morgen, weil er so lang geworden ist. Lasst ihr für die Mühe doch ein paar Kommentare da und zeigt es mit einem drücken auf den Stern :-) Ich danke dir vielmals dafür, dass du dieses Jahr mit dabei bist! Ich hoffe, die Stelle war jetzt wirklich in Ordnung zum splitten <3
xx Michelle
Wörteranzahl gesamt: 10045
Wörteranzahl Teil 1: 4393
Louis wusste, dass er unfair war. Er wusste, dass Harry eine Chance verdient hatte, in Ruhe mit ihm zu reden und die Sache aus der Welt zu schaffen. Und er wusste, dass er genauso Schuld war.
Aber Louis war stur und beleidigt. Und außerdem war er betrunken. Nicht stark, eigentlich nur knapp über den angetrunkenen Zustand hinaus; aber so, dass er beim Aufstehen leicht schwankte, über wirklich dämliche Wortwitze kicherte und in ruhigen Momenten grummelnd versuchte, sich selbst davon zu überzeugen, dass Harry mehr Schuld an ihrem Streit hatte, als er selbst.
Das war auch der Grund dafür, warum er die Benachrichtigung eines verpassten Anrufs von seinem Freund bereits das zweite Mal an diesem Abend vom oberen Bildschirmrand wischte und sein Handy wieder gesperrt und auf stumm geschaltet in seine hintere Hosentasche gleiten ließ.
Mit einem Blick auf die Baruhr (11:56 P.M.) seufzte er leise, trank den letzten Schluck seines Bieres und stellte das leere Glas wieder vor sich auf den Tisch, bevor seine Freunde eine Art "Shots, Shots, Shots!"-Singsang starteten.
Als er den Blick hob, sah er seinen besten Freund aus Kindheitstagen grinsend auf ihren Tisch zukommen, in seiner Hand ein Tablett mit mehreren gefüllten Shotgläsern. Jubelnd empfingen ihn die Anwesenden und räumten die Tischplatte frei, sodass Ollie das Tablett abstellen konnte.
Der Rothaarige platzierte die Shots in der Mitte des Tisches und ließ sich gegenüber von Louis auf die Bank fallen. Er grinste ihn an und schnappte sich als erstes ein Glas, das er feierlich in die Höhe hielt.
"Auf den Typen, der uns verlassen hat, um in London zu leben", sagte er, "Auf den Typen, der uns allen die krasseste Schulzeit beschert hat. Auf den Typen, der trotz allem immer wieder hierher zurück kommt, weil er ohne uns einfach nicht kann." Ollie zwinkerte ihm zu. "Auf den geilsten Typen, den es jemals in Doncaster geben wird. Auf Louis!"
"Auf Louis!", echoten seine Freunde und lachten.
Mehrere Shotgläser stießen klirrend aneinander, bevor sie alle den Kopf in den Nacken legten und den Alkohol runter kippten.
Die Baruhr gab einen Gong von sich: Mitternacht.
Louis ließ sein Glas auf den Tisch knallen und wurde erneut bejubelt.
"Alles Gute, du alter Sack!" Sein Sitznachbar, den er aus der Middleschool kannte, klatschte ihm lachend eine Hand auf die Schulter und rüttelte ihn, bevor ihm auch seine anderen Freunde lauthals zum Geburtstag gratulierten.
Mittendrin legten sich zwei schmale Arme von hinten um ihn und warme Lippen berührten seine Wange. "Happy Birthday, Lou!", murmelte eine sanfte Stimme und er drehte sich etwas, um seine Schwester an sich zu drücken.
"Danke, Lots", murmelte er in ihre weichen Haare und genoss die Umarmung noch ein paar Sekunden, bevor sie sich voneinander lösten und er seine Freunde etwas verscheuchte, damit er sie neben sich auf die Bank ziehen konnte.
Die meisten der Leute, die heute mit ihm seinen Geburtstag feierten, waren ehemalige Klassenkameraden, Kollegen aus seinem alten Fußballverein und Mitglieder seiner damaligen Theater-AG. Die Ausnahmen bildeten seine 19-Jährige Schwester Lottie, seine "irgendwie sowas wie Freunde aber nicht ganz"-Bekannte Diana, mit der er damals Klavierunterricht gehabt hatte und sein Kumpel Ollie, mit dem er sich schon im Kindergarten angefreundet hatte.
