23. Dezember - The Elf On The Shelf - Drachenreiter80
Heute dürft ihr einen sehr süßen OS von der lieben Drachenreiter80 lesen.
Meine Güte, wir sind hier schon fast durch! Morgen kommt dann das Finale. Das ging jetzt doch irgendwie schnell.
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„Wie soll das nur alles werden dieses Jahr, Lou?" Harry spaziert mit seiner guten Freundin Louise und ihrer kleinen Tochter Lux durch den spätherbstlichen Stadtpark. Frustriert kickt er in einen Blätterhaufen und lässt damit die Blätter in die Luft steigen, bevor sie langsam wieder heruntersegeln.
Louise legt den Kopf schief: „Was meinst du?"
„Na, ich weiß ja nicht, wie es dir geht, aber mir kommen die Leute derzeit furchtbar aggressiv und unfreundlich vor. Jeder achtet nur auf sich selbst. Nicht mal gegrüßt wird mehr auf der Straße. Ich komme mir selbst mitten unter Menschen wirklich einsam vor."
„Ja. Diese blöde Pandemie macht allen zu schaffen. Hoffentlich bekommen wir das bis Weihnachten wieder in den Griff. Das wird sonst richtig komisch."
„Eben. Meine Mum und meine Schwester leben hunderte Kilometer von mir entfernt, einen Freund hab ich auch keinen. Also ich werde Heiligabend wahrscheinlich alleine in meiner kleinen Wohnung sitzen."
Mittlerweile sind die drei am Ende des Parks angekommen und laufen auf die auf Grün stehende Fußgängerampel zu. Noch während sie die Kreuzung überqueren rast ein Auto mit quietschenden Reifen auf sie zu, der Fahrer hupt und man sieht ihn wild gestikulieren. Dann reißt er mit wirrem Blick das Lenkrad kurz vor den erschrockenen Fußgängern herum und fährt bei Rot knapp hinter ihnen vorbei. Louise kann grade noch so Lux aus dem Weg ziehen.
„Siehst du? Genau das meine ich. Lauter selbstsüchtige Irre!" Lux sieht erschrocken zu Harry hoch. „Man sollte sich doch mit Respekt und Wertschätzung gegenübertreten. Vor allem in dieser dunklen Zeit."
„Ich stimme dir ja zu, aber wir können wohl nur wenig daran ändern, Harry."
„Vielleicht ja doch. Ich könnte ja in meiner Bäckerei ein bisschen wichteln und damit gute Laune verbreiten," überlegt der junge Mann. Seine graugrünen Augen beginnen bei dieser Idee zu leuchten. „Ja, da ließe sich vielleicht was machen."
„Wichteln gegen Einsamkeit und Entzweiung? Darauf bin ich sehr gespannt. Jetzt müssen Lux und ich aber schnell nach Hause, bevor es ganz dunkel wird. Danke für den schönen Nachmittag."
„Kommt gut Heim. Mir war es auch ein Vergnügen. Trotz der Idioten unterwegs."
„Nimm's nicht so schwer, H. Das wird alles wieder! Bis bald."
Mit einem „Tschü-üss" von Lux biegen die beiden um die nächste Ecke und Harry macht sich nachdenklich auf seinen Weg in die entgegengesetzte Richtung. Wie könnte er es angehen, gute Laune unter seinen Kunden zu verbreiten?
Wenige Tage später, Anfang Dezember, betritt eine ziemlich durchgefrorene Louise die kleine, nach frisch gebackenen Leckereien riechende Bäckerei. Harry bedient grade eine ältere Dame fertig und wünscht ihr einen schönen Tag.
„Ihnen auch, Mr Styles. Und danke für die geschenkten Kekse." Unter ihrer Maske freudestrahlend wackelt die Dame mit ihrem Stock in Richtung Tür, die ihr von Louise aufgehalten wird.
Nachdem die Tür hinter der Kundin ins Schloss gefallen ist, dreht sich Louise mit schief gelegtem Kopf und breitem Grinsen zu ihrem Freund um und nimmt ihre Maske ab. „Soso. Geschenkte Kekse? Bekomme ich auch welche, du Weihnachtswichtel?"
„Aber natürlich! Für dich immer, Louise", lächelt der junge Bäcker schelmisch zurück, nachdem er die Maske ebenfalls heruntergenommen hat.
