15. Dezember: Nachhilfe benötigt

8 Uhr morgens und ich bin jetzt erst von der Arbeit Zuhause.. Ach ja, wie ich die Gastronomie liebe :D Naja, besser spät als nie bekommt ihr heute einen schönen One Shot von der lieben ConniKiss, welcher euren Sonntag und den damit 3. Advent hoffentlich ein Stück schöner macht :-) Lasst ihr doch ein paar liebe Kommentare und votes da. Ich danke dir sehr dafür, dass du dieses Jahr beim Kalender mit dabei bist <3 

xx Michelle

Wörteranzahl: 3473


Wenn es etwas gab, dass Louis nicht leiden konnte, dann waren das dumme Menschen. Diese Personen, die ohne Hilfe von Doktor Google nicht mal ihre eigene Nasespitze finden konnten und nur für die in die Gebrauchsanweisung von Mikrowellen geschrieben werden musste, dass man keine Katzen damit trocknen konnte. Das Einzige, was noch schlimmer war, waren Menschen, die neben ihrer Dummheit auch noch arrogant waren.
Leider war Louis Student - was nicht anderes als chronisch pleite bedeutete - und arbeitete deswegen Teilzeit im Call Center eines großen Online-Versandhauses. Und wenn es dort eins im Überfluss gab, dann war es natürlich nicht eine angemessene Bezahlung. Sondern Anrufer, bei denen sich Louis immer fragte, ob ihr Gehirn nach einer zu wilden Partynacht einfach verflüssigt und aus den Ohren gelaufen war.
Manchmal hasste Louis seinen Job wirklich. Also meistens. Allerdings war er auch der Grund dafür, dass Louis in der Lage war, Ende jeden Monats seinen Teil der WG-Miete zu bezahlen. Also versuchte er in aller Regel, vor Beginn seiner Schicht seinen Frust zu unterdrücken und sich auf die positiven Dinge konzentrieren.
Zum Beispiel darauf, dass es nur noch drei Semester dauern würde, bis er seinen Abschluss in den Händen halten würde und dann einen besser bezahlten Job finden würde. Aber auch der Lockenkopf am Platz gegenüber, der vor einigen Wochen bei ihnen angefangen hatte, schaffte es erstaunlicherweise immer wieder, Louis' Laune zu heben.
Bisher hatte Louis nicht mehr herausgefunden, als dass sein Name Harry war. Das war zwar ärgerlich, aber auch nicht wirklich verwunderlich. Meistens fing Harry eine Stunde nach Louis an zu arbeiten und hing immer noch am Telefon, wenn Louis bereits nach Hause gehen konnte. Und während der Arbeit ... da musste man sich schließlich nonstop um die Kunden kümmern.
Louis rieb sich die Stirn und warf einen Blick auf die Uhr. Nur noch eine halbe Stunde. Die würde er hoffentlich auch noch überstehen. Immerhin hatte er bisher nur ausgesprochen pflegeleichte Kunden am anderen Ende der Leitung gehabt. Wenn er Glück hatte ... - das Telefon klingelte.
Seufzend schob Louis sein Headset zurecht, zwang sich ein Lächeln ins Gesicht und leierte die immergleiche Begrüßung herunter. Vielleicht war der Anrufer ja ganz nett drauf ...
War er nicht.
"Hören Sie", Louis merkte selbst, wie seine Stimme flacher wurde, als er den Arsch am anderen Ende der Leitung in seiner lautstarken Tirade unterbrach. Natürlich war das nicht das erste Mal, dass er es mit einem aufgebrachten Kunden zu tun hatte.
Und nicht zu selten konnte Louis seine Anrufer sogar verstehen. Wenn es zum Beispiel Probleme mit dem Bezahlsystem auf der Homepage gab oder das gelieferte Produkt kaputt war, war es ja auch völlig legitim, sich darüber zu ärgern. Auch wenn sich Louis manchmal fragte, ob den Leuten bewusst war, dass er weder ein Programmierer noch Paketlieferer war und damit genauso wenig für diese Probleme konnte.
