Lesestunde

18:

"Und bevor wir Pause machen, muss ich euch noch daran erinnern, nacher wieder pünktlich da zu sein, weil wir in die Bücherei gehen. Es kommt extra für uns ein Märchenerzähler her und den wollen wir natürlich nicht warten lassen.", sagte Louis und ließ seinen Blick über die Volkschüler wandern. Er hasste solche 'Lesestunden', da diejenigen, die vorlasen nicht immer altersgemäße Geschichten oder Märchen auswählten. Man wusste nie genau, was passieren würde.

Ernst nickten ein paar der Schüler und Louis lächelte. Er mochte Kinder und Lehrer war sein Traumberuf.

"Okay, dann machen wir jetzt Pause.", verkündete Louis und die Kinder begannen sich in kleine oder größere Gruppen zusammen zu scharren, miteinander zu reden und lachen.

Louis setzte sich an den Lehrertisch und während er einen Apfel aß - man musste immer ein Vorbild für die jungen Schüler sein und gesunde Jause gehörte auch dazu - las er sich ein paar Sätze durch, die er den Schülern als Hausaufgabe gegeben hatte.

Nach zwanzig Minuten, in denen Louis Hausaufgaben verbessert und mit manchen Schülern, die Fragen zu etwas hatten, geredet hatte, läutete die Schulglocke. Die letzten Kinder kamen wieder in den Klassenraum und gingen zu ihrem Platz.

"Okay, wir werden jetzt gemeinsam in die Bücherei gehen und dazu brauchen wir eine Zweierreihe.", sagte Louis klar und deutlich. Manche der Schüler murrten zwar, doch alles in allem funktionierte das Aufstellen ganz gut.

"Bleibt alle nah bei einander.", gab der Lehrer noch eine letzte Anweisung und dann gingen sie auch schon los, Louis vorne weg.

Der Weg zur Bücherei war nicht lang und zum Glück auch nicht sonderlich gefährlich. Sie mussten nur eine Straße überqueren und ein paar Meter gehen.
Vor der Tür der Bücherei wartete Louis noch einmal, dass alle um ihn versmmelt waren und sagte: "Wenn wir jetzt reingehen, müsst ihr euch etwas ruhiger verhalten. Es sind auch noch andere Leute da und die möchten nicht gestört werden."

Eifrig nickten seine Schüler und ein Mädchen fragte: "Können wir jetzt hinein? Ich möchte den Märchenerzähler sehen."

Louis lächelte über die Aufregung des Mädchens, nickte und öffnete die Tür. Er ging hinein und die Kinder folgten ihm in einen kleinen durch ein Bücherregal abgetrennten Bereich. Auf dem Boden lagen etwa zwanzig Kissen, genug, dass jeder eines haben konnte. In der Mitte saß ein junger Mann und als dieser die Kinderstimmen hörte, schaute er lächelnd auf.

Louis stockte der Atem. Er war wunderschön. Noch nie hatte Louis so grüne, ehrliche und freundliche Augen gesehen. Und diese Grübchen.
Wäre Louis nicht als Lehrer da, hätte er den Lockenkopf sicher angesprochen.

"Hey, ich bin Harry und ich werde euch heute ein Märchen erzählen, dass niemand von euch kennt. Kommt, setzt euch.", fing der junge Mann an zu reden und Louis lauschte fasziniert seiner dunklen, ruhigen Stimme.

Während die Kinder seiner Aufgorderung folgten und sich auf den Kissen niederließen, lehnte sich Louis an das Bücherregal und konnte seinen Blick micht mehr von Harry abwenden.

Harry.

Wie gut der Name doch passte.

Als der Märchenerzähler zu reden begann, konnte Louis kein Wort verstehen, denn er war zu abgelenkt.

Abgelenkt von dem Funkeln in den grünen Augen. Es wirkte so lebendig.
Abgelenkt von den braunen Locken, durch die er nur zu gerne hindurch streichen wollte, um zu sehen, ob sie so weich waren, wie sie aussahen.
Abgelenkt von den Lippen des jungen Mannes, die langsam Worte mit Bedacht formten und ihnen den letzten Schliff gaben.

Gespannt lauschte Louis der tiefen Stimme, als diese über Abenteuer und Helden sprach, einem Märchen eine ganz andere Dimension verleihte.

"Wisst ihr, was der mutige Junge dann getan hat?", fragte Harry die Schüler, deren Blicke ebenso wie Louis' an seinen Lippen klebten. Unruhiges Murmeln breitete sich unter den Kindern aus und Harry warf einen kurzen, lächelnden Blick zu Louis, der nicht anders konnte als das Lächeln zu erwidern.

Louis verfolgte den Blick des Märchenerzählers, der über die Schüler schweifte, nur um dann wieder an dem Lehrer hängen zu bleiben. Sobald sich die Augen der beiden trafen, hatten sich Louis' Gedanken sofort wieder in Luft aufgelöst.
Sein Blick flackerte zu den vollen Lippen, die weiter Worte formten und er lauschte dem Klang der mitreißenden Stimme ohne dabei den Sinn zu verstehen.

"Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute und beschützen noch immer alle guten Menschen vor ihren Ängsten.", beendete Harry sein Märchen und als Louis seinen Blick über die Schüler schweifen ließ, konnte er auf fast jedem der Gesichter ein Lächeln erkennen.