„Danke dir. Ich habe auch etwas für dich. Oder besser gesagt jemanden." Sie zieht einen kleinen roten Samtbeutel aus ihrem Rucksack und überreicht ihn feierlich ihrem gegenüber.
Harry sieht skeptisch auf die Verpackung. Als würde er sich nicht trauen, sie aufzumachen.
„Nun schau nicht so. Er beißt dich schon nicht! Ich hab ihn selbst gemacht."
„Jetzt machst du mir erst richtig Angst. Er? Und du machst etwas selbst?"
„Hey! Sei nicht so frech! Ich bastle viel mit Lux", schmollt Louise. „Und jetzt mach das Ding endlich auf. Ich will wissen, ob er dir gefällt."
„Also gut." Harry tut so, als müsse er erst seinen ganzen Mut zusammennehmen, atmet einmal tief ein und öffnet die Schleife. Mit einem beherzten Griff in den Beutel fördert er eine kleine Puppe zu Tage. Erst schmunzelnd, dann sprachlos hält er die Figur an einem Arm und dreht sie hin und her.
Es ist ein kleiner Elf mit tannengrünem Longsleeve, einer rot-weiß geringelten Hose, einem braunen Gürtel und dazu passenden Stiefeln und einer roten Weihnachtsmütze mit weißem Besatz und einem Bommel mit einem kleinen Glöckchen daran. Was den Beschenkten aber richtig fasziniert, ist das detailreiche Gesicht der Figur. Er hat die typischen spitzen Ohren, unter der Mütze schauen haselnussbraune Haarsträhnen vorwitzig heraus und die himmelblauen Augen geben dem feinen, spitz zulaufenden Gesicht mit dem schiefen Grinsen und markanten Wangenknochen ein freches Leuchten.
„Oh mein Gott! Ist der niedlich! Wie hast du den denn so detailreich hinbekommen? Das ist ja Wahnsinn!"
„Das, lieber Harry, bleibt mein Geheimnis. Aber wie du siehst, kann ich sehr wohl etwas selbst herstellen", lächelt die Schöpferin des kleinen Elfen zufrieden. „Nur solltest du ihn bitte nicht als niedlich bezeichnen. Das mag dieser Elf so gar nicht." Irritiert sieht der Bäcker Louise an. „Schau nicht so. Elfen haben nun mal ein Eigenleben, schließlich haben sie magische Kräfte. Und dieser hier hat außerdem ein großes Ego. Größer als er selbst. Das habe ich beim Gestalten schon gemerkt. Aber er wird dir bei der Verwirklichung deiner Wichtelpläne sicher helfen. Du musst nur daran glauben", zwinkert Louise, bevor sie dem erstaunt dreinblickenden Harry den Elf aus der Hand nimmt und kurzerhand vorne in die Brusttasche seiner Schürze steckt. „Da ist der Kleine doch gut aufgehoben."
Damit drückt Louise Harry ein Küsschen auf die Backe, kneift ihm verspielt in die selbige und verlässt überschwänglich winkend und gut gelaunt den Laden.
Der Blick Bäckers wandert von der sich entfernenden Freundin hinunter zu der Puppe in seiner Brusttasche. „Und was mach ich jetzt mit dir?"
Da kommt als nächster Kunde ein Mann, ungefähr im selben Alter wie Harry, Mitte 20, in den Laden, an der Hand einen kleinen blonden Jungen mit großen blauen Augen. „Onkel Ni, bekomme ich einen Kakao und einen Blaubeermuffin?"
„Na klar, Kleiner," antwortet der Angesprochene gelassen und wendet sich an den Mann hinterm Tresen: „Sie haben's gehört. Können wir bitte einen Kakao und einen Cappuccino bekommen? Und dazu bitte zwei Blaubeermuffins."
„Sehr gerne. Einen Moment bitte." Harry macht sich direkt an die Arbeit. Wenige Minuten später überreicht er die Bestellung an den jungen Herren und nach der Bezahlung lehnt er sich, unter seiner Maske lächelnd über die Theke und bietet dem kleinen Jungen einen Cookie an. Dieser nimmt ihn und schiebt sich das Gebäck mit zwei Bissen in den Mund.
„Danfe", kommt es von dem Jungen, wofür er von seinem Onkel eine leichte Kopfnuss verpasst bekommt.
„Hat dir noch niemand Anstand beigebracht, Theo? Mit vollem Mund spricht man nicht."
