16. Dezember 2020 - 1925

Hello😍

.-.-.-.

»Ich kann das nicht anziehen, Harry. Schau mich doch mal an.« Louis kommt fast schon stampfend aus dem begehbaren Kleiderschrank und stellt sich vor mich. Im Gesicht trägt er eine Miene, die nicht ganz darauf schließen lässt, ob er lachen oder weinen soll. Seine Stirn ist gerunzelt und er lässt die Arme hängen, sodass er aussieht, wie eine Schaufensterpuppe mit Langeweile.

»Wieso nicht? Rot steht dir gut und der Schnitt von dem Anzug ist hervorragend«, sage ich und lege den Kopf in den Nacken, um sicherzugehen, dass sich kein Nasenhaar in den Vordergrund mogelt. Auf einem roten Teppich kann ich sowas gar nicht gebrauchen.

»Aber ich kann mich darin überhaupt nicht bewegen, schau, ich kriege nicht mal die Arme hoch.« Louis streckt die Arme und tatsächlich bekommt er sie maximal auf Brusthöhe.

»Louis, das ist ein Anzug aus Leinenstoff mit gestärkten Polstern und straffen Nähten. Der ist auch nicht dazu da, um damit Sport zu machen. Du musst die Arme darin nicht heben können«, sage ich grinsend und mein Verlobter lässt die Arme wieder sinken.

»Und, wenn wir auf der Flucht vor Fotografen irgendwo runterklettern müssen? Dann werde ich von der Feuerleiter fallen und du wirst dir ein Leben lang Vorwürfe machen, weil du mir zu diesem unpraktischen Ding geraten hast.« Er zupft an dem roten Stoff herum, mustert sich im Spiegel und verschwindet dann wieder im Kleiderschrank. »Aber ich ziehe Turnschuhe dazu an.«

»Turnschuhe? Dein Ernst?«

»Natürlich. Es sind nur vier Grad draußen. Da friere ich mir die Zehen ab, wenn ich in Lederschuhen rumstehen muss«, sagt Louis und ich nicke zustimmend. Wo er Recht hat ... Allerdings kann ich mir das nicht erlauben, habe ich mir doch in den letzten Jahren einen gewissen Stil zugelegt, der elegant und modisch ist. Da kann ich jetzt nicht einfach vom einen auf den anderen Tag in Turnschuhen auftauchen und das auch noch an einer Premiere.

»Wann werden wir denn abgeholt?«, fragt Louis und ich sehe auf die Uhr, die im Wohnzimmer hängt und die ich gerade so von hier aus erkennen kann.

»In einer Stunde.«

»WAS? Ich muss noch meine Haare machen....«

»Das schaffst du schon.« Normalerweise ist Louis nicht so pingelig mit sich selbst. Nicht mal bei der Premiere von 1925 hat er so lange gebraucht - wobei man dazu sagen muss, dass an diesem Tag auch Stylisten vor Ort waren, die ihn hübsch gemacht haben. Aber heute ist nicht nur eine Premiere, bei der wir als Gäste dabei sein werden - nein, heute wird auch der erste öffentliche Auftritt von uns beiden als verlobtes Paar sein.

Verlobt.

Das klingt wunderschön und nach etwas, von dem ich niemals gedacht hätte, dass es einmal meinen Beziehungsstatus beschreiben würde. Aber es ist tatsächlich der Fall. Seit drei Wochen sind Louis und ich verlobt und den Ring, den ich seitdem am Finger trage, muss ich mindestens zweimal am Tag ansehen, um sicher zu sein, dass ich mich nicht geirrt habe.

Ich werde den tollsten Mann der Welt heiraten.

