The End

Das habe ich noch irgendwo gefunden haha. Ist von Tribute von Panem

Triggerwarnung: Depressionen, Suizid, Krieg, Trauma

Ich sitze, wie eigentlich jeden Tag in der Küche vor dem Kamin. Schaue in die knisternden Flammen. Bewege mich nicht. Die Tage streifen an mir vorbei, ohne dass ich es richtig merke. Schon lange war ich nicht mehr draußen gewesen. Ich weiß schon fast nicht mehr, wie es dort aussieht. Welche Jahreszeit haben wir überhaupt? Schon Sommer? Aber das ist egal. Hier drin bekomme ich sowieso nicht von der Welt mit. Nachdem ich Coin umgebracht habe, wurde ich für immer hier in Distrikt 12 gefangen gehalten. Eigentlich bin ich nicht gefangen. Ich könne rausgehen. Alles tun und lassen, was ich will. Das sagen jedenfalls alle anderen. Aber hier erinnert mich alles an früher. An meinen Vater. An Gale. An die unzähligen Jagdstunden im Wald, den ich bisher nur ein paar Mal betreten habe. Und am meisten an Prim.

Butterblume hat sich so langsam mit mir vertragen. Wir waren zwar immer noch keine besten Freunde, und das werden wir auch nie sein. Ich mag diesen Kater immer noch genauso wenig, wie am Anfang als Prim ihn mit nach Hause geschleppt hatte. Aber ihr Tod hat etwas verändert. Ich teilte manchmal mein Essen mit ihm. Dafür knurrt er mich gar nicht mehr an.

Jetzt liegt er vor mir auf dem Tisch und genießt eine der wenigen Streicheleinheiten, die er von mir bekommt. Meine Mutter wohnt jetzt bei Annie in Distrikt 4 und hilft mit dem Baby. Hier in 12 wohnen nicht viele Leute. Haymitch und ich. Peeta darf noch nicht herkommen. Angeblich ist er noch geistig zu schwach dafür. Aber um mich kümmert sich keiner. Dann sind da noch ein paar andere aus dem Saum und anderen Distrikten, die hier beim Aufbau helfen. Aber das ist mir alles egal. Den ganzen Tag sitze ich hier in der Küche. Selten verlasse ich den Tisch. Und dann nur, um auf die Couch zu gehen.

Warum lebe ich überhaupt noch? Ich fühle mich nutzlos. Schwach. Zerbrechlich. Leer. Lustlos. Einsam. Gehasst. Und unendlich müde. Schlafen kann ich nicht, da mich Albträume aus dem Schlaf reißen. Ich träume von meinen Spielen. Von den ganzen toten Tributen. Von Prim. Die Explosion. Von Snow, wie er mir mit seinem blutigen Atem Drohungen ins Ohr haucht. Manchmal kommt auch Gale drin vor und lacht mich aus. Dass er es nicht bereut, Prim umgebracht zu haben. Dass sie es verdient hätte. In diesem Momenten bin ich froh, dass er in Distrikt 2 ist und ich ihn wahrscheinlich nie wieder sehen werde. Immer wieder wache ich nachts schreiend auf. Doch es kommt niemand mehr, der mich tröstet. Kein Peeta, der mich beruhigend in den Schlaf wiegt. Keine Prim, ohne die ich nicht leben kann. Am Tag kann ich froh sein, dass ich es wenigstens bis zur Küche schaffe. Wenn ich dort nicht eingeschlafen bin.

Haymitch verbringt die meiste Zeit mit Trinken. Er hat sich in der Zwischenzeit ein paar Gänse gekauft. Weshalb er das getan hat, will er mir nicht erzählen. Richtig um sie kümmern tut er aber nicht. Ein Glück, dass sie sich auch fast alleine versorgen können. Auch an ihm ist der Krieg nicht spurlos vorbeigegangen. Er sieht, wenn ich ihn manchmal sehe, noch fertiger aus, als vor meinen Spielen. Und das muss was heißen!

Mich hat aller Überlebenssinn verlassen. Trostlos starre ich in die Glut im Kamin. Warum bin ich überhaupt noch hier? Mein Leben hat keinen Sinn mehr. Die Rebellion ist vorbei. Meine Aufgabe als Spotttölpel ist erledigt. Es gibt keine Hungerspiele mehr. Meiner Mutter geht es gut. Snow und Coin sind tot. Wozu also lebe ich noch?

Mein Leben hat noch nie mir gehört. Schon immer gehörte es Snow. Und jetzt bin ich nichts mehr, als eine gebrochene Hülle. Gebrochen von den Spielen. Gebrochen vom Krieg. Ich halte das nicht mehr aus, jeden gottverdammten Tag an die Opfer zu denken, die sterben mussten. Rue, Tresh, Cato, Glimmer, Marvel, Chaff, die Morfixer, Mags, Finnick, Cinna, Boggs, mein Vater, Prim. Ich kann die Liste noch ewig weiterführen. Und wer ist schuld? Jeder würde jetzt sagen, Snow. Aber das stimmt nicht. Jedenfalls nicht ganz.