Aber die meisten Anrufer beruhigten sich schließlich auch wieder, wenn sie sich den Frust erst mal von der Seele geredet hatten.
Genervt verdrehte Louis die Augen, als sich Mr. Arschloch nicht im Geringsten von ihm beeindrucken ließ und einfach weiter schimpfte. Harry fing seinen Blick auf und lächelte ihm mitleidig aus seinen tiefgrünen Augen zu. Vermutlich war der Anrufer so laut, dass man ihn sogar noch am Tisch gegenüber hören konnte. Louis spürte ein leichtes Kribbeln im Bauch und er musste sich zusammenreißen, um nicht einfach

tagträumend in Harrys Augen zu versinken.
"Okay, legen Sie mal eine Pause ein", schaffte es Louis schließlich, seinen Anrufer zu unterbrechen. "Haben Sie denn Ihre Bestellnummer da? Dann kann ich mal ins System schauen, wann mit der Lieferung zu rechnen ist."
"Woher soll ich denn jetzt irgendso eine Nummer haben?", pampte der Typ zurück. Louis unterdrückte den Drang, seinen Kopf auf die Schreibtischplatte zu knallen.
Definitiv nicht nett drauf.
"Sie müssten eine Bestätigung-Mail erhalten haben, nachdem Sie Ihre Bestellung getätigt haben. Und da steht die Bestellnummer drin", erklärte Louis trotzdem so freundlich wie möglich.
"Da kann ich jetzt aber nicht reingucken", verkündete Mr. Arschloch.
"Dann nennen Sie mir mal Ihren Namen, vielleicht kann ich Ihre Bestellung ja so finden." Louis zwang seine Stimme, den heiter-optimistischen Ton beizubehalten, den er zu Beginn des Gesprächs angeschlagen hatte.
"Troy McMartin", grummelte der Typ schließlich.
"Alles klar", zwitscherte Louis und ließ seine Finger über die Tastatur klappern. Und Enter. Louis verzog das Gesicht, als er das vom System ausgespuckte Suchergebnis betrachtete.
"Haben Sie es bald?" Louis platzte der Kragen.
"Jawohl, ich hab Ihre Bestellung gefunden. Die Sie übrigens erst gestern Abend abgeschickt haben. Sie wissen schon, dass die Lieferzeit hier zwischen einem und drei Tagen angegeben wird? Das heißt, wir garantieren nicht, dass Ihre Bestellung bereits 17 Stunden nach Eingang geliefert wird, okay?"
Kurz war Stille am anderen Ende der Leitung. Louis ließ seinen Blick durch das Großraumbüro schweifen, in dem er arbeitete. Eine schönere Wandfarbe würde dem Raum echt nicht schaden ...
"Und was ist mit Ihrer komischen Garantie da? Lieferung noch vor Weihnachten und so? Das Paket muss heute ankommen!" Mr. Arschloch klang bockig.
Louis seufzte. Schon wieder. "Diese Garantie galt bis nur zum 20.12. Bei allen späteren Bestellungen können wir nicht mehr versprechen, dass das Paket noch bis zum 24. geliefert wird."
"Sie sind extrem unkooperativ, wissen Sie das? Es ist doch Ihr Job, mir als Kundem zu helfen. Also kriegen Sie das gefälligst hin, verstanden?"
Louis fixierte seinen Schreibtisch und atmete einmal tief ein und wieder aus. Bloß nicht ausflippen ...
Ein Zettel schob sich in sein Blickfeld. Du schaffst das schon :) stand in etwas unordentlicher Schrift darauf. Überrascht blickte Louis auf. Harry zwinkerte ihm zu, wobei eins seiner Grübchen sichtbar wurde, und nahm den nächsten Anruf entgegen.
