Erwischt und geschnappt (22) (Gore Warnung)

Emily Kreuz glaubte noch nie in ihrem Leben so schnell gefahren zu sein.
Der Motor des BMWs der Polizei gröhlte wütend während das Fahrzeug über die Straße donnerte.
Blaulicht und Sirene heulten zum tackt ihres rasenden Pulses. Verwirrte und verängstigte Passanten sprangen aus dem Weg des Streifenwagens.

Fifemiles hatte Marie gefunden.
Die Polizeihauptkommissarin riß das Steuer herum. Ihr gebrochener Arm schmerzte. Sie wusste gar nicht ob sie schon wieder fahren durfte. Der Motor heulte auf und das Fahrzeug schoss um die Kurve. Kreuz' Augen klebten förmlich auf der Fahrbahn. Wo Fifemiles war, war die Lady vermutlich nicht weit.
Sie musste unter allen Umständen verhindern, dass eine weitere Polizisten in Laeta de Dolores' Hände fiel.

Und erst recht nicht Marie.
Bilder flackerten durch Emilys Verstand. Bilder von Marie in dem Zustand, indem Fiona Gnir gewesen war. Angeschlossen an Maschinen, bedeckt mit Verletzungen, in einer Zelle in einer Lache ihres eigenen Blutes.
Stumme Tränen flossen aus ihren Augen und ließen den Fahrstreifen vor ihr verschwimmen.
Emily hatte Marie geliebt.
Vielleicht tat sie das noch immer, aber Marie stand nicht auf Frauen.
Emily durfte die Polizeimeisterin nicht verlieren.
Sie biss sich auf die Lippe, um ein Schluchzen zu unterdrücken.

"Hauptkommissarin Kreuz, ist alles in Ordnung? Soll ich fahren?", fragte der Bramte Keuchner, der auf Maries Platz neben Emily saß, besorgt.
Sie schüttelte den Kopf.
Das war ihr Job.
Sie musste das machen, dann konnte sie wenigstens etwas tun, um der Lady zuvor zu kommen. Marie war ihre beste Freundin!
Der Polizeiwagen raste um eine Ecke.
Jetzt war das Casino 'goldener Palast' nicht mehr weit.
Vielleicht hatte Emily Glück. Vielleicht würde sie es vor der Lady erreichen.
Emilys kurzgeschnittene Fingernägel gruben sich in das Leder des Lenkrades. Der BMW heulte auf, als die Hauptkommissarin ihn zum Endspurt antrieb.

Emily hatte Angst.
Sie durfte nicht zu spät kommen, sie durfte einfach nicht!
Jedes Auto auf der Straße sah aus wie das der Lady. Bei jedem blonden Haarschopf unter den Fußgängern zuckte Kreuz ein kleines bisschen zusammen.
Jeder Vogel, der vorbei flog, wirkte wie eine von Techs Drohnen.
"Sind Sie sicher, dass ich nicht fahren soll?", fragte der Beamte Keuchner ein bisschen grün um die Nase.
Offenbar forderte Emilys aggressiver Fahrstil seinen Tribut.

"Nein", presste Emily zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und lenkte den BMW in die Gasse vor dem 'goldenen Palast'. Mit quietschenden Reifen brachte sie den Wagen zum Stehen und sprang hinaus, die Pistole bereits gezogen.
"Warten Sie!", rief Keuchner, zog die Handbremse, die Emily vergessen hatte und eilte hinter der Hauptkommissarin her.

Emily hörte nicht auf ihn. Die anderen Streifenwagen waren noch nicht einmal eingetroffen, doch sie rannte bereits auf das Kasino zu. Ihre Augen sprühten Funken.
Die teuer bekleideten Spieler stolperten panisch los und flüchteten wild durcheinander schnatternd zu ihren Wagen, oder in die Gassen. Eine Frau in einem pompösen, blauen Kleid stolperte über ihren Rocksaum und fiel klatschend in eine Pfütze.
Die Nacht zuvor hatte es geregnet. Emily beachtete die Spielerin nicht und eilte weiter auf den Eingang zu.

