lacuna

a blank space, a missing part

„Remus?"

Er richtete seinen Blick auf Tonks und taxierte ihre dunkelblauen Augen.

Die junge Aurorin hatte erstaunlich lange geschwiegen. Selbst ihr schienen angesichts der jüngsten Ereignisse die Worte zu fehlen. Es war nun vierundzwanzig Stunden her, seit sich Sirius Fall durch den Torbogen zugetragen hatte. Der Schock saß bei allen tief. Keiner konnte so recht glauben, was sich in der Ministeriumsabteilung zugetragen hatte. Der Orden hatte eine große Niederlage einstecken müssen. Die Hälfte der Kämpfer war verletzt worden.

Auch Tonks hatte es erwischt. Sie war erst vor einer Stunde aus dem St. Mungo's Hospital entlassen worden und sofort zum Grimmauldplatz appariert. Sie sah noch immer ziemlich abgekämpft aus, selbst ihre Haare waren verblasst. Die Apparierestrecke war ihr zu viel gewesen. Die Heiler hatten ihr davon abgeraten, so kurz nach ihrer frühzeitigen Entlassung über eine solch weite Strecke zu apparieren. Aber Tonks hatte nicht gehört. Sie hatte ihren eigenen Kopf. Das war schon immer so. Aber selbst die belastbarste Aurorin hatte ihre Grenzen. Sie wäre beinahe auf der Türschwelle zusammen gebrochen.
Auch jetzt war sie noch immer ausgesprochen blass. Ihr Kopf lagerte in Remus Schoß. Die letzte Stunde Stunde hatten sie schweigend auf dem Sofa verbracht und dem sanften Trommeln des Regens gegen die Fensterscheiben gelauscht. Tonks hatte sich ausgeruht während Remus ihr gedankenverloren über ihr zartrosa Haar gestrichen hatte.
Zuvor hatte er noch geglaubt, er würde in seiner Trauer um Sirius ertrinken. Aber seit Tonks bei ihm war, schien alles so viel leichter. Er hatte eine Stunde lang nicht an Sirius gedacht. Er hatte ausnahmsweise an gar nichts gedacht. Es hatte gut getan, für einige Zeit alles zu vergessen.
Die ganze letzte Stunde war von unermesslichem Wert gewesen. Erst gestern, als er neben Sirius auch beinahe Tonks verloren hätte, war Remus wirklich bewusst geworden, wie wertvoll die Momente mit Tonks waren.

Eine vorsichtige Berührung jagte ihm einen eiskalten Schauer den Rücken hinab. Tonks Fingerkuppen strichen über seine Wange.

„An was denkst du?", fragte sie mit ungewohnt ruhiger Stimme.

„Der Orden hat zu leichtsinnig gehandelt."

„Oder zu mutig."

Remus erwiderte nichts. Er griff nah ihrer Hand und drückte sie kurz. Auch Tonks schwieg nun. Er war dankbar über die kurze Zeit, die sie ihm gewährte, um über ihre Worte nachzudenken. Es war ungewohnt, Tonks so tiefgründig sprechen zu hören.
Der Kampf hatte sie verändert. Tonks war nicht länger die junge, tollpatschige Aurorin, die zu jeder Zeit fröhlich war. Sie war plötzlich erschreckend erwachsen.

„Merkwürdig, nicht? Ich dachte immer, der Krieg geht erst los. Dabei stecken wir schon mitten drin."

„Ich schätze schon... Ja", antwortete Remus.

Seine Kehle war wie ausgetrocknet. Tonks hatte recht. Der Krieg tobte und das bereits seit einem Jahr. Dennoch hatten sie es nie gemerkt. Oder sie wollten es nicht merken.
Die Einsicht traf wie ein Schlag mitten in die Magengrube, jedoch zu spät. Einsicht konnte Sirius nicht mehr helfen. Nichts und niemand konnte das.

„Es hätte nicht soweit kommen dürfen", murmelte Remus wehmütig, „Wenn wir die Sache besser geplant hätten, dann wäre -"

„Es geht nicht länger um ein 'Was wäre wenn?', es geht darum, zu überleben. Wir sind Widerstandskämpfer. Es war nur eine Frage der Zeit, bis einer von uns im Kampf fällt. Sirius wird nicht der einzige bleiben. Vielleicht war es sogar gut, dass wir daran erinnert wurden. Der Kampf gestern..."

„Der Anfang vom Ende", beendete Remus ihren Gedanken. „Du hast Recht. Wir können weder den Tod noch den Krieg aufhalten. Das einzige, was wir tun können, ist weiterkämpfen."

Ein erneutes Schweigen trat ein. Remus Blick ruhte weiterhin auf Tonks. Sie verschränkte langsam ihre Finger mit seinen. Etwas in ihrer Mimik veränderte sich.

„Versprich mir, dass wir überleben."

Remus wandte seinen Blick von ihr ab. Zu gerne würde er ihr versprechen, dass sie den Krieg überleben würden. Aber das stand in den Sternen. Remus schwieg weiterhin und mied ihren Blick. Er könnte es nicht ertragen, auch nur den kleinsten Hoffnungsschimmer in ihren Augen aufblitzen zu sehen.

„Wir werden doch überleben, oder nicht? ... Remus?"

„Ja, Tonks... Wir... wir werden überleben."

Doch würde er sein Versprechen halten können? Was, wenn der Todesengel als nächstes an seiner Tür klopfte? Und selbst wenn nicht - Würden sie den ganzen Wahnsinn, der tagtäglich draußen tobte, überstehen? Würden sie einen aussichtslosen Krieg überleben?
Dunkle Zeiten brachen an. Der Krieg stand bevor. Wer wusste schon, was der nächste Tag brachte?

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