Louis spürte, wie seine Mundwinkel nach oben wanderten, und er formte ein tonloses Danke in Harrys Richtung.

Scheiß auf Ruhigbleiben.
"Und Sie sind ein Scheiß-Kunde, haben Sie mich verstanden?" Louis grinste, als er Mr. Arschloch empört nach Luft schnappen hörte. "Was bilden Sie sich eigentlich ein? Ich beschwer mich über Sie, Sie ... "
"Machen Sie das ruhig", entgegnete Louis gelassen, "aber mal im Ernst: was bilden Sie sich ein? Glauben Sie echt, die ganze Welt dreht sich nur um Sie? Sie rufen hier an, einen Tag vor Weihnachten, machen mir ungerechtfertigt Vorwürfe, weil Sie zu blöd sind, die Lieferzeiten richtig zu lesen und erwarten, dass ich eine Lösung aus dem Hut zaubere? Obwohl Sie absolut unfreundlich sind, aus dem Auto anrufen - danke für die schlechte Verbindung übrigens - und sich nicht mal ansatzweise auf das Telefonat vorbereitet haben? So eine Bestellnummer rauszusuchen dauert vielleicht eine halbe Minute!"
"Wie können Sie es wagen -"
"Ich bin noch nicht fertig", schnitt Louis seinem Anrufer das Wort ab. "Denn wenn ich Ihnen einen kleinen Tipp geben darf: bestellen Sie beim nächsten Mal einfach früher. Und Duftkerzen sind ein beschissenes Geschenk. So, jetzt bin ich fertig."
Stille. Louis atmete durch. Hatte das gut getan, sich einfach mal den ganzen Frust von der Seele zu reden. "Wie war Ihr Name?", fragte Mr. Arschloch gepresst.
"Louis Tomlinson", erwiderte Louis unbeeindruckt. Sollte er sich doch beschweren. Louis bezweifelte, dass er tatsächlich Ärger mit seinen Vorgesetzten bekommen würde, wenn er seine Sicht des Telefonats darlegen würde.
"Gut." Dann knackte es in der Leitung und das Gespräch war beendet.
Louis blickte auf die Uhr. Etwas Positives hatte das Telefonat immerhin gebracht: seine Schicht war endlich zuende.
Seufzend setzte er das Headset ab. Normalerweise würde er jetzt nach Hause fahren und entweder noch über seinen Mitschriften brüten oder gleich ins Bett fallen.
Aber nicht heute. Denn auch wenn der Lohn hier unter aller Sau war - die Firmenleitung hatte eine kleine Weihnachtsfeier organisiert und die Möglichkeit, kostenlos Essen und (leider nur alkoholfreie) Getränke abzustauben, konnte sich Louis beim besten Willen nicht entgehen lassen.
Und wer weiß? Vielleicht ergab sich ja endlich die Gelegenheit, mehr mit Harry auszutauschen als nur ein paar Blicke, bei denen Louis sich nicht mal sicher war, wie er sie deuten sollte.
"Weihnachten ist echt scheiße", verkündete Louis zwei Stunden später und lehnte sich neben Liam an die Wand des Saals, der extra für die Feier gemietet worden war.
"Warum das denn?" Liam, der in der IT-Abteilung arbeitete und für die Wartung des Bestellsystems zuständig war, sah Louis überrascht an.
Louis zuckte nur mit den Achseln und nahm einen weiteren Schluck von seiner alkoholfreien Cuba libre. "Die Leute drehen alle komplett ab beim Weihnachtsshopping und dann hab ich wieder so nervige Anrufer an der Backe. Wenn mir Harry heute nicht geholfen hätte, dann - "

"Ach, Harry also?" Liam grinste und seine braunen Augen blitzen belustigt. Er war nämlich außerdem einer von Louis' zwei Mitbewohnern und hatte damit jedes Recht, im Privatleben seines Kumpels herum zu stochern.
