Im Sturzflug (11) (Gore Warnung)

Der Langfinger hielt Fifemiles' Gewehr in seinen zitternden Händen und versuchte sich zusammenzureisen, während die Lady ihm erklärte, was er zu tun hatte.
Die verdammte Bullenfrau hatte immer noch nicht geredet und die Laune der Lady war entsprechend miserabel. Khlopnuť hatte ihn sogar gewarnt, sich von Lady Laeta de Dolores festzuhalten, bis diese sich an ihrer Gefangenen abreagiert hatte, und dabei war sich der Langfinger sicher gewesen, dass der russische Kämpfer, mit Armen wie Baumstämme, vor gar nichts Angst hatte. Der Langfinger war die meiste Zeit bei TechNick herumgehangen, weil er die Zwei am wenigsten unheimlich fand. Khlopnuť war zwar meistens lieb zu dem jungen Dieb, aber mit seiner beeindruckenden größe von über zwei Metern schüchterte er Ahmed gehörig ein. Bei Fifemiles hatte er immer das Gefühl gehabt, die brasilianische Schützin wolle ihn erschießen, sobald er ihr den Rücken zukehrte. Er war insgeheim ziemlich froh, dass die Polizei sie erwischt hatte.
Evil Queen war komplett wahnsinnig. Sie genoss es Leute zu quälen und war erst richtig glücklich wenn sich ihre Gifte zischend und dampfend durch das Fleisch ihrer schreienden Opfer fraßen. Sie jagte dem Langfinger eine riesige Angst ein, fast noch mehr als Fifemiles.
Mit der Lady selbst verhielt es sich ähnlich, nur, dass diese ihren Wahnsinn besser zu verstecken vermochte und zeitweilig sogar normal wirkte.
Tech und Nick dagegen waren in Ordnung. Der Langfinger konnte sie gut leiden, wirklich gut, sie waren wie Eltern für ihn geworden.

Der Langfinger war also im provisorisch Arbeitszimmer der beiden gesessen und hatte interessiert dabei zugesehen, wie sie aus einem Haufen geklautem Zeug eine Solaranlage bastelten. Er hatte Orangensaft getrunken und Kekse geknabbert.
Normalerweise hätten ihm die beiden Technik-Genies der Lady nicht gestattet an ihrem Arbeitsplatz zu essen, aber an diesem Tag war es anders gewesen. Die Lady und Evil Queen hatten sich nämlich äußerst fröhlich über all die Gräul unterhalten, die sie der Polizistin angetan hatten. Es war widerlich gewesen. Der Langfinger hatte sich mindestens dreimal übergeben und sich danach für eine halbe Stunde in seinem Bett verschanzt. Selbst nachdem Nick ihn unter seinen Decken hervorgelockt hatte, hallte das Gespräch der Mörderinen noch an seinem Kopf nach:

"Sie ist also aufgewacht? Wieso hast du mich nicht geholt? Das hätte so lustig werden können!"
"Dieses Mal wollte ich, dass sie wirklich redet. TechNick sagen, dass uns eine Polizeidrohne folgt. Ich will dass sie uns die Informationen giebt, bevor die uns haben. Außerdem darf sie nicht draufgehen, im Notfall brauchen wir sie als Druckmittel."
"Oh Nein! Wie ärgerlich! Horrible!... Erzählst du mir trotzdem was du gemacht hast? Wenn ich schon nicht mitmachen darf?"
Die Lady hatte genickt und dann hatte man den Wahnsinn gesehen, der durch ihre ruhige Fassade brach, wie eine angriffslustige Raubkatze durch das Dickicht des Jungels. Sie hatte sich schwungvoll auf einen Stuhl gesetzt und hatte begonnen zu erzählen:
"Ich habe sie zuerst wieder auf einen Stuhl gebunden. Mein Bett war ja schon schmutzig genug. Dann habe ich ihr die Eckzähne gezogen, aber auch nur die, damit sie noch reden kann. Schön langsam, versteht sich.
Dann... hm... dann habe ich ein Skalpell genommen und habe ein X in ihren rechten Augapfel geschnitten. Ich hab die Ecken zurück gebogen, sie mit Nadeln fixiert und Rohrfrei reingekippt. Sie hat geschrien, sag ich dir, es war herrlich!..."
Als die Lady an diesem Teil ihrer Erzählung angekommen war, ihre Finger, Kleidung und Haare immer noch verschmiert mit einer wiederlichen Mischung aus Blut und anderen, nicht identifizierbaren Substanzen, war dem Langfinger alles vor Augen verschwommen. Er hatte die Schreie gehört gehabt.
Sein Magen war ihm in die Kehle gesprungen, so als hätte das Flugzeug zum Sturzflug angesetzt, nur, dass es das nicht hatte. Ahmed hatte sich Mühe gegeben sich nicht zu übergeben und war in sein Zimmer getaumelt, eine Spur aus Erbrochenem hinter sich herziehend, als Beweis des Scheiterns seiner Bemühungen.

Als er dann friedlich bei seinen 'Ersatzeltern' gesessen hatte, war die Person in den Raum geplatzt, von der der Langfinger sich am liebsten fern gehalten hätte: Lady Laeta de Dolores höchst persönlich. "Wir müssen tanken. Nick, bring das Flugzeug runter, wir landen in Frankfurt. Ich will das ganze in 5 Minuten erledigt haben. Tech, lenk die Drohne ab. Kleiner, du kommst mit mir."

Jetzt war die Maschine wirklich im Sturzflug. "Da wir Fify nicht mehr haben musst du ihren Job übernehmen. Während wir uns das Kerosin beschaffen knallst du jeden ab, der versucht uns aufzuhalten. Verstanden? Pass aber auf, ich habe ein anderes Team angeheuert, das uns das Kerosin bereithält, die darfst du erst erschießen, wenn wir schon wegfliegen. Wir hauen sie nämlich übers Ohr.", erklärte die Lady mit einem ernsten Gesichtsausdruck. Der Langfinger versuchte so auszusehen, als wäre dies nicht das erste Mal, dass er ein Gewehr hielt. Er war nervös. Sehr nervös.

"Ich kann keine Menschen töten. Ich habe das noch nie gemacht, und ich will es auch nicht wirklich machen. Kann ich ihnen nicht ins Knie schießen oder so?", fragte er vorsichtig. Die Lady sah ihn völlig perplex an. "Wie meinst du das, du kannst nicht? Natürlich kannst du! Jeder kann das! Du zielst auf sie und dann schießt du. Ganz einfach. Und mir ist es egal wo du hin schießt, so lange die mir nicht im Weg sind.", gab Laeta de Dolores zurück. Der Langfinger nickte betrübt und begab sich zu der Notfalltür, aus der er schißen sollte.

Äußerst unsanft setzte der Privatjet auf der Landebahn des Frankfurter Flughafens auf. Gegenstände rutschten und dopsten durch die Gegend und der Langfinger konnte hören, wie die Gefangene in ihrer Unterbringung schrie. Vielleicht war etwas auf sie gefallen, vielleicht war sie vom Bett gefallen. Der Langfinger wusste es nicht und er wollte auch nicht wirklich darüber nachdenken. Die Frau tat ihm ja jetzt schon genug Leid!
So vorsichtig wie möglich öffnete er die Notfalltür. Noch immer bewegte sich das Flugzeug für seinen Geschmack viel zu schnell. Wäre er bei dieser Geschwindigkeit herausgefallen, so wäre das sein sein sicheres Ende gewesen. Mit einer Hand klammerte er sich an den Griff am Türrahmen, mit der anderen hielt er Fifemiles' Gewehr fest. Der Fahrtwind peitschte ihm ins Gesicht und drohte ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen. Er hatte Angst, höllische Angst.

