5. Kätzchen

Am nächsten Tag eröffnete ich mein Geschäft erstmals und erhielt sogar bereits meine ersten erwartungsvollen Kunden aus der Nachbarschaft, Männer, die ihren Ehefrauen Blumen schenken wollten und auch einige alte Damen, die den frischen Duft der Rosen genossen.

Ich erfüllte ihre Wünsche mit Leichtigkeit und einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen, beriet und informierte sie in den tiefsinnigen Bedeutungen der vielen Blüten und war stolz darauf sie mit dem gleichen glücklichen Ausdruck hinaus zu schicken, den auch Yongguks Kunden auf dem Gesicht trugen.

Gegen Nachmittag setzte der Regen wieder ein und die Kunden verschwanden mit der Sonne, zogen es vor unter ihren warmen Dächern zu bleiben, statt sich hinaus in die unbarmherzige Nässe zu wagen.

Ich bekam dennoch Gesellschaft, wenn es auch ein Besucher der etwas anderen Art war.

Es war ein kleines Kätzchen mit weißen Pfoten, das nass und jammernd durch die angelehnte Tür schlüpfte und ich sah neugierig vom Fenster auf, als ich sein miserables Miauen hörte. Das graue Fell klebte traurig an seiner zitternden Gestalt und er zog eine nasse Spur hinter sich her, ich konnte gar nicht anders als sofort zu einem Handtuch zu greifen und das friedliche Tier schützend in meine Arme zu ziehen.

Ich erkannte das Geschöpf problemlos wieder, schnupperte auch neugierig an seinem Fell, doch es war keine Spur von ihm an dem Kleinen zu erkennen.

"Ich bringe dich zurück, sobald ich kann. Er ist momentan nicht oben und ich kann dich nicht unten hin lassen, wo alles sauber sein muss, weißt du?", murmelte ich dem Tier leise zu, während es suchend mit der Nase herumschnupperte, erneut fordernd miaute.

Ich bot ihm etwas Fisch an und schloss die Tür, damit er mir nicht ebenfalls davon rannte, dann wartete ich wieder.

Daehyun rief irgendwann an, während ich noch anm Fensterrahmen lehnte und die Regentropfen bei ihrem unbekümmerten Rennen beobachtete.

"Hey, ich habe gute Neuigkeiten!"

"Hat dein Chef dich endlich akzeptiert?"

Er schnaubte abfällig.

"Ich glaube Youngjae ist einfach dazu verflucht bis in alle Ewigkeit der größte Mistkerl zu bleiben. Aber darum geht es nicht!" Während seiner Kunstpause dachte ich darüber nach, wie sie sich scheinbar inzwischen beim Vornamen kannten.

"Ich habe heute mit Himchan gegessen und der hat mir erzählt, dass er seine Tattoos von genau deinem mysteriösen Vampir bekommen hat! Er hat mir ein paar gezeigt und wirklich... der Typ weiß, was er tut." Daehyun klang schwer beeindruckt und ich sah seinen kindlich begeisterten Audruck direkt vor mir, die weit geöffneten Augen und gespaltenen Lippen, wie seine Zunge unwissentlich über diese glitt.

"Das wusste ich doch schon. Bisher habe ich von allen das gleiche darüber gehört.", lächelte ich warm und fand das wandernde Kätzchen mit meinen Augen, achtete darauf, dass es nichts zerstörte, aber es untersuchte nur neugierig meine vielen Blumentöpfe am Boden.

"Das war noch nicht alles!" Daehyun senkte die Stimme verschwörerisch und ich lehnte mich  bequem an den Fenstersims zurück, um mich besser auf ihn konzentrieren zu können.

"Himchan sagte, dass er mit derselben Hingabe liebt.", zischte der andere Engel sein Geheimnis und nachdenklich fuhr ich mir durch das beinahe wieder zu lange Haar.

"Man wird nicht zum Dämon, weil man einen anderen Mann liebt, Dae."

"Das meinte ich nicht! Sie mögen nicht mehr zusammen sein, aber Himchan weiß sicherlich einiges über deinen Hell Boy! Soll ich ein Date zwischen euch klar machen?" Ich hörte sein triumphierendes Grinsen förmlich.

"Er weiß bestimmt einiges... Aber es ist komisch ihn so über Yongguk auszufragen. Freunde du dich lieber weiter mit ihm an und solltest du etwas erfahren, gib mir Bescheid. Wer weiß schon, wie nahe sie sich noch stehen.", lehnte ich allerdings ab und sah dann auf, als das Katzenjunge plötzlich verharrte und mit gespitzten Ohren zur Tür sah.

"Na schön, mach ich. Aber jetzt erzähl mir von deinem ersten Tag! Sind viele Leute vorbei gekommen? Ich brauche Ablenkung von der kleinen Ratte..."

