Arthur und die Namenlose
Der Morgen kam schneller, als ich es zu hoffen gewagt hatte. Die Nacht und weitere unnötige Gedanken hatte ich verschlafen und fand mich noch vor den ersten Sonnenstrahlen zwischen schweren Laken wieder, die sich wie Egel an meiner verschwitzten Haut festsogen. Noch so eine menschliche Eigenschaft, auf die ich gut verzichten konnte. Schuppen schwitzen nicht, sie röteten sich auch nicht oder warfen Blasen.
Noch vor dem ersten Hahnenschrei saß ich fertig angezogen auf meinem Bett und wartete. Ich trug ein großes leinendes Hemd, darüber eine Weste aus gehärtetem Tierleder und Reithosen mit dazu passenden, gefütterten Stiefeln. Alles in einem dunklen Braun, einzig die Weste wies dezente Stickereien auf und verschmolz dennoch mit dem Rest. Die Kleidung stand mir ausgesprochen gut, schmeichelte sie doch meiner kurvenreichen Figur und dem ausgeprägten Hügel, den mein Bauch bildete. Eine geschlagene Ewigkeit später klopfte es an der Tür und einer meiner ehemaligen Diener trat ein. Ich meinte mich erinnern zu können, sein Name sei Roderick ... oder war es Cedric? Na egal. Der Diener deutete eine Verbeugung an, vermied es jedoch zusehends, mir ins Gesicht zu schauen. Es hatte also die Runde gemacht. Das war zu erwarten gewesen.
Während wir die Treppen und Gänge hinabschritten, begegneten wir keiner Menschenseele und auch die Wachen sahen mich nicht an. Ihren Bick richteten sie in jede Ecke, nur nicht auf mein Antlitz. Ignoriert zu werden konnte ich noch nie ausstehen. Dazu war ich zu schön. Meinem vollkommenen Körper sollte Respekt gezollt werden, doch in welcher Position befand ich mich, mich zu beschweren?
Ohne Unterbrechungen erreichten wir die Tür zum Burghof und der Diener wollte schon gehen, da fiel mir etwas ein.
„Halte ein.", rief ich, noch bevor er aus meinem Blickfeld verschwand und er kam zu mir zurück. „Wie lautet dein Name?"
„Roderick, Milady." Er starrte zu Boden. Ich hatte recht gehabt, was seinen Namen angeht. Wenigstens einer von vielen, an den ich mich erinnerte.
„Gute Arbeit. Du kannst jetzt gehen." Sobald ich dies gesagt hatte, war er auch schon über alle Berge. In Zukunft, so nahm ich mir vor, sollte ich mir mehr Namen merken. Es könnte sich durchaus als nützlich erweisen, sie zu kennen. Zum Beispiel wenn ich ihnen ewige und unsterbliche Rache schwören wollte. Seltsamerweise hatte ich das dumpfe Gefühl, dass diese Dinge wie das Erinnern an Namen wichtig seien, gar über Leben und Tod entscheiden würden.
Bedächtig schritt ich über den Hof, weiter als beim letzten Mal, bis hinüber zu den Stallungen. Einige prächtige Rösser standen bereits gesattelt da, und warteten mit wedelnden Schweifen darauf loszulaufen. In der Mitter der Rösser befand sich eine große Kutsche, das Wappen der Königsfamilie, ein schwarzes Schwert auf rotem Grund, diente als einziger Schmuck.
Da ich annahm, dass die Kutsche für mich vorbereitet wurde, berührte ich einen der herumeilenden Ritter am Arm. Natürlich einen ohne Rüstung.
„Mein Gepäck befindet sich noch auf meinem Zimmer. Ich verlange, dass Ihr sorgsam damit umgeht." Als der Ritter mich nur verwirrt ansah, fuchtelte ich mit den Armen. „Los jetzt. Husch husch."
