Irrgeleitet

Larno war beeindruckt, wie gut unterrichtet Herzog Boleslaw I. Chrobry sich immer wieder über die Bewegungen der Deutschen und des Königs Heinrich II. zeigte. Boleslaw schien ein gutes Füllhorn an Informanten zu haben. Sicherlich ließ er diese Dienste auch sehr gut entlohnen.

Nach und nach kamen im frühen Sommer die Informationen zum polnischen Herzog, dass sich die Deutschen einem Aufruf zur Versammlung des Heeres unter dem Königsbanner Heinrichs II. gegen die Polen folgen und sich bei Leitzkau zusammenfinden würden.

Boleslaw I. Chrobry reagierte sehr frühzeitig- noch als sich der König selbst aus dem Westen seines Reiches kommend nach Osten bewegte- und rief seinerseits alle Kämpfer in ein Heerlager am Zusammenfluss von Bober und Oder zusammen.

In einer frühen Besprechung nach Ostern 1005 der von Herzog Boleslaw bestimmten Anführer der Heereskontingente, zu denen in diesem Heereszug auch Larno zählte, wurde ein solches Vorgehen bereits abgewogen. Auch bei folgenden Besprechungen wurde diese Möglichkeit vorgetragen und ersonnen, wie man reagieren könnte auf mögliche Bewegungen des Königlichen Heeres.

Hatte Sigismund von Lehn frühe Störhandlungen gegen die herannahenden einzelnen Kontingente vorgeschlagen, so bestand der Herzog persönlich darauf, das polnische Heer dieses Mal nicht aufzuspalten und im Kern zusammen zu behalten.

Doch musste man auch in Kauf nehmen, dass den entschlossenen König Heinrich II. weitere Kontingente an anderen Stellen unterstützen könnten, um durch Ablenkung von der eigentlichen deutschen Heeresfahrt die Aufmerksamkeit wegzulocken. Kleine Truppen waren daher in Mähren und auch Schlesien gebunden, auch am oberen Lauf der Oder standen vorsorglich Truppen. Boleslaw I. Chrobry war selbst ein kluger Heeresführer mit viel Übersicht. Er wollte den Kampf an der Landesgrenze halten. Sollten sich die Deutschen als überlegen erweisen, so wollte er auch einen Rückzug ins polnische Kernland nicht ausschließen, da dies in Folge seine Mannen ermutigt hätte, die Heimatlande zu verteidigen.

Doch blieb erst einmal bis Anfang des Monats August 1005 alles recht ruhig.

Dann jedoch wurde berichtet, dass Heinrich von Bayern mit starken Truppen zum Deutschen Heer hinzukommen würde und auch die böhmische Ritterschaft ein ordentliches großes Kontingent abgestellt habe. Anfang August schien sich das Heer des Königs dann nach Osten zu bewegen.

Der Krieg begann also zu entflammen.

Larno bekam eine Abteilung von vierzig Reitern unterstellt, zu denen auch sein Freund Graf Biedrow freiwillig gehörte. Biedrow hatte dies durch Kniefall vor Herzog Boleslaw im Heerlager am Fluss Bober selbst erbeten und erwirkt. Diese Truppe sollte das westliche Ufer der Oder erkunden und vor allem auch feststellen, ob sich lutizische Truppen näherten. Doch zu weit vorwagen sollte dich diese Abteilung nicht.

Bald schon zeichnete sich ab, dass das deutsche Heer nur langsam vorwärtskam und wohl zum Fluss Spree vorrücken wollte.

Hier kam den Polen ein besonderer Umstand zu Gute, von dem sie allerdings erst zu Beginn des September 1005 durch einen Zufall erfuhren: Zwei Aufklärer brachten einen Slawen namens Hamicz zum Lager von Larnos Männern. Hamisz erklärte, dass Ritter der Deutschen nach einem guten Marschwege suchend zwei kleinere Ortschaften der hier lebenden Spreewanen verheert hatten und die zwei Stammesführer mit Namen Vezemiuscle und Boris unter Bedrohung derer Familien und Stämme dazu gezwungen haben, deren Führer durch die Wildnis bis zum Fluss Spree zu sein und sie sodann zur Oder zu bringen. So haben die Deutschen, um deren festen Willen zu untermauern, mehrere Leute niedergestreckt, so auch den Sohn des Stammesführers Vezemiscle. Diesem Blutbad unter den Slawen Einhalt zu gebieten, haben die Stammesführer und drei weitere Männer eingelenkt, das deutsche Heer durch die Wildnis zu schaffen. Hamicz selbst sei aus Boris Stamm und habe sich noch im Erkennen der Gefahr versteckt im Wald. Doch habe Hamicz den Tross und dessen Bewegungen beobachtet. Hamicz sei sich sicher, dass weder Boris noch Vezemiuscle die Truppen der Deutschen richtig führen. Sie leiten sie in die Sümpfe, dorthin, wo Wasserwege deren Marsch erschweren und verlangsamen. Die großen Karren, welche die Deutschen mit sich im Tross haben würden ständig festfahren und den Vormarsch verlangsamen. Die Stammesführer der beiden Slawenstämme müssen dies absichtlich tun, wohl aus Wut über den Übergriff der Deutschen auf ihre Leute.

