Gefühlschaos
72:
Langsam aber sicher ging ich den Flur entlang und versuchte mich nicht nach Harry umzudrehen. Er sollte glauben, dass es mir wirklich egal war. Das was er doch so gut konnte, konnte ich schon lange.
Den Kopf hoch erhoben ging ich mit entschlossenen Schritten weiter ohne zurückzuschauen - und tatsächlich, ich schaffte es. Kaum war ich hinter der nächsten Ecke verschwunden, schien alle Kraft aus mir zu sickern und ich musste mich gegen die Wand lehnen, so weich fühlten sich meine Knie an.
Ich konnte es nicht glauben, was gerade passiert war. Hatte Harry wirklich diese Worte in den Mund genommen? Hatte er mir wirklich vorgeworfen, ich würde unsere Beziehung nicht ernst genug nehmen? Hatte er gerade wahrhaftig mit mir Schluss gemacht?
Das konnte er doch nicht machen! Und er hatte nicht einmal traurig ausgesehen; er hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, mir etwas vorzuspielen, von wegen er würde mich immer lieben, aber es würde nichts werden zwischen uns. Nein, er hatte mir einfach eiskalt ins Gesicht gesagt, dass er es besser fand, wenn wir uns nicht mehr sehen würden. Und dann hatte er noch die Frechheit besessen, mich an zu schuldigen, diese Beziehung durch meine "Unfähigkeit Gefühle zu zeigen" zerstört zu haben.
Was bildete er sich überhaupt ein?
Okay, vielleicht hatte ich auch etwas überreagiert. Möglicherweise war er auch nicht eiskalt gewesen, sondern hatte tatsächlich versucht, mir nicht weh zu tun, aber ich wollte es einfach nicht wahrhaben. Harry war mein Ein und Alles und auch wenn es mir schwer viel, meine Gefühle öffentlich zu zeigen, war ich nicht der Meinung, dass er das Recht hatte, mir das so vorzuwerfen.
Ich hatte doch gar nichts getan, um das zu verdienen, oder?
Naja, vielleicht hatte ich in letzter Zeit öfter mal den Macho raushängen lassen und möglicherweise war ich auch nicht der netteste gegenüber meinen Mitschülern gewesen, aber das war doch nicht Grund genug, um Schluss zu machen! Verzweifelt sank ich an der Wand entlang zu Boden.
Ich war einfach unglaublich froh, dass es schon zur ersten Stunde geläutet hatte und deswegen niemand mehr auf den Gängen war. Auf keinen Fall sollte mich jemand so sehen. Innerlich aufschluchzend vergrub ich meinen Kopf in meinen Armen und verkrampfte meine Finger fest in den Haaren.
Was sollte ich denn ohne Harry machen? Er war doch bis jetzt immer an meiner Seite gewesen. Wir waren zusammen aufgwachsen und nichts hatte uns voneinander trennen können - es hatte niemanden gewundert, als wir vor knapp einem Jahr verkündet hatten in einer Beziehung zu sein.
Und jetzt war es aus.
Endgültig Schluss.
Schritte, die schnell näher kamen, ließen mich aufschrecken und ich zog mich eilig hoch. Es sollte mich niemand so sehen. Ich setzte eine undurchdringliche Maske auf und lehnte mich Halt suchend an die Wand.
Ein Mädchen kam um die Ecke und als ihr Blick auf mich fiel, stockten ihre Schritte kurz, doch als ich sie böse anstarrte, eilte sie schnell weiter. Ich sah ihr nach als sie verschwand und meine Gedanken kreisten wieder weiter um Harry.
Da war nur Harry und noch mehr Harryharryharry. Doch es war nicht mit dem wunderschönen Gefühl verbunden, dass es normalerweise mit sich brachte. Stattdessen zog es eine Welle von Trauer und Unsicherheit mit sich.
Was hatte ich denn getan?
Unsicher ließ ich mich an der Wand wieder hinunter rutschen. Wenn ich etwa hasste, dann war das meine Unsicherheit bei allem was Harry betraf. Der Lockenkopf war so einzigartig und unglaublich, ich hatte mich immer gefragt, wie ich da mithalten konnte, doch diese Frage hatte sich jetzt anscheinend geklärt.