Zu Beginn des Abends waren sie noch um die zwanzig Leute gewesen, doch mittlerweile waren sie auf die Hälfte zusammengeschrumpft. Die Zwillinge Xenia und Leyla hatten kaum 30 Minuten bei ihnen gesessen, bevor sie sich verabschiedet hatten, weil sie wenige Stunden später im Flieger nach Mailand sitzen würden, wo sie mit ihrer Familie ihr Weihnachten verbringen wollten. Louis kannte die beiden aus seiner Abschlussklasse und schätzte es sehr, dass sie gekommen waren, fragte sich allerdings, ob sich die halbe Stunde für sie wirklich gelohnt hatte.
Erneut seufzte er leise, während er sein Handy aus der Hosentasche zog. Der Bildschirm leuchtete hell auf und schnell schirmte er ihn mit seiner Hand ab, bevor er Whatsapp öffnete.
Er ignorierte die acht ungelesenen Nachrichten von Harold <3 und fokussierte sich auf die seiner Freunde.
Zayn hatte ihm ein simples "Happy Birthday, Bro :)" geschrieben und Louis bedankte sich genauso knapp. Sie würden in einigen Stunden sowieso noch miteinander telefonieren, das machten sie jedes Jahr.
Von Niall hatte er eine zweiminütige Sprachnachricht bekommen, ließ den Chat jedoch noch geschlossen, weil er sie nicht in der Bar anhören wollte.
Liam hatte ihm noch nichts geschickt, aber Louis wusste, dass er das in der Früh noch tun würde. Er war zeitig schlafen gegangen, da seine Familie die Tradition hatte, am 24. früh in den Wald zu fahren und sich selbst einen Tannenbaum zu schlagen. Ihm selbst wäre das viel zu viel Stress, aber Liam liebte es.
Seit einigen Jahren waren Louis und Harry jetzt schon mit den dreien befreundet. Sie wohnten alle in London, hatten ähnliche Interessen und den gleichen Humor und so hatte es nicht lange gedauert, bis sie beste Freunde wurden. Zudem kamen sie alle aus anderen Teilen des vereinigten Königreichs und konnten so auch problemlos miteinander über ihr Heimweh sprechen.
Louis vermisste seine Freunde aus London jedes Mal, wenn er an Weihnachten oder anderen Feiertagen nach Hause fuhr, einfach, weil sie sich normalerweise ständig sahen und es seltsam war, sich mit Menschen zu unterhalten, die keine Ahnung von der Großstadt hatten.
Zumal dieses "Großstadtleben" ihn verändert hatte. Er war ein ganzes Stück erwachsener geworden, nachdenklicher, war nicht mehr der lernfaule Klassenclown mit festen Prinzipien, den seine alten Mitschüler noch immer in ihm sahen. Er war nicht mehr der Typ mit den vielen Schwestern, bei dem man nie in Ruhe Playstation zocken konnte, weil immer jemand im Haus war.
Seit London war er der Typ, der sich endlich neuen Herausforderungen stellte, der begonnen hatte, gerne dazu zu lernen, der sich bedingungslos um seine Freunde kümmerte und in Harry sein Zuhause gefunden hatte.
Liam, Niall und Zayn kannten ihn, den echten Louis. Mit all seinen Ängsten, Schwächen und Problemen.
Seine Doncaster-Kumpel machten sich nicht die Mühe, diesen Louis zu verstehen. Alles, was sie in ihm sahen, ließ sich fast mit einem Paar Kinderschuhe vergleichen. Es waren schwammige Erinnerungen an Dinge, die er vor Jahren gesagt und getan hatte, Entscheidungen, die er getroffen hatte, als seine emotionale Reife quasi nicht existent war, Ansichten und Denkweisen, die sich im Laufe der letzten Jahre drastisch geändert hatten...
Um es simpel zu sagen: Sie kannten ihn nicht mehr wirklich.