Larno schenkte diesen ehrlich gesprochenen Worten Glauben. Er ließ den Hamicz unter Versprechen von Sicherheit und einer Belohnung zum Lager des Herzogs schaffen.

Nun wusste man, wo der Feind sich bewegte- und auch, wohin er ziehen wollte. Mit großem Abstand suchte Larno nun mit seinen Männern vor die Deutschen zu gelangen, ohne deren Bewegungen aus den Augen zu verlieren. Irgendwann jedoch muss man wohl den beiden Slawenhäuptlingen nicht mehr getraut haben, denn die Bewegung des königlichen Heeres wurde geradliniger, bis sie die Spree erreichten und überschritten. Fußläufige Kundschafter berichteten nun, dass die Deutschen Ritter ab und an Vorausabteilungen auf die Wege zur Oder hin entsenden. Entweder erwartete man von dort die Truppen der Lutizen oder man wollte sich der Befahrbarkeit der Wege versichern- so vermutete Larno. In den Besprechungen mit seinen Männern dachten wohl viele wie Larno.

Am fünften Tag des September 1005 fassten die polnischen Ritter einen Entschluss. Larno schlug einen Hinterhalt vor, um den Deutschen zuzusetzen. Der ersonnene Plan sah vor, in einem selbst ausgesuchten Gelände, das weit und gut einzublicken war, zwei oder drei polnische Ritter als Köder den Deutschen Vorausabteilungen anzubieten. Sollten sie anbeißen, so würden die Ritter den vermeintlich fliehenden schwachen polnischen Rittern nachsetzen, um Gefangene zu machen. Die Fliehenden jedoch locken die Deutschen in ein genehmes Gelände, in dem sich die anderen Reste von Larno's Truppe auf die Lauer gelegt haben. Man würde zuschlagen- schneller und härter, als es die Deutschen Verfolger wahrhaben würden.

Am Folgetag schon bot sich diese Gelegenheit auf der diesseitigen östlichen Aue der Spree.

Gut zehn Mann ritten langsam und aufmerksam im Morgengrauen durch die noch von feuchtem Nebeln umwolkten Auen. Ob sie einen Weg für das Heer hier entlang suchten oder nur das Umland auskundschaften wollten- sie machten eine für sie verlockende Entdeckung: offenbar waren zwei polnische leichte Ritter ebenfalls am Waldrand unterwegs, wie die Deutschen schnell erkannten. Die Polen schienen unschlüssig, wie sie sich verhalten sollten.

Diese verlockende Gelegenheit wollte sich der Anführer der deutschen Reiter wohl nicht entgehen lassen. Mit mutigem forschen Ton redete er auf seine Gefolgsleute ein.

„Diese Zwei dort! Holen wir sie Uns! Ergreift Eure Waffen und seid zuversichtlich eines leichten Sieges, Männer!", tönte er lauthals hervor. Schon trieb er sein Pferd energisch als Erster an, um seinen Leuten zu zeigen, wie ernst ihm dieser Willen war. Seinen Banner- beflaggten Spieß in Richtung der polnischen Reiter bereits blutdurstig senkend. Gingen zwei weitere auch sofort dazu über, es ihrem Hauptmann gleich zu tun, so folgten die anderen sieben eher unentschlossen- doch auch sie folgten und nahmen die Waffen fest zur Hand.

Die zwei Polen erkannten die Entschlossenheit der ihnen weit überlegenen schweren deutschen Reiter. Schienen sie anfangs noch unschlüssig was zu tun wäre, so wendeten sie ihre Pferde zur schnellen Flucht. So ging die Verfolgung nun in schneller Bewegung die Spreeaue entlang.

Die Deutschen bemerkten, dass ihre Chance, die zwei Polnischen zu ergreifen sehr gut erschien. Der Anführer, ergriffen vom Durst nach polnischem Blut, rief irgendetwas Unverständliches in die morgendliche Aue hinaus- wohl, um die Polen zur Aufgabe zu bewegen oder sie einzuschüchtern.

Die Polen jedoch ritten vermeintlich planlos weiter. Einer bog nach rechts ab, der Andere folgte- scheinbar irritiert vom Wechsel der Fluchtrichtung durch seinen Waffengefährten.

Die Hatz auf die Polen schien zum Waldrand zu gehen. Hier bogen beide in eine Waldschneise ab, die beidseitig von Hügeln gesäumt waren. Würden die Pferde der Polen vor den dichten Bäumen scheuen, so hätten die Deutschen sie sicher dort gestellt.

