3. Akt
Harry.
Leise summend tanze ich durch meine Küche und versuche gleichzeitig das volle Blech mit den Keksen in den Backofen zu befördern. Es ist nicht das erste Blech, sondern schon das dritte. Geschafft. Eine Drehung, nach der ich nach meinem Handy greife und den Timer auf die richtige Zeit stelle. Noch eine Drehung und ich schnappe mir einen bereits fertigen Keks vom ersten Blech. Lecker! Ich klopfe mir innerlich selber auf die Schulter und kann mir den Gedanken nicht verkneifen das Louis diese Kekse auch wirklich gut schmecken würden. Aber der Geschenkkorb hat ihm sicher auch gefallen, da bin ich mir ganz sicher. Zugegeben, ich bekomme das Grinsen gar nicht mehr aus meinem Gesicht, permanent denke ich an letzte Nacht, an alles was passiert ist und vor allem was noch passieren wird. Ich kann es immer noch nicht richtig glauben, dass wir tatsächlich einen gemeinsamen Urlaub in einer romantischen Schweizer Hütte gebucht haben. Unsere Beziehung war voll mit kleinen Verrücktheiten, aber so spontan sind wir vorher nicht gewesen. Aber genau deswegen ist es genau das was wir jetzt brauchen. Zeit für uns, für den gemeinsamen Neustart. Ich schaue nochmal auf die Nachricht, die ich Louis vorhin geschickt habe, eine Antwort habe ich noch nicht bekommen. Mein klingelens Handy unterbricht meine frohen Gedanken.
"Ja?"
"Immer noch euphorisch vom Preisgewinn gestern Abend?" fragt mein Manager und ich schüttele den Kopf, obwohl ich genau weiß, dass er mich nicht sehen kann.
"Ich habe den gestern den Hauptpreis gewonnen und den habe ich nicht auf der Bühne entgegengenommen." flöte ich grinsend in den Telefonhörer.
"Solange es keine Fotos gibt, soll es mir Recht sein. Können wir dann deine Termine für nächste Woche durchgehen, bei dem Interview am Mittwoch gab es noch eine Änderung, die wollen..."
"Keine Zeit." Unterbreche ich seinen Redeschwall bevor der überhaupt richtig begonnen hat.
"Ich kann später nochmal anrufen, muss eh noch was klären, hab noch wen auf der anderen Leitung."
"Nein, ich meine, ich habe nächste Woche keine Zeit, sag alles ab."
"Haha, sehr witzig. Da hat wohl jemand einen Clown gefrühstückt." Sagt er sarkastisch umso dann geschäftsmäßig weiterzureden. "Also, ich würde ihnen dann sagen, wir kommen um..."
"Ich meins ernst." Unterbreche ich ihn schon wieder.
"Hat sich jemand bei dir gemeldet? Wie oft soll ich den Idioten vom Fernsehen noch sagen, dass solche Angebote über mich abgewickelt werden? Einmal mit Profis arbeiten, das wäre was."
"Hörst du mir jetzt mal zu? Bitte?" frage ich.
Mein Manager seufzt. "Nicht, dass ich Zeit dafür hätte, mein Telefon klingelt schon wieder...aber klar, du bist der Boss. Was gibts?"
"Ich habe nächste Woche keine Zeit für irgendwelche Promotermine, genau genommen habe ich überhaupt keine Zeit. Ich werde ein paar Tage frei nehmen und mit Louis in die Schweiz fliegen."
Schweigen dringt aus meinem Handy. Ich glaube, mein Manager ist sprachlos.
Aber er fängt sich schnell wieder. "Bist du noch betrunken? Ich versteh kein Wort, von dem was du da redest."
"Nochmal zum Mitschreiben? Ich - Harry Styles - bin nächste Woche mit Louis Tomlinson - meinem Ex, aber bald wieder Freund - in der Schweiz und bitte dich - meinen Manager - deswegen alle meine Termine in dieser Zeit abzusagen und neu anzusetzen." diktiere ich extra langsam.
Als ich fertig bin, folgen wieder ein paar Momente Stille. Dann legt mein Manager einfach auf.
Ich kann nicht anders, als laut aufzulachen. Vielleicht sollte ich mir Sorgen machen. Darüber, dass diese Auszeit nicht gut für meine Karriere sein wird und mein Manager mich mal wieder hasst, für alles was ich ihm abverlange. Aber ich kann nicht. Die Vorfreude auf das was kommt ist viel zu groß. Und tief in mir drin weiß ich, dass diese paar Tage so viel wichtiger sind, als jeder Jobtermin es je sein könnte. Gerade als ich denke, wie gut es nach frisch gebackenen Plätzchen riecht, geht mein Timer. Das nächste Blech ist fertig.
