4. Akt
Hallo ihr Lieben,
hier noch der vierte und letzte Teil dieser kleinen Geschichte.
Wir hoffen, es hat euch gefallen :)
***
Harry.
Meine Tränen verschleiern mir das Sichtfeld, als ich wieder ins Auto steige und losfahre. Meine Gedanken rasen so sehr, dass ich keine Ahnung habe wo ich eigentlich hinfahre. Ich komme mir so, so dumm vor. Wie habe ich auch nur eine Sekunde glauben können, das sich wirklich etwas geändert hat? Louis ist immer noch Louis. Der Louis, der Schwierigkeiten hat, sich seine Gefühle einzugestehen. Und ich bin immer noch der gleiche Harry, der viel zu impulsiv reagiert und nur das sieht, was er sehen will. Es ist nicht das erste Mal, dass unsere Wege sich aufgrund dieser Fehler trennen, genaugenommen hat unsere Beziehung das erste Mal auch so geendet. Wir machen einfach immer die selben Fehler, wir lernen es wohl nie. Es hupt hinter mir und ich schrecke aus meinen Gedanken hoch. Ich fahre viel zu langsam, der Typ im Nebenauto zeigt mir noch eine rüde Geste, bevor er an mir vorbeirauscht. Wo bin ich überhaupt? Ich wische mir die Tränenspuren von den Wangen und konzentriere mich auf mein Umfeld. Vor mir liegt eine lange Straße, die mir auf den ersten Blick unbekannt ist. Das es schon längst dunkel draußen ist, macht die Orientierung nicht leichter. Und als wäre dieser Tag, nicht sowieso schon auf die schlimmste Art und Weise geendet, verabschiedet sich jetzt auch noch mein Handyakku und damit meine Chance meine Adresse in ein Navi einzutippen. Also tue ich das einzig vernünftige. Ich halte am Straßenrand an, steige aus und lasse meinen Tränen freien Lauf. Jetzt stehe ich hier also - mitten im nachtdunklen Nirgendwo an einem kalten Dezemberabend, ohne Handy, ohne Orientierung und dann auch noch mit gebrochendem Herzen. Ich weiß nicht, wie lange ich an meinem Auto lehne, meine Hände sind schon nach gefühlten Sekunden durchgefroren und die Kälte kriecht auch durch meine Hose und unter meinen Pullover.
Irgendwann habe ich dann doch einen vernünftigen Gedanken: Hier draußen draufgehen will ich nicht, also reiße ich mich zusammen und steige wieder ins Auto. Vielleicht sollte ich einfach umdrehen und hoffen, dass ich wieder da rauskomme, wo ich hergekommen bin? Aber was wenn ich dann wieder vor Louis' Haustür lande? Scheint unwahrscheinlich zu sein, aber ich will es trotzdem nicht riskieren. Also fahre ich weiter die lange Straße entlang und versuche zu erkennen, wo genau ich mich befinde und ob ich irgendwas wiedererkenne.
Eine Zeit lang passiert gar nichts. Ich fahre und meine Umgebung bleibt weiter dunkel und nichtssagend. Als ich schon wieder in dunkle Erinnerungen falle, passiert doch etwas. Vor meinen Scheinwerfern taucht eine Kreuzung auf. Ein Weg führt nach links, einer nach rechts. Ich muss laut auflachen, über die Art und Weise wie mein Leben mir diese Metaphern quasi vor die Füße schmeißt. Ich halte wieder an, zu groß fühlt sich diese Entscheidung an. Ich stelle mich an die linke Straße und sehe in der Ferne schon die ersten Lichter einer Stadt leuchten, was mich unheimlich beruhigt. Dort wird die Beschilderung besser sein, vielleicht kann ich auch jemanden fragen oder mein Handy aufladen. Dann stelle ich mich an die rechte Straße. Das große, dunkle Nichts lauert dort. Nicht sehr einladend. Ich habe meine Entscheidung getroffen und will mich gerade umdrehen, da leuchtet etwas am Himmel auf. Ich blinzele. Es ist so schnell weg, wie es gekommen ist, aber. War das wirklich eine Sternschnuppe oder nur eine Sinnestäuschung meines Gehirns? Eine Weile stehe ich noch da und starre auf die Stelle, auch wenn ich genau weiß, dass eine Sternschnuppe nicht einfach wiederkommt, nur weil man das gerne so hätte. Es gibt nur einen Wunsch, den ich habe. Ich will wieder nach Hause kommen.