Das war auch der Grund, warum sich Louis normalerweise -wenn er denn mal in Doncaster war- meistens bloß ein, zwei Mal mit Ollie traf und dem Rest seiner ehemaligen Freunde größtenteils aus dem Weg ging.
Ollie war es jedoch auch gewesen, der diese Feier organisiert hatte. "Du bist so selten hier, die wollten dich alle unbedingt mal wieder sehen und dein Geburtstag ist doch ein guter Anlass", hatte er vor einigen Tagen am Telefon gesagt und Louis hatte sein begeistertes Grinsen aufgrund seiner Idee fast hören können. Erst war er auf eine seltsame hintergangene Art und Weise sauer gewesen, doch dann war der Streit mit Harry passiert.
Und nun war er irgendwie erleichtert, seinen 25. Geburtstag nicht in London oder allein mit seiner Familie feiern zu müssen. Seine Donny-Freunde fragten nämlich nicht, wo denn Harry sei, ob zwischen ihnen alles ok wäre oder ob er reden wollte. Und dieses eine Mal dankte Louis es ihnen.
"Alles gut?", riss ihn Lottie im gleichen Moment aus seinen Gedanken, als einer seiner Freunde ein weiteres Bier vor ihm abstellte.
Murmelnd bedankte er sich, bevor er den Kopf zu seiner Schwester drehte. "Ja, mir geht's super", sagte er und trank das neue Glas halb leer.
Ein Ellbogen traf seine Rippen. "Du hast doch gesagt, du willst dich nicht komplett abschießen heute!", zischte Lottie vorwurfsvoll.
Louis verdrehte die Augen. "Mach ich schon nicht." Er piekste mit einem Finger in ihre Seite. "Lass mich mal durch, bitte. Ich muss pinkeln."
Etwas genervt rutschte sie von der Bank, um ihren Bruder aufstehen zu lassen. Er hatte versprochen, dass sie gemeinsam den viertelstündigen Heimweg antreten würden - und das auch nicht allzu spät. Nur sah es für sie momentan nicht so aus, als würde Louis die Bar so bald verlassen wollen.
Der merkte erst, wie betrunken er wirklich war, als er tatsächlich stand und sich an der Tischkante festhalten musste, weil sich alles plötzlich sehr trampolinartig anfühlte.
"Hups." Er kicherte und tätschelte Lotties Wange, bevor er sich auf den Weg zu den Toiletten machte.
Die schmutzigen Klowände waren mit Edding bekritzelt und voll mit Stickern von halbnackten Frauen und Louis rümpfte die Nase. Die Bars in Doncaster hatten schon immer eine stark maskuline Ausstrahlung gehabt, aber erst, seit er nicht mehr hier lebte, fiel ihm auf, wie extrem das alles doch war. London war doch um einiges weltoffener und beherbergte außerdem die schrägsten Leute.
An einem Abend war Louis mit einer sehr neonfarbenen Dragqueen, einem 55-Jährigen Erotikautor und einer abgefahrenen Künstlerin, die sich auf Performance-Art spezialisiert hatte, durch London gezogen und hatte sich mit ihnen fast ins Koma gesoffen. Noch immer hatte er einige Gedächtnislücken von dieser Nacht, aber die Fotos, die er auf seinem Handy gefunden hatte, sprachen für sich.
Weiterhin in Gedanken erledigte er seinen Toilettengang und ging wieder zurück zu seinen Freunden, die ihn mit lautem Jubel empfingen.
"Tommo, wir spielen Arschloch, machst du mit?", fragte ihn ein Fußballkollege und sofort wurde er von mehreren Augenpaaren erwartungsvoll angeschaut. Sein Blick huschte zu Lottie, die genervt zu ihm sah und leicht den Kopf schüttelte. Wenn er jetzt anfing, Trinkspiele zu spielen, würden sie noch ewig hier sitzen und er komplett besoffen sein, wenn sie endlich den Heimweg antreten würden.
"Bin dabei", sagte Louis und quetschte sich an seiner Schwester vorbei auf die Bank. Schnaubend verschränkte diese die Arme, stand auf und ging zur Bar, um sich nun doch noch ein Getränk zu holen. Der Barkeeper war vermutlich neu (und irgendwie süß) und Lottie unterhielt sich noch eine Weile mit ihm, sodass Louis das erste Spiel bereits verloren hatte, als sie mit ihrem Cocktail zum Tisch zurückkehrte.
