Überraschungen und Höhenangst

15:

"Es ist eine Überraschung, also werde ich dir auch nicht sagen, wohin wir fahren.", sagte Louis laut und drehte die Lautstärke der Musik im Auto hoch. Ich verdrehte die Augen und lehnte mich im Sitz zurück. Wenn Louis etwas sagte, dann meinte er das auch so und es bestand keine Chance, dass er jetzt etwas erzählen würde. Egal, wie sehr ich betteln und bitten würde.

"Bitte?", versuchte ich es noch ein letztes Mal, doch Louis drehte sich nicht einmal zu mir um.
Schmollend drehte ich mich zur Seite und starrte aus dem Fenster. Ich war noch nie in dieser Gegend gewesen, also konnte mir die Landschaft auch keinen Tipp geben, wohin wir fuhren.

Oh wie ich Überraschungen hasste. Meistens war es dann auch noch so, das man sich total auf etwas freute und dann sowieso nur enttäuscht wurde. Also freute ich mich erst gar nicht. Es war besser so.
Aber Louis schien das nicht zu kapieren. Er versuchte es immer wieder, wollte mich vom Gegenteil überzeugen, dass Überraschungen echt toll waren. Bis jetzt hatte er es noch nicht geschafft und ich war mir auch sicher, dass er es nie schaffen würde.

"Kannst du mir wenigstens sagen, wie lange wir noch fahren?", fragte ich nach und Louis seufzte. "Nur mehr eine Viertelstunde. Du wirst das schon aushalten, Hazza."

Zum wiederholten Mal verdrehte ich die Augen, war aber auch erleichtert, weil ich nur mehr fünfzehn Minuten in dem Auto sitzen musste. "Dir ist aber sicher klar, dass du mir viel mehr Freude machen könntest, wenn du mir einfach sagst, wo wir hin fahren?"

Hoffnungsvoll spähte ich zu Lou hinüber, doch der wirkte nur genervt. Er atmete pfeifend aus und fuhr an den Straßenrand. Dort schaltete er den Motor aus und die Musik starb ab. Auf einmal war es drückend still, zumindest so lange, bis Louis sich zu mir drehte und anfing zu reden.

"Jetzt hör mal zu, Harry. Ich weiß, dass wir heute seit einem Jahr zusammen sind und ich weiß auch, dass du Überraschungen nicht magst. Aber ich hab es dir schon mal erklärt, Überraschungen können auch positiv sein und du magst sie nur deshalb nicht, weil du dir einbildest, dass alles was auch nur irgendwie mit Überraschungen zusammen hängt, scheiße ist. Ich will dir zeigen, dass es auch anders geht, aber dazu musst du einfach mal fünfzehn Minuten den Mund halten und warten."

Meine Augen wurden riesig. Hatte Louis das gerade wirklich gesagt? Hatte er mich gerade fast angeschrien? Heute? An unserem Tag?

Tränen stiegen in meine Augen, doch ich ließ sie nicht überlaufen. Stattdessen drehte ich mich von meinem Freund weg und starrte aus dem Fenster. Ich wusste, dass er irgendwie recht hatte, aber ich konnte mir nicht helfen. Zu oft war ich enttäuscht worden. Jedes Mal war mir eine Überraschung versprochen worden und die bekam ich auch, allerdings nicht so, wie ich mir sie gewünscht hatte. Dinge, die ich hasste, Schläge. Ich war schon mit allem möglichen 'überrascht' worden.

Louis wusste davon nichts, er wusste nur, dass ich Überraschungen nicht mochte. Ich fand es süß von ihm, dass er immer wieder versuchte, mich vom Gegenteil zu überzeugen, aber er würde es nicht schaffen, egal, wie lange er es probierte.

"Nein, ich hab einen anderen Grund, warum ich Überraschungen nicht mag.", murmelte ich leise, doch Louis hörte es. "Achja, und der wäre?"

Ich konnte es ihm einfach nicht sagen. Stattdessen ließ ich meinen Blick über die Landschaft schweifen. Es war nicht so, dass ich glaubte, Louis würde mir jemals weh tun. Ich konnte nur dieses ungute Gefühl nie überwinden, egal, wie sehr ich mich bemühte.

Ich hörte ihn aufseufzen und wünschte mir nichts sehnlicher, als den Mut aufzubringen und ihm zu sagen, warum ich Überraschungen hasste, doch ich konnte es nicht.

Vorsichtig schloss ich meine Augen und versuhte mich zu beruhigen. Ich würde es aushalten, für Louis.

Die Musik drang langsam durch meine aufgewühlten Gedanken zu mir durch und ich erkannte Christina Perris 'Human'. Wie sehr dieses Lied nur passte. Wenn ich nur die Stärke besaß, Louis alles zu erzählen. Aber ich hatte sie nicht, ich war auch nur ein Mensch.