Die Polen wurden langsamer, als würden sie einen Zugang zwischen die Bäume suchen, um die Deutschen im Wald abzuschütteln, denn hier draußen in der Waldschneise schienen die Deutschen sie gleich zu erwischen, so dass sie zwei Ritter hilflos zum Kampf gezwungen waren. Hastig kamen die Deutschen Ritter immer näher- im vollen Galopp ihrer Pferde, eines Sieges fast gewiss.

Schnelle Pfeile flogen unvermittelt von beiden Seiten der engen Waldschneise auf die fast rasend herannahenden Reiter der Deutschen zu. Damit nicht genug flogen den Deutschen auch mehrere gut geworfene Speere entgegen.

Der Kampf begann, der Hinterhalt war wie gewollt gelungen.

Die zwei vorn reitenden Deutschen traf es sofort und sehr hart. Pferde und Reiter überwarfen sich- kaum zu erkennen, wer da zuerst getroffen war. Auch sehr weit hinten in der deutschen Ritterschaft bäumte sich ein Ross der Deutschen nach einem Speertreffer tödlich getroffen ein letztes Mal auf und fiel auf die Seite, den Reiter am Bein einklemmend und unter seinem schweren Leib handlungsunfähig begrabend.

Aus dem Wald heraus kamen nun zu Pferde Larno und weitere gut bewaffnete Ritter mit Spießen und Schwertern, zudem Kämpfer zu Fuß von beiden Seiten mit Speeren oder gespannten Bögen bewaffnet. Die rannten oder ritten auf die sich in der Falle befindlichen deutschen Ritter zu. Zwei der Deutschen hielten hinten – starr vor Entsetzen- inne und wendeten ihre Pferde zur raschen, übereilten Flucht zurück. Lautes Geschrei und Gewimmer sterbender Pferde mischte sich mit dem Geklirr aufeinandertreffender Waffen. Schilde bersten, Speere splitterten. Ein Ritter von den vorderen Zweien- wohl der Hauptmann- erhob sich noch unter dem Schock des harten Aufpralles und brüllte- wild sein Schwert ins nichts schwingend. Und noch ein Spieß durchdrang seine Rüstung hart von der Seite, dass er noch mehr aufschrie von Schmerzen. Dann kam noch ein Speerstich von einem Polen dazu, sodass der Ritter tot niedersank. Zwei weitere deutsche Ritter wurden von ihren Pferden geworfen, einer davon brach ebenfalls sogleich am Boden zusammen. Der andere Ritter war im Schwertkampf mit Larno, erhielt jedoch einen harten Hieb am Hals im Vorbeireiten, ohne Larno getroffen zu haben. Ein weiteres Pferd scheute- ein polnisches diesmal- und warf den Reiter mit Bogen ab, bevor es in Panik davonjagte in die Aue. Die meisten Männer bearbeiteten nun die restlichen noch stehenden Deutschen, die nach und nach neue Verletzungen bekamen. Spießtreffer mischten sich mit hart treffenden Pfeilen hierbei. Larno ritt zu dem hinteren gestürzten Pferd, stieg dort ab, um sich mit dem Deutschen zu befassen. Doch der heiße Blutrausch Larno's wurde durch einen Moment des Blickkontaktes zu dem Deutschen zu einem Blutfrost gewandelt. Ein entschlossener Bogenschütze der Polen kam auch heran und spannte schon seinen Bogen, um seinen Pfeil schnell und Präzise in den Wehrlosen Körper des Deutschen zu jagen, der waffenlos bereits seine Hände zur Aufgabe gehoben hatte.

Der Blick des Bogenschützen war ebenso entschlossen und fast verbissen, wie sein Herannahen, als Larno sich- als dessen Hauptmann- ebenso entschlossen dem Bogenmann entgegenschnellte und mit ausgebreiteten Armen den Abschuss des Pfeiles verhinderte, der den Deutschen sicherlich getötet hätte.

„Halt!" Schrie Larno mit aller Kraft seiner Lungen. „Halt! Halte ein! Den hier nicht! Den hier nicht!", widerholte Larno mehrfach und von Mal zu Mal beruhigender auf den Bogenschützen einredend. „der nicht! Bitte, lass von ihm ab!"

Der Bogenmann verstand dieses Gebaren seines Anführers zwar nicht, tat aber, wie es ihm Larno angewiesen hatte. Er ließ ab und lief entschlossen zurück zu dem Kampf, der bereits entschieden war zu Gunsten der Polen. Alle anderen Deutschen- ob Ritter oder Waffenknecht- waren tot oder hauchten ihren letzten Lebensatem aus.

„Bleib liegen! Rühr Dich nicht!", sprach Larno zu dem eingeklemmten Rittersmann unter dem Pferd, der wohl kaum dort selbst hervorkommen konnte.

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