Tief durchatmend fasste ich einen Entschluss - ich würde nie wieder unsicher sein. Ich wollte nicht; ich würde nie wieder schwach sein.
Nie wieder.
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Harry Pov:
Den Kopf schwer in die Hände gestützt saß ich im Unterricht. Ich versuchte nicht einmal, mich auf das Gesagte zu konzentrieren, da ich sowieso schon wusste, dass es mir nicht gelingen würde. Seit ich vor knapp zwei Wochen mit Louis Schluss gemacht hatte, ging es mir einfach nur grausam. Natürlich hatte ich davor schon gewusst, dass ich es nicht gut überstehen würde, aber ich hatte keine andere Möglichkeit mehr gesehen. Louis war mein Ein und Alles und ich liebte ihn so sehr; mehr als alles andere auf dieser Welt. Und obwohl ich immer sagte, dass ich wusste, er liebte mich genau so sehr, gab es Zeiten, in denen ich es einfach nicht sehen konnte. Er tat sich schon immer schwer seine Liebe offen zu zeigen und das konnte ich auch akzeptieren, aber ich sah nicht ein, dass er mich manchmal so behandelte, als wäre ich nicht einmal anwesend.
Seufzend rieb ich mir mit den Fingern über die Augen. Ich war so unendlich müde und am liebsten würde ich gar nicht mehr aufstehen, immer nur zusammen gekugelt im Bett liegen bleiben. Meine Gedanken ließen mir einfach keine Ruhe mehr und es kam nicht selten vor, dass ich nachts wach lag und mir den Kopf zerbrach, was alles anders sein hätte können. Was besser hätte sein können.
Es tat weh, gezwungen sein, sich verändern zu müssen. Denn im Endeffekt war es doch genau das - eine Veränderung. Und es war noch schlimmer, Louis' Veränderung mitansehen zu müssen. Wenn er sich früher schwer getan hatte, Gefühle zu zeigen, so tat er es jetzt überhaupt nicht mehr. Ich versuchte, ihm aus dem Weg zu gehen, um es mir nicht noch schwerer zu machen, aber mein Blick wurde wie magnetisch von ihm angezogen.
Er hatte sich stark verändert. Er war jemand Anderes geworden. Es war nicht so, dass er sich abgekapselt hätte, aber ich konnte erkennen, wie falsch diese Fassade war, die er aufgesetzt hatte und es tat weh, das mitanzusehen. Doch ändern konnte ich es nicht - ich hatte ihn zerstört, weil er mich zerstört hatte. Heiße Tränen stiegen in meine Augen, wie immer, wenn ich daran dachte, und ich versuchte beinahe vergeblich sie zurückzuhalten.
Eine Hand legte sich auf meine Schulter und ich schrak auf. Mein Blick fiel auf meinen Sitznachbar - Liam. Er war mein bester Freund und ich war ihm so unendlich dankbar, dass er immer für mich da war. Seit meiner Trennung hatte er durchgehend versucht, mich aufzuheitern und das würde ich ihm nie vergessen. Ob es so gut half, war eine andere Frage, aber zumindest schaffte er es hier und da mich für eine kurze Zeit abzulenken.
"Harry, gehts dir gut?", fragte Liam leise und ich schenkte ihm ein kleines, gequältes Lächeln. Langsam nickte ich, den Umständen entsprechend ging es mir okay. Nicht gut, aber es war auszuhalten.
Ich wandte mich wieder nach vorne, dem Lehrer zu. Zwar konnte ich mich kein bisschen auf das Unterrichtsthema konzentrieren, aber ich wusste zumindest, dass ich nur mehr eine Viertelstunde aushalten musste, bis die Schule für heute endlich vorbei.
Plötzlich vibrierte mein Handy in der Hosentasche und ich zog es stirnrunzelnd hervor. Wer sollte mir denn jetzt schreiben?
Ein Blick auf das Display verriet mir, dass es Phoebe war - Louis' Schwester.
Verwirrt öffnete ich die Nachricht und fing an zu lesen.
