Hätte ich das nicht sagen sollen?

19:

"Könntest du versuchen dich heute bei dem Abendessen zu benehmen und uns nicht blamieren?", fragte meine Mutter und schaute mich bittend an. Ich nickte nur und nahm mir vor mich einfach ganz zurück zu halten und nichts zu sagen, dann könnte ich auch niemanden in Schwierigkeiten bringen.

Meine Mutter Rose lächelte erleichtert und verschwand wieder aus meinem Zimmer. Seufzend ließ ich mich auf mein riesiges Bett fallen und schloss die Augen. Ich war eigentlich ganz zufrieden mit meinem Leben, es gab nur ein einziges Problem. Ich war einsam und hatte kaum Freunde. Das lag daran, dass ich nicht wusste, was man sagen durfte und was nicht. Ich konnte nicht entscheiden was angebracht war und was man besser für sich behalten sollte. Das hatte mich schon in einige blöde Situationen gebracht, aber nicht weil es mir peinlich war. Nein, sondern weil es allen anderen peinlich und unangenehm war.

Langsam setzte ich mich auf meinem Bett auf und ließ meinen Blick durch das riesige Zimmer wandern. Ich war zwar froh, dass meine Familie nicht arm war, aber irgendwie hasste ich es auch, vor allem weil das Geld das Wichtigste war. Rose war alles andere egal, die Familie war nur ein 'Anhängsel'. Geld und das Image waren wichtig, alles andere austauschbar. Ich hasste es, doch ich konnte nichts dagegen tun.

Jedes Monat veranstaltete meine Mutter ein Fest, ein Abendessen mit musikalischer Unterhaltung, natürlich nur für die reichsten Menschen der umliegenden Städte. Man musste ja Verbindungen knüpfen.

Diese Veranstaltungen waren für mich immer unglaublich langweilig. Es waren nur reiche Schnösel eingeladen und die Themen, die besprochen wurden waren auch nicht gerade spannend.

Ich musste aber jedes Mal dabei sein, vor allem weil meine Mutter zeigen wollte, dass ich später einmal ihre Firma übernehmen könnte. Und natürlich wollte sie eine reiche Freundin für mich finden, damit ihr Erbe gesichert war.

Gelangweilt schaute ich auf die kleine Uhr, die auf meinem großen Schreibtisch stand. Es war erst fünf Minuten nach drei und ich wusste nicht was ich bis zum Abend tun sollte. Meine Mutter wollte immer dass ich ihr an solchen Tagen möglichst lange aus dem Weg ging, mein Vater Drew war noch bei der Arbeit und Geschwister hatte ich keine. Die Veranstaltung würde erst um halb sieben anfangen und ich brauchte keine drei Stunden um mich umzuziehen, also konnte ich das jetzt auch noch vergessen.

Was sollte ich nur machen?

Zeichnen? Nein, zu unkonzentriert.

Lesen? Nein, zu langweilig. (Ich hatte alle meine Bücher schon ausgelesen. Naja, bis auf die über mentale Krankheiten, bei denen man nicht mehr unterscheiden konnte, was man sagen durfte und was nicht. Die Bücher über Menschen, die solche Grenzen nicht erkennen und keine wirkliche Hemmschwelle haben. Aber ich würde meiner Mutter auch nie den Gefallen tun und diese Bücher echt lesen.)

Handy spielen? Nein, zu uninteressant.

Singen? Möglicherweise..