"Hey, Lottie!" Ollie grinste sie an, während er die Karten mischte. "Rate mal, wer so aus der Übung ist, dass er gleich mal verliert. Tommo ist diese Runde das Arschloch."
"Wortwörtlich", murmelte sie und ließ sich neben ihren Bruder auf die Bank fallen.
"Hey!", protestierte Louis leise und knuffte sie in die Seite.
"Lass mich, ich bin sauer!", motzte sie leise, musste sich aber ein Grinsen verkneifen.
"Bist du nicht!"
"Doch, bin ich. Aber ich darf dich nicht schlagen, weil du Geburtstag hast."
"Haha." Ihr Bruder verdrehte die Augen. „Bist du wirklich sauer?", wollte er dann jedoch besorgt wissen.
Lottie schnaubte. „Ja. Du hast gesagt, wir gehen halb eins!"
„Hab ich nicht!", protestierte das Geburtstagskind, gab dann jedoch seufzend nach: „Viertel vor, ok? Versprochen."
Es wurde doch etwas später. Beide Geschwister beteiligten sich an den Gesprächen und Kartenspielen, tranken ihre Gläser leer und erzählten die eine oder andere lustige Geschichte aus ihrer Kindheit, sodass es schon kurz vor Eins war, als sich die Geburtstagsgruppe voneinander verabschiedete und Louis noch einmal auf Toilette ging.
Am Pissoir brauchte er einige Versuche, seine Hose zu öffnen, doch schließlich schaffte er es. Während er sich erleichterte, musste er mehrmals gähnen und versuchte, sich soweit zusammen zu reißen, dass er seine Stirn nicht gegen die Wand vor sich sinken ließ (das hier war immer noch ein Bar-WC, also bitte!).
Louis wusch sich die Hände und musterte sich selbst in dem verschmierten Spiegel, während er plötzlich seltsam traurig wurde. Die letzten zwei Nächte hatte er nicht gut geschlafen, was man ihm leider auch ansah. Augenringe zierten sein Gesicht und seine Haut wirkte unnatürlich blass.
Vielleicht konnte man es auf das grässliche Toilettenlicht schieben, aber vielleicht war auch dieser verdammte Streit schuld, den sie um jeden Preis aus der Welt schaffen mussten. Louis wollte keine weitere Nacht ohne Harry schlafen, er hatte sich viel zu sehr an dessen Anwesenheit gewöhnt.
Es war gut möglich, dass es auf den Alkohol zurückzuführen war, doch genau in diesem Moment wünschte er sich nichts sehnlicher, als seinen Freund hier bei sich zu haben, sich aussprechen zu können und ihn danach einfach zu umarmen, seinetwegen auch in diesem versifften Toilettenraum.
Und vielleicht, ganz vielleicht würde Louis dann sogar zugeben, dass auch er nicht ganz richtig gehandelt hatte.
Sein Kopf begann wieder, sich zu drehen und stöhnend stützte er sich auf dem Waschbeckenrand ab. Er wusste, dass er eigentlich nicht so viel getrunken hatte - zweieinhalb Bier, ein paar Shots über den Abend verteilt und den Rest von Lotties komischem Cocktail. Normalerweise vertrug er mehr, doch anscheinend waren der Stress und der Schlafmangel der letzten zwei Tagen dafür zuständig, dass sein Körper den Alkohol schlechter abbaute, als gewöhnlich.
Als der Schwindel nachließ, drehte er den Wasserhahn zu und suchte nach Tüchern, fand aber weder diese, noch einen Handtrockner, weshalb er sich die Hände hastig an der Hose abwischte und so schnell wie möglich das widerliche WC verließ.
Seine Schwester wartete vor der Bar auf ihn und hakte sich bei ihm unter, als er aus der Tür trat. Ihr flauschiger Kaschmir-Schal schmiegte sich an Louis' Hals, während sie sich näher an ihn drückte und kleine Atemwolken aus ihren Mündern in die kalte Nacht aufstiegen.
