Kapitel 18 - Das Derby

Heute war der große Tag gekommen.

Lantry VC spielte geben Lantry BS.

Auf dem Gelände des Internats gab es ein Fußballfeld, welches von Tribünen eingerahmt war. Diese waren am heutigen Tage komplett besetzt. Nicht ein einziger freier Sitz war zu sehen.

Es hatte über Nacht geregnet, sodass der Rasen feucht und rutschig war. Schon beim Erwärmen hatten wir alle die Erfahrung machen müssen, dass die Bodenhaftung nicht so gut wie sonst funktionierte.

Wir standen Schulter an Schulter im Kreis in unserer Umkleidekabine. John hatte bereits seine Motivationsrede gehalten. Nun war Harry dran:

"Jungs!", rief er in die Runde. Dann drehte er sich kurz zu mir: "Mädchen! Wir haben hart für dieses Spiel trainiert. Und diese Penner haben es verdient richtig eins reingewürgt zu bekommen!" Harrys Pulsader war deutlich sichtbar geworden. Zudem war sein Gesicht hochrot. Sein Adrenalinspiegel schien etwas zu sehr außer Kontrolle geraten zu sein. "Hier geht es um mehr als nur ein Spiel. Das wissen wir alle!" Er sah zu Lou. Die ganze Mannschaft hatte sich in den letzten Tagen dafür eingesetzt, dass Lou durch diese Fotos so wenig Schaden wie möglich nahm. "WIR MACHEN SIE FERTIG!", brüllte Harry schließlich so laut, sodass ich zusammenzuckte.

"JA!", brüllten die Jungs der Runde zurück, während ich etwas verstört um mich sah. Für mich war das immer noch ein Spiel und keine Schlacht, in die wir ziehen würden. Doch mit dieser Einstellung schien ich allein da zustehen. Selbst Lou hatte seine Faust kraftvoll angespannt.

Voller Adrenalin gingen wir auf das Spielfeld zurück. Zunächst war ich beeindruckt von der Kulisse. Sicherlich hatten wir keine Tribünen, die mit tausenden Menschen gefüllt werden konnten, doch die Geräuschkulisse ließ mich das zumindest glauben. Nie zuvor hatte ich vor einem so leidenschaftlichen Publikum gespielt.

Dann fiel mein Blick auf George, der das gegnerische Trikot trug, und plötzlich hatte ich das Gefühl, dass es nur noch uns beide auf diesem Fußballfeld gab. Keiner aus der Mannschaft wusste, dass wir uns kannten. Wir hatten uns nach dem Familienausflug noch zweimal gesehen. Wir hatten viel gelacht und gealbert. Leider hatten wir so viel gealbert, sodass ein perfekter Kussmoment nicht mehr zustande gekommen war. Doch ich wusste, dass wir es beide wollten und irgendwie hing es immer in der Luft, wenn wir uns sahen. Selbst jetzt wollte ich einfach nur zu ihm gehen und meine Lippen auf seine legen.

Doch vermutlich müsste man dann den Kriegszustand in Lantry ausrufen.

Ich hatte George gefragt, ob er wisse, wer die Fotos rumgeschickt hatte. Doch auch er tappte im Dunkeln und ich glaubte ihm. Es war also keine kollektive Aktion vom Lantry VC gewesen.

Es wurde angepfiffen und sofort spürte ich die Aggressivität auf beiden Seiten. Als Mädchen wurde ich besonders argwöhnisch beäugt.

Lou stand nur wenige Meter neben mir, als ich sah, wie ein Gegenspieler sich an ihn presste und dann etwas sagte, was ich kaum glauben konnte:

"Ich hab dein Pic gesehen. Du hast ja gar keine Eier in der Hose. Du weißt übrigens schon, dass Mädchen sich heutzutage da unten rasieren, oder?"

Abrupt blieb Lou stehen und ich ahnte, dass er sich nicht unter Kontrolle halten würde. Geistesgegenwärtig rannte ich zu ihm und stellte mich zwischen die Beiden. Mein Blick war auf Lou gerichtet.

"Er ist es nicht wert!", versuchte ich ihn sofort zu beruhigen, doch er war völlig außer sich und brüllte Schimpfwörter in der Gegend herum, die ich zuvor noch nie gehört hatte. Unser Gegenspieler hatte Lous wunden Punkt gefunden und dort hineingestochen.

Ich hatte deutlich Mühe ihn in Zaum zu halten und war froh, als Harry dazu kam und ihn körperlich deutlich besser kontrollieren konnte, denn Lou war mir physisch deutlich überlegen..
"Hör da nicht hin!", richtete er mit scharfen Tonlage das Wort an Lou. "Hör da nicht hin! Der ist ein Idiot! Er ist es nicht wert, dass du jetzt mit rot vom Platz gehst."

"Heult der jetzt etwa? Wie so ein Mädchen!", ertönte wieder die Stimme des Gegenspielers. Ich warf ihm einen bösen Blick zu, entschied mich jedoch dazu, nichts zu sagen. Jedoch trafen sich unsere Blicke.

"Was schaust du so dumm?", griff er nun auch mich verbal an. Es war klar, dass alles, was er wollte Provokation warn.

Dieses Mal war es George, der dazu kam. Wo war eigentlich der Schiedsrichter?

"Toby, lass es!", ertönte Georges Stimme, während wir uns für eine Sekunde ansahen und kurz Gedanken austauschten. Wir hassten es beide, dass wir in zwei verfeindeten Mannschaften waren. Wir wollten doch nur Fußball spielen.

George war nicht groß, aber seine Kraft reichte, um diesen Toby von uns fernzuhalten. Ich hörte, wie das Publikum euphorisch schrie und zugleich buhte.

