So kommt zueinander, was zueinander gehört
Die Reise durch die Lausitz war durch schlechtes Wetter beschwert. Es gab viel Wind und Regen, der manche Wege schwer passieren ließ. Doch letztlich froh, passierte man die Oder und begab sich zum beschriebenen Ort an der Mündung der Bober. Nun war man schon auf polnischem Gebiet.
Nerin hätte am liebsten weglaufen wollen und sofort aller Orten hierzulande nach Larno nachfragen.
Doch fasste sie sich in Geduld. Daran hatte auch Stanielub einen großen Anteil, der Nerins Unruhe gut zu beruhigen wusste. Noch musste dieses Maskenspiel fortgesetzt werden, wollte man Herrin Reglindis nicht in eine Erklärungsnot vor Dritten bringen.
Bischof Heico war froh, rechtzeitig am Ort der Dokumentenübergabe angelangt zu sein. Es war nur die Furcht vor Räubergesindel oder Unwillen polnischer Ritter, die ihn besorgt erscheinen ließ. Hierdurch abgelenkt, vergaß er fast kleinere Zweifel an der Mission von Markgräfin Reglindis Dienerin.
Als da nun am übernächsten Tag gegen die Mittagszeit sich ein Tross unter herzoglichem Wappen und Geleit von acht Rittern dem Lager näherte, da war der Blick des Bischofs Heico von Meißen schnell nur auf die Erledigung der Aufgaben und eine sodann gewünschte schnelle Heimkehr in das Reichsgebiet gerichtet.
Das Zelt des Bischofs war jedoch nicht gleichzeitig der Ort der Unterredungen. Bischof Heico hatte hierfür einen anderen Ort gewählt, der fußläufig sehr nahe dem Lager war. Unter einer einzeln stehenden älteres Eiche hatte er einen Tisch kleinen Tisch aufstellen lassen und mehrere mit Tüchern überdeckte Baumklötze, auf denen man sitzen oder auflehnen konnte. Wegen der Unbeständigkeit des Wetters war zudem vorsorglich eine feste Plane unterhalb der Baumkrone gespannt worden, die dem gewünschten Unterredungsplatz sowohl Schatten als auch Regenschutz geben konnte.
In Erwartung der polnischen Vertretung war Bischof Heico schon zu der Eiche gegangen und wartete dort mit einem Priester und einem Documenratius. Zwei Wachen mit schwerem Großschild und Speeren standen ein wenig abseits, um auch ein gewisses Maß an Sicherheit zu bekunden und auch notfalls wehrhaft zu sein.
Das Lager der Deutschen bestand aus den Kutschen und Karren, welche im Halbrund hier aufgefahren waren und drei größere und zwei kleinere Zelte im Innenkreis des Lagers umschlossen. Hier war ebenfalls ein Großteil des bewaffneten Geleites verblieben.
Auch Nerin und Stanielub hatten bereits die näherkommende kleine polnische Delegation wahrgenommen. Nerin war vor Aufregung sehr zerstreut und aufgewühlt. Stanielub hatte ihr Zeit gelassen, sich in der Kutsche für den Anlass herzurichten. Die Markgräfin Reglindis hatte Nerin auch Kleidung gestellt in Strehla, welche wohl mehr dem Geschmack der Markgräfin entsprachen. Nerin fügte sich zu diesem Anlass einmal mehr, die Maskerade aufrecht zu erhalten. Sie hatte sich für die erste Begegnung mit den Polen ein weißcremiges Kleid und eine geschlossene Haube aufgespart, in die sie nun zu schlüpfen hatte.
Stanielub ging währenddessen mehrfach um die Kutsche herum. Nach seiner Auffassung ist die Anwesenheit einer so hübschen jungen Frau im Tross vielleicht auch für die Knechte und Bewaffneten ein Anlass, hier und da den Versuch zu wagen, einen Blick auf die Dame- oder hier die Dienerin Nemanja- zu erhaschen. Wie ein alter Wachhund schlich er daher umher, um dies nicht zuzulassen. So hätte sich wohl auch ein Vater verhalten, daher nahm kaum jemand in diesem Moment Notiz davon. Der alte Kutscher war es bereits auch von Wachen gewohnt, die bei Umritten regelmäßig ein gleiches Augenmerk zu leisten hatten.
Nerin hatte sich gut als 'Dienerin Nemanja' ausstaffiert, als sie aus der Kutsche herauskam. Stanielub in einfacher Kleidung bot ihr daher an, sie nicht begleiten zu wollen zur Eiche. Dies würde vielleicht Fragen aufwerfen, welche man nicht beantworten wollte, denn im Vergleich zu Nerin sah Stanielub einfach gekleidet aus und für den Anlass nicht angemessen genug, um Eindruck zu machen.
„Du schaffst das schon, mein Kind!", hatte er ihr Mut gemacht.
Die Unterredungen dauerten an.
Die Delegation der polnischen Seite stand unter Leitung des Herzogsohnes Miezko Lambert, der im Auftrag seines Vaters hier teilnahm. Unter der Eiche und dem Zeltdach dort standen zudem ein Abt und ein Dolmetscher für die Polen, sowie auch hier ein Documentarius, der mit seiner Schriftkunde gemeinsam mit dem Abt und dem Documentarius der deutschen Seite die Unterlagen prüfte.
Bischof Heico wechselte derweilen mit dem Sohn des Herzogs einige Worte.
Als Nerin näherkam, stellte sie sich nahe dem Zelt in gebührendem Abstand etwas abseits- jedoch nahe genug, um den Bischof auf sich aufmerksam zu machen und auf 'ihr Anliegen', beziehungsweise das Anliegen der Markgräfin von Meißen Reglindis hinzuweisen.
