Wer nicht wagt, der nicht gewinnt (12)
Ein falsches Lächeln lag auf Marie Brants Lippen, als sie aus dem schwarzen SUV von Mercedes aussteig. Sie trug keine Uniform, stattdessen war sie in ein rosenrotes Kleid und hohe, schwarze Stiefel gekleidet. Langsam schritt sie in die schmale Gasse, in die der Peilsender sie geführt hatte. Klack. Klack. Klack. Die Stiefelgeräusche hallten von den Wänden der Gasse wieder. Marie konnte nicht anders als daran zu denken, dass sie in diesen Dingern unmögliche kämpfen können würde. Sie fröstelte. Für einen Sommerabend war es furchtbar kalt und das Kleid war sehr dünn.
Vor ihr, am Ende der schäbigen Gasse, stand ein Gebäude, das im krassen Kontrast zu dieser stand: ein gigantisches Kasino, welches aussah wie ein Disneyschloss voller Blitzlichter. Früher waren die heruntergekommenen Gebäude, mit denen sich das schillernde Schloss umgab, kleinere Spielhallen gewesen, von denen nun kaum noch welche aktiv waren, weil das Casino ihnen die Kundschaft abgenommen hatte.
Das rote Polyester scheuerte unter Maries Achseln als sie möglichst elegant die Hand zu ihrem linken Ohr hob und das Mini-Headset aktivierte, das dort unter den hübsch frisierten Strähnen ihres roten Haares verborgen war. "Ich habe gerade die Postkarte bekommen, wie steht es um die Kinder?", flüsterte sie, oder wie es decodiert gehießen hätte: 'Ich habe das Auto verlassen, wo sind die Kriminellen?'. "Die Kinder spielen im Sandkasten.", antwortete die Stimme eines andere Polizisten. Übersetzt hieß das: die Verbündeten der Lady, die von dieser auf dem Flughafen sitzen gelassen worden waren, befanden sich in dem Kasino, das von ihnen kontrolliert wurde.
Emily und Marie selbst hatten sich diesen Plan ausgedacht. Sobald ihnen aufgefallen war, dass die Lady ihre Verbündeten sitzen lassen würde, waren sie auf die Idee gekommen , jemanden bei ihnen einzuschleusen und sie noch mehr gegen die Lady aufzuhetzen. Auf diese Weise wollten sie die Lady von anderen Verbrechern isolieren, und sie hilfloser machen. Natürlich hätte Marie nie gedacht, dass sie die Person sein würde, die die neue beste Freundin der Gruppe spielen sollte. Trotzdem war der Plan genial.
Brant grinste triumphierend, hörte dann aber wieder auf, aus Angst ihren Lippenstift zu verschmieren. Sie hasste Under-cover-Missionen. Immer diese lächerlichen Tarnungen! Mit über den Asphalt klackernden Stiefeln lief sie auf das Kasino zu. Elende, enge Stiefel! Vorsichtig trat sie durch die Türe des Gebäudes.
Warme Luft, versetzt mit dem Geruch von Parfüm, Alkohol und Make-up schlug ihr entgegen. Gelächter, und Gespräche waren zu hören. Möglichst unauffällig betrat Marie Brant den Eingangsraum, wo ihr von einem übereifrigen Angestellten in einer lächerlichen Uniform, die gleich dafür sorgte, dass Marie sich in der Verkleidung weniger bescheuert vorkam, ein Glas Sekt angeboten wurde.
Sie lehnte höflich ab.
Während der Arbeit trank sie nicht. Mit, vielleicht ein bisschen übertrieben, schwingenden Hüften schlenderte sie in den Hauptraum des Kasinos. Sie machte das eben nicht so oft, da konnte man auch nicht von ihr erwarten, dass sie das verführerische Laufen eines Bond-Mädchens perfekt beherrscht hätte. Erneute wanderte ihre Hand zum Headset. "Ich frage mich, wo sie hier um Großes spielen.", flüsterte sie. Ein paar Spieler sahen sie an, als hätte sie den Verstand verloren.
Brant hasste Under-cover-Missionen!
"Tisch 7. Roulette.", antwortete der Polizeikontakt kühl.
Marie schlenderte zu besagtem Tisch und ließ sich auf einen der darum positionieren Stühle fallen. "Hallo Jungs.", trällerte sie und unterdrückte den Drang ihre Stiefel von sich zu werfen. Die Gruppe, welche fünf Männer und zwei Frauen beinhaltete, sah auf und blickte Marie entgeistert an.
Das lief ja wie am Schnürchen...
Marie bemühte sich ihr falsches Lächeln aufrechtzuerhalten, beugte sich über den Tisch und zog einen kleinen USB-Stick aus ihrem Ärmel.
