Missbrauchtes Vertrauen
52:
Ich konnte nicht glauben, was ich da sah. Wie hatte es nur so weit kommen können?
Louis und ich waren gemeinsam feiern gegangen - ich hatte meine letzten Prüfungen bestanden und Louis hatte mich deshalb in seinen Lieblingsclub mitgezerrt. Der Abend hatte so wunderbar angefangen, es war lustig gewesen, wir hatten zusammen Spaß gehabt, und auch Alkohol war in rauen Mengen geflossen.
Eigentlich war ich ja nur kurz aufs Klo gegangen, aber als ich zurückgekommen war, war Louis verschwunden. Ich hatte mich umgeschaut, doch ich konnte ihn nirgends entdecken, weder auf der Tanzfläche, noch an der Bar oder an einem Tisch. Stirnrunzelnd hatte ich mir meinen Weg durch die Menschenmassen gebahnt und die Menge nach dem bekannten Braunschopf abgesucht.
Plötzlich war mir ein tanzendes Pärchen aufgefallen. Zwei Jungs, der eine extrem groß mit dunkelbraunen fast schulterlangen Haaren, der andere viel kleiner, hellbraune Haare und ganz offensichtlich die Person nach der ich suchte. Louis.
Geschockt starrte ich auf die Szene, die sich mir bot. Mein Freund tanzte mit einem anderen und wenn ich normalerweise nichts dagegen hatte, wenn Louis einmal mit jemand anders tanzte, dann war das nur, weil ich wusste, dass er immer wieder zu mir kommen würde und dass er mich liebte. Doch das sah nicht auch nur annähernd unschuldig aus!
Der Größere hielt Louis fest an sich gedrückt und ließ ihm praktisch keinen Freiraum. Ich konnte keine Stelle erkennen, an der sie sich nicht berührten, aber es schien auch nicht so, als ob es Louis stören würde. Nein, stattdessen warf dieser gerade lachend seinen Kopf zurück und mir fielen beinahe die Augen aus dem Kopf als ich sah wie Louis begann seinen Körper an dem des Fremden zu reiben. Was sollte das?
Aus irgendeinem Grund war ich wie erstarrt, ich konnte mich einfach nicht wegbewegen und hatte keine Wahl, als dieses Spektakel mit zu verfolgen. Ich ballte meine Hände zu Fäusten als ich sah wie der Fremde diabolisch grinste - zumindest kam mir das Grinsen so falsch und grauenhaft vor, Louis schien es ja zu gefallen - und seine Lippen auf den Hals meines Freundes presste.
Tränen stiegen in meine Augen als ich beobachten musste, wie Louis ihn nicht wegstieß, sondern sogar seine Arme um den Nacken des Riesen schlang. Diese unerträglichen Bilder vor meinen Augen fesselten mich und obwohl ich meine Lider schließen wollte, ich konnte es nicht.
Wieder veränderte sich ihre Position, doch wenn ich vorher gedacht hatte, es könnte nicht schlimmer kommen, dann wusste ich jetzt wie sehr ich mich gettäuscht hatte. Statt an Louis' Hals zu saugen wie ein verdammter Vampir lagen diese Lippen jetzt auf den meines Freundes. Und dieser hatte nichts besseres zu tun als den Kuss zu vertiefen.
Ungläubig sah ich zu wie sie sich küssten. Ich wollte es nicht sehen. Ich wollte Louis nicht so sehen, nicht wenn er so eng umschlungen mit jemand anderem dastand und schon gar nicht, wenn die beiden sich küssten, als hänge ihr Leben davon ab.
Der Fremde ließ seine Küsse wieder Louis' Hals hinunter wandern und ich musste mitansehen wie Louis den Kopf zurückwarf und aufstöhnte. Gehört hatte ich das zwar nicht, aber dieses Gesicht kannte ich nur zu gut. Eine einzige Träne lief über meine Wange nach unten und tropfte auf den Boden. Wie konnte er mir das nur antun? War er denn so unzufrieden und unglücklich mit mir? War ich denn gar nichts wert?
Schluckend verfolgt ich, wie die beiden sich angrinsten. Dann griff der Größere nach Louis' Hand und zog ihn zum Ausgang. Dabei kamen sie an mir vorbei, doch Louis schenkte mir keinen einzigen Blick. Ich fühlte den leichten Luftzug, als sie knapp neben mir vorbei gingen und drehte mich mich um, so dass ich sie gemeinsam den Club verlassen sehen konnte. Dann waren sie weg.
Louis war weg.