Die nächsten Tage vergehen langsam. Nachts kann ich nicht schlafen und durch die Tage schleppe ich mich nur. Ich kann nicht aufhören an Louis zu denken und starre in jeder freien Minute auf mein Handy, mit der Hoffnung das er sich meldet. Gleichzeitig debattiere ich mit mir selber, ob ich ihn nicht vielleicht nochmal anrufen sollte. Oder eine kurze Nachricht? Ich kann mich nicht dazu durchringen und der Tag unseres geplanten Abflugs rückt näher und näher. "Ich habe noch eine Anfrage reinbekommen..." sagt mein Manager, aber ich schüttle nur den Kopf. "Ich brauche wirklich Urlaub, die Tage nehme ich mir frei auch wenn..." Ich stocke, mein Manager senkt den Kopf. Wir wissen beide, dass ich den Satz eigentlich mit "auch wenn ich diese Tage nicht mit Louis verbringen werde." Beenden wollte. Dann ist es soweit. Als mein Wecker klingelt ziehe ich mir die Decke über den Kopf. Das ist mein Plan für heute: Mich in Selbstmitleid suhlen und an Louis denken. Hat bis hierhin gut funktioniert, ich finde in meinem müden Kopf sogar noch Erinnerungsfetzen an einen schönen Traum, in dem mein Exfreund die Hauptrolle gespielt hat. Ich versuche die Bilder festzuhalten, aber es gelingt mir nicht. Mit jeder Sekunde werden die Bilder schwächer und schwächer. Mit jeder Anstrengung meinerseits sie vor mein inneres Auge zu holen verblassen sie schneller. Das der Wecker immer noch klingelt, macht es nicht einfacher. Stöhnend schalte ich das nervige Ding aus. Aber auch ohne den Traumlouis, ist nur sein Gesicht in meinem Kopf. Ich kann nicht verhindern, mir vorzustellen, wie es geworden wäre, wenn wir wirklich...die ganzen Gespräche, die wir hätten mit einem Glas Wein vor dem Kamin hätten führen können, den Spaß, den wir gehabt hätten, während wir uns gegenseitig mit Schneebällen abwerfen würden, die warmen Küsse, mit kalten Lippen, die wir hätten tauschen können...
Der Paketbote reißt mich aus den bittersüßen Gedanken und ich quäle mich so schnell es geht nach unten. Als ich die Haustür öffne, kann ich allerdings nicht glauben, wer davor steht. "Ich hoffe, du hast schon gepackt, denn sonst wird es wirklich sehr, sehr knapp." Sagt Louis, als wäre nichts gewesen und sieht mich dabei fragend an. Ich kriege kein Wort heraus. "Ach tut mir leid, es ist eine doofe Idee, ich weiß gar nicht was ich hier mache..." murmelt er entschuldigend vor sich hin und will schon wieder gehen. Aber das kann ich nicht zulassen. "Geh nicht." sage ich leise und greife nach seinem Arm. Unsere Blicke treffen sich.
Louis.
„Ich möchte Sie nicht drängen, aber wenn Sie noch rechtzeitig am Flughafen ankommen wollen, dann sollten sie sich langsam wirklich beeilen." Entschuldigend sieht mich mein Fahrer über den Rückspiegel an und reißt mich so aus meiner Starre. Wir stehen nun schon eine ganze Weile vor Harrys Wohnkomplex. Doch bis jetzt konnte ich mich noch nicht überwinden auszusteigen. Immer wieder schweift mein Blick auf das Haus, das mir Niall als Harrys beschrieben hat. Nach unserer Trennung war Harry wieder zurück in die Stadt gezogen, während ich in unserem gemeinsamen Haus geblieben bin. Ich habe es oft bereut. Die vier Wände haben mich immer wieder an das erinnert, was ich mit Harry hätte haben können. Vielleicht noch immer haben kann...
„Ich-" Tief hole ich Luft und streiche mir mit beiden Händen über das Gesicht. „Sie haben Recht.", murmle ich und meine Stimme klingt dabei ungewohnt dünn. Nervös wische ich also ein letztes Mal meine schwitzigen Handflächen an der Hose ab, bevor ich mit weichen Knien aus dem Wagen steige. Dass ich es ohne umzukippen, zu Harrys Haustüre geschafft habe, grenzt an ein Wunder. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so aufgeregt war. Mein Herz hämmert mir wie verrückt gegen die Brust und mein Puls schwebt ebenfalls in ungesunden Sphären. Außerdem habe ich den ständigen Drang meine Haare aus dem Gesicht zu streichen.