Seine Brauen zogen sich merklich zusammen, doch nach einem Blick hinter meinen Rücken zuckte er nur mit den Schultern und setzte sich in Bewegung. Ich ahnte bereits, wer mich dort beobachtete. Und da es einer Niederlage gleichkommen würde, schaute ich nicht zurück.
Gemäßigten Schrittes setzte ich einen Fuß vor den anderen, die Kutsche fest im Blick. Ein Gehilfe öffnete mir die hölzerne Tür und neigte leicht sein Haupt. Überraschender Weise entpuppte sich das Innere der Kutsche als durchaus annehmbar. Die Bänke waren schön geschwungen und glänzten frisch gewachst, während hier und da einige mit rotem Samt überzogene Kissen verstreut lagen. Die burgunderfarbenen Vorhänge vor den Fenstern spendeten etwas vermeintliche Ruhe. In der Mitte stand ein handgeschnitzter Tisch, fest an den Boden genagelt, auf dessen Oberfläche Kristallene Gefäße platziert waren. Eine bernsteinfarbene Flüssigkeit glitzerte mir entgegen und ich leckte mir über die Lippen. Sie waren trocken.
Ich hatte mir gerade einen Schluck der bernsteinfarbenen Flüssigkeit eingeschenkt, nach einer genaueren Inspektion wusste ich, dass es Honigwein war, da öffnete sich die Kutschentür erneut. Ohne den ungewünschten Mann zu beachten schloss ich genießerisch die Augen und nahm noch einen wohltuenden Schluck.
„Wie ich sehe genießt du den Wein, und hast es obendrein geschafft, einen meiner Männer für dich arbeiten zu lassen."
„Das rechte Auge einen Spaltbreit geöffnet, lehnte ich mich zurück. „Das ist wohl eher Euer Verdienst. Hätte er nicht den Anblick seiner Majestät erspäht, so wäre es anders gelaufen."
„Vielleicht." Er zuckte die Schultern. „Vielleicht auch nicht. Was hättest du getan, wenn das der Fall gewesen wäre?"
Wohlwissend, dass Prinz Arthur mich mit Argusaugen beobachtete, überlegte ich mir meine Antwort sorgfältig. „Im Endeffekt hätte ich meinen Willen bekommen. Es fällt den Männern normalerweise schwer, mir nicht zu gehorchen. Doch ich hätte ihn nicht getötet, nur wenige meiner Art töten ohne ersichtlichen Grund."
„Und du bist wohl offensichtlich keine von ihnen."
„Offensichtlich." Jetzt war ich diejenige, die mit den Schultern zuckte. „Dürfte ich Eurer Majestät jetzt eine Frage stellen?"
„Nur zu.", bot er an und goss sich ebenfalls etwas von der klaren Flüssigkeit ein.
„Warum duzt Ihr mich, wo ich doch offensichtlich nur ein Mittel zum Zweck bin? Ihr begebt Euch auf engstem Raum mit einem Monster, das bekanntlich nur Männer jagt, und scheint Euch so sicher zu fühlen, als läget Ihr in Eurem Heim, zwischen den vertrauten vier Wänden und einer Schar Wächter um Euch herum." Durch mein eines Auge sah, wie sich die Mundwinkel des Prinzen leicht hoben, jedoch versteckte er es hinter seinem Glas, welches er zum zweiten Mal gefüllt haben musste.
Draußen wurden Rufe laut. Die Kutsche begann sich in Bewegung zu setzen, nachdem vermehrte Erschütterungen erfolgt waren.
Vorsichtig änderte ich meine Haltung, um meinem Rücken etwas Spannung zu nehmen und bereitete mich damit auf die kommenden Tage vor.
„Nun" Der Prinz stellte sein Glas ab und faltete die Hände vor sich im Schoß. „was die Formalitäten betrifft, so lasst sie uns doch außer Acht lassen, wenigstens solange wir allein sind. Ich war noch nie ein großer Befürworter alter Gepflogenheiten, also nimm es mir bitte nicht übel."
„Dann möchtet Ihr, dass ich Euch auch duze?", hakte ich nach und hob eine Augenbraue.