Irgendwann - wenn wir dann mal die Zeit dazu finden. Momentan sind wir nämlich beide bis nächstes Weihnachten ausgebucht. Louis dreht einen TV-Mehrteiler und ich werde wieder einige Monate im Ausland zubringen, um für die Verfilmung eines Romans vor der Kamera zu stehen. Eine Hochzeit zu planen wird also verdammt schwer, also begnüge ich mich erst einmal damit, dass wir verlobt sind. Das ist doch schonmal was. Die Presse hat davon natürlich Wind bekommen, auch wenn nichts bestätigt ist, und das ist vermutlich auch der Grund, weshalb Louis heute so bedacht darauf ist, wie Haare und Kleidung aussehen. Immerhin können wir Gift darauf nehmen, dass uns die Reporter mehrfach befragen werden. Und wer will da schon aussehen, wie ... naja wie sonst.

Daher bin ich es heute, der bereits angezogen im Wohnzimmer auf der Couch sitzt, während mein Verlobter noch immer im Bad mit seinen Haaren kämpft. Die Uhr tickt und tickt und ich ahne schon, dass wir zu spät kommen, da steht ein leicht atemloser Louis vor mir: »Fertig, wir können los.«

Der Wagen fährt gerade vor, als ich die Tür hinter mir abgeschlossen habe. Unsere Wohngegend ist ruhig und es kümmert hier niemanden, dass wir hier wohnen. Die Reporter haben mittlerweile insoweit das Interesse an uns verloren, als dass man uns endlich den Alltag in Ruhe leben lässt, wofür ich sehr dankbar bin. Vor drei Jahren noch, war es mir kaum möglich, das Haus zu verlassen, ohne von Reportern verfolgt zu werden. Aber seit unsere Beziehung öffentlich ist und wir diesbezüglich kein Geheimnis mehr haben, lässt man uns in Ruhe.

Zumindest zum größten Teil.

Heute stehen die Reporter natürlich schon bereits und halten die Kameras im Anschlag, als unser Wagen am Leicester Square vorbeifährt. Dort finden die meisten Filmpremieren in London statt und wir müssen eine Querstraße entfernt aussteigen und die letzten Meter zu Fuß hinter uns bringen.

»Was machen wir mit unseren Jacken?«, fragt Louis und zupft an seinem Mantelkragen. So wollen wir natürlich nicht auf dem roten Teppich erscheinen, sonst hätten wir uns schließlich nicht so in Schale werfen müssen.

»Ich glaube, es gibt draußen einen kurzen Foto-Stop und dann nimmt man uns drinnen die Jacken ab, damit wir da vor dem Kinoplakat posieren können«, sage ich und recke den Hals, um einen Blick auf die Menschenansammlung vor dem Kino zu erhaschen.

»Gut, sonst hätte ich mich umsonst in diesen Anzug gezwängt.«

Wir betreten den Bereich für die Gäste, melden uns an einer provisorisch aufgebauten Rezeption unter einem Pavillon an und bekommen Armbänder, die uns als Gäste kennzeichnen. Bereits beim Umdrehen haben uns die ersten Leute gesehen und wildes Winken und Rufen empfängt uns: »Harry! Louis! Steht ihr kurz für einige Fragen bereit?«

»Natürlich«, sagt Louis grinsend und tritt an die Reporter heran. Er greift nach meiner Hand und zieht mich mit sich an das Gitter, hinter dem die Reporter warten und uns gespannt musterten. Seit Wochen sind die Klatschspalten voll von Mutmaßungen über unsere Beziehung und die Verlobung und weil wir uns bisher noch nicht persönlich dazu geäußert haben, platzen die Reporter natürlich vor Neugier.

»Sie sehen sehr glücklich aus, Harry«, sagt eine Reporterin laut über den Lärm der Umstehenden hinweg und hält uns ein Mikrophon hin.

»Das sollte er auch«, sagt Louis grinsend und legt den Kopf schief. »Immerhin ist er mit mir zusammen. Oh, das klang jetzt eingebildet.«

»Aber du hast recht«, sage ich und sehe meinen Verlobten an. Ich muss daran denken, wie nervös er bei unseren ersten Interviews war und wie gut er sich entwickelt hat. Er bewegt sich so selbstsicher auf dem roten Teppich, als hätte er sein Leben lang nichts anderes getan. »Wir sind sehr glücklich«, sage ich zur Reporterin, die begeistert nickt.