Von: Phoebe 🐒
Hi Harry,
Hast du kurz Zeit zu reden? Es ist ziemlich dringend und du bist der Einzige, der helfen kann.
(Gelesen um 14:27)
An: Phoebe 🐒
Hey Kleine,
Was ist denn los? Kann das noch ein paar Minuten warten, ich hab noch eine Viertelstunde Schule.
(Gesendet um 14:28)
Phoebe und ich hatten uns schon immer gut verstanden und ich hatte schnell erkannt, dass sie wirklich Hilfe brauchte, sonst hätten ihre Nachrichten anders ausgesehen.
Es dauerte auch nicht lange, da meldete sich mein Handy erneut zu "Wort".
Von: Phoebe 🐒
Ja, ist okay.
Kannst du nachher vorbei kommen? Es ist wirklich wichtig und naja, auch wenn du es vielleicht nicht hören willst, es geht um Louis.
(Gelesen um 14:31)
Ich schluckte. Sie hatte recht. Ich wollte nicht wissen, dass es um Louis ging, denn jetzt musste ich mir Sorgen machen. Ich konnte es gar nicht verhindern, es war wie wenn mein Hirn, nein, mein ganzer Körper, jede einzelne Faser meines Seins darauf einprogrammiert wäre. Es hatte mit Louis zu tun, es ging ihm nicht gut - ergo, ich musste ihm helfen.
An: Phoebe 🐒
Okay. Ich komme vorbei.
(Gesendet um 14:32)
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Sobald der Unterricht zu Ende war, eilte ich aus dem Gebäude und machte mich auf den Weg zu dem mir so vertrauten Haus. Es war nur etwa zehn Minuten von der Schule entfernt und ich war mir nicht sicher, ob ich es hinauszögern und langsamer gehen sollte, oder ob ich mich beeilen und schneller gehen sollte.
Viel zu schnell, aber doch auch viel zu spät, stand ich dann vor der Tür des Hauses. Ich atmete tief durch bevor ich auf die Klingel daneben drückte. Der Ton drang durch die Tür zu mir durch und wenige Sekunden später - so als hätten sie auf mich gewartet - riss jemand die schlichte Holztür auf.
"Da bist du ja endlich.", begrüßte mich Phoebe und ich nickte nur. Seit sie gesagt hatte, dass es sich um Louis handelte, konnte ich mich nicht mehr konzentrieren. Auch wenn es zu jeder anderen Zeit unhöflich erscheinen könnte, wie ich mich gerade benahm, ich konnte nichts daran ändern.
Das Mädchen schnappte meine Hand und zog mich eilig hinein. Sie schleppte mich in ihr Zimmer und schlug die Tür hinter uns zu. Ohne lange zu warten, begann sie schnell zu reden.
"Seitdem du vor zwei Wochen mit Louis Schluss gemacht hast, hat er sich völlig verändert. Er redet nicht nehr mit uns, schwänzt die Schule, ist den ganzen Tag im Zimmer, geht erst abends raus und nach Hause kommt er nie vor drei Uhr früh.", fing sie an und auch wenn ich gesehen hatte, dass er sich verändert hatte - so schlimm hatte ich es mir nicht vorgestellt.
"Wenn er nach Hause kommt, ist er immer total betrunken und Mum und er schreien sich dann ständig an. Louis tut so, als wäre ihm alles egal, fast so, als hätte er gar keine Familie mehr.", führte Phoebe weiter aus. Ich konnte sehen, dass sie mit den Tränen kämpfte und ich konnte nicht verhindern, dass mich die Sorge überrollte.
Tief durchatmend fuhr sie fort. "Außerdem hat er sich in den letzten Wochen keine Ahnung wie viele Tattoos und Piercings stechen lassen. Ich glaube, er will damit Distanz vor uns allen wahren. Und er hängt immer mit so komischen Typen ab, die ihm definitiv nichts Gutes wollen!"
Schluckend hörte ich ihr zu. Es klang grausam, was sie da erzählte und doch schien es irgendwie typisch Louis zu sein. Er zeigte seine Gefühle nicht gerne - aber das es so schlimm wäre, damit hatte ich nicht gerechnet.