„Das wäre mir höchst willkommen." Wieder dieses Lächeln, das sich mir nicht ganz zeigen wollte. „Anja,", fügte er noch hinzu, „ist das denn auch dein richtiger Name?"
„Was nützt dir diese Information? Ein Name ist so gut wie jeder andere." Ohne es mir groß bewusst zu sein, schloss ich die Augen. Das Räuspern des Prinzen machte mich wieder auf ihn aufmerksam. Für mich hatte sich das Thema eigentlich erledigt.
„Was erscheint Euch wichtiger; einen Namen zu kennen oder die Person dahinter?", fragte ich.
„Natürlich die Person.", antwortete der Prinz und seufzte. „Aber der Geburtsname schadet auch nicht, fühle ich mich doch wohler, wenn ich dich damit ansprechen kann. Schöne Lamia, du musst wissen, der wahre Name ist etwas besonderes. In ihm spiegelt sich die Seele wieder."
„Dann muss ich dich leider enttäuschen." Verhörte ich mich oder klang da etwas in meiner Stimme mit, was sich verdächtig nach Wehmut anhörte?
Prinz Arthur gab sich überrascht, sagte jedoch nichts. Da war nur dieser Blick, der mehr auszudrücken vermochte als hundert Worte.
„Du bist anders als ich es mir vorgestellt hatte.", gab ich zu und bemerkte mit wachsendem Erschrecken, dass ich, ohne es zu wollen, seinem Wunsch nachgekommen war. Ich hatte alle Formalitäten abgelegt und war fast schon zu freundlich zum Prinzen. Dabei sollte ich es doch besser wissen. Doch irgendwie hatte er es geschaft, mir meine Anspannung zu nehmen. Mit wenigen Worten und trotz des Males.
„Das kann ich mir gut vorstellen. Und deswegen freut es mich umso mehr diese Worte von dir zu hören." Er zwinkerte. Dieser Frauenheld. Bestimmt hatte er in der Hauptstadt eine ganze Schar von schönen Mädchen, die sich ihm mit Freuden vor die Füße warfen.
„Könnte die werte Dame Ihre Aussage bitte weiter ausführen?", flirtete er weiter schamlos mit mir. „Was meintest du, als du sagtest, ich würde enttäuscht sein?"
Meine Lippen verzogen sich, doch es war kein Lächeln. „Es ist wie ich es sagte. Ein Name ist nur einfache Bezeichnung für uns Lamia. Wir besitzen keine Seele, also warum brauchen wir einen Namen?"
Die Luft in der Kutsche schien wie eingefroren, als ich meine Augen öffnete und die Holzwände in einen überirdisch grünen Schein tauchte. Auf meiner Wange, sowie auf den Unterarmen hatte sich ein feines Schuppenmuster gebildet, von dem ich wusste, dass es den Schein meiner Augen praktisch aufsog. Einzelne Magiestränge inmitten meiner Schuppen pulsierten im Takt meines Herzschlages. Innerhalb weniger Augenblicke sank die Temperatur um mehrere Stufen.
Ich starrte ihn an und zeigte mehr von dem Monster, als je einem Menschen zuvor. Bald schon war der Großteil meines Gesichtes unter Schuppen verborgen und auch mein Körper war gewachsen. Meine dunkelrote, gespaltene Zunge streckte sich ihm entgegen, während die Schuppen weiter sprossen. Mein Anblick musste schrecklich sein. Ich wollte schrecklich sein. Und zunächst sah es so aus, als hätte ich den Prinzen ordentlich erschreckt.
Dann lachte er. Dabei strahlte reine kindliche Freude über sein ganzes Gesicht. Spuren vergangener Ereignisse verschwanden und ließen nur reines Entzücken zurück.
„Dann gebe ich dir einfach einen Namen!"
Hey Leute,
Es tut mir leid, dass alles so verrückt ist, aber ich habe ein anderes Programm verwendet und jetzt das...
Hoffentlich stört es nicht so sehr.
Giuly
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