Louis stöhnte auf und warf Liam einen bösen Blick zu. "Hör auf, so zu gucken. Ich hab dir das im Vertrauen erzählt und da war ich betrunken, okay?"
"Alles klar." Liam hob die Hände. "Aber meinst du, du schaffst es vielleicht heute mal, ihn wenigstens anzusprechen? Du musst ihm ja nicht gleich auf die Nase binden, wie fasziniert du von seinen wunderschönen, fluffig-weichen Haaren bist oder - "
"Liam!" Louis schlug seinem deutlich muskulöseren Freund gegen den Oberarm. "Das war vertraulich!"
"Na schön", Liam zuckte mit den Schultern und nippte an seiner Apfelschorle, "dann schmachte ihm halt solange heimlich hinterher, bis einer von euch beiden den Job wechselt."
"Glaubst du etwa, ich trau mich nicht, ihn anzusprechen?" Beleidigt stemmte Louis die Hände in die Hüften.
"Du meinst also, es wäre kein Problem für dich, jetzt und gleich mit Harry zu reden?", fragte Liam zurück und zog herausfordernd die Augenbrauen hoch.
"Klar, gar kein Problem", schoss Louis zurück, ohne nachzudenken.
"Na dann ... " Liam stieß sich von der Wand ab und winkte quer durch den Raum. "Hey, Harry!"
"Liam, was soll das?" Louis versuchte panisch, Liams Arm wieder nach unten zu ziehen. "Was, wenn er das gehört hat?"
"Das hat er sogar mit Sicherheit", meinte Liam und blickte an Louis vorbei, "immerhin kommt er gerade her."
"Was?!" Louis war gerade zu überfordert, um sich ernsthaft dafür zu schämen, dass seine Stimme bei dieser einen Silbe quietschte wie die eines 16-Jährigem im Stimmbruch.
"Nutz deine Chance, mein Lieber", sagte Liam und klopfte Louis auf die Schulter, "ich bin bei Niall am Büffet."
Und damit verschwand er in der Menge. Perplex starrte Louis ihm hinterher. Was zum Geier sollte er denn jetzt machen? Er würde Liam so was von umbringen, ganz langsam und qualvoll, bis er verstanden hatte, sich nicht mehr in Louis' Angelegenheiten einzumischen.
"Hey, Louis", sagte eine warme, tiefe Stimme hinter ihm.
Louis fuhr herum und hielt sich eine Hand aufs Herz, dass auf einmal doppelt so heftig schlug wie gerade eben noch.
"Harry." Louis starrte wie versteinert in die waldgrünen Augen seines Gegenüber und versuchte sich daran zu erinnern, wie man normal atmete.
Harrys leichtes Lächeln schwand und er sah Louis besorgt an. "Alles okay bei dir?" "Klar", schaffte Louis es zu sagen. "Du hast mich nur etwas erschreckt, das ist alles."

"Tut mir leid." Harry lächelte entschuldigend und Louis hätte beinahe angefangen zu sabbern, als diese beiden Grübchen sichtbar wurden. Wie konnte jemand nur so süß und heiß gleichzeitig aussehen? Das war verdammt noch mal nicht fair.
Das Schweigen dehnte sich aus und Harry schob angespannt seine Hände in die Hosentaschen. "Tja, also ... "
Mach endlich was, Louis, du kleiner Schisser, sonst geht er gleich wieder!
"Danke übrigens", platze es aus ihm heraus, bevor er richtig darüber nachdenken konnte.
"Wofür genau?" Harry klang etwas verwundert, drehte sich aber wieder zurück zu Louis.
"Für deinen Zettel vorhin", sagte Louis leise und kam sich augenblicklich blöd vor.
"Kein Problem, du sahst aus, als bräuchtest du ein bisschen Aufmunterung", erklärte Harry und lächelte schon wieder so hinreißend. "Du kriegst aber auch immer die ganzen richtig blöden Anrufer ab."