Erneut atme ich einmal tief durch, bevor ich mit zittrigen Fingern auf die Klingel drücke. Es fühlt sich an wie eine halbe Ewigkeit bis Harry endlich die Haustür öffnet. Seine Lippen ziert ein müdes Lächeln. Dieses verrutscht jedoch etwas, als er realisiert, wer vor seiner Tür steht. Seine verstrubelten Haare und auch die Tatsache, dass er kein Shirt trägt, machen deutlich, dass ich ihn wohl gerade aus dem Bett geklingelt habe. Nur zu gut kenne ich diesen Anblick von früher. Meine absurde Hoffnung, dass er mit seinem Koffer auf mich warten würde, fällt wie ein Kartenhaus in sich zusammen.
Mein Mund klappt auf, doch kein einziger Ton verlässt meine Lippen. In den letzten Tagen habe ich diese Situation nicht nur einmal in Gedanken durgespielt. Und jetzt? Alles weg.
Mein Gehirn arbeitet auf Hochtouren. Aber mein Kopf ist leer. Nervös kaue ich auf meiner Unterlippe. Wenn ich nicht bald etwas sage, wird mir Harry mit Sicherheit die Haustüre vor der Nase zuschlagen.
„Ich hoffe, du hast schon gepackt, denn sonst wird es wirklich sehr, sehr knapp.", bringe ich schließlich mager hervor.
Verunsichert hebe ich meinen Blick und sehe Harry an. Ich kann den Ausdruck in seinem Gesicht nicht lesen. Und diese Tatsache lässt mich noch etwas nervöser werden. Früher genügte ein kleiner Seitenblick und ich wusste, was in Harry vorging. Jetzt sehe ich nur ein für Medien geschultes Pokerface und komme mir mit einem Mal so unglaublich dumm vor. Was habe ich erwartet? Bei unserer letzten Begegnung habe ich Harry mehr oder weniger bewusst das Gefühl gegeben, dass ich ihn nicht mehr in meinem Leben haben will und jetzt tue ich so als wäre nichts passiert?
"Ach tut mir leid, es ist eine doofe Idee, ich weiß gar nicht was ich hier mache..." murmle ich leise. Ich hatte meine Chance und habe sie verspielt. Mal wieder. Automatisch mache ich einen Schritt zurück und drehe mich zum Gehen. Ich bin so ein Idiot. Das bittere Gefühl, dass das wohl das endgültige Aus zwischen Harry und mir ist, breitet sich in mir aus. Doch plötzlich spüre ich, wie sich eine Hand auf meinen Arm legt. „Geh nicht.", flüsterte Harry und zieht mich sanft ein Stück zu sich heran. Unsere Blicke treffen sich und augenblicklich werde ich ruhiger. Denn diesen Gesichtsausdruck kenne ich. Und er gibt mir Hoffnung.
Kurze Zeit später sitzen Harry und ich tatsächlich gemeinsam in einem Privatjet, der uns in die Schweiz bringen wird.
Harry hatte mich ohne ein weiteres Wort vor seiner Haustüre stehen gelassen. Und erst als ich dachte, dass ich alles völlig falsch interpretiert habe und doch noch alleine fliegen müsste, kam er fertig angezogen und mit einem Koffer die Treppen heruntergestolpert.
Die Fahrt bis zum Flughafen verlief schweigend und auch jetzt als unser Jet bereits Reisehöhe erreicht hat, haben Harry und ich nur das nötigste miteinander gesprochen. Die Stimmung ist angespannt. Und trotzdem bin ich überglücklich, dass Harry mir genau in diesem Moment tatsächlich gegenübersitzt. Mit einem knappen Lächeln bedanke ich mich bei der etwas zu freundlichen Stewardess für die Getränke und bin froh, als sie sich endlich zurückzieht.
Nervös hebe ich meinen Blick und stelle fest, dass Harry mich ansieht. Vorsichtig lächle ich ihn an und mein Herz macht einen doppelten Salto, als auch seine Mundwinkel etwas nach oben zucken. Diese Geste gibt mir den nötigen Mut, endlich diese unangenehme Stille zu durchbrechen.
„Es tut mir leid.", murmle ich unsicher. Harry reagiert nicht direkt, sondern lehnt sich etwas weiter in seinem Sitz zurück und mustert mich für einen Moment. Angespannt fange ich an meine Hände zu kneten. Ich kann nicht einschätzen, was gerade in Harry vorgeht. Doch alleine die Tatsache, dass er mit mir in dieses Flugzeug gestiegen ist, gibt mir etwas Zuversicht. Trotzdem bleibt diese kleine Angst, dass ich es komplett versaut habe. Ich male mir alle möglichen Horrorszenarien aus, wie es jetzt weitergehen könnte, als sich Harry räuspert und so wieder meine Aufmerksamkeit auf sich zieht.
