Gelüftete Geheimnisse (21)

John lächelte Veronika beschwichtigend an. "Keine Sorge, meine Liebe, wir bekommen die Lady. Keine Sorge. Und wenn wir sie haben werden wir... keine Gnade walten lassen. Laeta de Dolores wird schon merken, dass man sich nicht mit dem Golden Palast anlegen sollte...", er lachte, "und, dass sie nicht die einzige ist, die Schmerzen zufügen kann."

Veronika ballte die Hände zu Fäusten und schlug sie auf dem Tisch. Tränen glitzerten in ihren Augen.
"Ja, sie wird es merken! Sie wird leiden! Wie wir gelitten haben! Wie ich gelitten habe, als sie mir meinen Lennart weggenommen haben!"
John nickte zustimmend und zog langsam an seiner Zigarette. Wie es wohl sein würde, der Verbrecher zu sein, der Lady Laeta de Dolores auf dem Gewissen hatte? Sicherlich würde damit ein großer Aufschwung des Geschäftes einhergehen, ganz zu schweigen von einer Menge Respekt.
Erneut zog John an der Zigarette. Ja, das würde famos werden.

Plötzlich legten sich eiskalte Finger auf seine Schulter und rissen ihn aus seinen Träumereien. "Wo ist Nola? Wieso ist sie nicht bei der Besprechung dabei?", fragte Sonja mit zuckersüßer Stimme und schlängelte sich an John vorbei, um sich auf einem großen, roten Sessel nieder zu lassen. Mit schnellen Schritten trat Franz hinter sie. Seine polierten Schuhe knallten leise bei jedem Schritt. Er legte ihr die Hände auf die Schultern und beugte sich zu ihr herunter. Auch wenn Franz flüsterte konnte man ihn im nun vollkommen stillen Raum problemlos hören.

"Weil wir Schmuck nicht vertrauen können, meine Liebste. Sie steckt mit Laeta de Dolores unter einer Decke, buchstäblich. Frag Robin, er hat sie getroffen."
Robin nickte. "Turteltauben, die beiden. Sind gar nicht voneinander zu trennen gewesen. Nola Schmuck liebt die Lady. Sie würde ihr alles verzeihen. Selbst wenn Schmuck am Anfang Rache geplant hat, jetzt versucht sie bestimmt wieder ihre Freundin zu beeindrucken."
"Was?", kreischte Veronika und ihre Augen sprühten Funken, "Wieso haben wir sie dann nicht längst umgelegt?"

John kicherte. "Geduld, Kind, Geduld.", erneut zog er an der Zigarette, "Ich verstehe und bewundere deine Leidenschaft, aber Schmuck jetzt schon zu töten ist unklug. Wir brauchen sie und sämtliche Informationen, die wir über die Lady bekommen können. Und wenn wir sie nicht mehr brauchen, oder die Lady und ihre Idioten hier auftauchen... nun dann töten wir sie, sie alle. Und sie werden leiden, sie alle, du musst dich nur gedulden."
Veronika lachte und einer nach dem anderen stimmten die Mitglieder des 'goldenen Palastes' ein.

Ein leichtes Lächeln huschte über Opes' Lippen, nur ganz kurz. Er hatte sie also gefunden, die Leute die ihn direkt zu Laeta de Dolores führen würden. Der Rest ihrer Truppe interessierte ihn genauso wenig wie die falsche Nola Schmuck, die Polizistin.
Er konnte es kaum erwarten Spes davon zu erzählen. Mit einer schwungvollen Bewegung erhob er sich von dem Bürostuhl und zog seine Kapuze tiefer in sein Gesicht. Ein letztes Mal warf er dem toten Wachmann auf dem Boden einen abschätzigen Blick zu. Hätte er eben nicht auf den Überwachungsmonitoren des 'Goldenen Palast' Solitär spielen sollen. Dann hätte er Opes vielleicht gesehen. Schadenfroh lachte der große, dünne Mann auf und eilte davon.