Wie sollte er das schaffen? Das Flugzeug bremste überraschend schnell ab, die Lady, Evil Queen und Khlopnuť verließen die immer noch rollende Maschine durch die Haupttür und rannten über den Flugplatz auf eine Gruppe Männer und Frauen in orangenen Overalls zu, die einen Tankwagen bewachten. Der Langfinger legte sich flach auf dem Boden des Flugzeugs und legte das Scharfschützengewehr so an, wie er es bei Fifemiles gesehen hatte. Noch war alles ruhig. Es schien wie der perfekte Diebstahl.

"Wie sollen wir alle in das kleine Dinge reinkommen?", fragte der Overall-Typ, der offenbar das Sagen hatte. Die Lady lachte. "Keine Sorge: das ist größer als es aussieht. "
Khlopnuť sah die blonde Frau enttäuscht an. Er hasste es zu sehen, dass diese ihren Plan, ihre Verbündeten zu verraten, wirklich durchzog. Der Typ nickte und winkte seinen Leuten zu, damit sie den Tanklaster näher an das Flugzeug fuhren. Sie machten es, begannen mit dem Auftanken und die ersten wollten sogar schon an Bord gehen. "Hey", wurden sie von Laeta de Dolores aufgehalten, "Ich brauche euch hier noch. Glaubt ja nicht, das Emily Kreuz so blöd ist, dass sie nicht auftaucht. Wir müssen den Tanklaster beschützen!" Khlopnuť sah sich um. Es gab im Moment nicht wirklich etwas für ihn zu tun. Die Tür über dem Flügel, die eigentlich nur für Notfälle gedacht war, stand offen. Bei genauerem Hinsehen konnte er den Jungen erkennen, der dort mit Fifemiles Gewehr lag. "Wirklich? Du setzt das Kind als Schützen ein?", zischte er die Lady an. Diese zuckte mit den Schultern. "Wen sonst?"

Sierenen zerrissen die Luft und eine Kolonne Polizeiautos schossen auf den Flugplatz. Die Beamten sprangen aus ihren Fahrzeugen und giengen hinter den Türen in Deckung, die Waffen im Anschlag. "Macht den Tanklaster weg!", brüllte die Lady und begann mit einer Pistole auf die Polizisten zu schießen. Die Situation musste wirklich verzweifelt sein. Normalerweise benutzte die Lady keine Feuerwaffen. Bei einem der mittleren Autos konnte Khlopnuť Emily Kreuz persönlich ausmachen, die ihre Dienstwaffe fest mit ihren bandagierten Händen umklammert hielt. 

Der Langfinger begann aus seiner Tür zu schießen, traf jedoch nicht. Wirkungslos sprang seine Munition über den Asphalt. Khlopnuť beobachtete wie Laeta de Dolores und Evil Queen in das Flugzeug stürzten. Die Overall-Typen hatten den Tankvorgang nun beendet. "Los Großer! Komm rein!", brüllte die Amerikanerin und ihre lilanen Haare flatterten im Wind der bereits startenden Turbinen. Khlopnuť zögerte nicht mehr und sprang ebenfalls in die Maschine. "Hindere sie daran reinzukommen.", zischte die Lady in sein Ohr. Er nickte nur. Das war er ihr schuldig. Die Lady hatte ihn aus einer Todeszelle in Weißrussland geholt, er würde sie nicht enttäuschen. Mit beiden Händen hielt er sich am Türrahmen fest und trat nach den näher kommenden Leuten, die die Lady angeheuert hatte. Das Flugzeug startete, er schloss die Tür und konnte hören wie der Kleine dasselbe tat. Unten auf dem Flugplatz begannen nun Polizisten und Overall-Typen auf den Jet zu schießen. Khlopnuť war sich sicher, dass dies ein übles Nachspiel für die Lady haben würde.

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