„Ich hab dich lieb, Lou", murmelte sie nach ein paar Minuten, in denen sie schweigend nebeneinander hergelaufen war. Ihre Stimme klang schläfrig und Louis wollte ihr gerade antworten, als sie weiter sprach.
„Und auch, wenn du nicht darüber reden willst, was dich bedrückt, bin ich trotzdem für dich da."
Louis blieb stehen. „Lots...", war alles, was er rausbrachte, bevor sie ihre Arme um seinen Torso schlang und ihn umarmte.
Eine Weile standen sie sich umarmend da, dann löste sich Lottie von ihm und zog eine Wasserflasche aus ihrer Handtasche, die sie ihrem Bruder in die Hand drückte.
„Hier, trink", befahl sie und verdrehte die Augen, als Louis sie fragend ansah. „Morgen früh wirst du froh sein, jetzt noch Wasser getrunken zu haben."
Ihr Gegenüber kam ihrer Bitte nach und trank die Flasche halb leer. „Danke", sagte er, nachdem auch sie etwas getrunken hatte.
Lottie lächelte ihn an, hakte sich wieder bei ihm ein und lehnte sich an ihn an. „Lass uns schlafen gehen, Lou", meinte sie.
Selbst lächelnd legte Louis einen Arm um die dünnen Schultern seiner Schwester, als sie weiter in Richtung ihres Hauses schlenderten.
Sie hatte Recht, er wollte nicht darüber reden, aber mit Sicherheit wusste sie auch, dass sein Danke nicht nur auf das Wasser bezogen war.
***
Es fing damit an, dass Harry Samstag Vormittag nochmal ins Büro fuhr, weil sein Abteilungsleiter angerufen hatte.
Louis dachte sich nichts dabei. Sein Freund hatte zwar eigentlich frei, arbeitete aber in einem recht erfolgreichen Unternehmen, in dem es wegen neuen Anfragen öfter zu Spontanität kam. Außerdem hatte Harry erst ab Dienstag offiziell Urlaub und da sein Vorgesetzter ihn freundlich gebeten und versprochen hatte, dass es nicht allzu lange dauern würde, hatte Harry zugesagt und war mit der Tube in die Londoner Innenstadt gefahren.
Am nächsten Tag wollten sie mit dem Auto nach Doncaster fahren, wo sie ihr Weihnachten verbringen würden, deshalb nutzte Louis die Zeit, die er nun alleine war, um in Ruhe seinen Koffer zu packen und im Wohnzimmer ein paar Weihnachtsgeschenke in buntes Papier einzuschlagen.
Wie jedes Jahr musste er dabei feststellen, dass er dafür absolut kein Talent hatte, aber er wollte es auch nicht Harry machen lassen. Weihnachten war etwas Persönliches und auch, wenn seine Familie ihn wieder unendlich mit seinen einpack-Künsten aufziehen würde, wollte er es selbst gemacht haben.
Zu den Weihnachtsliedern im Radio mitsummend, wickelte er mehrere Geschenke in Dinosaurier- und Blumenpapier ein und futterte ihre Keksdose halb leer.
Harry hatte von ein paar Wochen eine halbe Ladenkollektion Geschenkpapier angeschleppt und obwohl Louis Anfangs entsetzt reagiert hatte, war er vor allem von dem Papier mit den bunten Dinos in Weihnachtsmützen ziemlich angetan (Harry hatte es mit einem Schmunzeln zur Kenntnis genommen, aber kein Wort gesagt).
In selbiges Papier packte Louis nun eine braune Box mit klapperndem Inhalt. Das Geschenk war für seine zwei jüngsten Geschwister, Ernest und Doris. Die beiden waren jetzt fünf Jahre alt und bei einem Telefonat mit seiner Mutter hatte er erfahren, dass sie sich vom Weihnachtsmann ein Playmobilhaus wünschten. Ihre Eltern hatten sich schließlich erweichen lassen und zahlten das Haus, während Louis und seine Großeltern sich bereit erklärt hatten, die Inneneinrichtung zu übernehmen, damit das Spielzeug komplett war.