Nach einer Viertelstunde stoppte Louis das Auto an einer Straßenseite neben einem kleinen Gebäude. Wir waren oben auf einem ziemlich hohen Hügel, eher ein Berg. Louis stieg aus und joggte um das Auto herum, um mir die Tür zu öffnen. Ich wusste, dass er nicht böse auf mich war, sondern nur genervt von meiner Quängelei. Er konnte mir nicht böse sein.
Ich schenkte ihm ein entschuldigendes Lächeln und er erwiderte es. Dann streckte er mir seine Hand entgegen und ich legte meine in die seine.

Er führte mich in das Gebäude hinein und ein Mann kam auf uns zu. Er war ungefähr fünfunddreißig und trug eine verwaschene Jeans und ein einfärbiges T-Shirt.

"Herzlich willkommen, ich bin Luc Belington. Sie sind sicher Mr Tomlinson.", wandte er sich an Louis. Dieser nickte und schüttelte dem Mann die Hand.

"Lou, was machen wir hier?", fragte ich leise. Er grinste nur und sagte dann: "Das wird uns Mr Belington gleich erklären." Ich schaute ihn verwirrt an. Was zum Teufel meinte er?

"Luc, bitte.", verbesserte der Mann meinen Freund.
"Na dann, kommt mal mit."

Noch immer Hand in Hand gingen wir Luc nach. Er führte uns zu einer großen Tür und als wir hindurch gingen, standen wir auf der Spitze des Berges. In der Wiese lag ein großes Stück Stoff, aber ich konnte zuerst nicht genau erkennen, was das sein sollte.

"Was..?", fragte ich leise, ohne meinen Satz zu beenden. Dann begriff ich, was da riesiges vor uns lag.

"Paragleiten?", stieß ich ungläubig hervor. Louis lächelte mich an und nickte. Verdammt, dass er heute ausgerechnet meine zwei schlimmsten Ängste aufdecken musste. Überraschungen und Höhenangst. Von beidem hatte er keine Ahnung.

Ich schluckte. Ich konnte ihm doch jetzt nicht einfach sagen, dass ich Höhenangst hatte. Er hatte das extra für mich geplant. Also lächelte ich - oder ich versuchte es zumindest - und fragte dann: "Wann gehts los?"

"Jetzt gleich.", antwortete Louis und ich konnte ihm ansehen, dass er Spaß hatte. "Danke.", flüsterte ich leise in sein Ohr, als ich ihn umarmte. Ich würde es für Louis aushalten. Vielleicht war es ja nicht einmal so schlimm.

Luc half mir und Louis beim Festgurten. "Man kann mit diesem Ding zu zweit fliegen?", fragte ich unsicher nach. Der Mann nickte nur und zog die letzten Gurte fest. Louis saß/stand hinter mir. (Es war nicht wirklich sitzen, aber auch kein stehen mehr.)

Als ich realisierte, dass Luc nicht mitfliegen würde, bekam ich es etwas mit der Panik zu tun. "Kannst du das überhaupt?", fragte ich Louis, heftig schluckend. Dieser lachte und meinte: "Natürlich weiß ich, wie das geht. Ich würde dich niemals absichtlich einer Gefahr aussetzen."

Das Blut rauschte in meinen Ohren und während Luc Louis noch einmal kurz erklärte, wie man am besten landete, suchte ich noch immer nach einem Fluchtweg - vergeblich.

"Wir werden jetzt dann den Berg hinunterlaufen und dieses Ding wird uns in die Luft ziehen, okay?", fragte Louis und ich wusste, er erzählte mir das, um mich zu beruhigen, dass ich wusste, was ich tun sollte. Ich nickte und war einfach nur froh, dass er hinter mir war und mein Gesicht nicht sehen konnte. Wahrscheinlich war ich ganz grün.
"Okay.", murmelte ich leise.

Dann begann Louis zu laufen. Ich spürte seine Bewegungen an meinen Beinen und konnte nicht anders als mitzulaufen. Angst durchflutete meinen Körper und könnte ich nicht Louis an meiner Seite fühlen, hätte ich schon lange zum Schreien und Weinen angefangen.

Dann fuhr auf einmal ein Windstoß durch den Stoff und mit einem kleinen Ruck verschwand der Boden unter meinen Füßen. Ich krallte meine Finger in die Gurte und presste die Zähne aufeinander um nicht aufzuschreien.

Louis musste meine Anspannung bemerkt haben, denn er legte mir eine Hand auf die Schulter und drückte sie leicht. "Entspann dich, es wird nichts passieren.", beruhigte er mich mit leiser Stimme.

"Lou, ich sollte dir was sagen.", fing ich an leise zu reden und als uns eine Windböe etwas ins Schwanken brachte, entfuhr mir ein kleiner Laut des Erschreckens. Sanft malte Louis kleine Kreise auf meine Schulter und fragte nach: "Was ist denn?"

