Des Schicksals Farben weiß und rot

Ich verließ mein Zimmer nach einer weiteren vergnügten Nacht mit meinem jungen Ritter und steuerte Richtung Küche. Das junge Leben in mir verlangte ständig nach Nahrung und trat gewaltig, kam ich der Aufforderung nicht zeitgerecht nach. Und damit war nicht nur physische Nahrung gemeint, sondern auch spirituelle. Unsichtbare Nahrung sozusagen.
Eine einzelne Rüstung am Rande des Ganges weckte meine Aufmerksamkeit. Kein einziges Staubkorn trübte die spiegelnde Oberfläche. Von Nahem betrachtete ich mein verzerrtes Bild, dessen Hässlichkeit ich nicht ertrug. Aus genau diesem Grund hatte ich auch meinem Lieblingsritter verboten, seine Rüstung in meiner Gegenwart zu tragen. Ich wandte mich nachdenklich ab.
Nachdem Herr Ritter vom Ableben seiner Frau erfuhr, war er nur noch ein Schatten seiner selbst. Ich musste ihn seither in mein Bett befehlen, was nicht halb so viel Spaß machte, als ihn zu verführen. Zu meinem eigenen Erstaunen trauerte ich seinem früheren Glanz sogar hinterher und das, obwohl ich ihm mittlerweile überdrüssig sein sollte.
Diese Entwicklung gefiel keinem von uns. Mir am wenigsten.
Gefühle bedeuteten Schwäche, die ich mir nicht leisten konnte. Nicht leisten durfte.
Ich betrat die Küche und steuerte sofort eine kleine Tür, die verborgen zwischen zwei Regalen platziert war, an. Ein schmerzhafter Tritt in meine Leiste ließ mich verharren, während meine Hand noch über der Klinke kreiste. Es war eine Warnung. „Mi ... Milady? Wa ... was macht Ihr noch zu s ...solch später Stunde außerhalb E ... Eures Zimmers?" Die korpulente Frau war aus dem Schatten getreten und sah nun ängstlich in meine Richtung. „Fühlt ihr E ... Euch nicht wohl? S ... Soll ich den Ho ... Hofarzt holen gehen?", fragte sie, ihren Nachthemdzipfel zwischen den Fingern knetend. Einmal ließ ich meine Schultern kreisen, um den Schmerz darin zu vertreiben und wandte mich um. „Nein, nein. Es geht schon wieder. Die Kleine hat mich nur wieder auf Trapp gehalten und fordert nun lautstark nach etwas Essbarem." Ich streichelte beruhigend über meinen runden Bauch.
„Mi ... Milady Anja, für so etwas be ... besitzt Ihr doch Be ... Bedienstete. Eine Ho ... Hochschwangere muss ru ... ruhen."
„Du hast ja recht.", gab ich zu. „Das nächste Mal werde ich dran denken. Doch jetzt wo ich schon einmal hier bin, sollte ich auch essen, findest du nicht auch?" Mein ‚alles ist in bester Ordnung' Lächeln hatte bis jetzt noch jeden überzeugt, da sollte eine einfache Dienerin keine Ausnahme sein. „Würdest du mir bitte eine der Teetassen reichen?"
Die Frau hörte auf, nervös an ihren Lippen zu knabbern und beeilte sich, meiner Bitte nachzukommen. Kurz darauf hielt ich eine wertvolle Porzellantasse in Händen, dessen Inhalt in seiner Klarheit den funkelnden Schein der Decke wiederspiegelte. „Ist der Te ... ee zu Eurer Zufriedenheit, Mi ... Milady Anja? Ihr scheint z ... zu dieser Stunde bei gu ... guter Laune z ... zu sein."
Noch einmal testete ich den Geschmack der Flüssigkeit und schloss genießerisch die Augen. „Er ist vorzüglich, ein wahrer Genuss." Der letzte Schluck verschwand hinter meinen Lippen. „Vie ... Vielen Dank! Ihr mü ... müsst wissen, mein O ... Onkel ist s ... sehr stolz auf s ... seinen Kräuteranbau. Ihr L ... L ob wird ihm s ... sicherlich gefallen." Unaufgefordert schüttete sie mir ein zweites Mal ein. Ein kleiner Tropfen rann über ihre Hand und hinterließ einen roten Striemen auf ihrer hellen Haut. Sie gab einen zischenden Laut von sich und die Tasse glitt ihr aus der Hand. Mit einem lauten Aufprall zerschellte sie in hunderte Einzelteile. Der Tee färbte den Teppich zu unseren Füßen blutrot.
„Es ... es ... es tut mir so leid! Wie konnte i ... ich nur so un ... ungeschickt sein?" Sofort machte sich die Frau daran, die einzelnen Scherben aufzusammeln und behutsam abzutransportieren. Misstrauisch beäugte ich die Verletzung an ihrer Hand. Der rote Striemen war dick angeschwollen und bildete nun eine hässliche Wulst an ihrer Hand. Rot auf weiß, wie warmes Blut auf reinem Schnee.
Eines meiner Beine gab unter mir nach, sodass ich mich auf einem der Küchentresen abstützen musste. Weiße Punkte tanzte vor meinem Sichtfeld und tauchten alles in eine stehende Helligkeit. Sanft wurde mein Kopf zwischen zwei Hände genommen und angehoben. Das gerötete Fleisch trat wieder in mein Blickfeld, zusammen mit dem Weiß der unverletzten Hand. „Sollte ich jetzt vielleicht den Arzt rufen? Oh, natürlich! Die werte Herrin ist sich ja zu fein und klug für eine gründliche Untersuchung. Das wäre doch alles vergeudete Zeit oder wie nanntest du es noch gleich?", sagte sie mit einer Stimme, die nur so vor Ironie triefte. Ich versuchte zu lächeln, was mir wohl gründlich missling. Warum hatte ich das Gift im Tee nicht bemerkt? Mit Giften war ich so vertraut wie mit dem Atmen, warum war ich also drauf reingefallen? Hatte ich diesen Menschen wirklich so unterschätzt? Ihre Masche nicht durchschaut?