Leise klappernd bewegte sich der Teelöffel durch die Tasse. Sonst war alles still. Unter ihrer Kapuze grinste Spes gehässig. Er war unterwegs, der Polizist. Sie wusste es. Und sie war vorbereitet.
Der Raum in dem Spes, Anführerin der Armee der Hoffnung, saß war vollkommen leer. Nach dem Mord an dem Kindermädchen, Jahre zuvor, hatte niemand das Haus kaufen wollen.
Nur ein einziger Stuhl stand einsam in der Mitte des Raumes und darauf thronte Spes und rührte gelassen ihren Tee. Die Vorhänge waren zugezogen. In den schattigen Ecken des Raumes standen Hoffnungstruppen, Soldaten in Spes' Armee, loyal bis in den Tod. Zwei Macht-Soldaten, Opes' Spezialeinheiten, flankierten den Stuhl der kapuzierten Frau. Opes selbst, Spes Ehemann und ebenbürtiger Anführer, war nicht da, aber es war nicht so, als würde Spes ihn jetzt brauchen. Der Polizist war allein. Sie wusste es mit Sicherheit.

Plötzlich ertönte ein Knacken, irgendwo im Haus. Spes nahm einen Schluck von ihrem Tee und winkte den Gestalten zu. Sie huschten fast lautlos tiefer in die Schatten des Raumes. Von der Tür aus waren sie nun nicht mehr zu sehen. Die Macht-Soldaten verschwanden in Nieschen neben der Tür. Ein Windstoß heulte draußen vorbei. Regen begann gegen die Fenster zu prasseln. Fette Tropfen knallten gegen die Scheiben und rollten daran herunter wie Tränen. Ein Blitz zerriss die Dunkelheit. Durch einen Schlitz im Vorhang zuckte das Licht der Entladung und erhellte für einen kurzen Moment Spes' Gesichtszüge. Unter der Kapuze glühten orangene Augen. Dann kehrten die Schatten zurück.

Die Tür zum Salon öffnete sich einen Schlitz und der Lauf einer Pistole schob sich hindurch. Eine kleine Taschenlampe leuchtete in den Raum.
"Hallo, Günter Tischer. Ich würde dich ja gerne in meinem Haus willkommen heißen, aber ich kann mich nicht erinnern dich eingeladen zu haben. Deine Lampe brauchst du nicht.", säuselte Spes und setzte sich aufrechter hin.
Tischer riss die Tür vollends auf und stolperte in den Salon. Seine Augen waren weit aufgerissen, wie die eines Rehs, das sich plötzlich in den Scheinwerfern eines Lastwagens wiederfindet. Seine Hand mit der Pistole zitterte.

Spes schlug die Beine übereinander und rührte gelassen ihren Tee weiter. "Ich dachte ich hätte klar gemacht, dass du die Lampe nicht brauchst.", flüsterte die Frau verächtlich. Tischer richtete seine Waffe nun direkt auf die Brust der Kriminellen. Sie blieb vollkommen gelassen, als könne ihr das Instrument des Todes, das auf sie zeigte, nicht gleichgültiger sein. Elegant hob sie die Tasse an die Lippen und nahm ein paar Schlucke. Der Tee war süß, wenn auch fast kalt.
"Die Lampe!", forderte Spes ungeduldig und gesteekulierte mit dem Löffel.
Günter Tischer machte zwei Schritte auf den Stuhl zu, dann traten die Macht-Soldaten blitzschnell aus den Schatten und packten ihn an den Armen.