Es dauert noch weitere 5 Minuten bis sich die Gemüter soweit beruhigt hatten, sodass das Spiel wieder angepfiffen werden konnte. Ich wollte, dass es nur noch endete. Ganz egal ob wir 0 zu 6 verloren. Normalerweise war ich eine ehrgeizige Spielerin, doch hier war es nie um Fußball gegangen.

Das Spiel ging weiter. George hatte den Ball. Man sah deutlich, dass er ein hervorragendes Ballgefühl hatte und für diese Liga deutlich überqualifiziert war. Nie zuvor hatte ich ihn Fußball spielen. Umso beeindruckter war ich ihm dabei zuzusehen, wie er spielerisch den Ball mit sich nahm und danach einen nach dem anderen stehen ließ. Es machte ihn in meinen Augen noch attraktiver.

Er hatte fast die letzte Abwehrkette durchbrochen, als ich plötzlich sah, wie Greg vollkommen übermütig angerannt kam und ihn die Beine wegsäbelte. Vor Schreck blieb ich stehen. Ein Raunen ging durch das Publikum. Alle hatten Georges Schmerzensschrei gehört, nachdem er schmerzhaft zu Boden gegangen war.

Meine Gehirnzellen wurden reaktiviert und setzten meine Beine in Bewegung. Mein Beschützerinstinkt setzte ein. George lag am Boden und wand sich von der einen Seite auf die andere. Ich nahm einen Pfiff wahr und sah dann, wie der Schiri eine rote Karte zog.

Ich ließ mich auf die Knie fallen, als ich George erreichte.
"Alles gut bei dir?" erkundigte ich mich sofort und konnte sein schmerzverzerrtes Gesicht kaum ertragen. Es sah übel aus.
"Hey, fass ich ihn nicht an!", ertönte in diesem Chaos eine strenge Stimme, die einem Mitspieler von George gehörte.

Ich wurde an den Schulter gepackt und von ihm weggezogen. Es war Greg. Er hatte das angerichtet und ich hatte das dirngende Bedürfnis ihm wissen zu lassen, dass ich verdammt sauer war.

"Bist du eigentlich bescheuert?", fuhr ich ihn an und schlug ihn leicht mit der flachen Hand auf seine Brust. "Was hast du dir dabei gedacht? Wolltest du ihn umbringen?"

Greg sah mich wütend an.

"Bist du jetzt auf deren Seite oder was?", keifte er zurück. "Schon vergessen, dass wir ein Team sind?"

Es war gar nicht mehr daran zu denken, dass dieses Spiel heute noch beendet werden würde. Der Fußballplatz war zu einer Plattform für lautstarke Auseinandersetzungen geworden. Überall standen kleine Grüppchen, brüllten sich an und nahmen die Körpersprache eines protzigen Gorillas an.

"Ich bin auf gar keiner Seite", verteidigte ich mich. "Du kannst aber nicht einfach so jemand so umnieten! Das ist absolut verantwortungslos. Das ist immer noch ein Mensch und du spielst mit seiner Gesundheit! Man, das hier ist immer noch ein Spiel und kein Kampf um Leben und Tod!""

"Du bist also auf keiner Seite?", äffte er meine weibliche Stimme nach. "Dann gehörst du auch nicht in unsere Mannschaft."

"So war das nicht gemeint", korrigierte ich mich schnell, als ich meinen Fehler bemerkte. "Natürlich bin ich auf der Seite von BS, aber nur wenn es um Fußball geht. Bei allem anderen halte ich mich raus und deshalb sage ich dir auch, dass du Verletzungen anderer Menschen nicht so leichtfertig in Kauf nehmen kannst!"

"Und wenn er nie wieder gehen kann, ist mir das auch egal. Die Leute vom VC sind eh keine Bereicherung für unsere Gesellschaft."

Ich konnte kaum glauben, was ich da hört. Hatte er das wirklich laut ausgesprochen?

"Ach glaubst du etwa, dass du eine Bereicherung für unsere Gesellschaft bist? Lass mich dir eins verraten: Bist du nicht und schon gar nicht für unsere Mannschaft!" Ich feuerte ihm die Worte mit so viel Hass ins Gesicht, sodass er tatsächlich für einen Augenblick verstummte.

Doch dann klatschte es und zwar in meinem Gesicht.

Er hatte mir eine gefeuert und durchaus Kraft in die Ohrfeige gelegt. Ich taumelt ein wenig nach hinten und spürte sofort, jemanden an meiner Seite.

Es war Lou. Er sah genauso entsetzt aus, wie ich.

"Ja, Ja, Mädchen halten ja immer zusammen", versuchte Greg uns zu verhöhnen.

So viel zum Teamspirit.

"Ich bin kein Mädchen", knurrte Lou sofort.

Dann kam Harry dazu und stellte seinen massigen Körper vor uns, sodass Greg und nicht mehr sehen konnte.

"Komm", sagte Lou zu mir. "Das Spiel wird eh nicht mehr angepfiffen werden. Darauf würde ich sogar meine Testosteron-Hormone verwetten. Lass uns gehen. Diese Irren muss ich mir hier nicht mehr antun."

Ich sah zu George, wie er noch immer mit Schmerzen am Boden lag. Mittlerweile war ein Sanitäter bei ihm, doch er war noch immer blass und hielt sich seine Wade. Ich konnte ihn doch nicht so zurücklassen.

"Komm, Millie!", forderte Lou mich ungeduldig auf. "Und dann kannst du mir auch gleich erklären, was es mit diesem Jungen auf sich hat. So wie du ihn ansiehst, ist da nämlich mehr als nur einfach Empathie für einen verletzten Spieler."

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