„Bedúras.", brachte ich hervor. Meine Lippen waren mittlerweile auf das Doppelte angeschwollen.
„Was murmelst du da?", fauchte meine ehemalige Dienerin. Ehemalig, da sie ab diesem Tage auf meiner Liste eingraviert war. Eine weitere Frau, dessen Verrat ich zu beklagen hatte.
„Ich sagte Bedúras. Das Gift heißt Bedúras." Ich wusste in dem Moment, dass ich zu weit gegangen war, als ich ihre vor Wut blitzenden Augen sah. Ihr in dieser Situation zu trotzen gab Aussicht auf ein gehöriges Maß an Selbstverdammnis, als ob ich als Aufgestoßene nicht schon genug zu kämpfen hätte! Aus einer versteckten Rockfalte zog sie einen kleinen Lederbeutel hervor und pustete mir den Staub daraus entgegen. „Wenn du schon so viel weißt, Lady Anja, dann sag mir doch bitte auch, was eine große Menge dieses Giftes bewirkt. Ich bin da wirklich neugierig. Der Händler meinte, es hätte eine paralysierende Wirkung, doch ich würde gerne deine Kenntnisse hören. Also?" Ich spuckte ihr ins Gesicht. Genau zwischen die Augen. Die Hände um mein Gesicht verschwanden und ich sackte zusammen wie ein nasser Kleiderhaufen.
„Du HURE! MISTSTÜCK! Wie kannst du es wagen!" Der rote Fleck zwischen den dunklen Augenbrauen der Frau vergrößerte sich sekündlich. Das Gift fand seinen Weg von meinem Speichel, bis zu dieser zarten, weißen Haut. Dort richtete es – gemixt mit meinem eigenen Gift – eine verheerende Wirkung an. War das Gesicht der Frau vorher schon wütend gewesen, so glich es jetzt einer Fratze puren Hasses. „Dafür wirst du büßen! Dafür und für all die anderen Dinge, für die dich der König wird hängen lassen!"
Plötzlich hallte ein lauter Gong durch die Burg. Ferne rufen waren zu hören. Die Bewohner der Burg wurden geweckt, man vernahm wie die Türen zugeschlagen wurden. „Hör genau zu!" Die Hand in meinen Haaren riss mich hoch. „Ich weiß zwar nicht wie du es gemacht hast, doch du hast unseren Herrn getötet. Und Marie sowie weitere Unschuldige. Dafür sollst du leiden, das verspreche ich. Jedoch nicht jetzt, wie mir scheint, dafür ist später noch genügend Zeit." Sie stieß einen lauten Pfiff aus und zwei starke Arme schleiften mich durch die Gänge in den unteren Bereich der Burg. Dorthin, wo die Verließe zugegen waren. Kalt und nass war es dort. Die Ratten liefen einem über die Schuhe, sollte man noch welche tragen und selbst der mächtigste Krieger bekam bei Sichtung der Folterkammer weiche Knie. Ich versuchte meinen Kopf zu heben, doch der Mann hinter mir stieß mich einmal gegen die Wand und meine Gegenwehr erstarb. Solange er seine Augen verborgen hielt, konnte ich ihn nicht kontrollieren und meine Gestalt zu verändern bedeutete mich kurzzeitig verwundbar zu machen. Nur im allergrößten Notfall wäre ich gewillt, ein solches Risiko einzugehen.
Mit einem Knarzen wurde eines der rostigen Gitter geöffnet und man war mich geräuschvoll in die Zelle dahinter. Es quietschte noch einmal, Schritte entfernten sich, dann war alles still. Gemartert wie ich war fand ich keine Ruhe. Auf dem Rücken im schimmeligen Stroh liegend kämpfte ich gegen das Gift in meinem Körper, gegen die Wirkung der Paralyse. Das Gesicht meiner Dienerin hatte sich in mein Gedächtnis gebrannt und ich verfluchte die Tatsache, dass ich mir nie die Mühe gemacht hatte, mir ihren Namen zu merken. Dann hätte ich jetzt wenigstens jemand greifbaren, dem ich Tod und Verderben hinterherwünschen könnte. So hatte ich nichts außer dem jungen Leben unter meinem Herzen, und den Gedanken, die meine eigene Naivität und schlechte Frauenkenntnis verfluchten.
Ich seufzte tief. Manchmal fragte ich mich selbst, ob ich in meinem langen Leben überhaupt etwas gelernt hatte.

Hey, ich wollte euch nur mal schnell darüber informieren, dass ich wahrscheinlich nicht viele eigene Anmerkungen unter meine Kapitel schreiben werde. Dafür bin ich einfach nicht der Typ. Klar, ich lese oder scrolle auch mal gerne durch die Anmerkungen anderer, doch wirklich lesen tuen das doch die wenigsten. Also werde ich es wahrscheinlich zum Großteil weglassen, sodass ihr die Kapitel in ihrer Einfachheit lesen könnt.

P.S. Ausnahmefälle sind natürlich besondere Neuigkeiten oder Geschehnisse - da muss selbst ich was loswerden!
_Giuly_

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