Im Fadenkreuz (15)

Fifemiles lächelte, während sie der Erzählung der Lady lauschte. Sie hielt nicht sonderlich viel von Folter, es war so... ineffizient, aber sie war einfach froh aus dieser Untersuchungszelle entflohen zu sein. Diese Polizistin hätte sie trotzdem auch gerne kennengelernt. Sie klang interessant. "Am Anfang, oh am Anfang war sie noch total schnippisch aber nach ein paar Tagen...", Lady Laeta de Dolores warf den Kopf in den Nacken und lachte, "Du hättest sie hören sollen!" "Geschrien wie ein kleines Kind!", rief Evil Queen lachend. Khlopnuť stimmte mit ein. "Ganz genau. Hat man im ganzen Flugzeug gehört!"
Die Lady nahm einen Schluck aus ihrem Sektglas. Nick schenkte dem verdammten Bengel, der, sehr zu Fifemiles' Belustigung, aussah als verspürte er das Bedürfnis sich zu übergeben, Bier nach.

"Hast du schon etwas zu dieser Nola Schmuck herausgefunden?", fragte Tech. Augenblicklich verschwand der fröhliche Ausdruck aus dem Gesicht der Lady. "Sie ist tot. Ich habe sie getötet. Wenn ich jemanden umlege, dann bleibt der auch tot!", zischte sie kalt. Tech zog die Augenbrauen hoch. "Meine Informationen sagen etwas anderes. Nola Schmuck ist sehr lebendig und sie hilft dem goldenen Palast.", gab sie zurück. Ein leises Knurren entwich Laeta de Dolores' Lippen. "Dann sind deine Informationen falsch."
"Vielleicht sind sie auch korrekt und du willst nur nicht zugeben, dass du Schmuck nicht umgelegt sondern flachgelegt hast. Es gibt da so ein paar Gerüchte."

Das Sektglas der Lady zerbarst in ihrer Hand in winzige Scherben. Mit blutigen Fingern zog sie ein Messer aus ihrem Ärmel, sprang auf und presste es an Techs Hals. "Sprich mir nach: Nola Schmuck ist tot. Mehr ist nicht wichtig."
Tech winselte etwas unverständliches. "Bitte tu ihr nichts. Sie verträgt den Alkohol nicht gut. Sie meint es nicht so.", bettelte Nick. "Sie muss mir nur nachsprechen, dann ist sie fein raus.", fauchte die Lady, "Nola Schmuck ist tot. Mehr ist nicht wichtig."
Tech wand sich unter der Klinge, bei dem verzweifelten Versuch sich zu befreien. Erbärmliche Geräusche verließen ihren Mund. "Sag es!", befahl die Lady kalt. "Bitte Schatz. Mach was sie will.", flüsterte Nick seiner Frau zu.
"Schmuck ist tot. Mehr ist nicht wichtig.", krächzte Tech. Die Lady zog das Messer zurück und setzte sich wieder. "Sehr richtig.", sagte sie und wischte sich das Blut an ihrer zerschnittenen Hand am Oberteil ab.

"Ich gehe ins Bett.", verkündete der Langfinger und ergriff die Flucht, ehe jemand ihn aufhalten konnte. Fifemiles lachte leise. Das Kind war einfach lächerlich. "Das ist eine gute Idee. Gute Nacht allerseits.", meinte Nick mit einem gezwungen Lächeln und schob seine wankende Frau aus dem Zimmer. Die Lady schnaubte und griff sich das Bierglas, welches der Ingenieur zurückgelassen hatte. Fifemiles sah zu ihr hinüber und zog eine Augenbraue hoch. Lady Laeta de Dolores warf ihr einen bitterbösen Blick zu. Einige Zeit saßen die vier verbleibenden Verbrecher in Schweigen zusammen und tranken. Niemand sprach. Evil Queen und Khlopnuť, weil sie nicht riskieren wollten von der angetrunkenen Lady abgemurkst zu werden, Fifemiles und die Lady selbst, weil sie noch etwas von Nicks Bier abbekommen wollten, bevor die jeweils Andere es weggesoffen hatte. Endlich klingelte ein Wecker auf Evil Queens Handy. "Die Tinktur. Muss hick den Herd ausschalten, bevor sie hick nicht mehr giftig ist.", lallte die Giftmischerin. Sie stand auf und torkelte Richtung Türe. Sofort sprang Khlopnuť auf, offenbar froh eine Ausrede zur Flucht gefunden zu haben. "Ich helfe dir. Du bist schon ziemlich dicht.", rief er und eilte Evil Queen nach.