"Ich hab Höhenangst.", stieß ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
"Du hast was?", fragte Louis lauter, ich konnte Unglauben und Besorgnis aus seiner Stimme heraus hören.

"Höhenangst.", wiederholte ich.

"Scheiße", fluchte er. "Warum hast du das nicht vorher gesagt? Wir hätten auch was anderes machen können."
Er strich mit seiner Hand über meinen Oberarm und versuchte mich von der Höhe abzulenken.

"Weil du das extra geplant hast und ich wollte dir das nicht kaputt machen.", antwortete ich auf seine Frage. Mein Blick klebte auf den Bäumen, die unter uns dahin glitten. Ich konnte nicht sagen, wie hoch wir in der Luft waren, aber es war sehr hoch.

"Du Dummkopf. Es ist doch viel wichtiger, ob es dir gut geht.", schimpfte mich Louis mit besorgter Stimme. Dann atmete er tief durch und drückte sich von hinten an mich heran.

"Okay, ich bin genau hier, hinter dir. Und ich werde dich nicht alleine lassen. Wir stehen das gemeinsam durch." Sanft drückte er seine Lippen auf die nackte Haut in meinem Nacken. Es verfehlte seine Wirkung kein bisschen. Ich lehnte mich an ihn und schloss die Augen. Dann atmete ich tief durch und konzentrierte mich nur auf ihn. Louis.
Wie sich sein Körper an meinen gedrängt anfühlte.
Wie er mit seinem Daumen kleine Muster auf meinen Oberarm malte.
Wie er zarte Küsse auf meinen Nacken und Hals drückte.
Sein Geruch.
Louis.

Langsam entspannte ich mich und ich öffnete meine Augen wieder. Dieses Mal war ich darauf vorbereitet, was mich erwarten würde. Ich sah Wolken und Vögel an uns vorbei rauschen und wenn ich meinen Blick senkte, konnte ich vereinzelte Bäume erkennen. Mit Louis an meiner Seite fühlte ich mich sicher und ich schaffte es meine Angst zurück zu drängen.

Es war kühl, so hoch oben in der Luft, doch es machte mir nichts aus. Sonnenstrahlen drangen durch die Wolken und glitzerten auf der taufeuchten Oberfläche des Fallschirms.

Wunderschön.

Ich sah mich um und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Dann musste ich lachen und ich konnte hören wie Louis erleichtert ausatmete.

"Alles okay?"

Ich drehte den Kopf in seine Richtung und drückte meine Lippen auf seine, um ihm zu sagen, was ich in Worten nicht ausdrücken konnte. Es war besser als okay, es war perfekt.

Wir glitten durch die Luft, bewunderten die Welt von oben, lachten, tauschten kleine, sanfte Küsse aus und es war als wären wir in einer anderen Welt. Nur wir beide zählten. Es war himmlisch.

Langsam segelten wir tiefer und Louis steuerte uns irgendwie - keine Ahnung, wie er das machte - in kleiner werdenen Kreisen nach unten. Auf einer Wiese landeten wir schließlich und ich fand es fast schade, wieder festen Boden unter meinen Füßen zu spüren.

Geschickt befreite Louis uns von den Gurten und wir sahen Luc auf uns zulaufen. (Er musste mit dem Auto herunter gefahren sein.)
Er legte das riesige Stück Stoff zusammen und wir verabschiedeten uns von ihm.

Dann nahm mich Louis an der Hand und führte mich an der Straße entlang zu einem Weg, der einen Hügel hinauf und zwischen ein paar Bäumen hindurch führte.

"Ich hab noch was für dich.", sagte er fröhlich. "Was?", fragte ich nach.
Noch etwas? Wie lange hatte er das nur geplant?

"Überraschung.", meinte er lachend und zum ersten Mal seit ich begriffen hatte, dass meine Eltern nie etwas schönes für mich machen würden, hatte ich keine Angst vor dem was kam. Ich hatte kein ungutes Gefühl, denn das war Louis.

Ich liebte ihn und er liebte mich. Ich vertraute ihm. Er könnte mir nie weh tun.

Zum ersten Mal freute ich mich auf meine Überraschung.

*****

Da bin ich mal wieder.. (hat ja auch lang genug gedauert) ;)

Ich hab nur leider ziemlich wenig Zeit zum Schreiben, weil ich für die Schule eine 'wissenschaftliche Arbeit' schreiben muss (da sollte man meinen, Ferien heißt keine Schule, aber anscheinend, hab ich da was falsch verstanden..)

Das schlimmste ist ja, dass diese Arbeit für meine Matura (Abitur) zählt und ich hab aber noch zwei Jahre bis dahin 😱

Lehrer... :/

Egal, ich werd so bald wie möglich etwas neues schreiben..

Wie hats euch gefallen?

WIDMUNG: Vampires_and_1D

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