Ich ließ mich wieder zurück auf mein Bett fallen und fing an mir irgendwelche Melodien vorzusummen und irgendwie gelang es mir doch tatsächlich mich in den Schlaf zu singen.

~~~~~

"Harry, steh auf. Die Gäste kommen gleich!", schrie die Stimme meiner Mutter.

"Ich will nicht.", maulte ich leise und versteckte meinen Kopf in dem Polster. Warum konnte sie mich nicht einfach in Ruhe lassen?

"Steh auf!", sagte sie nur und zog mir den Polster weg.

"Nein. Ich will nicht. Ich hasse diese Leute. Sie halten sich alle für etwas besseres und sind so einfältig und dumm und bescheuert und du bist auch nicht besser. Ich mag dich Rose, du bist meine Mutter, aber du bist auch echt egozentrisch. Warum kannst du nicht einsehen, dass Geld und Image nicht das Wichtigste auf der Welt sind.", fuhr ich sie an.

Obwohl sie inzwischen schon an meine Ausbrüche gewohnt sein müsste, zuckte sie zusammen. Sie wisperte etwas, das ich nicht ganz verstand, aber es hörte sich verdächtig nach: "Warum kannst du nicht aufhören, alles zu sagen was du dir denkst?"

Ich glaubte nicht, dass sie sich echt angesprochen fühlte, wahrscheinlich war ihr nur mulmig, dass ich heute beim Abendessen so etwas sagen könnte.

"Ich wünsche mir einfach nur, dass du einmal eine richtige Mum bist.", murmelte ich leise. Jetzt stand sie wie vom Blitz getroffen da und starrte mich an. Gerade als ich mir dachte, vielleicht würde sie mich nun endlich einmal wieder umarmen, ging sie einen Schritt zurück und sagte mit kalter Stimme: "Zieh dich um und komm ja rechtzeitig hinunter um die Gäste zu begrüßen. Und wehe, du sagst so etwas beim Essen!"

Damit drehte sie sich um und ging.

Mein Blick wurde auf einmal komisch verschleiert und erst da fiel mir auf, dass ich zu weinen angefangen hatte. Hastig wischte ich mir die Tränen weg, atmete einmal tief durch und ging dann zu meinem Kleiderschrank, aus dem ich eine schwarze enge Jeans und ein weißes Hemd herausholte.

Ich sprang schnell unter die Dusche und zog mich dann an. Als ich fertig war, warf ich einen Blick auf die Uhr und erschrak. Es war schon kurz vor halb sieben.

Hastig eilte ich die breite Treppe nach unten und gesellte mich zu meiner Mutter an die Tür, die sie gerade für ein paar Gäste öffnete. Sie warf mir einen prüfenden Blick zu und setzte dann ein falsches Lächeln auf. Ich erwiderte es und grüßte anschließend höflich ein altes Paar, das wahrscheinlich im Jahr mehrere Millionen Euro verdiente - so sahen sie zumindest aus.

"Harry, Schatz, kannst du vielleicht Mr und Mrs Tones zu ihren Plätzen bringen.", meinte Rose. Ich nickte lächelnd und verbiss mir eine Bemerkung. Da ich mir nicht sicher war, was ich sagen durfte, hatte ich mir einfach vorgenommen so wenig wie möglich zu reden.

Als die beiden auf ihren Plätzen waren und langsam auch die restlichen Gäste eintrudelten, begaben sich alle zu dem großen Tisch. Ich setzte mich neben meine Mutter und meinen Vater, dort wo mein Platz war.

Langsam ließ ich meinen Blick durch den Raum schweifen und besah mir die Leute genauer. Ich erkannte nur wenige von ihnen.

Da war mein einziger Freund Niall mit seinen Eltern und seinen zwei Geschwistern. Er war zwar stinkreich, doch man konnte es ihm fast nicht anmerken, stattdessen war er freundich und lustig.

In der Runde waren viele ältere Menschen, doch eine Person fiel mir noch auf.

Ein junger Mann, etwa so alt wie ich, den ich noch nie zuvor gesehen hatte. Als er meinen Blick auf sich spürte, schaute er auf und seine blauen Augen trafen auf meine grünen. Mir stockte der Atem.

Noch nie hatte ich jemand so wunderschönen gesehen. Er wirkte elegant und war trotzdem muskulös. Auf seinen Lippen tanzte ein verschmitztes Grinsen.

Schnell schaute ich weg. Mir war zwar nichts peinlich, aber aus irgendeinem Grund war etwas an ihm anders als bei jedem sonst. Ich hatte das Gefühl ihm unbedingt gefallen zu müssen.

Mein Blick fiel auf meine Mutter, die gerade ein paar Worte gesprochen hatte und alle herzlich willkommen geheißen hatte. Danach setzte sie sich wieder und der erste Gang wurde serviert.

Ich hatte keine Ahnung was ich gerade aß, doch es schmeckte ganz gut also beschwerte ich mich nicht.

Statt selber ein Gespräch anzufangen, lauschte ich meiner Mutter, die mit einem Mann sprach. Dieser war eindeutig einer der Reichsten unter uns. Schon alleine das Taschentuch in der Tasche seines Anzugs reichte aus um das fest zu stellen.

"Dein Mann und du seid ein Traumpaar, Rose. Du kannst froh sein.", sagte er gerade und meine Mutter lächelte nur.