Louis musste lächeln, denn so wie Harry es betonte, war "richtig blöd" schon die schlimmste Beleidigung, die er kannte. Und das ließ ihn noch süßer wirken, als er eh schon war.
"Kann ja nicht jeder die Omis bekommen, die nicht mit dem Internet klarkommen", grinste Louis. Denn es stimmte: Harry verbrachte überdurchschnittlich viel Zeit damit, Rentnerinnen über 60 zu erklären, wie der Warenkorb funktionierte.
Harry sah verlegen zu Boden. "Was soll ich sagen: ältere Frauen mögen mich irgendwie ..."
Nicht nur die, dachte Louis. Und wenn er nicht so ein verfluchter Schisser und außerdem eine absolute Niete beim Flirten wäre, hätte er das auch laut gesagt.
"Dein Kumpel guckt übrigens schon die ganze Zeit zu uns rüber", stellte Harry verwirrt fest.
"Keine Sorge, er hat schon einen Freund", beruhigte Louis ihn - und biss sich im nächsten Moment auf die Zunge. Was wenn Harry auch einer dieser homophoben Idioten war, die immer noch im Mittelalter hängen geblieben waren?
Dann wüsste er zwar immerhin, woran er bei ihm war. Aber andererseits mussten sie noch eine Weile zusammen arbeiten und das würde Louis bestimmt nicht mehr so leicht fallen, wenn er wusste, dass der Lockenkopf eigentlich ein Arsch war.
Nachdenklich sah Harry zu Liam herüber. "Der Glückliche ... " "Was?" Perplex starrte Louis ihn an.
"Na ja ... " Harry fuhr sich verlegen durch seine wirklich anbetungswürdigen Locken. "Meine letzte Beziehung ist halt schon etwas her ... "
"Oh." Louis schob seine Hände in die Hosentaschen und wippte unruhig auf seinen Fußballen vor und zurück. Was sollte er denn damit anfangen? Beziehung war ja relativ geschlechtsneutral, also könnte Harry doch theoretisch auch auf Typen stehen, oder? Auf der anderen Seite hatten sie gerade explizit über feste Freunde geredet. Wenn Harry schwul oder bi wäre, hätte er das doch bestimmt deutlicher gesagt. Oder?
Louis war so in seine Grübelei vertieft, dass er gar nicht richtig mitbekam, wie Harry etwas zu ihm sagte.

"Hmm?" Verwirrt blickte er hoch.
Harry lachte leise. "Wo warst du denn gerade mit deinen Gedanken? Ich hab gefragt, ob du momentan in einer Beziehung bist."
"Nope." Louis schüttelte den Kopf und gab sich einen Ruck. Irgendjemand musste schließlich mal mit offenen Karten spielen. "Mit meinem letzten Freund hab ich vor fast einem Jahr Schluss gemacht."
"Oh." Harry wich seinem Blick aus und begann mit seinen Fingern zu spielen.
Verwirrt sah Louis ihn an. Was sollte das denn? Hatte Harry etwa doch ein Problem mit Homosexualität? Oder lag es einfach nur an Louis? Vielleicht war seine Schwärmerei doch etwas zu offensichtlich gewesen und jetzt wo Harry darüber Bescheid wusste, dass Louis schwul war, war es ihm unangenehm?
Ach verdammt. Louis schluckte seine Enttäuschung herunter. Was hatte er auch anderes erwartet? Dass Harry ihm seine unsterbliche Liebe gestehen würde, kaum dass sie mal mehr als ein Wort miteinander gewechselt hatten?
"Harry!" Eine Gestalt mit Weihnachtsmütze, unter der ein paar blonde Strähnen hervorlugten, tauchte neben ihnen auf und warf einen Arm um Harrys Schulter. Was gar nicht so einfach war, denn der Typ war höchstens einen Zentimeter größer als Louis.