»Liegt das nur an der Vorweihnachtszeit oder auch daran, dass Sie sich verlobt haben? Zumindest sind ja Gerüchte im Umlauf...«

»Nun, es ist bald Weihnachten und wir haben heute sicherlich einen schönen Abend bei der Premiere. Wir schaffen es selten, ins Kino zu gehen, daher werden wir den Abend sehr genießen ...«

»Als Partner oder Verlobte?«, hakt sie nach, denn sie schient zu ahnen, dass ich versuche, die Frage zu umschiffen.

»Im Grunde macht es ja fast keinen Unterschied ...«, fange ich an, doch Louis kommt mir zuvor und hält die Hand hoch. Der schmale Ring, den wir beide tragen, fällt bei ihm enorm auf, weil er sonst gar keinen Schmuck trägt, und der Kameramann hält sofort drauf, um den Moment ja nicht zu verpassen.

»Das sieht mir nach einem Statement aus, Louis. Herzlichen Glückwunsch.« Sie strahlt begeistert und ich kann nicht umhin, diese Begeisterung zu erwidern, immerhin wäre ich dumm, wenn ich mich nicht über unsere Verlobung freuen würde.

Und darauf, Louis bald meinen Ehemann nennen zu dürfen. Natürlich unter der Voraussetzung, dass wir einen passenden Termin finden, was bei den anstehenden Projekten alles andere als einfach wird.

Aber das soll uns jetzt nicht kümmern. Wir verabschieden uns von der Reporterin, gehen an einigen Fans vorbei, die uns um Autogramme bitten und Fotos machen wollen und erreichen schließlich die Fotowand. Das Kinoplakat, enorm vergrößert dient als Hintergrund und wir posieren nebeneinander.

»Ich dachte, das geht ohne Mantel«, raunt Louis mir mit zusammengebissenen Zähnen zu.

»Drinnen gibts doch nochmal Fotos. Du wirst dich schon noch in einem schicken Anzug präsentieren können«, antworte ich ebenso leise und lege einen Arm um seine Hüfte, um ihn an mich zu ziehen. Kaum ist das passiert, werden die Blitze der Kameras mehr und wir wenden unseren gewohnten Ablauf an, damit wir auch gleichzeitig in die richtige Richtung blicken.

Von links nach rechts den Kopf drehen und das langsam genug, damit alle ein Bild bekommen können. Das haben wir uns vor Jahren einmal so ausgedacht, denn nachdem bei einer Veranstaltung nur Bilder aufgetaucht sind, auf denen wir dauernd in entgegengesetzte Richtungen blicken und die Presse schon vermutete, ob sich unsere Wege wohl trennen, mussten wir uns etwas überlegen.

Dieser Kniff funktionierte bisher immer gut und als wir halb blind von den Blitzen zum Eingang des Kinos gehen, nehme ich Louis' Hand wieder in meine. Seine Finger sind kalt, was bei diesen Temperaturen kein Wunder ist, und ich schiebe seine Hand in meine Manteltasche.

»Du bist ja süß«, flüstert Louis gerührt und drückt sachte meine Hand.

»Du hast kalte Hände, soll ich zulassen, dass dir die Finger abfallen?«

»Stimmt, das wäre dumm, dann könnte ich es dir gar nicht mehr mit der Hand machen«, antwortet er nachdenklich und ich starre ihn kurz halb geschockt, halb amüsiert an. So einen Spruch, und das auch noch auf dem roten Teppich, hat er noch nie gebracht. »Was ist? Hab ich was Falsches gesagt, Mr Styles?«, fragt er unschuldig und schlüpft langsam aus seinem Mantel, den wir am Eingang abgeben können. Er zieht den Mantel absichtlich so langsam aus, das weiß ich genau und auch, dass er den Rücken dabei kurz ziemlich durchdrückt, ist pure Willkür.