Kaum waren die Lady und die Scharfschützin alleine im Raum, drehte sich Fifemiles mit einem Grinsen zu ihrer Anführerin um. "Also. Wer ist diese Nola Schmuck?", fragte sie, die Lady genau beobachtend. Sie wollte nicht in die Situation geraten, in der sich Tech vor wenigen Minuten befunden hatte. Laeta de Dolores schnaubte. "Nola war die Stellvertreterin der Hand. Sie war mir im Weg. Ich habe sie getötet. Schuss in den Kopf, noch einer in die Brust. Du, als Scharfschützin, weißt ja sicherlich, dass man das nicht überlebt. Ich weiß nicht was für einen Mist Tech da aufgeschnappt hat, aber es ist unmöglich."

Fifemiles nickte. "Und diese Gerüchte?"
"Da war nichts."
"Wirklich? Wie sah sie aus? Wie Kreuz?"
"Größer als ich, schwarze Haare, hat nie gelächelt."
"Du stehst auf größere Frauen."
"Ich stehe darauf, wenn man nicht in meiner Vergangenheit rum kramt. Nola ist tot. Mehr ist nicht wichtig."
Fifemiles nickte erneut.
"Du redest dir das ein. Das hört man. Du bereust, dass du sie umgebracht hast, oder? Dein ganzer Körper spannt sich an, wenn du über sie redest. Wenn du möchtest kann ich sie mal ins Fadenkreuz nehmen. Gucken, ob es wirklich Schmuck ist."
Die Lady vergrub ihren Kopf in den Händen. "Von mir aus, aber dass du sie ja nicht umlegst.", nuschelte sie, dann stand sie auf, "Gute Nacht."

Fifemiles würde einen Tag haben, um Schmuck zu finden. Dann mussten sie wieder Tanken, das Flugzeug würde landen und sie aufsammeln.
Die Schützin war mit einem Fallschirm aus dem Flugzeugbauch abgesprungen und auf einem Weizenfeld gelandet. Sie war dankbar für ihre schweren Stiefel, welche verhinderten, dass die Halme sich in ihre Füße bohrten. Das Feld war vermutlich erst vor wenigen Tagen abgedroschen worden. Fifemiles entledigte sich des Fallschirms, rollte ihn schleunigst auf und verpackte ihn in einem Rucksack. Ihr Scharfschützengewehr war in einer langen Tasche, die aussah, als würde man sie für Golf benutzen, verstaut. Sie sah aus wie eine verdammte Touristin. Ohne Eile lief die kleine Frau mit den kurzen, schwarzen Haaren vom Feld herunter und rief sich einen Uber.
Der Mann brauchte eine halbe Stunde, bis er endlich aufkreuzte. "Hallo. Bruno Leimreich der Name. Sind sie... Malli?", fragte ein älterer Mann mit dünnen, roten Haaren höflich durch das Fenster seines Opels. "Ja. Ich bin Marley. Sie wollen also auch nach Frankfurt? Zum goldenen Palast?", antwortete Fifemiles genervt. So schwer war es doch wohl wirklich nicht ihren Namen auszusprechen! Der Kerl nickte. "So sieht's aus. Ich bin dann wohl Ihr Uber. Steigen's ein! Ab in die Spielhölle!", verkündete er fröhlich. Fifemiles warf ihre Sachen auf den Rücksitz und kletterte hinterher.