Ein paar Stunden später hat mein Manager sich wieder beruhigt und wir haben alles organisatorische besprochen. Jetzt steht dem Abenteuer nichts mehr im Weg. Beschwingt werfe ich ein paar Klamotten in den Kofferraum und mache auch gleich eine Dose mit den frisch gebackenen Keksen voll. Louis hat immer noch nicht auf meine Nachricht, dass ich heute Abend bei ihm vorbeikomme, geantwortet. Aber ich kenne ihn. Nachricht gelesen ist in dem Fall eine Zustimmung, bestimmt hat er den Tag im Bett verbracht und seinen Kater auskuriert, da kann man schon mal vergessen zu antworten. Im Radio laufen Weihnachtslieder und ich singe lauthals mit. Noch eine letzte Kurve, dann bin ich da. Die Lichterketten, die sein Haus schmücken leuchten mir entgegen. Ich parke so nah an der Haustür wie ich kann, schnappe mir die Kekse und betätige die Klingel. Die Überwachungskamera dreht sich in meine Richtung, ich winke hinein.
Dann warte ich. Langsam werde ich nervös und verlagere mein Gewicht von einem Bein aufs andere, Kälte kriecht unter meine Kleidung. Ich klingele nochmal. Die Kamera ist immer noch direkt auf mich gerichtet. "Lou, jetzt mach auf. Ich hab den Weihnachtspulli dabei den du früher so gerne getragen hast und was gebacken habe ich auch."
Nach ein paar Momenten geht die Tür tatsächlich auf. Lou steht im Türrahmen, aber er lächelt nicht. Ich bin verwirrt. "Ist was passiert, Lou? Alles in Ordnung bei dir?"
"Hast du meine Antwort nicht gesehen oder was soll das werden?"
Jetzt fällt auch mir das Lächeln aus dem Gesicht. Irgendwas stimmt hier ganz und gar nicht. Warum hat er diesen abweisenden Ton? Warum sind seine Arme verschränkt?
Ich greife nach meinem Handy und entdecke tatsächlich eine Antwort. Er hat mir geschrieben, als ich schon unterwegs war, die Nachricht mit seiner Absage ist keine 15 Minuten alt.
"Ist das dein Ernst?" frage ich verunsichert.
"Das gleiche könnte ich dich fragen." Erwidert er und guckt auf die Keksdose in meiner Hand. "Wir haben uns jahrelang nicht gesehen und jetzt stehst du einfach vor meiner Tür?"
"Ich...aber..." Ich kann es nicht mal aussprechen. Was ist mit letzter Nacht? Was ist mit dem gebuchten Urlaub? Was ist mit dem Knistern zwischen uns, das habe ich mir doch nicht eingebildet? Alle meine Hoffnungen brechen klirrend zusammen. Ich starre Louis an und erkenne an seinem Blick, dass er jedes Wort verdammt ernst meint. Ich bin ein Idiot. Ein verdammter Idiot, der dachte, dass wir beide noch eine Chance haben würden, einfach weil ich nichts mehr wollte als das. Wie sehr man sich täuschen kann.
Louis.
"Wir haben uns jahrelang nicht gesehen und jetzt stehst du einfach vor meiner Tür?" Mein Herz schlägt mir bis zum Hals, als ich diese Worte ausspreche. Es kostet mich eine menge Kraft diesen Satz mit so einer Überzeugung rüberzubringen, obwohl es in mir drinnen ganz anders aussieht. Noch immer weiß ich nicht, was ich von dieser ganzen Situation halten soll. Ich habe mir Harrys Nachricht vermutlich hundertmal durchgelesen, unfähig dabei einen klaren Gedanken zu fassen, geschweige denn eine Antwort zu tippen. Erst wenige Minuten bevor Harry hier vor meiner Haustür aufgetaucht ist, konnte ich mich dazu durchringen ihm abzusagen. Es hat mich mächtig Überwindung gekostet. Will mein Herz doch etwas ganz anderes als mein Kopf. Und trotzdem weiß ich, dass es die einzig richtige Entscheidung ist, erneut einen Schlussstrich unter das Kapitel Harry Styles zu ziehen. Einen Schlussstrich, von dem ich mir gerade nicht wirklich sicher bin, ob er in den vergangenen Jahren je gezogen wurde.
"Ich...aber..." Harrys Stimme bricht und damit auch ein klein wenig mein Herz. Stumm beobachte ich, wie mein Ex-Freund sich von mir Weg dreht. Es wäre der perfekte Moment, um einfach die Türe zu schließen, aber irgendetwas hält mich auf. Doch schon wenige Sekunden später wünsche ich mir, dass ich genau das getan hätte.
„Also ist es das? Unser Ende?" Harrys grüne Augen fixieren mich mit traurigem Blick und es ist nicht zu übersehen, dass er mit den Tränen kämpft. Es tut weh ihn so zu sehen. Am liebsten würde ich einen Schritt auf ihn zu gehen, ihn fest in meine Arme schließen und ihm zuflüstern, dass alles gut werden wird. Doch ich kann es nicht, es würde alles nur noch komplizierter machen.