Der Junge schluckt den ganzen Keks auf einmal herunter. „Sorry. Und danke für den leckeren Cookie." Dann blickt er fragend auf Harry's Brust. „So einen tollen Elfen habe ich noch nie gesehen! Wie heißt er denn?"
Etwas überrumpelt überlegt der Bäcker kurz. „Das ist eine gute Frage, Theo." Er blickt wieder nach unten zu dem Elfen. „Ich denke er heißt Lou. Wie meine Freundin, die ihn für mich gemacht hat. Ja. Das passt." Damit schippt er an die Mütze des Elfen und lässt das Glöckchen erklingen. „Ab sofort wirst du Louis heißen."
„Louis, der Bäckerelf. Das ist cool", meint der Junge, schnappt sich seinen Kakao mit der einen Hand und greift mit der anderen die Hand seines Onkels. „Tschüß, Louis. Tschüß, Bäcker." Damit verlassen die beiden den Laden.
Der restliche Tag verläuft ereignislos. Harry stellt nur fest, dass der Elf in seiner Schürze den Kunden schon das ein oder andere Lächeln entlockt. Der Plan scheint also aufzugehen.
Zum Feierabend nimmt Harry den Elfen aus seiner Schürze, lässt einmal verspielt die Glocke an der Mütze klingeln und setzt Louis kurzerhand ins Regal. „Pass mir gut auf den Laden auf. Ich geh jetzt gleich mal schlafen. Gute Nacht, du Zwerg." Damit macht er das Licht aus und verlässt den Laden über das hinten gelegene Treppenhaus. Dort geht er einen Stock höher in seine Wohnung, isst etwas und legt sich hin. Als er die Augen schließt, sieht er nur das Gesicht des kleinen Elfen vor sich. Mit wirren Gedanken schläft er ein.
Unterdessen erwacht im Verkaufsraum der Bäckerei besagter Elf zum Leben, wie es die zauberhaften Weihnachtselfen bekanntlich tun. Auch wenn kein Mensch das je wirklich gesehen hat. „Zwerg. Zwerg! Hat man sowas schon gehört? Ich bin doch kein Zwerg! Ich bin groß! Zumindest für einen Elfen. Der Typ hat es gar nicht verdient, dass ich ihm bei irgendetwas helfe! Und wenn der mich noch einmal niedlich nennt! Dann... Dann... Ich könnte geradezu an die Decke gehen."
Wütend kickt Louis mit seinem kleinen Stiefel gegen den nächstbesten Brotkorb. Aber außer, dass ihm der Fuß nachher schmerzt, passiert gar nichts. Grummelnd zieht Louis sein Hemd nach unten, rückt seine Mütze zurecht und kräuselt die Nase. Wenn sein Mensch nur nicht so nett zu jedem außer ihm wäre! Er würde flüchten. Aber so kommen doch seine Elfen-Gene durch und er möchte helfen. Nur wie?
Als Harry am nächsten Morgen nach mehreren Stunden in der Backstube den Verkaufsraum betritt, fallen ihm fast die beiden Brotkisten aus der Hand, die er grade einräumen wollte. Es sind zwei Dinge, die ihn verwirren. Erstens ist er sich sicher, dass die Fenster seines Geschäfts und die Glasscheiben der Vitrinen gestern noch nicht mit glitzernden Sprühsternen und Lichterketten dekoriert waren und zweitens weiß er zu hundert Prozent, dass er diesen komischen Elfen nicht in dieses Regal gesetzt hatte. Wer das bloß war? Es sieht mal nicht so aus, als wäre eingebrochen worden. Komisch. „Warst das etwa du, mein kleiner Helfer?", fragt er zweifelnd den Elfen, während er ihn ein bisschen am Bauch kitzelt. „Sieht auf jeden Fall gut aus. Ich glaube, das können wir so lassen. Danke." Kopfschüttelnd zwinkert er Louis an, jetzt redet er schon mit einer Puppe!
In den folgenden Tagen sind in Harrys Bäckerei alle gut gelaunt, egal wie grummelig und hektisch die Kunden hereinkommen, sie alle gehen mit einem Lächeln und einem Gratiscookie aus dem Laden. Irgendetwas liegt in der Luft, dass niemand wirklich greifen kann. Aber Harry ist sich sicher, dass es nicht nur an seinen Keksen liegen kann.