Ich spürte nichts. Kein Schmerz, keine Traurigkeit, kein Entsetzen. Alles war weg, ließ mich emotionslos zurück. Ich hatte keine Ahnung, wie ich von hier wegkommen sollte, oder wie ich überhaupt meinen Blick von dem verstörenden Bild vor mir abwenden konnte. Die vielen Gedanken, die zuvor noch in meinem Gehirn herumgeschwirrt waren, verschwanden und ließen eine unheimliche Leere zurück. Da war nichts mehr. Mit dem Abgang hatte Louis alles mitgenommen, meine Gefühle, meine Gedanken, mein Herz. Nichts war zurückgeblieben.
Mechanisch drehte ich mich zum Ausgang und ging einen Schritt nach den anderen darauf zu. Meine Jacke lag noch im Club auf irgendeinem Tisch, aber es war mir egal. Mir war nicht kalt, ich spürte gar nichts und ich wollte einfach nur nach Hause.
Wie ein Roboter ging ich durch die Tür hinaus in die dunkle, kalte Nacht. Meine Füße trugen mich den Weg entlang und ich kümmerte mich nicht darum ein Taxi zu rufen, ich wollte allein sein. Es war mir egal wie dunkel oder kalt es war, es zählte doch sowieso nicht. Ich hatte gerade die Liebe meines Lebens verloren und das obwohl er mir immer versprochen hatte, dass es für ihn niemand anderen außer mich gab.
Gänsehaut breitete sich auf meinen Armen aus und ich wusste nicht, ob sie von der Kälte oder von dem Gedanken an Einsamkeit stammte. Ich wusste auch nicht, wo ich eigentlich war, aber es machte mir nichts. Statt mich umzusehen und nach Hause in das Warme zu gehen, setzte ich mich auf die nächste Bank und schaute mit leerem Blick gerade aus.
Was sollte ich nur tun?
Louis war weg.
Auf einmal stürzte das volle Gewicht dieser Aussage auf mich ein und ich schluchzte auf, vergrub meinen Kopf in meinen Händen. Er war wirklich weg, vergnügte sich gerade wahrscheinlich mit einem anderen und hatte mich einfach so vergessen.
Leise Schluchzer schüttelten meinen Körper und ich krümmte mich ganz klein zusammen. Ich wollte das nicht fühlen. Es tat so weh. Als hätte man mir ein unsterbliches Herz eingepflanzt und würde es mit tausenden von Nadeln durchstechen.
Ich spürte den Regen nicht, der auf meinen Rücken prasselte, die Kälte kroch mir unter die Kleidung. Ich zitterte wie Espenlaub, aber es war mir egal. Louis war weg, mein Leben.
Langsam wurde ich ruhiger, die Tränen liefen noch immer in Sturzbächen meine Wangen hinunter, aber ich hatte nicht mehr das Gefühl gleich vor Wut und Trauer loszuschreien. Stattdessen breitete sich eine unheimliche Resignation in mir aus. Es war doch vorbei. Er war weg.
Weg.
Das Wort hallte in meinem Kopf, wurde wie ein Echo immer wieder zurück geworfen. Ich hasste es. Ich hatte noch nie in meinem Leben etwas so sehr gehasst.
Ohne es wirklich zu begreifen verschwand mein Körper immer stärker in den Schlaf. Ich kämpfte dagegen an, aber ich war zu erschöpft und vom vielen Weinen zu ausgelaugt, um wach zu bleiben. Das letzte was ich noch mitbekam war, dass ich mich langsam auf die Bank legte und meine Knie zur Brust zog, um mich von der Welt abzuschotten und mich zu schützen.
Dann war alles weg.
~~~~~
Sonnenstrahlen weckten mich aus meinem Schlaf. Orientierungslos setzte ich mich auf und stöhnte als ich den Schmerz in meinem Rücken fühlte. Ich sah mich um und bemerkte das ich auf einer Bank saß. Dann kamen die Erinnerungen zurück, wie ein Gesteinsbrocken fielen sie auf mich drauf und begruben mich darunter.
Louis.
Ich streckte mich einmal und stand dann vorsichtig auf, um nach Hause zu gehen. Hoffentlich war Louis nicht dort. Ich wollte ihm jetzt nicht begegnen. Da erzählte er mir seit fast drei Jahren, dass er mich liebte und machte dann einfach so mit einem Anderen rum.
Die Augen kurz zusammengepresst, atmete ich tief durch und machte mich dann auf den Weg. Ich taumelte ein Stück und stolperte immer wieder über meine eigenen Füße, doch ich schaffte es. Die Übermüdung und Erschöpfung war in der Nacht auf der Bank nicht viel weniger geworden und ich musste mich zusammen reißen, um nicht während des Gehens einzuschlafen.