Plötzlich glaubte sie etwas auf einem Dach zu erkennen. Ohne zu zögern sprang Emily hinter eine Mülltonne und kauerte sich zusammen.
Sie hatte sich nicht getäuscht: Sekunden später schlugen Schüsse über das Kopfsteinpflaster.
Wenn es möglich war, so drehten die Spieler nun noch mehr durch. Panisches Kreischen und das umhergetrappel teurer Schuhe mischten sich mit dem Knallen der Patronen.

"Ist sie das? Ist es Fifemiles?", fragte Keuchner über das Funkgerät an Emilys Brust.
"Nein", gab die Hauptkommissarin zurück, "Fifemiles hätte getroffen. Das ist ein Scharfschütze vom goldenen Palast."
Mit Blaulicht und Sirenen fuhren die restlichen Streifenwagen in die Gasse.

Marie Brant eilte durch das Kasino. Sie würde auffliegen.
Sie musste hier raus.
Den goldenen Palast konnte sie vielleicht hinhalten, aber die Lady würde keine Sekunde auf ihre Tarnung hereingefallen.
Die Lady hatte Nola gekann.
Einige sagten, sie hätte sie geliebt.

Marie hatte keine Zeit mehr ihre Sachen zu holen.
Das Kasino war wie lehr gefegt. Die Spieler waren alle nach draußen, oder auf die Toiletten geflohen, als die Streifenwagen vor dem Gebäude erschienen waren.
Das Syndikat 'Goldener Palast' war in Auffuhr.
Sie konnten sich nicht erklären wie die Polizei sie gefunden hatte.
Robin hatte angemerkt, dass wohl einer der Mitglieder, die am Flughafen geschnappt worden waren, geplaudert hatte.
Veronika war heulend auf Johns Schoß zusammen gebrochen.
Franz war mit einem Gewehr auf ein Dach geklettert.

Irgendwie hatte man Marie in dem Chaos alleine gelassen.
Jetzt versuchte sie sich also möglichst unbemerkt vom Acker machen.
Nur kurz war sie in ihr Zimmer zurückgekehrt.
Dort hatte sie die nervigen, hohen Schuhe gegen Turnschuhe getauscht und sich mit einer Pistole und einem Messer bewaffnet.
Sogar den schwarzen Hosenanzug trug sie noch.

Sie fühlte sich beobachtet, als wäre sie doch nicht so allein.
Ihr Atem und ihre Schritte klangen in dem leeren Kasino zu laut.
Geduckt schlich sie an Roulette- und Pokertischen vorbei und ließ ihre Augen achtsam über teure Vorgänge, Kronleuchter und Spielautomaten schweifen.
Bald hatte sie es geschafft!

"Stehen bleiben."
Die Stimme war ruhig, kalt wie Eis und eindeutig weiblich.
Sofort stellte Marie ihre Flucht ein. Ihre Blicke huschten nervös durch den Raum.
Wo kam die Stimme her?
Fifemiles' Stimme.
Brant hätte diese Stimme überall wieder erkannt, schließlich war sie diejenige gewesen, die die Mörderin verhaftet hatte.
Dann sah sie die Scharfschützin.
Sie stand in der nähe des Ausgangs und richtete den Lauf ihres Scharfschützengewehres direkt auf Maries Brust.

"Bist du Nola Schmuck?", fragte die kleine Mörderin und kam näher, "Irgendwo habe ich dich doch schon einmal gesehen. Ich kenne dein Gesicht."
Maries Gedanken rasten.
Fifemiles hatte sie nicht erkannt.
Aber sie wusste, dass sie sich schon einmal begegnet waren.
Langsam legte sich die Polizeimeisterin einen Plan zurecht.

"Ja, natürlich bin ich Nola Schmuck. Aber ich kann mich nicht erinnern dich schon einmal getroffen zu haben. Von dir gehört habe ich aber, du bist also die kleine, die sich an meine Ex ranschmeißt.
Ich muss sagen, dass es eine verdammte scheiß Idee ist. Sie nutzt dich aus, und ehe du dich versiehst versucht sie dich umzubringen.
Du sagst du kannst mein Gesicht? Nun, vielleicht hat die Lady ja ein Foto von mir behalten."