Louis räusperte sich kurz, lächelte Harry an und sagte dann laut, so dass es jeder seiner Schüler hören konnte: "Ich bin mir sicher, dass hat euch gefallen und wenn ihr noch Fragen habt, dann stellt sie jetzt."

Ein kleines, blondes Mädchen mit Brille hob schüchtern die Hand. Aufmunternd nickte ihr Harry zu und sie fragte leise: "Du hast gesagt, sie beschützen jeden vor ihren Ängsten. Heißt das, sie haben dich auch beschützt?"

Harry schenkte ihr einen ernsten Blick und fragte: "Wie heißt du?"

"Lauren", antworte das Mädchen schüchtern und Harry nickte kurz, bevor er ihre Frage beantwortete. "Also, Lauren. Du hast recht, ich hab gesagt, sie beschützen jeden und ja, sie haben auch mich einmal gerettet. Damals war ich zehn Jahre alt und ich hatte furchtbare Angst vor der Dunkelheit, so lange, bis mir der junge Held und seine Prinzessin klar gemacht haben, dass ich keine Angst haben muss."

Louis lächelte als er die Antwort hörte. Harry konnte so gut mit den Kindern umgehen, es war erstaunlich wie schnell er sie in seinen Bann gezogen hatte.

Als Louis einen Blick auf seine Uhr warf, wurden seine Augen kurz riesig.
"Ich unterbreche euch ja nur ungern, aber wir müssen wieder in die Schule zurück. Danke, Harry für das Märchen."

Der Lockenkopf nickte, griff nach einem Zettel und schrieb etwas darauf. Dann legte er ihn zu ein paar andern Papierstücken und stand auf. Er trat zu Louis und drückte ihm den Stapel Blätter in die Hand.
"Die sind für die Schüler. Kannst du sie bitte in der Schule austeilen?"
Louis nickte und nahm die Zettel. Unabsichtlich streifte seine Hand die des Märchenerzählers und ein Kribbeln schoss durch seine Finger.
Schnell zog er seine Hand zurück.

Nachdem sich alle verabschiedet hatten, brachte Louis seine Schüler wieder in die Schule und in den Klassenraum. Dann setzte er sich an den Lehrertisch und sagte: "Bevor ich euch jetzt nach Hause gehen lasse, werde ich noch diese Zettel austeilen."

Louis griff nach dem ersten und schaute hinein. Es stand ein kleiner Spruch darauf, sonst nichts. Also stand der junge Lehrer wieder auf und begann die Zettel auszuteilen. Jeder bekam einen, doch da fiel ihm auf einmal ein Stück Papier in die Augen, dass nicht diese schön gerade viereckige Form hatte. Es war einfach schnell irgendwo herausgerissen worden.
Verwirrt steckte Louis den Papierschnippsel ein und verteilte die restlichen Zettel.

Als jeder einen hatte, ließ er die Kinder endlich nach Hause gehen und er setzte sich wieder an den Lehrertisch, holte das Stück Papier aus seiner Hosentasche und wollte es gerade wegwerfen, als ihm eine schwarze Schrift ins Auge fiel.

Vorsichtig faltete er den Zettel auf und las, was darauf geschrieben stand.

Hey :)
Für einen Lehrer bist du ziemlich jung - und heiß..
Ruf mich an!

Daneben waren noch ein paar Zahlen hingemalt und das wars.

Louis konnte seinen Augen nicht trauen. Hatte Harry ihm wirklich dieses Briefchen in die Hand gedrückt? Der braunhaarige, grünäugige Engel?

Da gab es nur einen Weg, das heraus zu finden.

An: Harry

Hey :) ich bins, Louis (der Lehrer) xx

~~~~~

Jetzt, fünf Monate später, lag Louis gemeinsam mit seinem Freund Harry, dessen Kopf auf seine Brust gebettet war auf der Couch in seinem Wohnzimmer und beobachtete ihn. Noch immer hatte sich Louis nicht an die Schönheit seines Freundes gewohnt und das würde er wahrscheinlich auch nie.

Die grünen Augen, die alles interessant und spannend machen konnte.
Die tiefe, ruhige Stimme, die jeden mitreißen konnte.
Die Locken, die tatsächlich so weich waren, wie sie aussahen.
Und nicht zu vergessen, Harrys Charakter. Seine Freundlichkeit und sein Humor. Seine Tollpatschigkeit (ja, Harry war mehr als nur ein bisschen tollpatschig) und seine Offenheit.
Seine Liebe.

Um es kurz zusammen zu fassen. Die letzten fünf Monate waren die besten in Louis' ganzem Leben.

Alles war perfekt.

"Weißt du, ich glaub diese zwei Helden aus dem Märchen gibt es wirklich.", brach Louis die Stille zwischen ihnen und Harry hob den Kopf um ihn fragend an zu schauen.

"Naja, meine größte Angst war, immer allein zu bleiben, aber dann hab ich dich gefunden und jetzt ist alles wunderschön und perfekt.", erklärte Louis.

Ein kleines Lächeln stahl sich auf Harrys Lippen und er beugte sich nach vorne um sie auf Louis Mund zu drücken.
In diesem Moment schien es, als bleibe für einen kurzen Augenblick die Zeit stehen, als würde sie den beiden diesen kurzen Moment schenken.

Alles andere war egal, es ging nur um Harry und Louis. Und so sollte es auch den Rest ihres Lebens bleiben.

*****

Ich hab gerade einfach etwas schreiben müssen und das war das Erste, das mir eingefallen ist.. 😝

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WIDMUNG: Kaddiscut

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