Harry hatte skeptisch die Augenbrauen hochgezogen, als Louis ihm von der Geschenkidee erzählt hatte, doch sie beide wussten genau, dass er die Tage nach Weihnachten neben den Kleinen auf dem Boden sitzen und mit ihnen das Haus aufbauen würde.
Das Radio kündigte die dreizehn-Uhr-Nachrichten an und Louis hörte mit einem Ohr zu, während er das Geschenkpapier zusammenräumte und die fertigen Päckchen auf dem Wohnzimmertisch stapelte. Vielleicht würden sie sie nachher noch gemeinsam mit Schleifen und Bändern verzieren, da Harry für diese simple Ästhetik definitiv ein Händchen hatte und es außerdem liebte, Louis dabei unter die Arme zu greifen, der sich aus diesem Grund meistens mit Absicht noch ungeschickter anstellte, als er eigentlich war.
Der Gedanke ließ den jungen Mann lächeln, während er in der Küche Wasser für Nudeln aufsetzte und ein Glas Bolognesesoße in einen kleinen Topf kippte. Er schaltete wieder Weihnachtsmusik an und wackelte etwas mit der Hüfte, während er immer wieder ungeduldig mit einem Löffel in der Soße herum rührte und schließlich ausversehen die Nudeln überkochen ließ. Zwischendurch begann er, den Tisch zu decken, ein Stück Parmesan zu reiben und Harry zu vermissen. Irgendwann, als die Bolognese schon längst fertig war und Louis sie ein ganzes Stück runtergedreht hatte, angelte er sich aus dem größeren Topf eine Spaghetti, an der er sich prompt die Zunge verbrannte. Genervt goss er das Nudelwasser ab, stellte sich dabei jedoch so ungeschickt an, dass er eine kleine Überschwemmung auf dem Küchenboden verursachte.
Er wollte gerade losfluchen, als er die Haustür auf- und wieder zugehen hörte und Harry "Bin wieder da, Babe" in die Wohnung rief.
"Hey Haz", antwortete Louis, während er mit seinen Kuschelsocken hastig die Pfütze auf dem Boden aufwischte. "Ich hab Nudeln gemacht."
"Mit deiner komischen Fertigsoße?" Harry betrat stirnrunzelnd die Küche und besah sich skeptisch die unordentliche Arbeitsplatte.
Louis verschränkte die Arme vor der Brust und funkelte seinen Freund böse an. "Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich mich heute noch groß zum Kochen hinstelle! Außerdem warst du nicht da, also sei nicht so undankbar!"
Harry musste lachen und kam auf den Kleineren zu. "Danke, dass du dich um das Mittagessen gekümmert hast", schnurrte er und drückte seine Lippen kurz auf die seines Freundes.
"Mh, nicht weggehen!", murmelte dieser mit geschlossenen Augen, als Harry sich löste und hielt ihn an der Taille fest.
"Ich hab aber Hunger, Lou!", setzte er grinsend entgegen, blieb aber, wo er war.
"Nur ein Kuss", bat der Kleinere und Harry tat ihm den Gefallen.
"Was war denn jetzt so wichtig auf Arbeit?", wollte Louis anschließend wissen und sah neugierig zu seinem Freund, während er die Töpfe auf den Tisch stellte.
Harrys Gesicht nahm einen seltsamen Ausdruck an und er sagte: "Lass mich das nach dem Essen erzählen, ja? Ich geh schnell Hände waschen und mich umziehen, bin gleich wieder da."
Er verließ die Küche und Louis murmelte ein "Mach das", hatte dabei jedoch das Gefühl, dass ihm nicht gefallen würde, was denn so wichtig gewesen war, dass sein Freund an einem freien Samstag nochmal ins Büro gerufen wurde.
Das Mittagessen verbrachten sie größtenteils schweigend. Harry trug mittlerweile eine Jogginghose und ebenfalls Kuschelsocken an den Füßen, mit denen er immer wieder Louis' Schienbein auf und ab fuhr und schließlich ihre Beine miteinander verhakte. Damit entlockte er dem Kleineren zwar ein Lächeln, doch die angespannte Stimmung blieb.