Die Fahrt zog sich wie Kaugummi. Schon sehr bald war sich Fifemiles nicht mehr sicher, ob der Kerl sie wirklich auf direktem Weg zu ihrem Ziel bringen würde. Sie sagte nichts. Die Mörderin war sich sehr bewusst, dass sie in den Nachrichten gewesen war. Sie wollte keine Aufmerksamkeit erregen. Wollte verhindern, dass der Kerl sie erkannte.

"Wär's nich... wär's nich schräg, wenn ich n' Mörder wär. Ich mein, sie könnten sich ja gar nich wehrn. Ham sie keine Angst n' Uber zu rufn, und der bringt sie dann um?", fragte der Mann plötzlich. "Das ist ja nun sehr unwahrscheinlich.", sagte Fifemiles kalt und starrte aus dem Fenster. Der kleine, dunkelgrüne Opel fuhr immer schneller. Mittlerweile jagten sie durch einen Wald. Fifemiles war sich ziemlich sicher, dass der nicht auf ihrer Strecke lag. "Ich sag ja nur, ich könnt n' Serienmörder sein.", meinte der Mann und seine wässrigen, blauen Augen beäugten die Brasilianerin lüstern durch den Rückspiegel. Fifemiles schnaubte. Der Wagen fuhr in eine Weggabelung. Die Straße war nun nicht mehr betoniert. "Die Wahrscheinlichkeit, dass sich zwei Serienmörder zufällig im gleichen Auto aufhalten, ist doch sehr gering.", antwortete Fifemiles und zog so leise wie möglich das Gewehr aus der Tasche. Nur so vorsichtshalber. Und weil dieser Bruno ihr mitlerweile massiv auf die Nerven ging. In Gedanken verflucht sie sich, weil sie nicht mehr Waffen mitgenommen hatte. Der Mann lachte. "Der war gut. Ja, der war gut." Er fuhr jetzt langsamer.

Der Kerl stoppte den Wagen, als der Weg zwischen den Bäumen ist Nichts verlief. "S' tut mir leid, aber sie müssn raus. Ja hop. Steigen's aus. Ich bin wirklich n' Killer, wissn's. Steigen's aus, ich will den Dreck nich im Auto.", murmelte er mit funkelnden Augen, "Leut umbringen is leicht gworden, seit Köln, wissn's. Immer wenn ne Leiche gfunden wird, schiebn's alle auf die Olle vom Dom."
Fifemiles lachte, während sie das Auto verließen. "Ja, die Mörderin aus dem Dom. Lady Laeta de Dolores. Sie ist eine Freundin. Ich arbeite für sie."
Schock zeichnete sich in den Augen des Mannes ab. "Was hamm's gsagt?" Seine Hand, in der er nun ein Jagdgewehr hielt, zitterte. Dann fiel sein Blick auf das, um einiges größere, Gewehr in Fifemiles' Händen. Ein Winseln verließ seine Kehle. "Die Wahrscheinlichkeit scheint heute echt nicht auf Ihrer Seite zu sein, Bruno Leimreich,  nicht wahr?", meinte Fifemiles leise lachend, "Wie gut für Sie, dass wir es nicht bis in die Spielothek geschafft haben.", sie lud das Gewehr durch. "Oder schlecht. Schließlich sterben Sie jetzt."
Der Mann wich einige Schritte zurück und ging dann hinter dem Auto in Deckung. "Na los, rennen Sie, rennen Sie! Versuchen Sie zu entkommen! Ich gebe Ihnen eine Chance." Fifemiles' Stimme war kalt wie Eis.