"Wie gehts, wie stehts? Ich hab dich ja schon seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen, was macht dein Studium?" Die blauen Augen des Typen funkelten, als er neben Harry auf und ab hopste.
Louis musterte den Arm von Blondie, der immer noch um Harry geschlungen war, und versuchte zu ignorieren, wie sich kleine Dornen in sein Herz bohrten. Er hatte nicht das Recht eifersüchtig sein, schließlich wollte Harry nichts vom ihm.
Weh tat es trotzdem.
Harry wiederum sah Blondie eher verwirrt an. "Niall, wir haben uns heute Morgen das letzte Mal gesehen ... "
"Eben", sagte dieser Niall und nickte bekräftigend, "Ewigkeiten her, sag ich doch."
Sein neugieriger Blick streifte Louis und schnell bemühte sich der Wuschelkopf, weniger wie ein soziopathischer Serienkiller und mehr wie ein sympatischer, normaler Typ auszusehen, der nicht gerade versuchte, sein Herz mit Klebeband vom Auseinanderbrechen zu bewahren.
Anscheinend schien es zu funktionieren, denn Niall lächelte ihn freundlich an. "Und du bist ... ?"
"Louis", stellte er sich vor und reichte Niall die Hand. Niall ergriff und schüttelte sie, während Harry einen Schluck von seinem Getränk nahm.
"Lustig", grinste Niall und stieß Harry mit dem Ellenbogen in die Seite, "so heißt doch auch der Typ, auf den du stehst."
Was? Wie bitte? Bitte was?
Harry verschluckte sich und begann lautstark zu husten. Während er röchelnde Geräusche von sich gab, lief sein Gesicht knallrot an. Wobei Louis sich nicht sicher war, ob das nur am Luftmangel lag.

Routiniert klopfte Niall dem vorgebeugten, immer noch vor sich hin hustenden Harry auf den Rücken und lächelte Louis unschuldig an.
Dessen Gedanken rasten gerade. Harry stand also auf einen Typen? Und der hieß auch noch Louis? Es war zwar nicht gesagt, dass Harry wirklich auf ihn stand - immerhin war Louis kein sonderlich seltener Name. Aber immerhin schien Harry etwas für das eigene Geschlecht übrig zu haben und das - soweit war sich Louis sicher - war ein Fortschritt.
Vorsichtig richtete sich Harry auf.
Niall schwatzte währenddessen munter weiter: "Du meintest doch, ihr kennt euch von der Arbeit. Ist er denn heute Abend auch da?"
Harrys Gesichtsfarbe wechselte von tomatenrot zu kalkweiß und er sah so aus, als wäre er gerade wirklich überall lieber als hier. Unsicher wich er Louis' Blick aus und trat Niall auf dem Fuß, um ihn vom Reden abzubringen.
Louis schluckte und versuchte den Bienenschwarm von Gedanken und Emotionen in seinem Kopf zu beruhigen. Wie viele Typen namens Louis gab es wohl in der Firma? Und wie viele konnte Harry in den paar Wochen, die er bereits hier arbeitete, schon kennengelernt haben?
Vorsichtige Hoffnung stieg in Louis auf.
Schräg hinter Niall konnte er Liam sehen, der mit einem Teller in der Hand neben der Bar stand und zu ihnen herübersah.
Sekunde mal. Liam. Liam, der Harry her geholt hatte, damit sich Louis mit ihm unterhielt. Liam, der zu Niall ans Büffett gegangen war. Und dann Niall. Niall, der hergekommen war, um - da war sich Louis auf einmal sicher - alles andere als unabsichtlich brisante Infos zu verbreiten.
Louis drückte Harry sein Glas in die Hand. "Kannst du das mal kurz halten? Bin gleich wieder da!"
Schneller als Liam blicken konnte, stand Louis vor ihm und pikste ihm den kurzen Zeigefinger in den Bauch. "Ich hab dich durchschaut, mein Lieber!"