So kam es, dass sie beide schon nach der ersten Portion anfingen, das Geschirr zusammen zu räumen und Harry stand auf, um Teller und Töpfe wegzustellen.
Anschließend lehnte er sich gegen die Arbeitsplatte und sah Louis an, der sich auf seinem Stuhl zu ihm umgedreht hatte und ihn nun musterte.
"Also?", wollte er wissen. Unter normalen Umständen hätte er Harry jetzt wohl zum Kuscheln und Schmusen auf die Couch entführt, aber gerade musste er definitiv herausfinden, was zur Hölle im Büro passiert war, dass sein Freund ihn so schuldbewusst ansah.
"Ich... kann morgen nicht mit nach Doncaster", sagte Harry leise.
Louis wünschte sich, sich verhört zu haben, doch Harrys Worte ließen leider wenig Spielraum für Missinterpretationen. "Bitte was?", fragte er deshalb nur und hob eine Augenbraue.
"Ich hab noch einen Auftrag angenommen", fuhr sein Freund nach einem Räuspern fort, "Es ist wichtig."
Da war es. Nur ein paar Worte, die Louis' Herz auf unangenehme Weise schneller schlagen ließen, als sie mit etwas Verspätung in seinem Kopf ankamen.
Ungläubig sah er Harry an. "Du willst mich verarschen." Seine Mund war ein Stück geöffnet und seine Finger um die Stuhllehne leicht verkrampft.
Der Lockenkopf biss sich nervös auf die Unterlippe und schüttelte den Kopf. "Wir haben eine kurzfristige Anfrage von einem Privatkunden bekommen, der den Entwurf bis Weihnachten haben will. Mr. Dale sagt, der Kunde will uns dafür das Doppelte zahlen und ich wäre der Erste, der für das Projekt in Frage kommt."
Louis konnte seinen Freund bloß mit offenem Mund anstarren. Die Worte hallten in seinen Ohren nach. Privatkunde. Entwurf bis Weihnachten. Das Doppelte. Der Erste, der in Frage kommt...
"Du willst mich wirklich verarschen", wiederholte er entgeistert, während die Wut in seinem Inneren langsam zu Brodeln anfing.
"Lou, es ist ein extrem wichtiger Auftrag, der auch noch gut für das Firmenimage ist", versuchte Harry, sich zu rechtfertigen, "Mr. Dale ist es wichtig, dass ich mit dem Kunden arbeite, weil ich der beste Editor bin und auf Wünsche realistisch eingehen-"
"Du hast Urlaub, verdammt!", unterbrach Louis ihn gereizt und sprang auf. Jetzt wurde er wirklich sauer. "Wir haben zusammen Pläne gemacht, wie wir unser Weihnachten verbringen! Du hast gesagt, wir feiern in Donny gemeinsam meinen Geburtstag! Aber nein! Mr. Styles weiß mal wieder nicht, wie man ablehnt!"
"Jetzt halt aber mal die Luft an!" Nun wurde auch Harry lauter. "Erstens sehe ich, wenn ein Auftrag zu wichtig ist, um abgelehnt zu werden und zweitens weiß mein Chef, dass er um keine Kleinigkeit bittet, aber er stellt mir die freien Tage nach und ich bekomme einen guten Prozentanteil mehr Lohn dafür!"
"Und das soll es besser machen?", fuhr Louis ihn an, "Es ist dein Recht, Nein zu sagen, kannst du auf jeder scheiß Internetseite nachlesen! Du hast verdammt nochmal frei und wir hatten Pläne, die man nicht einfach so verschieben kann! Eure blöde Firma wird ja wohl mehr als nur einen fähigen Editor haben!"
"Kannst du vielleicht mal sachlich bleiben?", wollte Harry wütend wissen und stieß sich von der Arbeitsplatte ab, um zum Fenster zu gehen, bevor er sich wieder Louis zuwandte. "Natürlich gibt es noch mehr gute Editoren, aber das Projekt ist eben sehr kurzfristig und die meisten von ihnen haben schon Urlaub und dazu noch eine Familie!"
Ungläubig lachte Louis auf. "Und was bin ich? Der Typ von nebenan, oder was?"