"Wisst ihr, normalerweise arbeite ich ja alleine...", meinte sie und schaute die anderen Personen vielsagend, fast schon verschwörerisch, an, "Aber dann habe ich gehört, dass ihr von der Lady über den Tisch gezogen worden seid. Die Lady kann ich auch nicht leiden, die macht sowas öfters wisst ihr. Mich hat sie auch mal verarscht, und ich bin mir sicher dass sie das mit ihren sogenannten Verbündeten auch vorhat. Da dachte ich,... nun... ich dachte mir wir könnten ja zusammen arbeiten. Auf diesem USB-Stick sind sämtliche Informationen über Lady Laeta de Dolores, die ich über die Jahre sammeln konnte. Ich weiß, dass ihr euch auch an ihr rächen wollt und dieser Stick kann euch gehören, unter einer Bedingung: lasst mich an eurem Erfolg teilhaben und sobald die Lady gefallen ist hört ihr nie wieder etwas von mir, versprochen." Die Verbrecher sahen sich an, dann wieder Marie, die den USB-Stick zwischen ihren Fingern hin und her wirbelte, und dann wieder einander. Es war offensichtlich, dass sie über dieses absolut verlockende Angebot nachdachten.
Die Gruppe war bereits gehörig ausgedünnt, schließlich hätte es Verdacht erregen können, wenn sie einfach alle entkommen wären. Emilys Leute hatten einen Großteil der Verbrecher noch auf dem Flughafen fest genommen.
Vermutlich war dieses kleine Grüppchen des Vorstandes, das noch übrig war, äußerst misstrauisch. "Wieso sollten wir dir vertrauen?", fragte eine, vollkommen in schwarz gekleidete Frau mit dunklem Make-up, "Heute ist ein dunkler Tag. Die Bullen haben meinen ehrenwerten Ehemann erwischt. Die Lady hat uns verraten. Wieso sollten wir nicht davon ausgehen, dass es mit dir genauso wird?"
Brant legte der Frau tröstend die Hand auf die Schulter. "Am Ende jedes noch so dunklen Tunnels ist ein Licht und den tiefste Schatten gäbe es nicht, wäre da nicht auch ein strahlendes Leuchten. Vielleicht bin ich ja gerade rechtzeitig gekommen um dieses Licht zu euch zu führen, in Form von Informationen, die Lady Laeta de Dolores ins Verderben stürzen könnten. Ich will euch nur helfen. Die Lady brachte auch großes Leid über mich und Leute die mir wichtig waren. Wir können uns gegenseitig helfen.", schilderte Brant mit einer ausschweifenden Bewegung. "Schön gesagt.", meinte der Polizeikontakt trocken.
"Tja, wer nicht wagt, der nicht gewinnt, würde ich sagen.", mischte sich ein dicker, älterer Mann ein, "Aber bevor wir dich in unseren Reihen willkommen heißen, wie ist dein Name, Kind? Ich bin John, die reizende Dame hier ist Veronika und die blonde Schönheit daneben ist ihre Schwester Sonja, das ist ihr Ehemann Franz und seine Brüder Robin und Volker. Der trübselige Geselle daneben ist Kai, dem haben die Bullen heute die ganze Familie eingelocht."
"Hatte ich mich nicht vorgestellt. Du meine Güte, wo bleiben meine Manieren. Ich bin Nola Schmuck.", sagte Marie lächelnd und wartete eine Reaktion der Verbrecher ab. "Hätte ich sagen sollen, dass die Vorstellung gefehlt hat?", meldete sich der Polizeikontakt zu Wort, der offenbar ein Kichern zurückhielt. Genervt und trotzdem möglichst unauffällig hob Marie die Hand zu ihrem Ohr und drückte den anderen Beamten weg.
"Nola Schmuck? Die erste Offizierin der Hand? Es hieß du wärst tot...", meinte Veronika, die Frau in schwarz, misstrauisch. Marie lächelte gezwungen. Veronika zu überzeugen würde nicht leicht werden.
"Nein, die Lady hat mich nicht erwischt. Alle von uns, nur mich nicht. Ich war zu dem Zeitpunkt in New York. Bin Geschäften nachgegangen. Verstehst du jetzt wieso ich Rache will?"
"In der tat, aber Nola hatte schwarze Haare, als ich sie damals getroffen habe.", meinte Robin und lehnte sich weiter auf seinem Stuhl zurück.
Marie spielte an ihren roten Haarsträhnen und herum und gab sich Mühe das falsche Lächeln aufrecht zu erhalten. "Ich habe sie mir natürlich gefärbt. Überhaupt habe ich sehr viel Mühe und Geld darin investiert, dass mich die Lady nicht erkennt. Mit Laeta de Dolores ist nicht zu spaßen. Ich habe nicht vor mich von ihr töten zu lassen.", erklärte sie und hoffte, dass ihre Stimme nicht so nervös klang, wie sie sich fühlte.
"Na wenn das so ist, willkommen im Syndikat goldener Palast.", verkündete John feierlich.
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