Louis ist zwischenzeitlich richtig bei Harry eingezogen. Lux hat für Louis ein Puppenbett im Bücherregal in Harrys Schlafzimmer bereitgestellt und im Laden sitzt der Elf entweder lässig an die Kasse gelehnt auf dem Tresen oder, wenn Harry doch mal das Gefühl hat alleine zu sein, steckt er wieder in der Brusttasche der Schürze. Manchmal bildet Harry sich sogar ein, dass sich die Gesichtszüge der Puppe verändern, aber das kann ja nicht sein. Oder? Langsam zweifelt er an seinem Verstand.
Am nächsten Sonntag wacht Harry nach einem Traum auf, in dem ein gewisser Elf sehr lebendig und Weihnachtslieder singend durch den Laden getanzt ist. Es wird also höchste Zeit, mal die eigenen vier Wände zu verlassen. Solch versponnene Träume können doch nur auf einen Lagerkoller hindeuten! Also ruft Harry seine besten Freunde an, denn er hat wieder eine Idee.
Und so laufen am frühen Abend, sobald es dunkel wird, vier dick eingemummelte Gestalten in Form von Harry, sowie seinen Freunden Liam, Nick und Ed mit Laternen durch die Straßen. Sie bleiben vor hell erleuchteten Häusern stehen und fangen an Weihnachtslieder zu singen. Hin und wieder sammeln sich – mit reichlich Abstand – Spaziergänger um sie herum oder die Leute kommen an die Fenster und Haustüren, um zuzuhören. Es macht nicht nur den Zuhörern Spaß. Und wieder ist Harrys Ziel erreicht, Fröhlichkeit unter die Menschen zu bringen. Am Abend erwischt sich Harry sogar dabei, wie er freudestrahlend seinem Elfen erzählt, wie das spontane Singen gelaufen ist. Und wieder hat er das Gefühl, dass der Elf ihn anlächelt.
In dieser Nacht träumt Harry erneut davon, dass Louis lebendig ist. Diesmal ist er allerdings nicht klein und tanzt. Nein, Harry träumt, wie Louis groß wie ein Mensch ist, ihm einen Kuss auf die Stirn gibt, ein „Du bist wundervoll" nuschelt und sich im Bett von hinten an ihn kuschelt. Das Gefühl hatte er schon sehr lange nicht mehr. Es ist so angenehm, dass er gar nicht aufwachen will. Als er es beim Weckerklingeln dann doch tut, liegt er allein im Bett. Und Louis in seinem Puppenbett. Wie sollte es auch anders sein? Doch Louis wundervolle Stimme kommt ihm wieder in den Sinn. Ach könnte das geträumte doch nur Realität sein! Irgendwie gibt es Harry einen kleinen, unerklärlichen Stich im Herzen.
Die Tage ziehen ins Land, in den Nächten aber kehrt Harrys Traum immer wieder. Es ist nie der gleiche Traum, aber immer ähnlich. Manchmal schimpft Louis, wenn jemand unfreundlich zu Harry war. Manchmal gibt er freche Kommentare zu Dingen, die bei Harry schief gegangen sind. Dann streckt Harry dem Elfen im Traum meist die Zunge raus und dreht sich beleidigt weg. Doch kurze Zeit später spürt Harry dann die Arme von Louis, die versuchen sich um ihn zu schlingen und er vergibt ihm doch wieder. Eines Morgens, ein paar Tage vor Weihnachten, wacht Harry auf und hat tatsächlich Louis im Arm. Allerdings die Puppe und nicht den Louis aus seinem Traum.
„Jetzt hole ich dich im Schlaf schon wirklich ins Bett. Das glaub ich echt nicht!", sagt er verlegen lachend zu Louis und setzt ihn wieder auf sein kleines Bettchen. „Ich wünschte, dass Weihnachten vorbei ist und du dich wieder an den Nordpol zu Santa beamst. Du bringst mich ganz durcheinander."
Wenn Harry es nicht besser wüsste, könnte er schwören, dass in dem Moment dem Elfen die Gesichtszüge für eine Millisekunde entgleisen. Aber das ist natürlich nicht möglich. Kopfschüttelnd geht der Bäcker erst mal duschen. Kaum, dass er den Raum verlassen hat, wirft Louis wutentbrannt sein Kissen an die Wand und lässt sich frustriert aufs Bett fallen. Wie kann Harry so etwas nur sagen? Sie wünschen sich doch eigentlich das gleiche. Nämlich, dass Louis einen Weg findet bei Harry sein zu können. Das dachte Louis bis eben jedenfalls. Da scheint er sich geirrt zu haben. Blöder Mensch! Aber woher soll Harry auch wissen, dass Louis keine Puppe ist, sondern ein Elf mit Gefühlen und einem Herzen, dass immer mehr für Harry schlägt.