Fifemiles legte den Kopf schief und schien zu überlegen.
"Ja, das muss es sein."
"Natürlich ist es das."
"Aber du hast die Lady für dieses dumme Syndikat verraten. Das hättest du nicht tun sollen."
"Sie hatte es verdient."
"Du hättest es trotzdem nicht tun sollen."
"Ist jetzt nicht wichtig."
"Der Lady wird es wichtig sein."
"Wo ist die Lady denn dann?"
"Unterwegs zu uns."

Marie schluckte. Sie hatte nicht mehr viel Zeit, aber wenigstens sah es nicht so aus, als wolle Fifemiles sie töten.
Nein, die kleine Frau mit den kurzen, schwarzen Haaren, stand nun so knapp vor ihr, dass Marie sich tatsächlich eine Chance ausrechnete. Sie hatte nicht geschossen.
Vielleicht hatte die Lady es verboten.

Marie packte das Gewehr am Lauf und riss es zur Seite. Von dem plötzlichen Angriff völlig überrumpelt, stolperte Fifemiles und ließ das Gewehr los, um sich abfangen zu können.
Marie warf die Waffe so weit wie möglich von sich.
Im Nahkampf war die Scharfschützin nicht gut, das stand in ihrer Akte.
Noch bevor Fifemiles ihr Gleichgewicht zurückerlangt hatte, warf Marie sich auf sie.
Zwischen zwei Roulettetischen gingen die beiden Frauen auf dem weichen, roten Teppich zu Boden.

Fifemiles knurrte wütend, vergrub ihre Hand in Maries rotem Pony und riss die sorgsam trapierte Haarpracht fest zur Seite.
Marie japste vor Schmerzen und verpasste der unter ihr liegenden Schützin einen harten linken Haken.
Die kleinere Frau drehte den Kopf ruckartig nach rechts und vergrub ihre Zähne in Maries Unterarm.
Ein gellender Schrei hallte durch die leere Spielhalle.

Die Polizistin zog das Messer aus ihrem Stiefel und hielt es Fifemiles an die Kehle.
Blut lief aus dem Mund der Frau, die man wohl als Lady Laeta de Dolores' beste Freundin bezeichnen konnte.
Marie war sich nicht sicher wessen Blut es war.
Die Bisswunde an ihrem Arm brannte höllisch und wieder einmal war Marie Brandt froh, dass sie regelmäßig Tetanusimpfungen bekam.
Ein seltsames Funkeln hatte sich in Fifemiles' kalte, berechnende Augen geschlichen.

Die Kriminelle stieß einen schrecklichen Schrei aus, als hätte sie grauenhafte Schmerzen.
Ihre Hände verkrampften sich zu Fäusten, sie stieß die Knie nach oben, gehen Maries Schenkel.
Das Blut aus Fifemiles' Mund spritzte in Maries Gesicht.
Brant zuckte zusammen und lies das Messer Fallen.
Sofort ergriff Fifemiles die Chance und warf die Polizistin von sich.

Marie rollte sich zur Seite hin ab und zog dabei die Pistole.
Als sie sich aufrichtete stand die Schützin bereits und hielt das Messer wurfbereit in der Hand. Blut tropfte ihr Kinn herab und sie spuckte einen Zahn aus, ohne die Augen von Marie zu lassen.
"Patt, Schmuck.", zischte sie.
Blut und Speichel regneten aus ihrem zerschlagenen Gesicht.
"Eher nicht.", gab Marie zurück. Ihre Stimme war rau und kaum mehr als ein Flüstern.
"Ich könnte dich töten."
"Aber du wirst nicht, nicht war. Sie hat es dir verboten, oder?"
"Fick dich."

Ein gemeines Lächeln breitete sich auf Maries Gesicht aus. Der metallische, salzig Geschmack von Blut machte sich in ihrem Mund breit. Sie musste nur hier rauskommen, sie musste Fifemiles nicht töten.
Immer noch grinsend machte wie einen Schritt auf ihre Kontrahentin zu.
Noch einen.
Jetzt grinste Fifemiles auch.
Blut bedeckte ihre Zähne, ließ sie rot schimmern.
Ihr rechter, unterer Schneidezahn fehlte.
Noch einen Schritt.