"Und was soll ich machen?", fragte ich vorsichtig nach. Phoebe schaute mich flehend und hoffnungsvoll an und ich sah nur fragend zurück.
"Du bist der Einzige, auf den er noch hören könnte. Bitte, rede mit ihm. Bring ihn zu uns zurück!", flehte sie mich an und ich presste meine Lippen fest aufeinander. Ich wollte nichts mehr mit Louis zu tun haben, er hatte mich verletzt und ich brauchte Abstand. Aber es ging eben um Louis und ich konnte nicht verhindern, dass sich mein Herz, mein ganzes Sein nach ihm verzehrte.
"Okay, ich versuch es.", antwortete ich Phoebe und sie fiel mir dankbar um den Hals.
"Er ist in seinem Zimmer.", sagte sie und schob mich beinahe raus. Überrumpelt ging ich mit, bis ich vor seiner Tür stand. Phoebe klopfte laut und rannte dann weg.
Scheiße - und was jetzt?
Ich wusste doch gar nicht, was ich sagen sollte. Und wie würde Louis reagieren? Warum hatte sie mir nicht noch einen Tag Zeit zum Überlegen geben können?
Ich hörte Schritte näher kommen und meine Gedanken wirbelten panisch durch meinen Kopf. Bevor ich jedoch flüchten konnte, wurde auf einmal die Tür vor mir aufgerissen und ich stand ihm gegenüber. Louis.
"Was ist de-", fing er an und brach mitten im Satz ab. Die Maske, die er sorgfältig über sein Gesicht gelegt hatte, bröckelte und ich konnte unzählige Emotionen über sein Gesicht huschen sehen. Überraschung, Trauer, Resignation, Wut, Zuneigung. Wenige Sekunden später waren sie verschwunden und ich sah wieder die beinahe perfekte Maske vor mir.
"Was machst du hier?", fragte er kalt. Ich zuckte zusammen; ich war es nicht gewöhnt, dass er so mit mir sprach. Er war immer unglaublich sanft mit mir umgegangen und hatte nie die Stimme gegen mich erhoben.
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Doch als ich den Mund öffnete, um irgendetwas zu antworten, unterbrach er mich schon.
"Ich will dich nicht sehen. Nie wieder.", sagte er leise und wieder machte mir die Kälte in seiner Stimme zu schaffen.
"Lou-is, bitte," stolperte ich über seinen Namen und wusste nicht, was ich noch sagen sollte. Seine Augen blitzten traurig auf als er meine Stimme hörte. Ich hatte nicht geahnt, dass sie so gebrochen klang.
"Du hast Schluss gemacht, warum also kommst du jetzt her?", fragte er. Er versuchte mich anzufahren, erkannte ich, doch auch jetzt konnte er es nicht. Vielleicht hatte ich ja doch noch eine Chance zu ihm durchzudringen.
"Es tut mir leid.", fing ich an zu reden und wusste sofort, dass das falsch gewesen war als sich sein Gesicht minimal verzog. Er biss die Zähne aufeinander und ich atmete tief durch.
"Ich -", versuchte ich es erneut, doch er unterbrach mich. "Lass es gut sein, Harry. Du hast genug angerichtet." Mit diesen Worten schlug er die Tür vor meiner Nase zu. Ich schluckte hart. Eindeutig hatte ich nicht damit gerechnet, wie schwer es sein würde, mit ihm zu reden.
Wie ein Roboter drehte ich mich um und begegnete Phoebes niedergeschmettertem Blick. Da traf ich spontan eine Entscheidung.
"Ich verspreche dir, ich bringe Louis zurück!"
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Es war noch viel zu bald am Morgen, als ich in der Schule, in der ersten Unterrichtsstunde saß und versuchte meine Augen nicht zufallen zu lassen. Ich hatte gerade Mathematik - es war das einzige Fach, das ich mit Louis gemeinsam hatte. Er war eigentlich älter als ich, doch das Rechnen war nie seine Stärke gewesen und deshalb musste er den Mathematikunterricht der Klassen unter ihm besuchen. So hatten wir uns auch kennen gelernt.
Herr Stoltz, so der Name des Professors, drehte sich zur Klasse, um sich das nächste Opfer auszusuchen, welches an der Tafel vorrechnen musste.