Ich kam bei unserem Haus an, jetzt wahrscheinlich bald nur mehr meines. Schon alleine der Gedanke trieb mir Tränen in die Augen, doch ich wischte sie schnell weg und öffnete vorsichtig die Tür. Es war absolut still, doch ich blieb wachsam. Ich wollte Louis nicht sehen. Leise schloss ich die Tür hinter mir und schlich durch den Flur in das Wohnzimmer. Hier war niemand und ich drehte um, um zur Küche zu gehen. Auch in diesem Raum war niemand und ich wollte gerade gehen, als mir ein Zettel auf der Magnettafel auffiel, die Louis und ich uns mal zugelegt hatten.
Ich ging darauf zu und schluckte heftig bevor ich diese bekannte Schrift anschaute und die Nachricht las.
Es tut mir so leid.
Das war alles.
Louis wusste genau, dass ich ihn nicht sehen wollte und er ließ mir Freiraum. Schmerzlich wurde mir bewusst, wie gut wir uns wirklich kannten und wie schlimm die nächste Zeit für mich werden würde. Ich hatte niemand mehr, der mich in der Früh aufweckte, weil er nicht zu dem Müsli kam, das im obersten Regal stand. Niemand dem ich immer nachlaufen musste, um das Licht auszuschalten, weil er es immer vergaß. Niemand der sich nachts an mich kuschelte, als wäre ich alles, was er brauchte.
Wieder stiegen Tränen in meine Augen und tropften langsam auf meine Wangen herunter. Ich schluchzte auf und rannte in mein Schlafzimmer. Dort blieb ich abrupt stehen und blinzelte durch die Tränen hindurch.
Das Bett war ordentlich gemacht, wie ich es zurückgelassen hatte, aber auf meinem Kopfpolster lag eine wunderschöne, rote Rose. Meine Habd zitterte als ich danach griff und vorsichtig daran roch. Der Duft, der mir in die Nase stieg, erinnerte mich so sehr an meinen Louis. Nein, an Louis, korrigierte ich meine Gedanken selbst. Er hatte mich betrogen, er war nicht mehr meins.
Warum hatte er denn nur den Zettel und die Rose da gelassen, wenn er mich doch nicht mehr wollte?
Vorsichtig legte ich die Rose auf den Rand des Bettes und wollte mich gerade unter den Decken vergraben, als mir die nassen Klamotten auf meinem Körper wieder ungut bewusst wurden. Schnell zog ich mir die Sachen aus und warf sie ins angrenzende Badezimmer, dass sie trocknen konnten. Eigentlich hätte ich ja noch duschen gehen sollen, aber es interessierte mich nicht. Ich konnte mich einfach nicht dazu aufraffen. Stattdessen ging ich zurück in mein Zimmer und legte mich ins Bett, zog die dicke Decke über mich und machte mich so klein wie möglich.
Trotz der Decke zitterte ich vor Kälte und ich versuchte mich noch weiter ins Bett zu vergraben. Es fehlte einfach was. Der zweite Körper, der mir Wärme spendete, der mich beruhigte.
Emotional völlig ausgelaugt fiel ich schnell in einen tiefen Schlaf.
Als ich die Augen wieder aufschlug und auf den Wecker spähte, war es fast zehn Uhr morgens. Ich wollte mich aufrichten, als mir auf einmal auffiel wie heiß mir war. Langsam richtete ich mich auf, musste mich jedoch sofort wieder hinlegen, da mir schwindelig wurde. Mein Hals brannte und das Schlucken tat furchtbar weh.
Scheiße. Jetzt wurde ich doch wirklich auch noch krank.
Die Rose war im Laufe der Nacht näher gerutscht und lag nun direkt neben meinem Kopf auf dem Polster. Ich nahm sie und legte sie auf den Tisch neben dem Bett. Eigentlich wollte ich sie in eine Vase stellen, doch ich schaffte es nicht aufzustehen.
Eingemummt in die Decke drehte ich mich auf die andere Seite und versuchte meinen angespannten Körper zu lockern. Nichts half.
Ich kniff die Augen fest zusammen und öffnete sie dann wieder. Es gab nichts Schlimmeres für mich als krank zu sein. Ich hasste es, von anderen abhängig zu sein und nichts alleine machen zu können.
Auf einmal stach mir ein weißer Umschlag ins Auge. Ich schaute genauer hin und sah, dass es sich um einen Briefumschlag handelte. Wahrscheinlich hatte ich den als ich nach Hause gekommen war vor lauter Erschöpfung nicht bemerkt. Ich konnte mir schon denken von wem der war, und aus unerklärlichen Gründen wollte ich wissen, was er dazu zu sagen hatte. Damit öffnete ich den Unschlag und zog den dicht beschriebenen Zettel heraus.
