39. Lacuna
Yongnam lebte.
Ich wusste nicht, was passiert war, ob Yongguk nun gelogen hatte, oder ob Yongnam ihn tatsächlich davon überzeugt hatte tot zu sein, aber auf beide Arten waren wir wieder der Intrige des Dämons zum Opfer gefallen. Trotz dem Wissen, dass Yongguk ihn liebte und vermutlich eher schützen würde als mich, war die Sache faul. Ich zweifelte an meiner Fähigkeit Jinyoung davon abzuhalten ihn zu töten, sollte es so weit kommen.
"Lang ist es her, Baby. Wen hast du uns da mitgebracht?" Sein zynisches Grinsen war exakt dasselbe wie damals, noch immer so verwirrend nicht Yongguk, aber doch so ähnlich.
"Yongnam.", murmelte ich nur leise seinen Namen und sein Grinsen wurde breiter, als er sich uns endlich zuwandte, Yongguk aus seinem Sichtfeld entließ.
"Ihr kommt gerade recht. Wir wollten eben-"
Jinyoung unterbrach ihn und mir entglitt das Gesicht bei seiner Direktheit.
"Was zur Hölle sollst du denn darstellen?!", fauchte er ganz klar zu angespannt für Spielchen und die Armbrust lag auf Yongnam an, ich bemerkte aus den Augenwinkeln, wie Yongguk mit seinen Ketten kämpfte. Flehend streckte ich eine Hand nach Jinyoung aus, wollte hier lieber eine Erklärung statt blutigen Kampf.
"Er ist der Zwilling, den du gesucht hattest und er ist doch nicht tot, lass uns lieber reden, Jinyoung. Bitte.", murmelte ich ihm gedämpft zu, wollte Yongguk nicht in Gefahr bringen, aber Jinyoungs dunkle Augenbrauen waren zu einer düsteren Linie zusammengezogen.
"Er ist kein Dämon. Sieh ihn dir genauer an."
Konfus wandte ich mich wieder Yongnam zu, der noch immer lässig an seinem Thron lehnte und siegreich grinste, keine Spur von Geweih oder Flügeln, versteckt oder nicht. Perplex ließ ich die Hand von Jinyoungs angespanntem Arm fallen, sah ratlos zwischen den Zwillingen hin und her.
"Moment, was? Bitte klärt mich auf."
Wie war er bitte plötzlich kein Dämon mehr? Wie lebte er?
Yongnam lachte bloß auf, bevor er um die Lehne herum trat, um sich auf dem Thron nieder zu lassen, elegant die Beine übereinander zu schlagen.
"Sehr aufmerksam von dir, Jäger. Bist du verwirrt, Baby? Komm her, dann erkläre ich dir alles." Er klopfte einlandend auf seinen Oberschenkel und ich biss mir auf die Lippe, wägte die Chancen ab.
Yongnam lachte auf, als er mich zögern sah und lehnte sich dann zurück, trommelte mit den Fingern spielerisch auf die Lehnen an seinen Seiten.
"Gut, dann nicht. Heute bin ich ohnehin in Redelaune. Du erinnerst dich noch an den Abend vor zwei Jahren, richtig? An unser romantisches Rendezvous, das Ähnlichkeiten mit diesem hatte, hm?"
"Warum hat mein Blut dich nicht getötet?" Auch ich war nicht in Stimmung zu plaudern und dieses Mal war es Jinyoung, der mich davon abhielt unwirsch auf den Mann zu zu marschieren. Yongnam rollte die Augen.
"Dazu wollte ich doch gerade kommen. Ihr beide klebt übrigens ziemlich aneinander, geht das klar mit Yongguk?", spottete er weiter und wir starrten ihn gemeinsam schweigend nieder, bis er seufzend weitersprach.
"Fein. Damals kamst du dazwischen, als wir gerade Episode eins von dem versuchten, was wir hier heute taten. Wir sprachen über die menschliche und die dämonische Seite in jedem, nicht? Nun, aus zwei mach eins."
Ich verstand kein Wort.