Harry verdrehte genervt die Augen. "Lou, so hab ich das doch nicht-"
"Nein, lass es!", grätschte der Kleinere dazwischen. Die Worte hatten ihn verletzt. "Ich weiß, wie du es gemeint hast. Wahrscheinlich sollte ich wirklich einfach allein fahren. Und wenn du an meinem Geburtstag schon nicht bei mir bist, musst du ja für Weihnachten und die Feiertage auch nicht hoch kommen. Dann kannst du vielleicht gleich noch ein paar Aufträge annehmen - du sagst ja so gerne zu allem Ja und Amen, nicht wahr?"
Der Sarkasmus in seiner Stimme war kaum zu überhören.
Ungläubig sah Harry ihn an. "Merkst du eigentlich, wie verdammt unfair du bist?", fragte er und schüttelte fassungslos den Kopf.
"Merkst du eigentlich, wie verdammt naiv du bist?", hielt Louis zickig dagegen, "Wie würdest du dich denn fühlen, wenn ich deine Geburtstagsfeier einfach absagen würde, weil ich eine Schicht übernehme, obwohl ich Urlaub hab? Wär ein Scheißgefühl, nicht wahr? Denk vielleicht mal drüber nach, warum ich sauer bin, Harry."
Er drehte sich um und verließ die Küche. Im Flur ließ er erstmal die Stirn gegen die Wand sinken.
Louis hasste es, mit Harry zu streiten. Er hatte jedes Mal das Gefühl, zu weit gegangen zu sein, wenn er in seine grünen Augen schaute.
Deshalb war er gegangen, er wollte nicht wieder einknicken, wenn er jedes Recht hatte, wütend zu sein.
Und trotzdem... er fühlte sich mies, Harry so angeranzt zu haben. Oftmals kamen seine Worte härter an, als sie gemeint waren und in der Küche hatte er kurzzeitig den Kopf verloren und seine Wut und Enttäuschung ungefiltert auf seinen Freund losgelassen.
Seufzend fuhr sich Louis über das Gesicht. Er brauchte frische Luft um runterzufahren und kurz nachzudenken. Er schlüpfte halb in seine Schuhe, verzichtete auf eine Jacke und schnappte sich seinen Schlüsselbund, bevor er die Haustür öffnete.
Der Dezemberwind schlug ihm kalt entgegen und kleine Atemwolken stiegen aus seinem Mund, während er den Weg zum Briefkasten entlang ging. Es hatte in London noch keinen Schnee gegeben, doch es hatte eine Menge geregnet und der Boden war an Teilen schon gefroren, sodass er bei manchen Wegabschnitten besonders vorsichtig sein musste, nicht auszurutschen.
Die Briefkastentür klemmte –das tat sie immer, wenn es so kalt war- und Louis musste eine Weile zerren, bis sie aufging und ihm ein paar Briefe und Postkarten entgegen fielen.
Während er die Namensadressen auf der Post überflog, dachte er nach, was eben in der Küche passiert war.
Seine Wut war noch immer nicht komplett verflogen und auch die Enttäuschung war definitiv noch präsent, doch Louis musste sich eingestehen, dass er selbst auch nicht zum Klären des Problems beigetragen hatte. Die kalte Luft tat ihm gut und beruhigte seine hitzigen Gedanken ein ganzes Stück. Vielleicht könnte er gleich nochmal in Ruhe mit Harry reden und-
Louis erstarrte in seiner Bewegung und blickte auf die Postkarte in seiner rechten Hand. Seine Finger verkrampften sich um das Papier, während er fassungslos auf das Motiv schaute. Oh, verdammt, nein!
Es war weihnachtlich und es war witzig und es war süß. Und es war Taylor. In einer roten Weihnachtsmütze, mit wunderschön gewellten blonden Haaren und einem hübschen Lachen im Gesicht, vor einem geschmückten Tannenbaum, in ihrem Schoß eine flauschige Katze, die als Weihnachtself verkleidet war und mürrisch in die Kamera schaute.
Louis fand es absolut niedlich und er hasste es. Er wollte darauf herumtrampeln und es anzünden, weshalb er die Karte natürlich ohne zu zögern umdrehte und begann, den Text darauf zu lesen.
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