Geliebter Harry,
Es tut mir so furchtbar leid. Ich weiß keine Entschuldigung kann jemals gut machen, was ich getan habe und ich weiß auch, dass du mich gerade nicht sehen willst, aber bitte gib mir eine Chance zu erklären. Zerreiß den Zettel noch nicht sofort, sondern lass mich erklären, bitte!
Es tut mir Leid! Ich weiß, ich habe riesigen Mist gebaut, aber ich hoffe, du gibst mir die Möglichkeit diesen wieder auszubügeln.
Als erstes Mal, ich war betrunken. (Ich weiß nicht, ob ich froh sein kann, dass ich mich immer an alles erinnern kann, egal wie viel Alkohol ich getrunken habe, aber wenigstens kann ich es dir hetzt erklären.) Natürlich ist das keine Erlaubnis mit jemand anderem rumzumachen, aber ich hab nicht mehr genau geschaut und ich habe euch verwechselt. Das hört sich jetzt echt scheiße an, ich erkenne nicht mal meinen eigenen Freund, aber du hast ihn ja gesehen, oder? Er hatte genau so braune und fast schulterlange Haare wie du und er hatte grüne Augen. Er war größer als ich und ziemlich gut gebaut. Wenn ich jetzt daran denke, dann kommt er nicht mal ansatzweise an dich heran, es fehlt dieses Funkeln in den Augen, der Charakter, die Verbindung.
Es tut mir einfach so schrecklich leid! Das war wahrscheinlich das Schlimmste, was ich dir antun habe können.
Und ich weiß nicht, ob es dir hilft, aber ich hab ihn nicht an mich ranlassen. Ja, ich war bei ihm und ja, wir haben uns geküsst und er hat versucht mich anzugreifen, aber ich hab ihn weggestoßen. Es hat sich einfach so falsch angefühlt, er war so grob, ganz anders als du. Da hab ich es kapiert. Du bist immer so unglaublich sanft und vorsichtig und genau das liebe ich so sehr an dir.
Jedenfalls hab ich mich zusammen gerafft und bin gegangen und ich weiß, es gibt keinerlei Beweise, dass es wirklich so war, aber ich hab dich noch nie angelogen. Ich könnte es gar nicht, das musst du mir glauben.
Ich liebe dich so sehr und ich kann dir gar nicht sagen, wie leid mir das alles tut. Nur bitte, bitte, gib mir noch eine Chance! Lass mich das wieder gut machen.
Ich liebe dich, Harry. Über alles.
Es tut mir leid.
Louis xx
Tränen liefen über meine Augen als ich die Nachricht las. Ich wusste nicht so wirklich, was ich tun sollte, wie ich mich fühlen sollte, aber ich wusste, dass ich ihn brauchte. Ich konnte nicht ohne meinen Louis und er hatte Recht, er hatte mich nie belogen. Ich wusste nicht, was auf uns zukommen würde, aber mit ihm konnte ich es schaffen. Mit ihm konnte ich alles schaffen.
Vergeben hieß nicht vergessen. Es würde alles seine Zeit brauchen, aber möglicherweise konnte ich ihm vergeben.
Schluchzend griff ich nach meinem Handy und wählte die altbekannte Nummer.
"Hallo?", ertönte Louis' Stimme aus dem Lautsprecher. Er klang gestresst und abgekämpft und ich musste wieder aufschluchzen.
"Harry?", Louis' Tonlage veränderte sich. Ich konnte die Besorgnis förmlich riechen, als er erkannte wer ihn angerufen hatte.
"Lou", krächzte ich heraus und musste husten. Der Husten kratzte ungut im Hals und hätte ich keine Tränen in den Augen gehabt, so wären sie spätestens jetzt da gewesen.
"Oh Gott, Hazza. Ich bin sofort da." Mit diesen Worten legte er auf und ein winziges Lächeln breitete sich auf meinen Lippen aus. Vielleicht würde es ja doch noch gut ausgehen für uns. Er war ja doch mein Louis.
*****
Hi 😊 Wie gehts euch so?
Schöne Grüße aus Brienne (Frankreich, etwa eine Stunde Autofahrt nördlich von Lyon..) - es ist soo schön hier!!! Alles ist so riesig und weit und die Gegend ist echt atemberaubend (und das Essen... *___*)
Ich habs geschafft und hab genug Zeit für einen neuen OS gefunden! Yay ;)
Die Idee ist von @real_eyes_real_lies und ich habs ein bisschen verändert - es ist doch kein Date geworden, aber ich hoffe, dir gefällts auch so.. (:
Meinungen und sonstiges?
WIDMUNG: real_eyes_real_lies
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