"Tomlinson, vielleicht kannst du uns ja ausnahmsweise mal was sagen.", meinte er schadenfroh, im Gewissen, dass Louis die Aufgabe nicht beantworten können würde.
Mein Blick fiel auf Louis, der langsam aufstand und nach vorne ging. Er musste wohl für alle so aussehen, als wäre es ihm scheißegal, doch ich wusste gabz genau, dass er eigentlich verzweifelt versuchte, seine Mathematiknote zu verbessern.
Dann stand er vor der Tafel und Herr Stoltz sah ihn ungeduldig an.
"Na los, mach schon, Tomlinson.", sagte er. Mir fiel auf, wie Louis krampfhaft schluckte und dann wusste ich, dass ich ihm helfen musste. Als der Professor nicht hersah, schnappte ich meinen neuen, noch unbeschriebenen Block und warf ihn quer durch den Raum, sodass er den leicht reizbaren Jungen aus der ersten Reihe (er durfte nicht mehr hinten sitzen, weil er den Unterricht so oft gestört hatte) direkt auf den Kopf traf. Dieser schrie wütend auf und der Professor drehte sich in seine Richtung - das war Zeit genug für mich Louis die SMS zu schicken, die ich schon eilig getippt hatte.
An: my tiny lou
(Gesendet um 07:57)
Ich beobachtete, wie Louis das Handy hervorholte und dann schnell den Rechengang auf die Tafel abschrieb, während Herr Stoltz noch nach dem Übeltäter suchte. Als er jedoch niemanden fand, schnaufte er abfällig und drehte sich wieder um, allen Anschein nach, um Louis weiter zu quälen. Verblüfft blieb er stehen und sah auf die Tafel.
"Das ist richtig.", gab er nach langem Überlegen zu. Louis grinste höhnisch und fragte dann abgehoben: "Darf ich mich jetzt denn wieder hinsetzen oder beanspruchen Sie meine Anwesenheit noch länger?" Herr Stoltz machte nur eine ausladende Handbewegung und bedeutete Louis so, er könne sich setzen.
Der Wuschelkopf ging langsam auf seinen Platz zurück. Und als er bei mir vorbei ging, zögerte er kurz, bevor er mir leicht zulächelte.
Ja, ich würde etwas Zeit brauchen, aber ich würde es schaffen, Louis wieder auf den richtigen Weg zurück zu bringen.
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Louis Pov:
Gleichgültig schulterte ich meinen Rucksack und ging aus dem Klassenzimmer. Die letzte Stunde war vorbei und ich ging lässig zu meinem Spind.
Als ich ihn öffnete, fiel mir ein Zettel entgegen. Er war sorgfältig gefalten und mein Name stand ordentlich darauf geschrieben. Ich erkannte die Schrift sofort; niemand sonst schrieb so wie Harry.
Louis,
Ich weiß, du willst mich nicht mehr sehen, aber hör mir nur kurz zu. Es tut mir wirklich leid, was ich getan habe. Ich weiß, dass ich dich damit verletzt habe, aber du musst meine Seite auch verstehen.
Ich liebe dich! Auch wenn du es mir nicht glaubst, ich liebe dich mehr als alles andere auf der Welt. Und ich verstehe auch, dass du dir schwer tust deine Gefühle zu zeigen. Das respektiere ich! Aber glaubst du nicht, es tut mir weh, wenn du mich geradezu verleugnest?
Das war als hättest du mir ein Messer ins Herz gerammt - auf die Frage, wie lange wir zusammen seien, hast du einfach geantwortet, dass du nicht schwul bist und wir nur Freunde sind. Ich kann nicht mal richtig beschreiben, wie verraten ich mich gefühlt habe und wie sehr mich diese Aussage getroffen hat.
Wäre es doch nur ein Ausrutscher gewesen. Weißt du, das habe ich mir eingeredet. Wenn wir allein waren, warst du immer so unglaublich süß und liebevoll und ich habe mir gesagt, du wärst nur überrumpelt geworden.
Aber dann hast du es wieder getan.
Und wieder.
Und es tut weh.