"Ich verstehe kein Wort."
Yongnam hob nur beschwichtigend die Hände und erhob sich dann wieder, um gelassen wieder in Yongguks Richtung zu gehen, zuneigungsvoll eine Hand über die Wange seines Bruders gleiten zu lassen. Yongguk schmiegte sich in die Berührung und suchte den Blick des anderen, Yongnams Lächeln wurde augenblicklich sanfter.
"Ich habe experimentiert. Was passiert, wenn du Überwesen das nimmst, was sie zu Überwesen macht? Was wird aus einem Engel ohne Flügel? Was aus einem Dämon ohne dämonisches Blut? Du musst es dir vorstellen wie zwei Teile eines ganzen. Die Art von Dämon, die du kennst, sie sind sehr menschlich. Oni hingegen eher dämonisch. Worin besteht der Unterschied?", sprach Yongnam weiter, klang mehr und mehr wie ein irrer Wissenschaftler für mich und auch Jinyoung legte verwirrt das Haupt schief.
"Das Blut eines Engels tötet uns Dämonen, weil es zu stark ist. Ebenso umgekehrt. Ein Mensch hingegen hat kein Problem damit das Blut beider Parteien zu sich zu nehmen. Wir sind die beiden Parteien im Nachteil, der Mensch ist unser neutraler Mittelmann."
Er ging um Yongguk herum, um seinen Bruder von hinten in die Arme zu schließen, über seine verdrehte Schulter hinweg zu uns hinüber zu sehen.
"Nun stellt euch vor durch diverse... Rituale und Zeremonien, die zu schwer sind, um sie euch zu erklären, sorry, könnte man aus dem Dämon, der noch menschliche Anteile hat, gewaltsam einen vollen Dämon machen. Einen Dämon wie er normalerweise nur von Dämoneneltern geboren wird. Das Geheimnis liegt im Blut, in der DNA."
Jinyoung verlor die Geduld.
"Komm zum Punkt.", knurrte er Yongnam kochend an und ich drückte abgelenkt seine Armbrust herab, mochte es nicht, wie er auf Yongguk zielte. Der betroffene Dämon selbst war sehr leise, keine Emotion auf seinem Gesicht und ich fürchtete mich vor Yongnams Worten, ahnte schlimmes.
"Ich bin kein Dämon mehr, weil wir einen Weg gefunden haben mich zum Menschen zu machen. Aber mein dämonischer Teil ist keineswegs verloren." Damit tätschelte er sanft Yongguks Brust und auch wenn ich nicht begriff, wie, welche Art von kranken Experimenten er durchgeführt hatte, ich begriff, was wir nun vor uns hatten, worauf er anspielte.
"Du hast was?"
Jinyoung neben mir sah nicht weniger konfus aus wie ich und Yongnam lächelte nur nachsichtig.
"Soll ich es veranschaulichen? Er wird mich nicht töten, da mein Blut durch seine Adern fließt. Oh, aber ihr habt auch Misuki draußen gesehen. Erinnerst du dich an sie, Baby? Damals war sie noch blond." Ich traf Yongnams amüsierten Blick, das Glänzen in seinen Augen ungut. Es war nicht das Glänzen von wahnsinnigem Wissenschaftler. Es war das eines intelligenten Mannes, der eine durchbrechende Entdeckung gemacht hatte.
Aber ja doch. Sie war sein Engel. Deshalb hatte ich sie gekannt.
Mein Inneres zog sich unangenehm zusammen, der Fluchtinstinkt übernahm mich langsam, aber ich konnte unmöglich Yongguk zurücklassen.
"Du bist herzlich dazu eingeladen dich mit ihr abzusprechen. Es ist kein unangenehmer Prozess und sie sagt ihr geht es so besser als früher. Wenn du an seiner Seite bleiben willst, empfehle ich es dir wärmstens. Ich helfe gerne." Er zwinkerte mir verspielt zu, wuschelte Yongguk durch das Haar.