Ich bin es. Ohne mich würden viele von denen noch leben. Mit meiner Rachelust habe ich mein Team weiter in das Kapitol geführt. Ohne mich könnten Finnick und Annie jetzt sorglos miteinander leben. Mit ihrem Kind, wo sie keine Angst haben müssten, dass es ihnen irgendwann vom Kapitol genommen und in eine tödlichen Arena geschickt wird. Ohne mich würde Cinna noch leben. Boggs hätte sich nicht für den Krieg opfern müssen. Ohne mich könnten meine Mutter und Prim in Frieden zusammen bei Annie in Distrikt 4 leben. Ich bin schuld. Und mit dieser Last kann ich nicht leben.

,,Hey, Süße!", höre ich die Stimme von Haymitch zu mir durchdringen. ,,Hau ab!" Er seufzt. ,,Du machst es einem wirklich nicht leicht!" Er bahnt sich einen Weg durch die zugemüllte Küche und setzt sich auf den Stuhl neben mich. Ich betrachte ihn. Seine Augen scheinen jeden Glanz verloren zu haben. In ihnen erkenne ich einen ebenso gebrochenen Mann, wie ich es bin. Schuld. Angst. Er muss letzte Nacht mal wieder zu viel getrunken haben, denn jetzt rieche ich den Alkoholschwaden, der ihn umgibt. Aber ich bin nicht besser. Die letzten Tage habe ich mir ein Beispiel an ihm genommen und habe nachts auch Flasche für Flasche geleert. Diese liegen jetzt überall in der Küche verteilt und fristen dort ihr Dasein. ,,Gib mal her!" Haymitch greift nach der halbleeren Whiskyflasche und trinkt einen großen Schluck. ,,Hey! Das ist meine!" Ich hole mir die Flasche zurück und umklammerte sie wie einen Anker. Jetzt fällt mir erst auf, dass seine Hände durchgehend zittern. Liegt das am Alkohol? Aber er hatte schon so oft Alkohol in größeren Mengen getrunken. Da kann das eigentlich nicht der Grund sein.

,,Gut." Haymitch räuspert sich. ,,Der Grund, warum ich hier bin." Er streicht sich eine Strähne seines Haares, welches er dringend waschen sollte, aus dem Gesicht. Okay, ich muss nicht besser aussehen. Seit Tagen, vielleicht auch Wochen, habe ich mich nicht mehr gewaschen oder etwas anderes angezogen. Immernoch trage ich das alte, ausgewaschene Hemd, das ich mir am Tag der Anreise übergezogen habe. ,,Es ist so, wir haben eine Überraschung für dich." ,,Ich will sie nicht!", unterbreche ich ihn unhöflich. Aber wann waren wir das jemals zueinander gewesen? Na also. Nie. Dann muss ich ja jetzt auch nicht damit anfangen.

,,Peeta ist auch da", meinte er. ,,Und?" Er verdreht die Augen. ,,Du kommst mit! Ob du es willst, oder nicht!" ,,Achja?" ,,Ja! Und zwar jetzt!", entschied Haymitch und zog mich auf die Beine. Ich stolpere und muss mich bei ihm festhalten, um nicht umzukippen. Viel zu überrumpelt, um etwas dagegen zu tun, lasse ich mich von meinem ehemaligen Mentor mitziehen. Draußen ist es sehr kalt und ich ziehe mir meine Jacke enger um mich. Der Mond scheint hell auf die unbenutzten, zerstörten Straßen und so kommen wir ungestört an Haymitch's Ziel an.

Es ist die große Wiese, die den Bombenangriff überstanden hatte. Der einzige schöne Platz in 12. Auch Annie, Joanna, Beetee und Peeta sind hier. ,,Was macht ihr hier?", frage ich irritiert in die Runde. ,,Dir deinen größten Wunsch erfüllen, was denn sonst?" Das hilft jetzt wirklich nicht weiter. Fragend sehe ich Joanna an. ,,Na sterben!" ,,Joanna!" Beetee sieht sie mahnend an. ,,Was denn? Stimmt doch!" Aber ich höre gar nicht mehr zu. Denn jetzt hat auch Peeta mich entdeckt.

Kurz sehen wir uns an. Es ist schon so lange her, dass ich jemand anderen außer Haymitch gesehen habe. Viele habe ich einfach aus meinem Gedächtnis gestrichen und vergessen. Aber ihn würde ich überall erkennen. Immer. Ich laufe zu ihm und falle ihm um den Hals. Behutsam umarmt er auch mich. Ihm scheint es nichts auszumachen, dass ich mich lange nicht mehr gewaschen habe. Er drückt mich fest an sich, als wäre ich sein einziger Halt. Leise schluchze ich auf. ,,Ich habe dich so vermisst!" ,,Ich dich auch! Aber jetzt bin ich hier!"

Dann geht alles ganz schnell. Joanna teilt die Nachtriegelpillen aus. Jeder bekommt eine. So eine hatte ich schon einmal in der Hand. Zu wissen, dieses kleine Ding kann mich in Sekunden umbringen, ist irgendwie unheimlich und doch so beruhigend. Ich sehe alle nacheinander an. Bin ihnen so unendlich dankbar. Für alles, was sie für mich getan haben. Wir sind sowas wie eine kleine Familie geworden. Das Jubeljubiläum und die Rebellion haben uns zusammengeschweißt. Wir vertrauen einander. Besonders auch durch die ständige Angst um Peeta, Joanna und Annie. Die Albträume. Die Folterungen. All das.