Am 24sten ist es richtig weihnachtlich. Es hat am Vortag geschneit, alles ist winterlich angezuckert und die Häuser sind innen und außen dekoriert. Alles funkelt und strahlt. Harry schließt seinen Laden schon etwas früher, denn er hat sich entschlossen noch einmal Gutes zu tun, bevor er am Abend unterm Weihnachtsbaum sitzt und mit seiner Familie zoomt, um nicht ganz allein feiern zu müssen. Aber bevor es damit losgeht, macht Harry sich, gemeinsam mit Louise und Lux, auf zur Tafel für Bedürftige. Dort hat er vor, die Reste aus seiner Backstube und frisch gekochtes Essen zu verteilen. Natürlich nimmt er auch Louis mit und setzt ihn auf einen Tisch in der Nähe der Besteckausgabe. Heute ist schließlich der große Tag des Elfen. Wann, wenn nicht heute, sollte ein Weihnachtself unter Leuten sein und gute Laune verbreiten?
Harry ist so vertieft in seine Arbeit, dass er nur am Rande mitbekommt, wie ein Teenager mit Downsyndrom den Elfen bewundert. Als er in einer Trinkpause den Blick durch den Saal über die, dieses Jahr leider große Menge an Menschen schweifen lässt, bleiben seine Augen an einem jungen Mann hängen. Der Bäcker kann nicht sagen, was es ist, aber der Kerl kommt ihm so ungeheuer bekannt vor. Mit strubbeligen, braunen Haaren, stechend blauen Augen und zusammengepressten Lippen, die sich nicht entscheiden können, ob sie Frust oder ein Lächeln widerspiegeln sollen, erinnert der Mann Harry an... an... „Lou", keucht Harry ungläubig. Um seine Vermutung zu überprüfen, sieht er kurz zur Besteckausgabe. Dorthin, wo er den Elfen hingesetzt hat. Doch er ist weg. Erschrocken blickt er wieder in Richtung des Mannes, doch auch er ist nicht mehr da. Wie vom Erdboden verschluckt. Das kann doch alles nicht wahr sein!
Vor Schreck werden Harry die Knie weich und er findet sich kurzerhand auf dem Boden sitzend wieder. Eilig kommt Louise zu ihm. „Harry! Ist alles in Ordnung? Was ist passiert?"
„Das glaubst du mir sowieso nicht, Louise. Ich begreife es ja selbst nicht. Was grade passiert ist, kann ich nicht ansatzweise erklären", stammelt Harry vor sich hin.
„Ok... Du bist ziemlich blass. Willst du vielleicht kurz an die frische Luft?"
„Frische Luft... Ja... Das klingt gut." Damit rappelt Harry sich auf, schnappt sich seine Sachen und geht zu dem Platz, wo er Louis zuletzt gesehen hat. Dabei lässt er eine verwunderte Louise zurück.
Als er den Saal durchquert hat, lässt er den Blick noch einmal über die Menschen schweifen. Aber sein Elf ist nirgends zu finden.
An der frischen Luft angekommen, nimmt Harry einen tiefen Atemzug, um seine rasenden Gedanken unter Kontrolle zu bringen. Wie ist es möglich, dass Louis plötzlich ein Mensch ist? Und viel wichtiger: wo ist er jetzt? Harry beschließt, hier alles stehen und liegen zu lassen und springt regelrecht in seinen Kastenwagen, um Louis zu suchen. Langsam, damit er auf den verschneiten Straßen nicht ins Rutschen kommt, fährt der Bäcker die Gegend ab. Überall liegen Schneehaufen, die ihm die Sicht auf die Gehwege etwas versperren. Wie soll er hier nur einen Überblick bekommen?
Auf seiner Suche begegnet Harry auch Leuten, denen er eben bei der Tafel Essen ausgegeben hat. Darunter auch der Junge mit dem Downsyndrom. Und einige Meter weiter, an einem Kiosk, der noch geöffnet hat, einige weitere Jugendliche, die irgendwie nach Ärger aussehen. Aber weit und breit kein Elf in Sicht. Was soll er nur machen? Er will seinen Elfen wiederhaben! Egal in welcher Form!
Nach einigen Minuten biegt der Kastenwagen ab, um die nächste, parallel verlaufende Straße wieder zurück zu fahren. So weit kann Louis in der kurzen Zeit ja nicht gekommen sein.