"Bis dahin aber..." Er löste seine Arme von Yongguk und ich spannte mich an, aber im nächsten Moment ging bereits ein gewaltsamer Ruck durch Yongguks Leib, warf ihn in seine Ketten.
Ich spannte den Kiefer an, als mehr Blut floss, Yongguks zarte Finger sich zittrig um die schweren Kettenglieder legten.
Erst begriff ich nicht genau, was nun passiert war, aber als Yongnam einen Schritt von ihm zurück trat und eine schwarz befleckte Klinge hob, fügte ich alles zusammen.
"Nein.", flüsterte ich tonlos und stürzte vorwärts, nur um sofort von Jinyoung abgefangen zu werden, grob an seinen Körper gepresst zu erstarren, beobachten zu müssen, wie Yongnam summend Yongguk sein eigenes Blut fütterte. Yongguk nahm es mit schmerzverzerrtem Gesicht an und ich kämpfte gegen Jinyoungs Halt an mir, musste zu ihm, musste Yongnam von ihm weg bekommen.
"Lass es, er wird ihn nicht töten!"
"Er geht zu weit!"
Wir waren zu sehr mit Rangeln beschäftigt gewesen, um noch viel mitzubekommen, aber das Klirren von Ketten, die schwer auf dem Boden auftrafen, ließ uns erschrocken aufsehen.
Yongnam lächelte uns friedlich entgegen, während Yongguk verschwunden war, an seiner Stelle ein übergroßer Dämon, aber dieser hier in voller Dämonengestalt.
In der Tat war er mit rot durchwirkt, seine Haut und das Fell prinzipiell Schwarz, aber immer mal wieder ging es in ein blutiges Rot über, seine pupillenlosen Augen glühend in der gleichen Farbe.
Jinyoung warf mich hinter sich, bevor ich lange über die eigenartige Schönheit seiner Form nachdenken konnte und richtete seine Waffe auf das Biest, das uns aufmerksam beobachtete. Es war keinerlei Ähnlichkeit mit Yongguk zu erschließen, aber ich zögerte dennoch nicht mich aufzurappeln und sofort in die Seite des Jägers zu werfen.
"Nicht! Er ist noch-"
Ich brach ab, als der Dämon sich näherte, mit leichten Schritten auf uns zu kam und dunkle Schatten auf den Boden warf. Er war noch etwas größer als Yongguk selbst, genau über der Grenze zu unmenschlich, aber er sah dennoch nicht minder tödlich aus, die Flügel wie eine finstere Wolke.
"Er hat übrigens keinen Grund euch nicht zu töten. Das zählt auch für dich, Baby. Wenn du gerettet werden willst..." Yongnam breitete einladend die Arme aus, ein sadistisches Grinsen auf den Lippen, als wir uns unter Yongguks greifenden Klauen hinweg duckten mussten, in unterschiedliche Richtungen davon rollten.
"Ich muss ihn erledigen!"
"Nein! Lass uns fliehen!"
Ich fuhr herum, als etwas krachte und der Boden mit einem Mal bebte, mich von den Füßen riss. Ich kam hart auf und rollte sofort herum, suchte den bebenden und an manchen Stellen bröckelnden Raum nach den anderen ab.
Jinyoung lag hustend neben einem Haufen gestürzter Steine und hielt sich die Schulter, während Yongnam sich am Thron festklammerte, eine Hand schützend vor seinen Augen.
Yongguk beherrschte die Mitte des Raumes und ihm gegenüber stand in einem Zentrum gleißend weißen Lichtes ein Engel mit drei Paar golden flammenden Schwingen und einem ebenso aus Licht geschaffenem Schwert, das die Klauen des Dämons abgewehrt hatte.
Sie waren beide etwa gleich groß, um die drei Meter vermutete ich und der Dämon das krasse Gegenteil zu dem Seraphim in voller Rüstung.
Mein verzweifelter Versuch auf die Füße zu kommen scheiterte, als die beiden wieder aufeinander prallten und ein scharfer Schmerz schoss durch meinen Hinterkopf, knockte mich sofort aus.
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