Ich habe mir geschworen, dass ich nicht in einer Beziehung bleibe, die mich kaputt macht und deswegen habe ich Schluss gemacht. Du glaubst gar nicht, wie schwer es mir gefallen ist, diese Worte auszusprechen, aber ich musste einfach.
Und noch immer liebe ich dich. Egal, was du tust, was ich tue, ich kann nicht aufhören, dich zu lieben.
Ich wollte nur, dass du das weißt.
Harry x
Ungläubig starrte ich auf den Zettel vor mir. Ich hatte nie mitbekommen, was ich Harry angetan hatte. Es war mir nicht aufgefallen und ich hatte nie vorgehabt ihn zu verletzen.
Hatte er tatsächlich nur mit mir Schluss gemacht, um sich selbst vor meinem ignoranten Benehmen zu schützen?
'Nein, das war nur eine Ausrede!', strömte durch mein Gehirn, während mein Herz aufschrie, dass Harry mich nie anlügen würde.
'Du hast geschworen, dich nie wieder in Situationen zu bringen, die dich verletzbar machen.', schoss es mir weiter durch den Kopf. Aber was, wenn ich Harry wieder zurück haben könnte? Wenn wir wieder gemeinsam stark sein könnten?
Vielleicht war Harry diese Ungewissheit und Verletzbarkeit wert. Himmel, natürlich war er sie wert, aber es fiel mir so schwer, das einzusehen.
Gedanken an unsere gemeinsame Zeit, an Harry flogen durch mein Hirn. Wärme und noch so viele andere, positive Gefühle begleiteten die Erinnerungen und ich fasste spontan einen Entschluss.
Ich würde Harry zurückgewinnen, auch wenn das hieß, dass ich meine Gefühle zeigen musste.
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Fast eine Woche war seit meinem Beschluss vergangen und ich hatte in diesen Tagen beinahe mein ganzes Leben umgekrempelt.
Ich hatte mich bei meiner Mutter für alle Streits entschuldigt. Sie war mir schluchzend um den Hals gefallen und ich kam mir so schuldig vor, wie noch nie.
Ich hatte mit meinen Schwestern geredet und viel Zeit mit ihnen verbracht. Ihre strahlenden Gesichter wollten nicht mehr aus meinem Gedächtnis verschwinden und bestärkten mich in meiner Entscheidung, versicherten mir, dass ich das Richtige tat.
Außerdem hatte ich über meine Gefühle gesprochen, zuerst mit meiner Mum, dann mit der Schulpsychologin. Diese meinte, dass es normal sei, manchmal Angst zu haben und sich schützen zu wollen. Sie riet mir jedoch, auf keinen Fall meine Familie wegzustoßen, da es mir am Ende nur selbst schlechter gehen würde. Mit meinem Freund sollte ich reden, und ihm alles erklären. Es wäre ein guter Anfang, mit fremden Personen über meine Emotionen zu reden und zum Schluss meinte sie noch, ich könnte immer, wenn ich das Gefühl hätte, dass es wieder schlimmer würde, zu ihr kommen zum Reden. Ich war mir nicht sicher, ob ich das Angebot in Anspruch nehmen würde, aber es war schön, dass es zumindest die Möglichkeit gab.
Zu guter Letzt hatte ich in den vergangenen Tagen noch geplant, wie ich mich bei Harry entschuldigen könnte und dann war mir die rettende Idee gekommen.
An diesem Wochenende gab es in der Stadt den alljährlichen Winterball, wie er so einfallsreich hieß, und Harry war jedes Jahr dabei. Eigentlich hatten wir geplant gemeinsam hin zu gehen, aber daraus schien nichts zu werden. Harry verdiente jedoch die Welt und ich würde sie ihm (hoffentlich) zu Füßen legen.
Nervös zupfte ich an dem schwarzen Sakko, das ich trug. Noch nie zuvor hatte ich so etwas getan und zu sagen, ich wäre unruhig, wäre wohl eine Untertreibung.
Der Ball war in vollem Gange, es war etwa neun Uhr abends, als die nette Frau, mit der ich meinen Plan durchgesprochen hatte, nach einem Lied die Bühne hinter der Tanzfläche betrat. Sie griff nach einem Mikrofon und bat kurz um Aufmerksamkeit.