Wieder laufen Harry diese unheilvollen Jugendlichen über den Weg, sie kreuzen direkt vor ihm grölend die Straße, mit etlichen Alkoholflaschen und mehreren Zigarettenstangen in den Händen. Komische Typen, denkt sich der Bäcker.
Und wieder einige Meter weiter kommt ihm auch der Teenager von der Tafel wieder entgegen, komisch, dass dieser alleine spazieren geht, normalerweise sind doch Menschen mit Downsyndrom immer mit einem Betreuer unterwegs. Und er trägt seinen Rucksack vor der Brust. Das irritiert. Irgendwas ist merkwürdig an dem jungen Mann, doch es ist nicht greifbar. Harry verwirft diese Gedanken wieder und fährt langsam weiter auf der Suche nach seinem Lou.
Es trifft ihn wie ein Schlag. Der Junge war der, den er zuletzt bei dem Elfen gesehen hat! Natürlich! Vielleicht weiß der Junge etwas. Harry wendet erneut den Wagen und versucht nun mit etwas mehr Geschwindigkeit hinter dem Teenager her zu kommen. Nach kurzer Fahrt sieht Harry in der Ferne, dass auch die alkoholisierten Jugendlichen auf den Jungen aufmerksam geworden sind und ihn anpöbeln. Das geht Harry zu weit. Er fährt nun langsam auf die Gruppe zu, weil er Angst hat, jemand könnt den Jungen auf die Straße und vor sein Auto schubsen. Er sieht, wie die Kerle an dem Rucksack herumreißen und sich dort plötzlich etwas löst. Ein Bündel aus rot, weiß und grün fliegt durch die Luft und landet in einem Schneehaufen neben der Fahrbahn.
Ohne Vorwarnung wird es rund um den Schneehaufen plötzlich hell. Harry tritt geblendet auf die Bremse und bringt sein Fahrzeug nach kurzem Schlingern zum Stehen. Durch seine zusammengekniffenen Augen hört er es früher als er es sieht. Louis läuft, fluchend wie ein Rohrspatz, rückwärts auf die Straße und beschießt die Jugendlichen mit einem Schneeball nach dem anderen. Die Jungs sind genauso perplex wie Harry, der mit offenem Mund hinter dem Steuer seines Wagens sitzt und die Welt nicht mehr versteht. Als Louis am Fahrzeug ankommt, dreht er sich schwungvoll um, legt den Kopf schief und grinst Harry durch die Frontscheibe an. „Du kommst grade rechtzeitig! Nimmst du mich mit?" Ohne abzuwarten, öffnet er die Beifahrertür und hüpft vergnügt ins Auto.
Mit offenem Mund und großen Augen schaut Harry entgeistert zu Louis. „Kneif mich einer", murmelt er. Louis grinst nur schief und drückt ihm stattdessen mit einem „Da weiß ich was Besseres" einen sanften Kuss auf die Lippen.
„Lou, du bist echt! Du bist wirklich da!" Harry kann es kaum fassen, als er endlich aus seiner Schockstarre erwacht.
„Das bin ich wohl. Santa war mir noch einen kleinen Gefallen schuldig", lacht Louis. „Du scheinst mich ja doch nicht loswerden zu wollen, so wie du auf der Suche nach mir warst."
„Was? Woher?"
„Harry, Baby. Ich bin ein Elf. Ich bekomme alles mit. Auch, dass dein Herz grade einen Hüpfer nach dem anderen macht. Genau wie meines übrigens. Darf ich auch nach dem Heiligen Abend bei dir bleiben?"
„Lou, du bist das beste Geschenk, dass ich jemals bekommen habe. Natürlich bleibst du! Solange du willst!"
„Dann für immer", grinst Louis glücklich.
„Für immer. Das klingt gut... Aber was ist mit dem Jungen, der hier grade angegriffen wurde. Den können wir doch hier nicht einfach seinem Schicksal überlassen", meint Harry mal wieder in großer Rücksichtnahme auf sein Umfeld.
„Schau mal genau hin. Sein Betreuer ist schon bei ihm. Und die Kerle haben sich dank dem Schrecken, den ich ihnen eingejagt habe, auch schon verzogen."
Ein glückliches Seufzen bahnt sich den Weg aus Harrys Brust. „Dann können wir ja jetzt in aller Ruhe unterm Weihnachtsbaum kuscheln."
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