Fest presse ich meine Lippen aufeinander, bevor ich mich dazu zwinge zu nicken. Mehr traue ich meinem Körper gerade nicht zu. Für einen Augenblick sehen wir uns einfach nur an, bis Harry letztlich den Augenkontakt unterbricht.
„Verstehe." Die Worte sind nicht mehr als ein Flüstern und doch fühlt es sich an, als würde mich Harry anschreien. Mit zitternden Händen legt Harry die Keksdose und den Weihnachtspulli auf die schmale Treppe, die uns voneinander trennt und wendet sich dann zum Gehen.
Ein schmerzhafter Stich breitet sich in meiner Brust aus und trotzdem bleibe ich still. Ich beobachte die Szene als wäre es ein Film. Ein Film, in dem ich nicht eine der beiden Hauptrollen spiele.
Harry ist gerade dabei die Fahrertür seines Autos zu öffnen, als er sich noch einmal zu mir umdreht.
„Ich war mir nach gestern so sicher, dass da noch etwas zwischen uns ist. Ich bin es immer noch." Der Tonfall in Harrys Stimme hat sich verändert. Er klingt plötzlich wütend. „Aber weißt du was ich glaube, Louis? Du hast Angst, Angst vor deinen Gefühlen. Hattest du schon immer." Ohne ein weiteres Wort steigt Harry in seinen Wagen und startet den Motor.
Stumm mustert mich Lisa, als wir wenig später gemeinsam bei mir im Wohnzimmer sitzen. Ihr versteinerter Blick lässt mich unwohl auf dem Sofa hin und her rutschen. Die Tränen laufen mir seit Harrys Abgang unaufhörlich über die Wangen und ich kann nichts dagegen tun, dass ich mich elend fühle. Doch meine Managerin hat kein Erbarmen.
„Also noch einmal als Kurzfassung: Du hast gestern im Vollsuff eine romantische Berghütte in der Schweiz für dich und Harry gebucht." Leicht nicke ich. Tief holt Lisa Luft und fährt dann kopfschüttelnd fort.
„Letztere hat dir daraufhin einen Präsentkorb geschickt. Stand heute wahrscheinlich den ganzen Tag in der Küche, um deine Lieblingskekse zu backen und taucht dann mit diesen bei dir vor der Haustüre auf." Laut schluchze ich auf.
„Du hast ihn dann weggeschickt, Harry schmeißt dir an den Kopf, dass du Angst vor deinen Gefühlen hast und jetzt sitzt du in besagtem Weihnachtspulli hier und heulst dir seit einer Stunde die Augen aus dem Kopf." Beschämt vergrabe ich mein Gesicht in meinen Händen. Das Ganze noch einmal so erbarmungslos auf den Punkt gebracht zu hören, tut weh.
„Du bist ein Idiot!" Ungläubig reiße ich meine Augen auf und sehe meine Managerin vorwurfsvoll an.
„Na danke auch." Meine Stimme ist von dem ganzen Geheule ungewohnt rau.
„Tut mir Leid, love. Aber irgendjemand muss dir die Augen öffnen." Lisa sieht mich mitleidig an und rutscht etwas näher an mich heran. Kurz darauf zieht sie mich endlich in eine tröstende Umarmung und streicht mir beruhigend über den Rücken. Fest drücke ich mich an sie und bin in diesem Moment trotz ihrer harten Worte froh, dass sie hier ist.
„Ich weiß, es ist das letzte was du gerade hören willst, aber ich glaube, Harry hat Recht." Sie drück mich ein kleines Stück von sich weg und streicht mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Du hast Angst vor deinen Gefühlen. Du liebst ihn noch."
„I-Ich-" Ich will ihr widersprechen, doch ich kann es nicht. Tief in mir drin weiß ich, dass sie Recht hat. Und auch Harry. Die Erkenntnis trifft mich wie ein Blitz, der sich schonungslos seinen Weg durch meinen Körper sucht.
„Fuck!" Ich lasse meinen Kopf gegen ihre Schulter sinken und versuche den erneut aufkommenden Heulkrampf zu unterdrücken. Lisa verstärkt ihren Griff und hält mich einfach nur fest. Beruhigend wiegt sie mich hin und her und streicht mir immer wieder über den Kopf. Unter normalen Umständen wäre es mir peinlich, dass sie mich so sieht. Doch jetzt bin ich einfach nur dankbar, dass sie für mich da ist und mich nicht verurteilt. Es dauert eine ganze Weile, bis ich mich wieder einigermaßen beruhigt habe und mich langsam aus Lisas Umarmung löse. Mit verheulten Augen schaue ich sie an und frage mit brüchiger Stimme:
„Und was mache ich jetzt?" Meine Managerin lächelt mich aufmunternd an und streicht mir mit ihrem Daumen eine letzte Träne aus dem Gesicht.
„Ich glaube, das weißt du selbst ganz genau."
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