"Bevor es gleich weiter geht, gibt es hier noch einen jungen Mann, der etwas Wichtiges zu sagen hat." Sie winkte mich zu sich und überreichte mir das Mikrofon. Mein Blick fiel sofort auf die Menge, suchte den Tisch, an dem Harry wie jedes Jahr selbstgebackenen Kuchen verkaufte. Er sah gerade nicht her, sondern überreichte jemanden ein Stück einer Torte.
"Ja, ähm, hi", begann ich und schlug mir innerlich auf die Stirn. Was redete ich denn da?
Als meine Stimme durch den Raum schwang, fuhr Harry herum und starrte mich aus großen Augen an. Ich lächelte nervös.
"Es tut mir leid, dass ich ihren Abend kurz unterbreche, aber ich habe einen . . . nein, ein paar wirklich schlimme Fehler gemacht und ich muss das einfach gerade biegen.", sprach ich weiter. Mein Blick klebte auf Harry, hielt ihn gefangen und als er merkte, worauf ich hinaus wollte, wurden seine Augen noch größer, beinahe ungläubig.
"Harry," sprach ich ihn direkt an, "es tut mir so leid. Ich habe nie realisiert, wie sehr ich dich verletzt habe. Lass es mich wieder gutmachen!" Sein Blick wurde etwas sanfter und er beobachtete mich gespannt.
"Wissen Sie," wandte ich mich schluckend an die Menge, "Harry und ich waren ein Paar und ich habe ihm weh getan, weil ich nicht zu meinen Gefühlen gestanden bin und ich muss das einfach wieder gutmachen." Ich atmete tief ein, bevor ich wieder zum Sprechen ansetzte. "Ich liebe dich, Harry und ich hoffe, du kannst mir verzeihen."
Damit senkte ich das Mikrofon und im Raum herrschte eine Totenstille. Harry stand wie erstarrt da, die Augen noch immer auf mich gerichtet. Dann schienen meine Worte zu ihm durchzudringen und er stolperte hinter dem Kuchentisch hervor. Ich konnte die Tränen in seinen Augen sehen, als er auf mich zu rannte und dann hatte ich einen weinenden, zitternden Lockenkopf in den Armen liegen.
Schnell schloss ich meine Arme fest um ihn, strich ihm tröstend über den Rücken. "Es tut mir so leid.", wisperte ich ihm ins Ohr. Er presste sich noch enger an mich, ich konnte seinen ganzen Körper an meinem spüren. Es fühlte sich so schön und richtig an, ihn wieder in den Armen halten zu können. Unglaublich perfekt.
Seine Schluchzer wurden leiser, bis sie schließlich ganz verstummten. Er hob den Kopf, den er bis eben noch in meiner Halsbeuge vergraben hatte und sah mir fest in die Augen. Dieses perfekte Grün stahl mir den Atem. Ein kleines Lächeln kletterte auf seine Lippen und das Bild brannte sich in mein Gehirn. Endlich.
Sein Lächeln wurde größer und dann lehnte er sich nach vorne, drückte seine Lippen zart auf meine, während rund um uns herum die Musik begann weiter zu spielen.
*****
Hey (: ja, ich lass auch mal wieder was von mir hören.. Es tut mir leid, dass es so ewig gedauert hat, aber ich hatte eine totale Schreibblockade und außerdem den ersten Teil meiner Matura (mit einer 1 bestaden *-*)
Was haltet ihr von dem One Shot?
Wörter: 3951
Danke an alle, die so geduldig auf meine Updates warten! Ich kenn das ja, es ist immer nervig, wenn der Autor nie weiter schreibt und deswegen bin ich euch auch so dankbar, dass ihr trotzdem immer wartet und weiter lest <3
Außerdem riiiiesiges danke für fast 8OOO Votes *___* omg DANKE! ❤
Und zum Schluss noch eine kleine Werbung: "Der Lehrling und der Novize" von @Headlong90 (die Geschichte spielt im Mittelalter und ist wirklich richtig gut geschrieben, hab gar nicht mehr aufhören können zu lesen! *-*)
Bis hoffentlich ganz bald :*
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