"Traumpaar?", fragte ich nach. Fragend schaute der Mann zu mir.

"Warum sind die beiden ein Traumpaar?", fragte ich weiter. Er schaute mich verwirrt an und antwortete: "Siehst du nicht, wie sehr sie sich lieben?"

"Sie meinen, dass Rose Chris so sehr liebt, oder? Sie können unmöglich von meinem Vater reden, denn wenn Rose ihn lieben würde, dann würde sie sich ja wohl nicht mit wem anderen treffen."

Um uns herum war es still geworden.

"Harry!", zischte meine Mutter und warf mir einen bösen Blick zu.

"Oh.. Hätte ich das nicht sagen sollen?", fragte ich vorsichtig. Mist, dabei war ich mir so sicher dieses Mal das Richtige gesagt zu haben.

Und dann brach das Getümmel los.

Der junge Mann, den ich vorher beobachtet hatte, fing an wie wild zu lachen. Ich starrte ihn an. Wenn er lachte, war er sogar noch schöner als sonst.

Mit dem Lachen war das Eis gebrochen und die Paare begannen miteinander zu murmeln, warfen misstrauische und böse Blicke auf meine Mutter.

Mein Vater, Drew sah Rose nur geschockt an und als er zu sprechen begann, hörte ich ihm gar nicht zu. Ich war zu sehr auf den jungen Mann, der gegenüber von mir saß fixiert.

Dieser stand auf einmal auf, lief um den Tisch herum und blieb vor mir stehen. Dann griff er nach meiner Hand und zog mich weg von dem Geschehen.

Er ging mit schnellen Schritten zur Tür hinaus und ich folgte ihm. Auch wenn er mich nicht an der Hand gehalten hätte, wäre ich mitgekommen. Er hatte etwas an sich, das ich nicht beschreiben konnte. Etwas Faszinierendes.

Wir standen in dem Garten vor meinem Haus und er drehte sich zu mir. Ohne meine Hand loszulassen, sagte er: "Das war der Wahnsinn! Echt genial."

Er grinste mich an und ich lächelte zurück.

"Oh, ich bin übrigens Louis. Und du?"

"Harry.", antwortete ich.

Eine Zeit lang war es still und mein Blick wanderte langsam von seinen klaren, blauen Augen über seine zart rosanen Lippen zu seinem Hals und seiner Schulter und dann seinen Arm herunter bis zu der Hand, die meine noch immer umschlossen hielt.

"Du bist schön.", platzte es aus mir heraus und Louis lächelte leicht. Es war kein schelmisches Grinsen, sondern ein ehrliches, sanftes Lächeln, das Schmetterlinge in meinem Bauch herumflattern ließ.

"Du auch.", erwiderte er leise.

Das Lächeln auf meinem Gesicht wurde immer breiter und ich nahm meine freie Hand und fuhr damit über seinen Arm. Mein Blick klebte an meiner Hand, die seine Haut berührte und ein kleines schwarzes Tattoo nachzog.

Als ich meine Hand wieder zurückzog, schaute ich auf und mein Blick traf auf den seinen.

Ich sah wie er sich immer weiter zu mir lehnte und als er nur mehr ein paar Zentimeter von meinem Gesicht enfernt war, seine Augenlider langsam zufielen.

Was wollte er... ?

"Willst du mich küssen?", fragte ich erstaunt und etwas unruhig. Ich hatte noch nie in meinem Leben wen geküsst, was wenn ich das nicht konnte?

Louis musste kurz auflachen und sah mir wieder in die Augen. "Ja, ich will dich küssen.", antwortete er amüsiert auf meine Frage.

Ich lächelte leicht und bevor ich noch etwas sagen oder meine Bedenken äußern konnte, lagen seine Lippen auf meinen. Langsam fielen meine Augenlider zu und fast automatisch wanderten meine Hände in seinen Nacken, strichen durch seine Haare.

Seine Lippen waren weich und überall wo er mich berührte breitete sich ein Kribbeln auf meiner Haut aus. Es war das schönste Gefühle, das ich jemals gespürt hatte.

Ich vergaß, dass ich eigentlich gar keine Erfahrung hatte und als Louis sanft seine Lippen auf meinen bewegte, folgte ich einfach seiner Führung.

Vorsichtig löste er sich von mir, zog mich jedoch in eine feste Umarmung. Der Kuss war vielleicht technisch nicht perfekt, doch es war Louis, der mich geküsst hatte und für mich hätte mein erster Kuss gar nicht besser sein können.

"Danke.", sagte ich leise und vergrub meinen Kopf in seiner Halsbeuge.

Louis drückte mir einen kleinen Kuss in die Haare und ich konnte da Lächeln auf seinen Lippen auf meiner Haut spüren.

"Mich wirst du so schnell nicht mehr los.", murmelte er in meine Locken und ich grinste ind drückte meine Lippen kurz auf seine Schulter, der näheste Platz, den ich erreichen konnte.

"Gut so, denn ich will dich auch nie wieder los werden.", antwortete ich ihm und ich wusste, dass war erst der Anfang von einem Uns.

*****

Endlich mal wieder ein neuer OS..

Was haltet ihr davon? 😘

Für mich fängt morgen wieder die Schule an, deshalb wird es wahrscheinlich eher unregelmäßige und langsame Updates geben..

WIDMUNG: long_hair_dontcare

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