Fifemiles Hand schnellte vor und packte die Pistole am Lauf, wie Marie es zuvor mit ihrem Gewehr gemacht hat.
Die Polizistin ließ die Waffe nicht los, schließlich hatte sie das geplant gehabt, trat der kleineren Frau auf den Fuß und schubste sie mit der Schulter beiseite.
Erneut schrie die Verbrecherin, dieses mal ehrlich.
Sie ließ die Waffe los und fiel zurück auf den Teppich.

Marie steckte die Pistole zurück ins Holster und rannte auf den Ausgang zu.
Stetig hoffte sie, dass Fifemiles' Angst vor der Lady größer war, als ihr Wunsch das Messer zu werfen.
Sie hatte Glück.

Emily Kreuz wusste, dass sie ein Problem hatte, als die Limousine vor fuhr.
Das schwarze Auto schanzte in einer Geschwindigkeit in die Gasse, die Emilys auf der Herfahrt tatsächlich Konkurrenz machte.
Ohne Rücksicht auf Verluste donnerte das gepanzerte Fahrzeug an den eintreffenden Streifenwagen vorbei, überfuhr die Beine der Spielerin im blauen Kleid und blieb mit quietschenden Reifen vor dem Kasino stehen.
Emily kannte dieses Auto, es war das, das in Köln einen Strafzettel für Falschparken bekommen hatte, das Auto der Lady.
Die Kommissarin bis sich auf die Lippe, und hoffte, dass der goldene Palast den Verrat der Lady nicht vergessen hatte.

Die Hauptkommissarin wurde nicht enttäuscht.
Sobald das Auto stand, ließ der Heckenschütze auf dem Dach von Emily ab und eröffnete das Feuer auf die Limousine.
Kreuz wagte sich hinter der Mülltonne hervor, fast entschlossen die Aufmerksamkeit der Lady augenblicklich auf sich zu ziehen.
Laeta de Dolores durfte die falsche Nola Schmuck unter keinen Umständen zu Gesicht bekommen.

Die Lady war nicht die erste, die ausstieg, es war Khlopnuť.
Das war seltsam, normalerweise führte sie ihre Truppe an.
Ging es ihr nicht gut? Das könnte Emily einen entscheidenden Vorteil verschaffen!
Tatsächlich sah die Lady aus, als könnte sie jeden Moment zusammenbrechen, als sie aus der Limousine stieg.
Emily richtete die Pistole auf die blonde Frau.

Bevor Emily etwas sagen konnte, ja bevor sie einen weiteren Schritt machen konnte, um wieder im Sichtfeld der anderen Polizisten zu stehen, spürte sie einen stechenden Schmerz an ihrer Schulter.
Die Kommissarin sah zur Seite.
Ein komischer, kleiner Pfeil steckte in ihrer Uniformjacke.
Der Schmerz wurde brennend.
Er schien sich über ihren ganzen Körper auszubreiten, als wäre jedes einzelne ihrer Gliedmaßen eingeschlafen.
Ihre Arme kommt das Gewicht der Pistole nicht mehr halten und fielen schlaff zu ihren Seiten hinab.
Ihre Beine wurden unter ihrem Gewicht zu Wackelpudding.
Mit einem leisen Stöhnen ging Emily Kreuz zu Boden.

Langsam engte sich ihr Sichtfeld ein.
Sie versuchte gegen die Schwärze anzukämpfen, die von allen Seiten auf sie eindrängte, doch es hatte keinen Wert.
Ihre Augenlider wurden plötzlich so furchtbar schwer.
Eine in schwarz gekleidete Frau mit dunklem Make-up kam auf Emily zu.
Ein dreckiges Grinsen bedeckte ihr verheultes Gesicht und in einer Hand hielt sie ein Gewehr, wie man es zum betäuben von Tieren benutzt.
In der anderen Hand hielt sie mehrere Kabelbinder.

Die Frau stieg über Emilys reglosen Körper hinweg, aus ihrem immer enger werdenden Sichtfeld hinaus.
Ein stechender Schmerz fuhr durch ihre Handgelenke, als die Kabelbinder stramm darum gezogen wurden.
Kurz bevor ihr Körper endlich der Ohnmacht erlag huschte ein letzter Gedanke durch Emilys müdes Gehirn.
Sie war Polizistin, und doch war sie geschnappt worden.
Geschnappt.
Was für ein lustiges Wort!

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