„Schon gut.", antwortet er ruhig und sieht mir dabei direkt in die Augen. Überrascht schaue ich ihn an.
„W-Was?" Skeptisch studiere ich sein Gesicht und versuche zu erkenne, ob er mich gerade auf den Arm nimmt. Doch der Ausdruck von Ruhe und Sicherheit in seinen Augen lassen keinen Zweifel, dass er seine Worte genau so meint.
„Scheiße, du meinst das wirklich ernst." Ungläubig richte ich mich und fahre mir mit den Händen über das Gesicht.
„Ist das nicht eigentlich gut?" Harry versucht ernst zu bleiben, aber ich erkenne am Zucken seiner Mundwinkel, dass er meine Reaktion sehr amüsant findet. Energisch schüttle ich den Kopf.
„Nein! Also irgendwie schon, aber... Warum verdammt nochmal bist du so ruhig und nicht böse auf mich?" Harrys Verhalten verwirrt mich. Ich sollte mich freuen, aber es fühlt sich falsch an, so als wäre das noch nicht alles. Dieses Gefühl bestätigt sich mit Harrys nächstem Satz.
„Ich war nie sauer, Louis. Ich war enttäuscht." Schmerzhaft zieht sich mein Herz zusammen. Ich wusste es. Das hier ist so viel schlimmer als, wenn er mich einfach anschreien würde. Automatisch lasse meinen Blick aus dem Fenster schweifen. Schon lange haben wir die dicke graue Wolkendecke durchbrochen und vor uns erstreckt sich das endlose blau des Himmels. Die Sonne scheint mir ins Gesicht und alles wirkt so verdammt friedlich. Was für eine Farce. Ich habe Harry verletzt. Mehr als mir bewusst war.
„Love, sieh mich bitte an." Harrys Stimme ist ganz sanft und bei dem Kosenamen macht mein Herz einen kleinen Hüpfer. Er greift über den Tisch nach meiner Hand und verschränkt unsere Finger miteinander. Widerwillig drehe ich mich Harry zu. Aufmunternd lächelt es mich an und streicht mir liebevoll mit seinem Daumen über den Handrücken.
„Ich war nicht nur von dir enttäuscht. Sondern vielmehr von mir."
„Von dir?" Ungläubig reiße ich meine Augen auf.
„Ich habe dich in die Ecke getrieben. Ich meine, wir waren sieben Jahre lang zusammen. Ich kenne dich und hätte wissen müssen, dass du so reagierst." Fassungslos löse ich meine Hand aus seiner. Das kann unmöglich sein Ernst sein. Immerhin war ich derjenige, der diesen Urlaub gebucht hat. Wenn hier irgendjemand vermeintlich falsche Signale gesendet hat, dann war ich das. Doch dieses Samariterverständnis ist so typisch Harry. Man könnte ihm wahrscheinlich sogar grundlos eine reinhauen und er würde noch immer einen Grund finden, warum es okay ist.
„Harry.", murmle ich leise. „Du hast nichts falsch gemacht." Erneut greife ich nach seiner Hand. „Der Einzige, der sich irgendeinen Vorwurf machen muss, bin ich. Ich hätte dich nie wegschicken dürfen. Du-" Trocken schlucke ich. Die nächsten Worte fallen mir nicht leicht.
„Du hattest Recht. Ich hatte Angst vor meinen Gefühlen. Verdammt noch mal das habe ich immer noch! Aber weißt du warum?" Ohne den Blickkontakt zu lösen, schüttelt Harry langsam den Kopf.
„Ich habe noch nie jemanden so geliebt wie dich, sunshine."
**
Schmunzelnd beobachte ich, wie Harry erfolglos versucht den Kamin in unserem Chalet anzumachen. Draußen hat es begonnen zu schneien und ich sitze fest eingekuschelt mit einer Wolldecke auf dem Sofa.
„Bist du dir sicher, dass du das hinbekommst oder soll ich doch lieber noch ein paar Pullover aus dem Koffer holen?" Neckend grinse ich Harry an und ernte dafür nur einen Mittelfinger. „Ach halt die Klappe."
Lachend nehme ich einen großen Schluck aus meiner Teetasse und lehne mich glücklich zurück. Harry und ich haben den restlichen Flug damit verbracht über alles zu reden. Und mit alles, meine ich auch alles.
Wir wissen beide, welche Fehler wir in unserer letzten Beziehung gemacht haben. Aber wir wissen auch, dass wir aus diesen gelernt und uns weiterentwickelt haben. Niemand kann uns mit Sicherheit sagen, ob das für die Zukunft reichen wird. Doch wir werden es versuchen. Und das ist alles, was zählt.
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