"Wa- Nein!", schrie der Polizist. Er trat nach dem ersten Soldaten doch bevor sein Fuß den Boden auch nur berührt hatte versetzte der zweite ihm einen Tritt in die Kniekehle. Günter Tischer ging zu Boden. Die Waffe entglitt seinen Händen, die Taschenlampe rollte davon. Lautlos erhob sich Spes von ihrem schattigen Thron. "Dummer, kleiner Polizist.", ihre Stimme war nicht mehr als ein Flüstern, doch hallte sie bedrohlich von den Wänden wieder und füllte den Raum völlig aus, "dachtest du wirklich du könntest es ganz alleine mit der Armee der Hoffnung aufnehmen? Sooo typisch für euch Menschen.", sie spuckte das Wort förmlich aus, "So vorhersehbar."
Spes lachte leise.
Wutentbrannt funkelte Tischer die vermummte Frau an. Immer noch wehrte er sich verbittert gegen den Griff der Macht-Soldaten, die offensichtlich Probleme hatten den GSG-9 Beamten festzuhalten. "Du sprichst, als wärst du kein Mensch, Spes! Aber das bist du! Du kannst dir einreden, du wärst eine Halbdämonin so viel du willst! Du bist und bleibst ein Mensch, und niemand kann etwas daran ändern! Such dir verdammt noch mal Hilfe! Gibt da ein paar gute Psychiater die man empfehlen kann...", schnappte er.

Sehr zu Günter Tischers Verwunderung lachte Spes nur noch lauter. Ihre dunklen Hände wanderten zum Saum ihrer Kapuze. Schlanke Finger mit langen Fingernägeln legten sich um den Stoff. Dann nahm sie ihre Kapuze ab.

Ihre dicken, schwarzen Locken waren zu zwei schweren Zöpfen geflochten, die seitlich von ihrem Kopf herab hingen. Ihre Augen glüten orange. Und ihr Gesicht... Günther kannte ihr Gesicht, er kannte es aus den Akten! Das war... dann fiel sein Blick auf die zwei großen, gebogenen Hörner auf Spes' Stirn. Sie erinnerten an die Hörner einer Ziege und waren pechschwarz. "Nein.", flüsterte Günter. Er konnte es nicht glauben, er wollte es nicht glauben. Das... das war unmöglich! So etwas wie Dämonen gab es nicht! Tränen stiegen in Tischers braune Augen, während er versuchte die Situation zu verarbeiten. Er konnte es nicht. "Nein!", seine Stimme klang erstickt von den Tränen.

Spes warf den Kopf in den Nacken und lachte. "Oh doch, Günter Tischer, oh doch." Dunkle Schatten wirbelten bedrohlich um sie herum.
"Ich bin eine Memonin, Halbämonin, wie du sagen würdest."
Tischer schüttelte den Kopf. Dieses Lachen, dieses furchtbare Lachen... Diese furchtbare Frau. Das konnte nicht wahr sein. Sicherlich träumte er nur!
Spes winkte jemanden zu sich. Günter konnte nicht erkennen wer es war, er musste noch in den Schatten zu stehen.
Hinter einem Vorhang trat ein junger Mann hervor. Sein breites Grinsen entblößte zwei Reihen spitzer Zähne. Seine Hände sahen aus wie Klauen, seine Finger verhärteten sich vorne zu scharfen Krallen. Er war unglaublich jung, Günther bezweifelte, dass er bereits volljährig war.

"Deine Zeit ist gekommen, Proelii, beweise deine Loyalität. Töte den Menschen."
Günter Tischer wurde kreidebleich. Kalter Schweiß lief seine Stirn hinab und tropfte auf den Boden. Ein letztes Mal bäumte er sich auf und versuchte verzweifelt den beiden Halbdämonen zu entkommen, die ihn festhilten. Gewaltsam rissen die Macht-Soldaten ihn auf den Boden zurück. Proelii lief vorsichtig auf Tischer zu. Er sah nervös aus. Tischers braune Augen waren weit aufgerissen, Tränen liefen über seine Wangen, doch er sprach kein Wort.

"Sorry.", flüsterte Proelii, dann stach er seine Krallen in Günters Hals. Blut spritzte über seine Hände und den wankenden Körper des Polizisten.
Spes klatschte, die anderen Hoffnungstruppen schlossen sich ihrem Beifall an. "Willkommen!", rief Spes, "Willkommen in der Armee der Hoffnung, Proelii!"
Der Junge stolperte einige Schritte rückwärts.
Erneut brannte Beifall auf.
Die Macht-Soldaten ließen Günter Tischers Leichnam auf dem Boden fallen und klatschen mit. Zum zweiten Mal färbten sich die Fliesen des Salons rot mit Blut.

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