Der Mann rannte los. Zwischen die Bäume. Im Zickzack. Hin her, hin her. Versuchte anscheinend der Schützin das Zielen schwer zu machen. Beim Laufen warf er sein eigenes Gewehr von sich.  Fifemiles legte die Zielvorrichtung an ihr Auge. Das andere schloss sie, öffnete es kurz, dann schloss sie es wieder. Der Mann war in der Mitte des Fadenkreuzes. Ein Lächeln zuckte über Fifemiles' Lippen, der Finger am Abzug spannte sich an. Endlich wieder jagen. Es war so verdammt lange her. Ihre Instinkte waren geschärft ihr Auge an der Zielvorrichtung weit aufgerissen, auch wenn sie es nicht gebraucht hätte. Bruno Leimreich machte mit seinen lauten Schritten und seinem panischen Schnauben so einen Lärm, dass die Scharfschützin ihn mit verbundenen Augen hätte erschießen können. Die hagere Gestalt des Mannes huschte im Fadenkreuz hin und her, dann war er mittig. Endlich. Beute. Jagen. Schießen. Töten. Sie drückte ab. Ein leises Kichern, kaum lauter als ein Räuspern und um einiges professioneller als das kreischende Lachen der Lady, verließ Fifemiles' Lippen. Die Patrone flog aus dem Gewehrlauf, ihrem Ziel hinterher. Die Schützin beobachtete sie im Fadenkeuz, mit einem Lächeln, das die Meisten wohl als unheimlich beschrieben hätten. Die Patrone traf den Mann genau zwischen den Schultern und streckte ihn nieder. Mit einem erstickten Aufschrei gieng er zu Boden. Blut spritzte.

Kichernd packte Feifemiles das Gewehr wieder weg und setzte sich auf den Fahrersitz des Opels. Das war ja mal ein schöner Einstieg in den Tag gewesen. Sie tippte die Adresse des goldenen Palastes in das Navigationsgerät ein und fuhr langsam zurück auf die Straße. Jetzt zu Schmuck. Bei dem Gedanken musste Fifemiles grinsen. Ja, sie war schon sehr gespannt auf die Frau, die die Lady wohl vor Kreuz angehimmelt hatte. Die Schützin verstand schon, was Lady Laeta de Dolores an der Komissarin fand. Sie waren sich sehr ähnich, mit ihrer aufbrausenden, unnahbaren Art. Nur, dachte Fifemiles, dass Kreutz nie zu Folter greifen würde. Sie fuhr schneller, nur noch ihren Auftrag im Kopf. Bruno Leimreich war längst aus ihren Gedanken verschwunden. Sie sah nicht zurück. 

Leise stöhnend rappelte er sich auf. Es war schon dunkel. Wie lange war er bewusstlos gewesen? Er stützte sich an einem Baum ab und zog leise vor sich hinfluchend den komischen, orangenen Stoff, der die Kugel der anderen Mörderin wohl abgebremst hatte unter seiner Jacke hervor. Das Loch darin war winzig, trotzdem tropfte der Lappen vor Blut. Er fluchte erneut und leiß sich zurück auf den Boden fallen.  Plötzlich landete sein Gewehr vor ihm auf der Erde und wirbelte ein paar Blätter auf. "Das Hekut funktioniert also? Nicht so gut, wie das, das die Jäger benutzen, aber wir kommen da hin. Du weißt wo Laur... Laeta de Dolores' kleine Freundin hin wollte nehme ich an?", fragte eine schneidende Stimme über ihm. Bruno sah auf. Er konnte nur eine Siluette mit Kapuzenmantel erkennen. Die Schatten schienen sich um sie zu verdichten. Aber er brauchte sie nicht zu sehen, um genau zu sein, hatte er sie noch nie gesehen. Er wusste auch so, wer sie war. "Ja, ich weiß wo sie hin wollt, zum goldenen Palast, diesem Spielo. Ja, Euer Hekut wird immer besser. Ihr hätted mich warnen könn, dass die kleine für die Dom-Mörderin arbeitet, wissn's. Ich bin aber selbstverständlich trotzdem jeder Zeit breit wieder für Euch zu schaffn, wissn's. Was wolln's, dass ich mach, Spes.", berichtete er eilig. Spes, die Gestalt im Mantel, lachte nur, die Schatten schienen sich zusammen zu ziehen und als Bruno Leimreich wieder etwas sehen konnte, war er allein. Spes war weg.

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