Stanielub war zu dem alten Kutscher auf den Wagen geklettert und sprach mit ihm. Von hier aus hatte er einen guten Blick auf die Geschehnisse an der alten Eiche.
Nach einiger Zeit waren die beiden Schriftenkundigen und auch der polnische Abt wohl zu der Entscheidung gekommen, dass die Urkunden zum Frieden von Posen beidseitig wohl und dem Rechte beider Seiten entsprechend verfasst und gesiegelt waren. Der polnische Abt und der Documentarius der Deutschen gingen zu ihren Herren und bestätigten die Urkunden nochmals mündlich.
Die letzten ausgetauschten Worte zwischen dem Bischof Heico von Meißen und dem Sohn des Herzoges gemahnten noch einmal, die niedergeschriebenen Punkte einzuhalten. Während Miezko Lambert nochmal auf die zwingende Einhaltung des festgelegten Grenzverlaufes drang, hob Bischof Heico noch hervor, dass man sich von Seiten des Königs und des Reiches an die Absprache des Vertrages halten werde, die Einhaltung durch die Gegenseite jedoch ebenfalls stetig fordere und sehr gestreng beobachte.
Hiernach wurden die Schriftrollen einander ausgetauscht.
Der Herzogsohn winkte einem weiter hinten stehenden Bewaffneten zu, der zwischen den Wagen des polnischen Trosses verschwand. Die Schriftrolle übergab Miezko dem Abt, der das wichtige Staatsdokument sogleich zum Wagentross brachte.
Bischof Heico indessen schien dieser Moment der richtige Augenblick zu sein, die junge abseitig stehende Dame näher heran zu bitten. Mit winkender Geste rief er Nerin ohne Worte näher unter das Zeltdach.
„Guter Herr Miezko. Diese junge fromme Dame ist die Dienerin der Markgräfin Reglindis von Meißen, Eurer wertgeschätzten Schwester. Reglindis bat mich persönlich darum, ihre gute Dienerin und ihren Vater zu Eurer Mutter, der Herzogin Emnildis, in deren Fürsorge überstellen zu lassen. Die Dienerin eurer Schwester hat so vertrauliche Nachrichten persönlichen Inhaltes an Reglindis Mutter die Herzogin als auch für Eure jüngere Schwester bestimmt zu überbringen. Sie reiste in der Kutsche der Markgräfin Reglindis in meinem Tross mit. Ich möchte sowohl diese Dame als auch die Kutsche in eure Verantwortung und Geleit mitgeben, damit die Dame ihre durch Markgräfin Reglindis gegebenen Worte an die Herzogin richten kann. Zudem hat sie bei der Herzogin auch weitere Dinge vorzutragen. Seid ihr damit einverstanden, edler Miezko?"
Der Herzogssohn musterte Nerin- wohl mit angetanem Blick.
Nerin verhielt sich zwar in diesem entscheidenden Moment Ruhig und trat sanft und sittsam auf- allerdings schlug ihr Herz so laut und heftig, dass sie selbst vermutete, alle der Anwesenden würden darauf aufmerksam.
„Nun? Auch ich würde mich sehr freuen, Kunde von meiner Schwester zu erhalten.", gestand Miezko ein. Dann nickte er heftig. „Sehr gern geben wir der Kuschte meiner Schwester das Geleit zur Burg meines Vaters. Die Fürbitte meiner Schwester soll nicht enttäuscht sein, dies könnt ihr Reglindis berichten und ihr meine lieben Grüße mitnehmen."
Heico machte eine vielsagende Bewegung seiner linken Hand in Richtung von Nerin.
Wortlos machte Nerin auf ihren Schuhen eine Wendung und begab sich zum Lager der Deutschen, wo die Kutsche der Markgräfin angespannt wartete.
Stanielub hielt es kaum mehr auf dem Kutschbock. Hatte er wohl nicht hören können, was an der Eiche beredet war, so sah er Nerin nun langsam zurückkommen. Sittsam die Hände vor dem Schoss gefaltet bewegte sie sich. Erst als sie nahe heran war, zeigte sie ein breites offenes Lächeln. Als Nerin an Stanielub vorbeikam sagte sie nur die Worte: „Wir haben es geschafft! Die Kutsche kann langsam anfahren und zum Tross der Polen herüberfahren!" Dann ließ sie sich von Stanielub in die Kutsche helfen, wo sie laut für Stanielub hörbar tief ausatmete mehrmals.
Stanielub schob den Schemel zum Kutscheinstieg in das kleine Fach unter dem Wagen. Dann ging er zu dem Fenster, wo er Nerin dahinter sitzen sah und flüsterte nur: „Bist ein tapferes Mädchen! Wirst sehen- es kommt so bald zusammen, was zusammengehört!"
Schönere Worte konnte der alte Mann nicht an Nerin richten.
„Ich danke Dir Stanielub. Ich danke dir!", kam aus dem Wagen.
Kurz darauf fuhr die Kutsche an- in Richtung des polnischen Lagers.
Nun zeigte sich auch, was der Herzogsohn mit der Handgeste an die bewaffneten Männer zurück bewirken wollte. Von der Seite der Polen wurden mehrere Männer ohne Fesselung zur Eiche vorgebracht.
Herr Miezko teilte dem Bischof mit, dass man diese Männer den Deutschen zurückgeben werde. Es handele sich um Geiseln, welche an verschiedenen Orten des letzten Feldzuges durch die Deutschen in Gefangenschaft gerieten. Als Zeichen der Wohlgewogenheit wolle man diese Männer - zur Untermauerung des Friedensschlusses- nunmehr freilassen und dem Geleit des Bischofs zurück in deren Heimat übergeben.
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