"Ich würde schrecklich gerne, aber ich habe derzeit Besuch, also vielleicht ein anderes Mal? Du kannst auch gerne jederzeit vorbei kommen, vergiss das nicht." Ich stieß mich vom Sims ab, um in Richtung der Katze zu gehen und sie vorsichtig in meinen Arm aufzusammeln.

"Ah, von mir aus... Vielleicht komme ich mal mit Himchan vorbei. Alles, um der Ratte zu entkommen. Er sitzt die ganze Zeit nur im Büro und legt die Füße hoch, während ich ihm nachrenne, er ist so unfassbar egoistisch! Ab und zu erinnert er mich an einen selbstsüchtigen Prinzen, der immer faul- HERR YOO WO KOMMEN SIE DENN HER?!"

Ich zuckte bei seinem plötzlichen Aufschrei vom Hörer weg, starrte kurz zweifelnd das Gerät an, aber der Anruf war beendet, bevor ich mich ihm noch einmal nähern konnte.

Konnten wir sterben, während wir auf Erden verweilten? Ich würde es lieber nicht ausprobieren, aber Daehyun schien kurz davor zu sein.

Seufzend legte ich das Handy weg und streichelte mit beruhigenden Worten das aufgebrachte Tier in meinem Arm. "Komm, ich bring dich jetzt zu deinem Freund zurück, hm?" Ich erhielt keine Antwort, als ich in meine Schuhe schlüpfte und vorsichtig die Treppe hinab ging.

Der Instinkt des Tieres hatte nicht gelogen, Yongguk war bereit außerhalb seines Ladens und gerade dabei mit besorgten Rufen jede Ecke im Umfeld nach seinem Kätzchen zu durchsuchen. Ich räusperte mich vernehmlich, wartete geduldig, bis er seinen Kopf aus der nahen Hecke gezogen hatte, um tief errötend zu mir auf zu sehen. Er begann sofort Blätter und kleine Zweigchen aus seinen dunklen Locken zu schütteln, die ihm heute weich in die Stirn fielen, streifte zerkratzte Arme aneinander ab.

Ich beobachtete ihn für einen langen Moment, wie er etwas zwischen seinen eher schmalen Schultern versinken zu schien und hätte er seine Flügel gerade, würde er sie garantiert nun schützend um seine Gestalt legen.

"Sorry, ich wollte dich nicht erschrecken. Suchst du zufällig das hier?"

Er hörte sofort mit seinem Notfallputzen auf und musterte mich, während seine Augen an der kleinen Gestalt in meinen Armen hängen blieben.

"Oh."

Wie war mir letztes Mal seine Stimme entgangen? Sie war tief, kaum mehr als ein leises Grollen.

"Tue ich in der Tat."

Tief aber geschmeidig wie Schokolade. Ganz anders als Daehyuns klare, kraftvolle Stimme.

Ein verlegenes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus und mir verschlug es abermals die Sprache, denn es war ein sehr hübsches Lächeln, voller weißer, gerader Zähne und gesundem Zahnfleisch. Ich verlor mich im Anblick von reiner Haut und der Art wie ein Muttermal auf seinem Wangenknochen mehr zu seinen Augen hinauf wanderte, während er lächelte.

"Oh, ist sie in deine Wohnung gewandert? Tut mir leid, ich habe nicht richtig auf die Tür achtet..." Er verlor sich nervös und ich schnappte hastig aus meinem Stupor, um wie eine normale Person zu antworten.

"Es ist kein Problem, sie hat nur Schutz vor dem Regen gesucht. Ich dachte mir, dass sie vielleicht zu dir gehört, wollte sie aber nicht zwischen all die Nadeln lassen."

In seinen Augen schimmerte eine gewisse Dankbarkeit, ein Stolz auf meine Rücksicht und ich fand keine Worte dafür wie anders er war, als ich es vermutet hatte.

Ich hatte einen unzufriedenen, geplagten Mann erwartet. Einen Kriminellen oder brutalen Menschen. Nicht jemand, der in seinen warmen Augen alle Geheimnisse der Welt zu bergen schien.

An seinem linken Unterarm blitzte Tinte auf, als er die Arme nach dem Tierchen ausstreckte, schlanke Hände um das Kleine legte.

"Danke, dass du auf sie aufgepasst hast." Er ließ es zu, dass sie sich zufrieden an sein Schlüsselbein presste und lächelte väterlich auf sie herab, er hob den rechten Mundwinkel etwas mehr, wenn er lächelte, sein Grinsen schief. Ich widerstand mühsam den Drang ein verlorenes Zweigchen aus seinem Haar zu zupfen.

"Absolut kein Problem. Dann gute Nacht, man sieht sich.", verabschiedete ich mich mit einem nicht minder faszinierten Lächeln und eilte dann wieder die Treppen hinauf, während er erleichtert mit seinem Kätzchen kuschelte.

Waren alle Dämonen so wunderschön? Ich würde wohl einen Blick auf Daehyuns gefürchteten CEO werfen müssen.

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