Rasch gebe ich meinen Mantel ebenfalls ab und ziehe meinen Verlobten an mich.

»Du weißt ganz genau, dass du gerade ein nicht jugendfreies Kopfkino bei mir ausgelöst hast.« Wir werden auf den roten Teppich im Inneren des Foyers gebeten, doch ich habe kaum Augen für die Fotografen. Louis reizt mich nur mit leisen Worten und ich kann den Blick nicht von ihm nehmen. Schade, dass wir noch den ganzen Film vor uns haben, bevor wir wieder alleine sind.

»Kann ich da was für, wenn du sofort an Sex denkst?«

»Das geht bei dir überhaupt nicht anders. Allein bei dem Anzug, den du heute anhast, würde ich am Liebsten...«

»Was, Harry? Was würdest du?«

Ich küsse ihn. Lange und ehrlich und es wird auf Bildern festgehalten. Natürlich.

Doch es ist mir egal, denn so schaffe ich es wenigstens für einen Moment, meine Erregung zu kontrollieren. Zumindest lange genug, bis wir eine der Toiletten erreichen, die ein wenig abseits des Trubels liegen.

»Du weißt, dass wir in der Öffentlichkeit sind«, sagt Louis vorsichtshalber, als wir den Vorraum betreten und ich unter den Türen der Kabinen nach anderen Toilettennutzern Ausschau halte.

»Ja, aber ich kann jetzt nicht einfach so in den Kinosaal...«, sage ich und zerre die letzte Kabine auf. »Los, rein mit dir.«

»In die Kabine oder woanders rein?«, fragt Louis so unschuldig, dass ich gar nichts mehr sagen kann. Stattdessen schiebe ich ihn vor mir her und presse ihn gegen die Wand, sobald die Tür hinter uns zugefallen ist.

»Oh, das haben wir lange nicht gemacht«, stellt mein Verlobter fest und lässt sich in einen Kuss verwickeln, der so gierig ist, wie schon lange nicht mehr. Mit den Händen nestele ich am Verschluss meine Hose herum und schiebe sie nach unten. Louis weiß genau, dass ich aufgrund meiner Vorgeschichte niemals einen Blowjob in einer öffentlichen Toilette geben könnte, sonst käme das Erlebte von Silvester sofort wieder hoch. Aber ihn hindert es nicht daran, das zu tun und so geht er langsam vor mir in die Hocke.

»Ich muss ein bisschen auf deinen Anzug aufpassen. Verräterische Flecken wollen wir uns ja sicherlich nicht erlauben, oder?«, haucht er und befreit mich vom letzten Stück Stoff.

Es gibt keine Flecken. Zum Glück, denn das wäre eine Schlagzeile, auf die ich nicht sonderlich scharf wäre. Auch bemerkt uns niemand, als wir uns kurze Zeit später Hand in Hand unter die anderen Gäste mischen, die im Foyer ein Glas Sekt genießen und Häppchen von kleinen Tellern essen, während wir darauf warten, dass man uns in den Kinosaal lässt.

Im Vorbeigehen greife ich mir zwei Sektflöten, drücke Louis eine davon in die Hand und sehe ihn verliebt an. Ich habe einfach den besten Mann der Welt.

»Du siehst glücklich aus«, stellt Louis fest und erwidert meinen Blick strahlend.

»Das bin ich, das kannst du mir glauben. Das vergangene Jahr war so schön mit dir und es wird nie langweilig. Dafür bin ich dir sehr dankbar.«

»Oh, warte nur, bis wir verheiratet sind, dann wirds öde«, kichert Louis, doch ich schüttele den Kopf: »Nein, wird es sicher nicht. Mit dir ist jeder Tag spannend und ich freue mich auf das nächste Jahr. Ich liebe dich, Louis.«

Mit einem hellen Ton stoßen unsere Gläser aneinander und wir trinken einen Schluck des kalten, prickelnden Champagners.

»Fröhliche Weihnachten«, sagt Louis leise und zieht mich in einen Kuss.

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