Ich flüstere. Nur ein Wort. ,,Danke!" Doch sie verstehen. Joanna nickt und grinst uns an. ,,Na dann." Spontan gehe ich auf sie zu uns umarmte sie. In der Zeit in Distrikt 13 sind wir so etwas wie Freunde geworden. Wir gaben uns gegenseitig Halt. Halfen bei Erinnerungen und Albträumen. Perplex drückt auch sie mich. Dann gehe ich auf Beetee zu und umarme auch ihn. Ihm habe ich so viel zu danken. Darunter auch mein Leben. Trotzdem flüstere ich nur: ,,Danke für den Bogen. Der war wunderschön!" ,,Das freut mich zu hören!", erwidert er und ich gehe weiter zu Annie. In Distrikt 13 hatten wir nicht viel Zeit zusammen. Dennoch habe ich sie ins Herz geschlossen. Auch weil sie Finnick so viel bedeutet hat.

Ich wende mich denn Vorletzten unserer Gruppe zu. Haymitch. Jetzt steigen mit Tränen in die Augen. Ich schniefe. Sofort kommt er auf mich zu und zieht mich in eine feste Umarmung. ,,Ist schon gut, Süße. Ich bin da!" Ich kralle mich in seine Jacke und lege meinen Kopf an seine Brust. ,,Danke! Für alles!", wiederhole ich mich. ,,Immer wieder gern." Noch einmal ziehe ich die Nase hoch. Dann löse ich mich vorsichtig von ihm. Haymitch war immer für uns da. Wir hatten am Anfang zwar einige Probleme miteinander gehabt, vorallen auch weil wir beide Sturköpfe sind, dennoch konnte ich ihm nicht böse sein. Nach meinen ersten Hungerspielen verstand ich ihn. Warum er das ist, was er ist. Sein Alkoholproblem. Warum er das Kapitol so hasst. Warum er aufgegeben hatte, weiter für die unzähligen Tribute zu kämpfen. Seine Pflichten als Mentor zu ignorieren. All das. All seine Beweggründe. Und jetzt schäme ich mich dafür, was ich von ihm vor dem Jubeljubiläum verlangt habe.

,,Es tut mir so leid, Haymitch!", fange ich an. Er runzelt die Stirn. ,,Was, Süße?" ,,Ich hätte vor dem Jubeljubiläum nicht von dir verlangen sollen, dich freiwillig zu melden!" Er will etwas sagen, doch ich lasse ihn nicht. ,,Ich wusste, wie schlimm du die Arena findest. Und trotzdem habe ich da keine Rücksicht auf dich genommen! Es tut mir so leid!" Jetzt fließen die Tränen über mein Gesicht. Was ist mit mir los? Sonst bin ich doch auch nicht so emotional. Doch das liegt wahrscheinlich an der ganzen Situation gerade.

Wieder lasse ich mich von meinem ehemaligen Mentor in eine feste Umarmung ziehen. ,,Ist schon gut, Süße. Ist schon okay!" ,,Wirklich?" Er nickt. ,,Du wolltest Peeta retten. Da konntest du nicht auf mich achten." ,,Danke." Dennoch werde ich es mir nie verzeihen können. Dann gehe ich zu Peeta. Auch er umarmt mich. ,,Ich liebe dich!" Ich werde in einen leidenschaftlichen Kuss gezogen. ,,Ich liebe dich auch!"

Jetzt liegen wir alle nebeneinander im Gras. Ich zwischen Haymitch und Peeta, dicht an letzteren angekuschelt. Schaue in die Sterne. Sie sind wunderschön. Genieße unseren letzten Moment. Denn das ist er. Ich werde gleich sterben! Endlich, nach all den Jahren voller Schmerzen, Leid und Tod. Gleich ist es vorbei. Gleich sehe ich sie alle wieder. Prim, Cinna, Rue, meinen Vater,... Erneut steigen mir Tränen in die Augen. Meine Freunde sind bereit, sich für mich zu opfern. ,,Sie hätten sich immer für mich geopfert!", fiel mir ein. ,,In jedem Moment hätten sie ihr Leben für mich gegeben!" Und dafür bin ich ihnen so unendlich dankbar.

,,Jetzt ist es also soweit." ,,Hmm..." ,,Gut. Hat mich gefreut, eure Bekanntschaft zu machen", meinte Johanna. ,,Auf drei?" ,,Auf drei!" Ein letztes Mal sehen wir uns an. Ich greife Haymitch's Hand. Peeta's Arm liegt um meine Schultern. Er küsst mich ein letztes Mal auf die Stirn. Unter mir spüre ich das weiche Gras. Ich schließe meine Augen. Bin in diesem Moment so unendlich glücklich. Zusammen zählen wir.
,,Eins!" ,,Zwei!" ,,Drei!"

- 10. April 2023

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top