"Ach ja?" Liam sah von seinem Nudelsalat auf.
"Ja", verkündete Louis stolz, "die Nummer mit Niall - das war deine Idee, oder?"
Liam zuckte nur mit den Schultern. "Wir konnten es beide langsam nicht mehr mit ansehen, wie ihr immer umeinander rumgeschlichen seid."
"Und da dachtest du dir einfach, du mischt dich mal ein?" Liam schob sich noch eine Gabel in den Mund und nickte bloß.
"Weißt du, Liam ... wenn ich nicht wüsste, dass Zayn mich umbringen würde, könnte ich dich jetzt glatt abknutschen!"
Liam grinste, als das Strahlen auf dem Gesicht seines Kumpels sah. "Gern geschehen, mein Lieber. Aber knutsch du mal lieber Harry ab."
"Oh fuck!" Louis' Grinsen verrutschte.

"Was?" Liam sah ihn verwirrt an.
"Er ... er weiß noch gar nichts. Das hab ich irgendwie vergessen, ihm zu sagen", gab Louis kleinlaut zu.
"Wie bitte?" Liam fing an zu prusten. "Manchmal frag ich mich wirklich, wie du es jemals schaffen konntest, eine Beziehung zu führen. Na lass, schnapp ihn dir, Tiger!"
Louis zeigte Liam den Mittelfinger und machte auf dem Absatz kehrt. Hoffentlich war Harry noch da und er hatte es nicht dadurch ruiniert, dass er manchmal einfach nicht ordentlich nachdachte.
Aber Louis hatte Glück. Harry stand immer noch an der Wand, wo Louis ihn zurückgelassen hatte, Louis' leeres Glas in der Hand.
"Vielen Dank fürs Halten!" Louis lächelte und nahm Harry das Glas wieder ab.
Erschrocken blickte der Lockenkopf hoch und begann panisch zu brabbeln. "Hör mal, wegen dem, was Niall da eben gesagt hat, also - "
Grinsend beugte sich Louis vor und brachte Harry zum Verstummen, indem er seine Lippen auf Harrys immer noch vor sich plappernden Mund drückte.
Ein paar Herzschläge lang passierte gar nichts und Louis war kurz davor, abzuhauen, Liam dafür umzubringen, dass er ihn verarscht hatte, und danach nach Timbuktu auszuwandern.
Aber dann begann Harry, seine Lippen ebenfalls gegen Louis' zu bewegen und eine Tsunami-Welle der Erleichterung schoss durch Louis' Körper. Hallelujah!
Seine Hände wanderten zu Harrys Nacken und vorsichtig begannen seine Finger mit einzelnen Strähnen dieser verflucht gut aussehenden Locken zu spielen, die noch weicher waren, als Louis es sich vorgestellt hatte.
Mit einem Kribbeln im Bauch, als würden Hunderte von Ameisen darin Ballett tanzen, löste sich Louis schließlich von Harry und starrte hinauf in diese smaragdgrünen Augen, von denen er einfach nicht genug bekommen konnte.
"Also ... ", half er Harry auf die Sprünge, der ihn wie benebelt aus halb geöffneten Augen ansah, "das was Niall da gesagt hat ... das war hoffentlich die Wahrheit, oder?"
Langsam, als würde er erst jetzt realisieren, was da gerade passiert war, verzog Harrys Mund sich zu einem breiten Lächeln. "Und ob das die Wahrheit war", murmelte er, bevor er den Kopf erneut senkte, um Louis zu küssen.
"Sie haben es tatsächlich geschafft!", hörte Louis Niall vom Büffett jubeln und hätte er hinüber geblickt, hätte er gesehen, wie Liam und Niall zufrieden abklatschten. Aber Louis blickte nicht hinüber. Denn wenn er etwas gab, dass Louis ab jetzt definitiv leiden konnte, dann war es Harry zu küssen.


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